Probleme und Lösungen bei den „Los Millonarios“ – MX

River Plate erlebte nach der Ära von Marcelo Gallardo eine Aufbruchsstimmung unter Demichelis und präsentierte den Meistertitel. Nachdem der Versuch mit Demichelis langfristig misslungen war, soll nun Legende Gallardo ein neues, altes Zeitalter bei der Mannschaft aus Buenos Aires einleiten. Bereits nach wenigen Trainingseinheiten deutete sich an, dass „The Doll“ weiterhin die angestrebte Dominanz in Argentinien auf den Platz übertragen soll.

Der Abschied von Martín Demichelis als Trainer von River Plate markiert das Ende einer Ära, die stets im Schatten der Trainerlegende Gallardo stand. Demichelis trat letzte Saison zurück, nachdem die Mannschaft in den letzten Monaten der Saison immer wieder unter medialem Druck geraten war. Eine starke erste Halbjahressaison (die Liga wird immer im Halbjahresturnus ausgespielt) 2023 führte dazu, dass Demichelis‘ River Plate die Liga Profesional gewann und die Hoffnung in den Trainer stieg. Doch in der zweiten Jahreshälfte schwächelte das Team, erlebte ein Ausscheiden in der Copa de la Liga, dem Pokal, gegen einen Zweitligisten und, noch wichtiger, ein Ausscheiden in der Runde der letzten 16 der Copa Libertadores.

Demichelis, der Marcelo Gallardo nach dessen Ära abgelöst hatte, sah sich von Anfang an mit enorm hohen Erwartungen, auch in seinem Spielstil, konfrontiert. Gallardo, der von 2014 bis 2022 als Trainer bei River Plate tätig war, hatte den Club zu zahlreichen Erfolgen geführt, darunter zwei Copa Libertadores-Titel, die absolute Königsklasse in Südamerika. Demichelis trat die Nachfolge mit dem Ziel an, diese Erfolgsserie fortzusetzen. Doch die Herausforderungen ließen nicht lange auf sich warten. Kritische Niederlagen, etwa im Superclásico gegen Boca Juniors, führten dazu, dass die Fans und die Clubführung, wie so oft in Argentinien, schnell extrem unzufrieden wurden. Die Rückkehr von Marcelo Gallardo, der nun Demichelis’ Posten wieder übernimmt, bringt frischen Wind. Gallardo, der 14 Titel dort gewann, verfolgt das Konzept des dauerhaften „Protagonismus“, was bedeutet, das Spiel durch Kombinationsfußball und lange Zirkulationsphasen zu dominieren. Er betont immer wieder die Bedeutung von Intelligenz und Kreativität auf dem Platz und die Wichtigkeit, alle Spielphasen gleichermaßen zu bedienen. Macht er River wieder zu den Shootingstars in Südamerika?

Die Problemanalyse bei Demichelis

Grundformation unter Demichelis

Um die neue Verpflichtung zu verstehen, müssen wir aber zuerst mit den Problemen aufräumen. Eine Problemanalyse ist schon deshalb interessant, weil sie verdeutlicht, mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen ein Titelverteidiger, aber mit abgeschwächten Kader, in einer Liga voller reaktiv- und umschaltfokussierten Außenseitermannschaften zu kämpfen hat.

Eine solide Grundbasis mit Detailfragen

Martín Demichelis setzte bei River Plate auf eine flexible 2-3-Aufbaustruktur. In dieser Variante ließen sich die beiden Innenverteidiger, meist bestehend aus den Stammkräften Díaz und Pírez, weit auseinanderfallen, um Breite im Spielaufbau zu generieren. Die Außenverteidiger rückten dabei konsequent hoch, während ein einzelner Sechser – häufig Kranevitter – sich tief zwischen den aufgerückten Linien positionierte und als zentraler Ankerpunkt fungierte. Ergänzt wurde dieses Konstrukt durch zwei Halbraumspieler (größtenteils Aliendro und Simón), die für vertikale Anbindung und Raumkontrolle im Zentrum sorgten. Vorne agierte eine dynamische Dreierreihe, oft bestehend aus Solari, Mastantuono und Borja, die durch ihre Flexibilität zwischen den Linien und durch diagonale Abkippbewegungen für Unruhe bei den gegnerischen Defensivstrukturen sorgten.

Aus dem tiefen Spielaufbau heraus wurde häufig Torhüter Armani in eine tiefe Torwartkette eingebunden, wodurch die Innenverteidiger früh auffächern und andribbeln konnten. Dabei fungierte Armani oft als Verbindungsspieler zwischen den beiden Innenverteidigern. Diese Struktur ermöglichte es den Verteidigern, den Raum vor ihnen aktiv zu bespielen und das Spiel in die Breite zu ziehen. Das Andribbeln der Innenverteidiger löste bei der gegnerischen Pressinglinie früh Alarmbereitschaft aus und animierte sie zum Attackieren.

2-3-Aufbau: Auffüllen und Probleme in der Progression

Im Spiel gegen Cordoba formierte sich der Gegner dabei in einer breiten Dreierreihe in der ersten Pressinglinie, sodass Fonseca gedeckt wurde und ein Doppelsturm gegen die beiden Innenverteidiger entstand. Der Sechser positionierte sich konstant hinter der ersten Pressinglinie und stand hinter dem zentralen Stürmer des Gegners. Über diese Position versuchte er immer wieder, Laufwege ins weitgehend unbesetzte Zentrum anzusetzen, um so durch einen Diagonalpass des Innenverteidigers die direkte Spielfortsetzung zu forcieren.

Das Auffüll-Prinzip

Noch wichtiger war jedoch ein zentrales Prinzip des Trainers: das Auffüll-Prinzip, welches in verschiedenen Aufbauphasen eine Rolle spielt, aber vor allem in der tiefen Phase auffällt. Fonseca kippte immer wieder explosiv diagonal in den Halbraum ab und zog seinen Gegenspieler mit, wodurch die Innenverteidiger freie Bahn zum zentralen Andribbeln erhielten und die erste Pressinglinie überdribbeln konnten. Ein prägnantes Beispiel dafür war in der Partie gegen Córdoba zu beobachten:

Alternativen zu diesem festgefahrenen Spielmuster stellten verschiedene Ansätze dar. Eine Möglichkeit war, dass ein abkippender Halbraumspieler den Raum des verschobenen Sechsers auffüllte. Indem der Halbraumspieler situativ ins Zentrum rückte, band er den Gegner stärker und diente gleichzeitig als zusätzliche Anspielstation in der Zirkulation. Diese Bewegung dynamisierte die Mittelfeldstruktur und bot dem Ballführenden mehr Optionen im Aufbau. Durch diese Positionierung wurde das Pressing des Gegners weniger effektiv, da es schwieriger war, sowohl den Sechser als auch den Halbraumspieler gleichzeitig mannorientiert zu decken.

Eine weitere Alternative lag darin, im letzten Drittel gezielt Räume für Dribblings aus der Tiefe zu öffnen. Durch das Manipulieren der mannorientierten Verteidigung des Gegners entstanden Lücken, in die Spieler aus der zweiten Reihe stießen. Solche Bewegungen wurden vor allem durch die gezielte Provokation von Verschiebebewegungen des Gegners initiiert. Beispielsweise zogen die Halbraumspieler oder Außenverteidiger durch Läufe in den Raum ihre Gegenspieler aus deren Position, wodurch ein zentraler Spieler – etwa ein dribbelstarker Halbraumzehner wie Barco – den Weg ins letzte Drittel fand. So kreierte River Plate gefährliche Situationen durch vertikale Dribblings aus der Tiefe, ohne auf schnelle, riskante Bälle in die Spitze angewiesen zu sein.

Viele der Bewegungen von River Plate waren isoliert betrachtet sauber ausgeführt, litten jedoch unter einer unzureichenden Abstimmung im Gesamtkonstrukt. Die fehlende Synchronisierung der Laufwege und unpräzise Freilaufbewegungen erschwerten es dem Team, sich regelmäßig in entscheidende Räume zu bringen und den Spielaufbau nachhaltig zu kontrollieren. Zwar gelang es der Mannschaft immer wieder, vielversprechende Szenen zu kreieren, doch der letzte Schritt zur klaren Abschlussmöglichkeit blieb oft aus. Es wirkte, als verstünden die direkten Kombinationspartner durchaus die Intention des anderen, während die restlichen Spieler Schwierigkeiten hatten, die Aktion korrekt zu interpretieren. Dies führte häufig zu statischen Momenten und isolierten Angriffssituationen.

Probleme im 2-3-Aufbau

Ein weiteres Problem war, dass zwar häufig Linien im Mittelfeld durch Dribblings überspielt wurden, jedoch der Anschluss in der Offensive oder aus der letzten Linie heraus fehlte. Dadurch entstanden Ballverluste in entscheidenden Phasen, da das Team nicht geschlossen und mit der nötigen Dynamik agierte, um diese vielversprechenden Situationen in gefährliche Abschlüsse umzumünzen.

Denn der 2-3-Aufbau funktioniert grundsätzlich auch aus dem tiefen Aufbau heraus nur, wenn Bewegungen aus den anderen Linien erfolgen, um Dynamik und mehr Flexibilität zu erzeugen. Die extrem breite Positionierung der Außenverteidiger im Deckungsschatten von Stürmern oder Flügelspielern, in Verbindung mit einem meist mannorientierten Sechser, ermöglicht keine direkten Optionen für die Innenverteidiger aus diesem Aufbau heraus.

Demichelis positionierte seine Außenverteidiger bewusst extrem breit, um die Halbräume für abkippende Spielgestalter wie beispielsweise Echeverri freizuhalten. Diese Abkippbewegungen dienten nicht nur dem direkten Verbindungsspiel, sondern öffneten situativ Räume oder zwangen den Gegner zur Verlagerung seiner defensiven Strukturen. Auch gegen Córdoba war dieses Muster klar erkennbar: Die Halbraumstürmer agierten gemeinsam mit den zentralen Mittelfeldspielern in einer Box.

Aufbauspiel in einer 2+1-3-Anordnung gegen Cordoba

Auf der ballnahen Seite rückten die Spieler eng zusammen und bildeten Pärchen, um auf kleinstem Raum kombinieren zu können. Dieses enge Zusammenspiel führte dazu, dass auch die Linien von Córdoba auf der rechten Seite stark zusammengeschoben wurden, was die Kompaktheit zwischen dem rechten Mittelfeldspieler und dem Halbraumstürmer verringerte. Dadurch wurde Casco (oder auf der anderen Seite Sant´Anna), der rechte Außenverteidiger, immer wieder in die Tiefe anspielbar, da die Schnittstelle für einen Diagonalpass vom Innenverteidiger zu ihm aufging. Infolge liefen die beiden Halbraumspieler und Colidio diagonal ein, um möglichst schnell einen Vertikalball zu ermöglichen.

Probleme mit der Außenverteidigung

Ein wiederkehrendes Problem im Verlauf der Saison war aber die Ballannahme der Außenverteidiger bei solchen Diagonalbällen, die durch die eingepflegte Breite schwer zu spielen waren. Diese führte häufig zu Ballverlusten oder ermöglichte es dem Gegner, den Raum rechtzeitig zu schließen. Obwohl die breiten Positionierungen der Außenverteidiger Raum verschafften, erforderte die unzureichende Besetzung des Zentrums einen erheblichen Aufwand, um die gewonnenen Räume effektiv zu nutzen.

Selbst wenn es den Außenverteidigern gelang, den Ball zu kontrollieren, sahen sie sich weiteren Herausforderungen gegenüber: Da River Plate keine nominellen Flügelspieler einsetzt, sind die Außenverteidiger stark auf Freilaufbewegungen aus dem Zentrum angewiesen. Höherklassige Gegner verstanden es jedoch, diagonal anzupressen und damit die Freilaufbewegungen aus dem Zentrum in den Deckungsschatten des Pressingspielers zu zwingen. Oft blieb dem Außenverteidiger daher nur der Rückpass zum Innenverteidiger als Option. Dieser Passweg wurde jedoch häufig von den Gegnern, etwa durch den ballfernen Stürmer, antizipiert. Dies führte zu einem Teufelskreis, der maximalen Druck auf den ballführenden Außenverteidiger erzeugte und häufig zu einem langen Ball zwang.

Die Grundstruktur für eine effektive Ballzirkulation mit der kleinräumigen Dreiecksbildung erwies sich als gut, jedoch war eine Zirkulation ohne Progression sehr ineffektiv. Es fehlte River Plate oft an Geduld; anstatt den Gegner gezielt zu bearbeiten und sich Räume zu erarbeiten, griff man häufig auf den langen Ball zurück. Die Mannschaft schaffte es nicht, ihren Ballbesitz in der Art und Weise zu stabilisieren, wie es für wirklich dominante Teams charakteristisch wäre.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, fächern die Innenverteidiger extrem weit auf und versuchen in die Nähe des Außenverteidigers anzudribbeln, während der zentrale Mittelfeldspieler ebenso früh im Angriffsablauf horizontal verschiebt. Dadurch entstehen immer wieder Dreiecksstrukturen, die jedoch gleichzeitig große Räume hinter dem Innenverteidiger öffnen. Das Kernproblem bleibt aber die langsame Freilaufbewegung des Halbraumstürmers, also die fehlenden Optionen für den Weg in die letzte Linie. Die Wege sind zu lang, wodurch der Gegner den diagonalen Deckungsschatten gut halten kann. Die Innenverteidiger neigten dazu, den Ball zügig nach vorne zu spielen, oft in ähnlichen Passmustern, oder sich teils zu weit diagonal hinausdrücken zu lassen. Die Mittelfeldspieler versuchten, die Spielzüge mit übermäßiger Eile voranzutreiben. Dies führte häufig zu einem Mangel an struktureller Tiefe und Präzision im Aufbau. Auch die Stürmer agierten oft überhastet bei der Schussauswahl, was die Qualität der Abschlüsse beeinträchtigte.

Probleme im Spiel in den Druck

Ein weiterer Punkt, der diese These unterstreicht, sind die Probleme beim Spielen in den Druck hinein. Im Verlauf der Saison forcierte man zunehmend das Spiel in den Druck hinein, indem man gezielt den Sechser oder abkippende Spieler trotz Mannorientierung (oder einiger raumorientierter Spieler in der Zugriffszone) anspielte. Besonders nachdem Mastantcuono immer mehr in den Fokus rückte, der oft solche Szenen provozierte, wurde dieses Muster verstärkt. Das Problem bestand jedoch darin, dass, obwohl man sich gut aus dem Druck befreien konnte, die Gegner häufig die ballnahen Passwege zustellten und sich nicht durch das Druckspiel herauslocken ließen. Dies führte dazu, dass oft riskante Bälle in die letzte Linie direkt gespielt wurden, die schwer für die Spieler zu kontrollieren waren.

Das Spiel in den Druck zu Mastantuono

Ein Beispiel aus der Partie gegen Lanús verdeutlicht die Schwierigkeiten: Díaz forcierte ein Spiel in den Druck, indem er den abkippenden Mastantuono anspielte. Mastantuono zog bewusst aus der letzten Linie zurück, um einen Innenverteidiger aus der Viererkette des Gegners herauszulocken. Ziel war es, dieses Muster zu vollenden, indem Colidio nach einem „Klatsch“-Pass von Mastantuono durch einen langen Ball von Biafore tief gesucht werden sollte. Colidio suchte gezielt den Lauf hinter den herausgezogenen Innenverteidiger.

In der Praxis traten jedoch mehrere Probleme auf, die bei solchen Druckspielen bei River Plate häufig zu beobachten sind: Erstens war das Vorgehen zu vorhersehbar. Mastantuono setzte seinen explosiven Lauf aus der letzten Linie in den freien Raum zu früh an, wodurch der Gegner die Aktion antizipieren konnte. Zweitens gelang zwar der „Klatsch“-Pass, jedoch scheiterte Biafore aufgrund des Drucks des Gegners aus seinem Rücken an der weiteren Verarbeitung des Balls. Drittens war das Tempo von Díaz beim Andribbeln in den höheren Raum zu langsam, was die Dynamik der Folgeaktionen abschwächte. Viertens fehlte es dem gesamten Konstrukt an Klarheit über den richtigen Triggerpunkt für das Spiel in den Druck und die Laufwege. Dies führte dazu, dass der Zufallsfaktor eine große Rolle spielte und letztlich auch zum Ballverlust beitrug. Lanús verteidigte zudem sehr kompakt im Bereich, in dem Mastantuono abkippte, wodurch verhindert wurde, dass Mastantuono sich alternativ aufdrehen oder den Ball anderweitig verwerten konnte. Der Ball gelangte schließlich zu Biafore, der markiert wurde und sich einem direkten Zweikampf stellen musste.

Das Agieren im letzten Drittel

Das Spiel von River Plate in dieser Saison zeichnete sich dadurch aus, dass der Aufbau umso strukturierter und zielgerichteter wirkte, je höher und kompakter die Mannschaft ihre Linien formierte. Besonders auffällig war dabei das Verhalten nach Pässen auf die breit stehenden Außenverteidiger. In solchen Situationen rückte häufig ein Halbraumzehner diagonal zur Seite, während der ballnahe Stürmer leicht auf die Außenbahn fächerte, um die Außenverteidiger zu unterstützen.

Dieser ballnahe Raum stellte, sobald der Außenverteidiger andribbelte, oft eine Gleich- oder Überzahl gegen den Gegner her, was vor allem Optionen für Tiefenläufe eröffnete. Die Stürmer zeigten dabei immer wieder diagonale Läufe hinter die Abwehrkette. Der ballnahe Halbraumspieler, in der Regel Solari, agierte eher als Verbindungsspieler, um den Ball zu empfangen und diesen dann auf den ballfernen Außenverteidiger zu verlagern. Dieser suchte entweder den vertikalen Tiefenlauf oder, bei engen Abwehrreihen, den diagonalen Pass hinter die Abwehr.

Das Bespielen des ballfernen Raums erweckte zeitweise den Eindruck, dass dieser Raum eine zentrale Rolle im Offensivspiel von River Plate einnahm, da zahlreiche Chancen entweder direkt oder indirekt aus diesen Seitenverlagerungen entstanden. Besonders auffällig war dabei die diagonale Raumfindung über Überladungen im Zentrum, bei denen durch enge Bewegungsmuster Räume geschaffen wurden. Dies führte häufig zu Versuchen, den Diagonalpass auf den Stürmer zu forcieren. Allerdings zeigte sich in der Praxis, dass die Spieler in der letzten Linie diese Situationen oft nicht gut verwerten konnten, da sie sich meist in dichten Gegnerumstellungen wiederfanden, ohne Optionen für Ablagen oder drucklösende Pässe.

Die verschiendenen Zielräume von River, wenn der Außenverteidiger den Ball erhielt

River Plate hatte zunehmend Schwierigkeiten mit dem ballfernen Fokus, als Gegner begannen, das Spiel der Mannschaft besser zu antizipieren. Besonders deutlich wurde dies, als die gegnerischen Teams verstanden, dass sie trotz der Zentrumsüberladung von River eine breitere Defensivanordnung benötigen, um die diagonalen Passwege durch gezieltes Nutzen des Deckungsschattens zu verhindern. Dies führte dazu, dass weite Diagonalpässe vom Verbindungsspieler immer schwerer zu spielen waren, da der ballferne Außenverteidiger nicht mehr den Raum erhielt, den er in vorherigen Partien nutzen konnte.

Nochmals die Szene von oben aus der Partie gegen Cordoba zur Illustration: Wie Gegner sich anpassten, hier mit einem Idealbild aus einem 3-5-1-1-System

Zusätzlich wurden die diagonalen Läufe ins Zentrum über die Außenverteidiger zunehmend erschwert. Die Gegner begannen, die überspielten Linien aktiver in die Defensivarbeit einzubinden, was River Plate in seinen Optionen stark einschränkte. Besonders der Außenspieler der Gegner agierte taktisch geschickt, indem er den Außenverteidiger nicht direkt anlief, sondern den Verbindungsspieler Solari durch gezielte Positionierung im Deckungsschatten hielt. Dies setzte den ballführenden Spieler unter zusätzlichen Druck und erschwerte es River Plate, den Raum effektiv zu bespielen und gefährliche Situationen zu kreieren.

Darüber hinaus ließ der Gegner regelmäßig den ballnahen Stürmer einrücken, um den verdichteten Raum rund um das Zentrum im Deckungsschatten zu halten. River Plate hatte zudem große Schwierigkeiten, wenn der Rückpass vom Außenverteidiger zum Innenverteidiger sofort wieder von einem gegnerischen Stürmer unter Druck gesetzt wurde. Die Gegner nutzten diese Momente, um das Spiel von River Plate zu stören und die Ballzirkulation zu unterbrechen.

Ein erfolgreicher Ansatz aus dieser Zeit war die Personaldichte in der Linie hinter den Stürmern, die insbesondere bei Flanken über die Außenverteidiger zum Tragen kam. Die Gegner versuchten, dem entgegenzuwirken, indem sie ebenfalls eine hohe Personaldichte in der zweiten Linie aufboten. Diese Strategie ermöglichte es ihnen, die Tiefenläufe von River Plate zu antizipieren und gegebenenfalls eine situative Mannorientierung in der Box zu übernehmen.

Eine situative Lösung, die zur dauerhaften wurde

In diesem Spannungsfeld sah sich Martín Demichelis gezwungen zu reagieren, da die Ergebnisse nach einem soliden Saisonstart ausblieben. Zwar konnte man in Überzahl gegen Córdoba (2:0) und gegen das mannschaftstaktisch schwache Belgrano (3:0) Erfolge verzeichnen, doch diese waren vor allem auf die Schwächen der Gegner zurückzuführen. Gegen Córdoba fielen die Tore durch eine schwache Boxverteidigung, während Belgrano es River ermöglichte, dass die Halbraumspieler immer wieder abkippen und aufdrehen konnten, ohne verfolgt zu werden.

Diese situativen Erfolge führten schließlich zu einer systematischen Anpassung. Ab dem dritten Spieltag gegen die Argentinos Juniors veränderte Demichelis die Rolle der Halbraumspieler: Statt sich wie zuvor hinter der zugreifenden Pressinglinie des Gegners zu positionieren, agierten sie nun bewusst davor. Auch der tiefe Sechser operierte verstärkt vor der ersten Pressinglinie, oft in Situationen, in denen der Gegner im Bogen anlief und versuchte, die Innenverteidiger oder den Sechser auf die Flügel zu drängen.

Durch diese tiefere Positionierung des Sechsers entstand häufig der Eindruck einer Dreierkette, was River Plate mehr Stabilität im Spielaufbau verschaffte, den Gegnern jedoch gleichzeitig erlaubte, die zentralen Räume leichter zu verschließen. Diese zusätzliche zentrale Option führte dazu, dass die Innenverteidiger breiter standen und häufiger höher andribbelten. Dadurch wurde das bogenartige Anlaufen der Gegner weniger effektiv, und River konnte verstärkt auf den Flügeln überladen.

Die Bewegungen im 2-4-Aufbau von River

Die Flügelüberladungen nutzte River Plate gezielt, um Druck aufzubauen und Raum für diagonale Läufe sowie Spielverlagerungen zu schaffen. Ein gängiges Mittel war der direkte, tiefe Ball auf die Außenverteidiger oder Außenstürmer, die zunehmend breiter agierten. Im Laufe der Saison entwickelte sich das Zusammenspiel zwischen diesen beiden zu einem wichtigen taktischen Element: Der Außenstürmer nahm den Ball an, während der Außenverteidiger klassisch überlief und zur Flanke ansetzte.

Dieses Muster zeigte jedoch zunehmend Schwächen. Durch die ständigen Verschiebungen in die tiefen und breiten Bereiche des Spielfeldes blieb die zentrale Zone vor dem Strafraum, die entscheidend für das Einlaufen in die Box ist, häufig unbesetzt. So entstanden nur selten gefährliche Abschlusssituationen aus diesen vertikalen Aufbauten. River konnte zwar Raum auf den Flügeln gewinnen, doch fehlte es an Präzision und Präsenz im Strafraum, um diese Angriffe in klare Torchancen umzuwandeln. Der Fluss der Offensivaktionen stockte dadurch immer wieder, da das Spiel in der Breite die entscheidenden Läufe ins Zentrum nicht ausreichend vorbereitete.

Die zentrale Zone, die ursprünglich von den Halbraumspielern besetzt wurde, blieb nun zunehmend verwaist, da diese Spieler vermehrt vor dem gegnerischen Pressingwall agierten. Durch diese systematische Änderung fiel der Effekt der Halbraumspieler im Spielaufbau gering aus, da die Gegner ihre Bewegungen direkt antizipieren und sie effektiv daran hindern konnten, sich aufzudrehen oder gefährliche Schnittstellen zu besetzen. Zwar konnte es gefährlich werden, wenn die Halbraumspieler auf den Flügel auswichen und dort zeitweise eine Überzahl schufen, doch die Gegner reagierten häufig mit einer einfachen 1:1-Zuordnung, wodurch River’s Vorteil zunichtegemacht wurde. Demichelis strebte nach dem Erkennen dieser Probleme dann eine Zwischenlösung an: Der ballferne Halbraumspieler kippte immer wieder neben den Sechser ab, während der andere wie zu Anfang der Saison höher agierte, wodurch durchaus eine gute Dynamik durch diese Raumbesetzung im Ballbesitz entstand.

Das größte Problem war jedoch die fehlende Besetzung des Zwischenlinienraums. Die breitere Positionierung der Außenstürmer sowie das tiefe Verschieben der Halbraumspieler führten zu einer strukturellen Zweiteilung des Teams. Dies machte den Spielaufbau stark abhängig von den Flügeln oder von direkten Pässen auf den abkippenden Mittelstürmer, welcher aber ähnlich wie zuvor mit der Verarbeitung weiter Probleme hatte. Der Raum zwischen den Linien, der entscheidend für flüssige Ballzirkulation und Progression durch das Zentrum gewesen wäre, blieb oft ungenutzt, was das Angriffsspiel von River Plate in diesen Phasen stark eindimensional machte und weiter extrem abhängig von individuellen Aktionen wie Dribblings.

River Plate gegen den Ball

Ein Anspruch an Dominanz wird immer am Agieren mit dem Ball bestrebt, aber gerade im Spiel gegen den Ball fällt und steht auch dieser Anspruch. Auch hier muss man den Kontext sehen: Die Liga in Argentinien ist keine Liga, welche voller Teams mit großer Vision mit dem Ballbesitz bestückt ist, River als Favorit hat meist über 80 % Ballbesitz, dennoch gehört von der Vorstellung vom idealen Spiel auch das Pressing dazu. Argentinien ist da logischerweise gerade von Marcelo Bielsa und den Mannorientierungen geprägt, interessanterweise sieht man aber auch einiges an raumorientierten Ansätzen, zumindest deutlich mehr als in Deutschland und Europa.

Das Gegenpressing

Ein zentrales Element im Spiel von River Plate war das Gegenpressing, das in vielen Phasen der Saison sehr gut funktionierte. Durch das gezielte Verschieben mehrerer Spieler auf die Ballseite konnte das Team effektive Dreiecke bilden, die nicht nur für einen flüssigen Ballfluss sorgten, sondern auch nach Ballverlusten eine schnelle Rückeroberung ermöglichten. In Situationen wie der beispielhaften Szene konnte River durch diese Dreiecksbildung den Druck auf den ballführenden Gegner sofort erhöhen und so zahlreiche Ballgewinne erzielen.

Dreiecke beim Gegenpressing sorgten für hohen Druck auf den Ball

Besonders am Flügel spielte die Dreiecksstruktur bei River Plate eine entscheidende Rolle. Die Mannschaft formierte diese Dreiecke gezielt in den relevanten Zielbereichen im Ballbesitz, um auch bei Ballverlusten sofortigen Zugriff zu ermöglichen und gegnerische Angriffe frühzeitig zu unterbinden. Durch das schnelle und koordinierte Verschieben konnte man den Druck auf den Gegner in Ballnähe erhöhen und so viele Ballgewinne verzeichnen.

Allerdings traten logischerweise in einigen Phasen Schwachstellen im Gegenpressing auf. Wenn das Verschieben auf die Ballseite nicht konsequent genug erfolgte oder der Ballverlust zu früh erfolgte, wurden die Dreiecke zu spitz, was längere Wege für das Gegenpressing zur Folge hatte. Diese Unsauberkeiten ermöglichten es den Gegnern, sich gelegentlich aus der Drucksituation zu befreien. Unter Demichelis verteidigte River Plate insgesamt sehr effektiv heraus und fand oft den richtigen Moment, um das Gegenpressing zu initiieren. Dies führte dazu, dass Kontergelegenheiten des Gegners stark minimiert wurden und River nur selten in Gefahr geriet, durch schnelle Gegenstöße überrumpelt zu werden.

Horizontal erdrückendes Pressing

Der uruguayische Sechser Paulo Fonseca brachte es einst auf den Punkt: „Demichelis unterscheidet sich nicht sehr von Bielsa.“ Diese Einschätzung gewinnt an Substanz, wenn man die Defensivstrukturen der beiden Trainer genauer unter die Lupe nimmt. Insbesondere im Pressing wird der Einfluss von Marcelo Bielsa auf Demichelis‘ Arbeit bei River Plate deutlich – ein Eindruck, der durch die weit verbreitete Prägung von Bielsas Spielphilosophie in Argentinien noch verstärkt wird.

Im Pressing von River Plate wird die Präferenz von Demichelis für eine 4-1-4-1-Grundordnung deutlich, die sich in der Praxis oft zu einem 4-1-3-2 wandelt. Diese flexible Struktur ermöglicht es River, sich dynamisch an die Aufbaustrategien des Gegners anzupassen. Wenn der Gegner beispielsweise in einer Dreierkette aufbaut, stellt River seine erste Pressinglinie entsprechend um und setzt ebenfalls drei Spieler ein, um eine Gleichzahl in der ersten Aufbaulinie zu gewährleisten. Das Ziel ist es, den Ball auf die Flügel zu lenken, wo River Plate in der Regel aggressiv und mannorientiert verteidigt.

Besonders gegen Flügelverteidiger rücken die Außenverteidiger von River Plate oft weit vor, um die 1:1-Situationen auf der Ballseite aufrechtzuerhalten. Ballfern nimmt man gelegentlich Unterzahlsituationen in Kauf, um ein möglichst großes Kollektiv kompakt auf die Ballseite verschieben zu können. Dabei wird angestrebt, den Druck so hochzuhalten und den Deckungsschatten so effektiv zu gestalten, dass der Gegner die ballferne Seite nicht bespielen kann. Sollte der Gegner dennoch die ballferne Seite anspielen, reagiert River Plate durch schnelle Anpassungen der Mannorientierungen, um eine situative Übergangssituation mit gezielten Mannorientierungen auf diese Spieler der ballfernen Seite zu schaffen und den Pressingwall hinter den Ball zu bekommen.

Bild 1: Schematische Darstellung des Pressingsystems gegen Lanus bzw. eine Viererkette. Bild 2: Schematische Darstellung des Pressingsystems gegen die Juniors bzw. eine Dreierkette

Diese Mannorientierungen sind jedoch nicht starr. In einem 4-4-1-1-System positionieren sich die Außenstürmer von River zentraler in der Mittelfeldreihe und übernehmen oft die Deckung der gegnerischen Sechser. Dabei pressen sie erst dann auf den Außenverteidiger, wenn dieser den Ball erhält, um einen offenen diagonalen Pass nach vorne zu verhindern. Der Sechser von River Plate passt sein Verhalten je nach Zentrumsbesetzung des Gegners an: Mal übernimmt er strikt einen Gegenspieler in eine Mannorientierung und folgt diesem weite Wege, mal agiert er raumorientiert und verschiebt sich auf den ballnahen Halbraumspieler, wenn der Außenstürmer den gegnerischen Außenverteidiger attackiert.

Gefahr bei langen Bällen durch die Flexibilität

Diese taktische Flexibilität birgt jedoch Risiken. Aufgrund der unterschiedlichen Interpretationen der Pressingaufgaben im Hybridsystem kam es bei River Plate gelegentlich zu Abstimmungsproblemen. In manchen Szenen deckte der Außenstürmer den gegnerischen Außenverteidiger nur indirekt im Raum ab, während der eigene Außenverteidiger bereits in eine breitere, sprungbereite Position rückte. Dadurch entstanden Lücken in der Kette, die der Gegner insbesondere mit langen Bällen effektiv nutzen konnte, um schnell in den Rücken der Abwehr zu gelangen.

Grundsätzlich versuchte River Plate jedoch, den Gegner gezielt in ungünstige Situationen zu zwingen. Häufig stellte man den Außenverteidiger des Gegners, indem man den Passweg ins Zentrum zustellte und so den Gegner zu einem langen Ball zwang. Alternativ wurden auch die Rückpassoptionen zum Torwart oder zum ballfernen Innenverteidiger konsequent zugestellt, um den Gegner unter Druck zu setzen und ihn zu riskanten Pässen zu verleiten.

Besonders im mittleren und hohen Aufbau des Gegners legte River Plate viel Wert darauf, die weiten Laufwege der gegnerischen Zentrumsspieler mitzugehen und so die Progression durch den Zwischenlinienraum zu unterbinden. Das Team agierte hier geduldig und verschob geschlossen von einer Seite zur anderen, um den Gegner schließlich zum langen Ball zu drängen. Dank der kopfballstarken Innenverteidigung gelang es River Plate dann häufig, diese Bälle zurückzugewinnen und den Übergang in den strukturierten Ballbesitz zu schaffen.

Die Balance zwischen der kontrollierten Aggressivität im Pressing und der Stabilität im Defensivverbund war ein zentrales Element im Spiel von Demichelis‘ River Plate. Doch im Verlauf der Saison zeigte sich, dass es zunehmend schwer wurde, die erforderliche Intensität in den direkten Duellen über die volle Spieldauer aufrechtzuerhalten. Dadurch verlor das Pressing stellenweise an Wirksamkeit. Obwohl River Plate taktisch gut auf das gegnerische Spiel vorbereitet war und in der Theorie die richtigen Räume zustellte, fehlte es in entscheidenden Momenten an der Konsequenz, um Aktionen des Gegners effektiv zu stoppen.

Dieses Nachlassen in der Intensität führte dazu, dass der Gegner häufiger in der Lage war, sich aus Drucksituationen zu befreien. Das Team reagierte zwar positionsgetreu und verschob sauber, doch die entscheidenden Zugriffsmomente – das schnelle Attackieren des Ballführenden oder das Schließen von Passwegen im richtigen Augenblick – blieben manchmal aus. Dies ließ das Pressing verwässern und reduzierte den direkten Einfluss, den River Plate zu Beginn der Saison mit seinem intensiven Pressingstil noch gezeigt hatte. In diesen Phasen offenbarte sich, dass das System zwar defensiv stabil war, jedoch ohne die notwendige Intensität nicht denselben Druck auf den Gegner ausüben konnte. Die Folge waren häufiger Konter und Ballverluste, die das Team in gefährliche Defensivsituationen brachten, da die Abstimmung zwischen Pressing und Gegenpressing nicht immer nahtlos funktionierte.

Grundformation unter Gallardo

Gallardo 2.0

Das Kapitel zwischen Marcelo Gallardo und River Plate schien endgültig abgeschlossen zu sein. Für beide Parteien war es wohl eine der schwierigsten Entscheidungen der letzten Jahrzehnte, einvernehmlich neue Wege zu gehen. Nach einem Sommer der Vorbereitung und der Suche nach einem Nachfolger fiel die Wahl auf Martín Demichelis – einen Trainer, der den Verein seit seiner Kindheit kannte und genau wusste, welchen Fußball River Plate spielen möchte. Zunächst schien dieser Plan aufzugehen: Demichelis führte die Mannschaft zur Meisterschaft, sein Name tauchte bereits auf den Listen europäischer Topclubs auf.

Doch nach dem Meistertitel wendete sich das Blatt. Die Erfolge blieben aus, Verletzungen häuften sich, und der ohnehin große Kader wurde durch zahlreiche Abgänge weiter geschwächt. River verlor seine Stabilität und konnte nicht mehr an die glanzvollen Leistungen anknüpfen, das taktische Konzept wurde immer mehr hinterfragt und die Philosophie nur noch bedingt erkennbar. Schließlich sah sich der Verein gezwungen, Demichelis zu entlassen, und einen neuen Gallardo zu finden. Am Ende fiel dann die Wahl auf Gallardo selbst, was hat er in seinen 5 Spielen bereits verändert?

Erste Eindrücke im Spielaufbau

In seinem ersten Spiel zurück auf der Trainerbank von River Plate stellte Marcelo Gallardo eine altbekannte Formation auf, die jedoch durch interessante Personalentscheidungen auffiel. Zum ersten Mal in der laufenden Saison agierte River im Ballbesitz mit einer Dreierkette. Díaz und Gonzalez bildeten gemeinsam mit dem sonst als aggressiv aufspielenden Außenverteidiger Casco die erste Linie. Auf der anderen Seite rückte E. Díaz ebenfalls ins Zentrum, um die Defensive zu stabilisieren. Vor dieser Dreierreihe formierten sich Aliendro und Biafore als Doppelsechs, während Mastantuono die Rolle des offensiven Mittelfeldspielers übernahm. Echeverri und Solari besetzten die Flügelpositionen, wobei sie sowohl für die Breite im Spiel als auch für die Unterstützung der Offensive verantwortlich waren. Der im Sommer verpflichtete Bareiro komplettierte die Aufstellung als alleinige Sturmspitze, was River Plate eine klare Struktur im Angriffsspiel verlieh.

Aufbau im 3-3-4 gegen Huracan: Casco lässt sich zurückfallen

Im Aufbauspiel von River Plate unter Gallardo waren bereits klare Veränderungen zu erkennen, die an seine erste Amtszeit erinnerten. Insbesondere das Positionsspiel und die flexible Rollenverteilung stachen hervor. Ein zentraler Aspekt war das leichte Einrücken und das gelegentliche Abkippen eines der Außenverteidiger, das dazu führte, dass die Formation in eine breite Dreierkette überging. Dieses Einrücken wirkte bereits einstudiert und trug zur Stabilität des Aufbauspiels bei.

2v1 gegen den gegnerischen Sechser, dazu ballnahe Optionen sind offen

River Plate nutzte das Einrücken des Außenverteidigers, um eine breite Dreierkette zu formen, die es ihnen ermöglichte, das Spielfeld optimal auszunutzen und Huracáns Pressinglinie auseinanderzuziehen. Diese Breitenstaffelung öffnete sichere Passwege und half, das gegnerische Pressing zu umgehen. Ein zentraler Aspekt dieser Taktik war das Auseinanderziehen der gegnerischen Mittelfeldkette, wodurch größere Zwischenräume entstanden. Der erste Vertikalpass auf den Halbraumspieler, oft Mustantuono, ermöglichte es, den Ball in Drucksituationen zu spielen. Durch einen schnellen Rückpass auf Biafore konnte zusätzlicher Raum im Zentrum gewonnen werden.

Dieser Raumgewinn im Mittelfeld führte dazu, dass Biafore im Angriffsdrittel von Mitspielern unterstützt wurde, die, wie unter Gallardo typisch, in den Halbräumen agierten und diagonal in die Tiefe liefen. Dies resultierte oft in Überzahlsituationen im Sechserraum, wodurch River Plate gefährlich in den Strafraum eindringen konnte und der Gegner aus der Abwehr heraus verteidigen musste. Besonders auffällig war dabei, wie gut sich Biafore und Aliendro aus eher ungünstigen Positionen, teils aus dem Deckungsschatten, freiliefen und so eine hervorragende Option für die Druckauflösung darstellten. Dies verdeutlichte den schnellen Effekt von Gallardos taktischen Anpassungen bereits nach wenigen Einheiten.

River überlädt eine Seite, fokussiert aber auch weiter den ballfernen Flügel und setzt gezielt einen Übergangsbereich ein

Ein zentraler Aspekt unter Marcelo Gallardo ist die Besetzung der Flügelpositionen. Während Demichelis Flügelspieler nur situativ einsetzte, insbesondere wenn Stürmer diagonal in diese Bereiche liefen, verfolgt Gallardo eine konsequente Doppelbesetzung der Flügel. Der Außenverteidiger und der Flügelspieler werden aktiv in die Angriffsauslösung einbezogen.

Besonders hervorzuheben ist die Rolle von Solari während Gallardos zweiter Amtszeit. Er wurde in einer extrem breiten Positionierung eingesetzt und nahm eine Sonderrolle ein. Solari konnte immer wieder, wenn der Außenverteidiger den Ball vom Innenverteidiger erhielt, abkippen und den Ball empfangen. Gegner erkannten diese Bewegung zwar und versuchten, Solari zu verfolgen, jedoch wurde selbst ein Ballverlust als Raumgewinn verbucht, was dem Team zusätzliche Motivation verlieh.

Das eigentliche Ziel dieser Flügelüberladung ist es, durch Kombinationen des abgekippte Halbraumspielers und des abgekippte offensiven Mittelfeldspielers mit dem Flügelspieler und dem Außenverteidiger Raum zu gewinnen. Diese Bewegungen erfolgen nicht ohne taktische Überlegung: Eine Überladung in der Tiefe macht nur dann Sinn, wenn eine effektive Befreiung aus dieser Situation möglich ist.

Aliendro und Bareiro spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Sie sollen entweder rechtzeitig Tiefenläufe, wenn man sich aus der Überladung lösen kann, anstoßen oder sich aus dem Deckungsschatten heraus in den freien Raum des Halbraums, wenn Unterstützung benötigt wird, bewegen. Neben der Überladung (grau) und dem Übergangsbereich (gelb) liegt ein weiterer Fokus auf dem ballfernen Raum (weiß). Der ballferne Außenverteidiger und Flügelspieler sind strategisch positioniert, um im Falle einer erfolgreichen Überladung sofort die Tiefe zu suchen. Falls die Überladung nicht fruchtet und ein Zurückspielen erforderlich wird, bieten sie alternative Optionen und sorgen für eine flexible Anpassung der Spielsituation.

Allgemein zeigte sich River Plate unter Gallardo wieder deutlich geduldiger im Spielaufbau. Oftmals wurden mehrere Versuche unternommen, über mehrere Stationen Druck aufzubauen und zu den Innenverteidigern zurückzukehren, ehe die Überladung gezielt forciert wurde. Besonders die Doppelbesetzung der Flügel trug zur Entspannung des Systems bei, da ein Spieler im Notfall einrücken konnte, während der andere die Breite aufrechterhielt.

Auch die Abkippbewegungen aus dem Halbraum funktionierten deutlich besser, da durch die Besetzung mit nominellen Flügelspielern direkte Anspielstationen für Ablagen vorhanden waren. Unter Demichelis lief man sich im Zentrum häufig mit Dribblings fest. Bereits in den ersten Spielen unter Gallardo, der Dribblings eher ungern sieht, waren jedoch Tendenzen zu erkennen, dass durch die Doppelbesetzung der Flügel zunehmend Möglichkeiten für drucklösende Bälle gefunden wurden. Dies führte oft zu signifikanten Raumgewinnen.

Allerdings zeigte sich das Spiel teilweise noch etwas statisch, und technische Fehler, Fehlpässe sowie Probleme in der Chancenverwertung und Boxbesetzung blieben ein enormes Problem. Besonders die Seitenverlagerungen und direkten langen Bälle der Innenverteidigung auf die tief startenden Stürmer wirkten noch schlecht getimt und unabgestimmt, was zu einigen Ballverlusten führte. Trotz der schnellen Fortschritte im Aufbau- und Überladungsbereich wird Gallardo weiterhin daran arbeiten müssen, dass er wieder zunehmend Prinzipien einsetzt, welche A) in diesem großen Kader übergreifend anwendbar sind und B) auch die Abstimmungen zu den Spielern untereinander besser wird.

-1 in erster Pressinglinie

Die Erwartungen an Gallardo sind hoch, insbesondere in Bezug auf die Intensität, die er ähnlich wie in seiner ersten Amtszeit auf den Platz bringen soll. Gegen den offenen Spielaufbau des Gegners, wenn dieser geordnet von hinten heraus das Spiel eröffnet, steht River Plate unter Gallardo meist aus einem 4-1-4-1-System heraus, was sich aber immer auf den Gegner anpasst. Anders als unter Demichelis, der oft eine weniger strukturierte erste Pressinglinie hatte, strebt Gallardo eine klare -1-Anordnung an, was in der Liga oft einfach durch einen Mittelstürmer erreicht wird.

Dieser Mittelstürmer soll die Innenverteidiger bogenartig anlaufen, um den Gegner in die breiten Bereiche des Spielfelds zu zwingen. Jede Formation, die River Plate einsetzt, legt dabei einen klaren Schwerpunkt auf das Schließen der zentralen Wege. In bestimmten Phasen sind sogar die Außenverteidiger invertiert, um das Spielfeld noch weiter zu verengen und die gegnerischen Passwege zu erschweren.

Die Ausgangslage im mannorientierten Pressing

Grundsätzlich agiert man in der zweiten Pressinglinie durchweg in 1:1-Anordnungen. Diese enge Stellung spielt eine wichtige Rolle, da sie Passwege in die nächste Linie blockiert und den eigenen Sechsern mehr Raum zu ihren direkten Gegenspielern verschafft. Auch wenn diese Enge Gegner teils zu Seitenverlagerungen einlädt, konnte River Plate diese Situationen bisher erfolgreich durch ein Zusammenspiel aus Herausrücken des zuständigen Spielers und dem Aufbau eines Pressingwalls hinter dem Ball bereinigen.

Die Diamantform im Pressing

Beim Mittelfeldpressing, nach einem Pass vom Innenverteidiger auf den Außenverteidiger, bewegt sich der Stürmer häufig aus seinem bogenartigen Lauf heraus und positioniert sich vor den Innenverteidiger. Dabei verbindet er sich oft mit dem offensiven Mittelfeldspieler und dem nahegelegenen Flügelspieler sowie dem Halbraumspieler zu einer Diamantform. Diese Diamantform ist äußerst schwer zu durchbrechen, da sie bedeutet, dass River Plate einen Spieler hat, der jeden nahegelegenen Passweg abdeckt. In der Folge sahen sich die Gegner häufig gezwungen, lange Bälle zu spielen.

Gallardo war in seiner Amtszeit für seine Tore nach Kontern bekannt. Folgerichtig zeigte sich auch in den ersten Spielen seiner aktuellen Amtszeit ein klarer Fokus auf Umschaltspiel und schnelle Konter. Nach Ballgewinnen und schnellen Umschaltspielzügen versuchten sich einzelne Spieler sofort aus dem Deckungsschatten ihrer Gegenspieler zu lösen, um sich entweder schnellstmöglich diagonal aus dem Druck zu befreien oder eine Seitenverlagerung vorzunehmen.

Jedoch machte es den Anschein, dass Gallardo zunächst auf Sicherheit bedacht war. Grundsätzlich versuchte man, das Tempo aus dem Spiel zu nehmen, den Rückpass zu suchen und dann strukturiert das Spiel zu eröffnen. Dies deutet darauf hin, dass Gallardo bewusst Ping-Pong-Phasen, wie sie unter Demichelis auftraten, minimieren wollte.

Das 1:1-Pressing zeigte sich in den Details teils noch ausbaufähig: Gelegentlich wurde der Gegner zu früh gestellt, wodurch die Struktur im Pressing verloren ging und man nicht mehr in der Lage war, den Deckungsschatten aufrechtzuerhalten. Auch nach langen Bällen des Gegners hielt man nicht konsequent an den Mannorientierungen fest, was dazu führte, dass Gegner oft durchschoben und zeitweise Überzahl für zweite Bälle kreierten. Das sind aber alles Themen, die man in der Detailarbeit in den kommenden Wochen angehen wird.

Fazit

Als jemand, der River Plate in der letzten Saison verfolgt hat, war ich beim Blick auf die Spiele in dieser Saison unter Martín Demichelis durchaus enttäuscht. Die Grundideen blieben zwar erkennbar, aber die Mannschaft wirkte zunehmend verunsichert. Ein wesentlicher Faktor war der stark aufgeblähte Kader mit 32 Spielern, der für Unruhe sorgte. Besonders die Transferflut zu Saisonbeginn – 31 Neuzugänge und 29 Abgänge – führte zu einem Mangel an Kontinuität. Diese tiefgreifenden Veränderungen schwächten die Basis des Teams erheblich und zwangen River dazu, praktisch wieder von vorne zu beginnen, was sich deutlich in den Leistungen niederschlug.

Hinzu kam einiges an Pech. Nach den xGPTS-Daten hätte River auf Platz 2 stehen müssen, doch die Realität sah mit Platz 12 deutlich düsterer aus. Die ausbleibenden Ergebnisse hatten weniger mit der tatsächlichen Leistung zu tun und waren oft das Resultat unglücklicher Umstände. Das brodelnde Umfeld und der Druck aus der Vereinsführung führten möglicherweise zu personellen und taktischen Veränderungen von Demichelis. Diese verstärkten jedoch nur die Unsicherheit im Team und lösten die Probleme nur oberflächlich wie vereinzelt. Insgesamt tat sich Demichelis schlichtweg schwer damit, dass er personell keinen festen Stamm fand, wodurch auch die taktische Basis litt.

Das zentrale zugespitzte Problem bestand darin, dass sich River Plate zu leicht in die Breite drängen ließ und dort auf den Außenbahnen isoliert wurde. Dadurch fehlten oft die Verbindungen ins Zentrum, was den Spielfluss unterbrach. Zwar wurden einzelne Aktionen wie das Spiel gegen den Druck gruppentaktisch gut gelöst, doch der Übergang in die nächste Spielphase gelang oft nicht. Dieser Bruch im Spielaufbau, bei dem die Mannschaft enge Situationen zwar bewältigte, aber der Angriff dann nicht konsequent fortgesetzt werden konnte, oft auch aufgrund des Themas Technik und Entscheidungsfindung, stellte eine wiederkehrende Schwachstelle dar.

Gallardos Herausforderung wird darin bestehen, die aktuellen Probleme Schritt für Schritt zu lösen, ohne einfach sein „altes“ System auf den neuen Kader zu übertragen. Stattdessen muss er Synergien zwischen den herausragenden Einzelspielern wie Mustantuono oder Echeverri schaffen und das Mannschaftsgefüge, insbesondere die „Wir gegen den Rest der Welt“-Mentalität, wieder wie in der ersten Amtszeit stärken. Eine der größten Aufgaben wird sein, nicht wie in seiner ersten Amtszeit auf den Ruf eines „Pokaltrainers“ reduziert zu werden, bei dem seine weitreichenden und teils unberechenbaren taktischen Anpassungen vor allem in den K.-o.-Wettbewerben Früchte trugen. Diesmal muss er auch in der Liga konstant erfolgreich sein, denn daran scheiterte auch Demichelis.

Die Frage lautet dabei nicht mehr: „Can they do it on a cold, rainy night in Stoke?“, sondern eher: „Can they do it on a warm, intensive night in Barracas?“. Der Start macht Hoffnung, auch wenn viele Spiele aufgrund individueller Fehler nicht in 3 Punkte endeten. Dennoch zeigten sich bereits hohe Qualität im Ballbesitz und in den Pressingabläufen. Es sind nur kleine Details im Offensivspiel, die noch verbessert werden müssen, wie etwa die präzisere Einbindung des ballfernen Flügelspielers Solari, der zwar vereinzelt geschickt eingesetzt wurde, aber noch nicht konstant und effektiv. In der Länderspielpause wird Gallardo mit seinem Team an diesen zentralen Themen arbeiten, um die nötigen Anpassungen vorzunehmen. Nach der Pause stehen direkt zwei richtungsweisende Partien an: Zum einen das Superclásico gegen die Boca Juniors (21.09.; 21 Uhr), zum anderen das Viertelfinal-Rückspiel der Copa Libertadores gegen Colo-Colo (Hinspiel: 0:0) am 25.09. (2 Uhr). Beide Begegnungen werden entscheidend sein, um zu bewerten, in welche Richtung sich River in dieser Saison entwickelt. Für die Stimmung im Verein könnten diese Spiele von essenzieller Bedeutung sein. Wir werden berichten.


Über den Autor: MX hat eine Vorliebe für besonders auf Ballbesitz ausgerichtete Mannschaften, steht mittlerweile aber auch auf Relationismus. Neben Der-Jahn-Blog schreibt er auch für miasanrot. Vorher war er im Analysebereich des NLZ von Jahn Regensburg tätig.

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