Kurz ausgeführt: Ten Hags Spielaufbau gegen Fulham – MX

Nach einer herausfordernden Debütsaison steht Erik ten Hag in seiner dritten Spielzeit bei Manchester United vor der Aufgabe, den Klub wieder an alte Erfolge anzuknüpfen. Mit dem Gewinn des FA-Cups hat er bereits ein erstes Ausrufezeichen gesetzt und sich seinen Platz im Amt gesichert. Wir blicken nun kurz auf die Basis seines Teams: die Ballbesitzstruktur.

4-3-3-Grundformation zu 3-1-5-1

Zumeist setzt Erik ten Hag – typisch niederländisch – auf ein 4-3-3-Grundsystem, letzte und vorletzt Saison noch in einem klassischen 4-2-3-1. Anders als vielleicht erwartet, ist es jedoch kein striktes und klares 4-3-3, sondern entwickelt sich vielmehr zu einem fluiden 3-1-5-1.

Eine kurze Zusammenfassung, wie sich die Grundformation zu diesem System entwickelt:

Die häufigste Anordnung im Spielaufbau von Manchester United
  • Beide Außenverteidiger (Dalot und Mazraoui) schieben grundsätzlich auf Höhe der Mittelfeldlinie.
  • Zwischen Verteidigungslinie und Mittelfeldlinie agiert Mainoo als „Regista“ und diktiert das Spiel aus diesem Sechserraum heraus.
  • Mason Mount agiert als alleiniger Stürmer. Er steht unabhängig von der Mittelfeldlinie extrem hoch und fungiert formationstechnisch eindeutig als alleiniger Stürmer.
  • Der nominelle zweite Sechser, Casemiro, lässt sich meist halbräumig neben Maguire fallen und ergänzt so den Dreieraufbau. Oft rotierte man jedoch in dieser Rolle.

3-1-Raute: Casemiro, Mazouri oder Dalot als Halbraumverteidiger

Gerade den vierten Punkt gilt es zu besprechen, um das Aufbauspiel von Manchester United bestmöglich darzulegen. Ähnlich wie in der letzten Saison implementierte Ten Hag auch gegen Fulham wieder den 3-1-Aufbau mit einem zusätzlichen Spieler im Dreieraufbau. Diese Anordnung zeigt sich deutlich fluider als noch in der vergangenen Saison: Einerseits ist die Position des dritten Spielers flexibel, und es gibt verschiedene personelle Varianten, wie diese Anordnung umgesetzt wird.

Variante 1: Casemiro
Variante 1: Casemiro agiert halbrechts in der engen Dreierkette.

Die Raute bietet saubere Passwege, und Casemiro verlagerte meist auf Martinez, wodurch er auch Maguire erheblich entlastete. Oft fehlten jedoch seitens des Brasilianers das Andribbeln auf die Pressingwand und allgemein die vertikalen Aufrückmomente (was Martinez beispielsweise sehr gut machte). Dadurch war die Verbindung zur rechten Seite bzw. zu Mazraoui, auch durch fehlendes Abkippen, stark eingeschränkt. Der Gegner konnte seine Bewegungen frühzeitig antizipieren, wodurch die erste Aufbauphase ziemlich vorhersehbar wurde.

Fulham verschob bei Ballbesitz Casemiro frühzeitig auf die linke Seite, und der Stürmer, der Martinez mannorientiert markierte, konnte aggressiver attackieren. Auch die Passmap zeigt: Auffällig viele Pässe wurden zurück und nach links gespielt, während vertikale Pässe, die in dieser Aufbaurolle essenziell wären, nur sehr wenig vorkamen.

Casemiro zeigte jedoch eine starke Antizipation der eigenen Ballbesitzstrukturen. Wenn Martinez beispielsweise weit auf die linke Seite dribbelte, erkannte Casemiro dies frühzeitig und rückte links neben Maguire als zusätzliche Absicherung auf. Ebenso erkannte er, wenn Maguire etwas zu weit nach rechts verschob und ein Loch in der Mitte entstand, das er durch zentrales Abkippen füllte.

Variante 2: Mazraoui oder Dalot
Variante 2: Hier rückt Mazouri in die Dreierreihe.

Gleichzeitig bildet sich im Mittelfeld eine Dreier- bzw. Viererlinie, je nachdem, wie sich Fernandes positioniert. Diese Variante wird häufig verwendet, wenn ein Angriff über links erfolglos war und man sich über die Innenverteidiger aus dem Druck löst. Dabei wird überwiegend direkt der eingerückte Mazraoui gesucht. Ähnliches gilt für die andere Seite mit Dalot.

Direkt auffällig ist die Breite des Konstrukts: Die Zwischenräume werden größer und die diagonalen Passwege in den Sechserraum bzw. das Zentrum sind für die Halbraumverteidiger besser zugänglich. Gleichzeitig ist die Präsenz im Zentrum durch das Agieren von Casemiro als Sechser neben Mainoo ohnehin größer, was auch zu einer Raute durch die zentrale Position hinter der Pressingwand führt. Wenn Maguire den Ball hat, agieren Mainoo und Casemiro auf engem Raum zwischen den Linien in einer Pärchenbildung. Mainoo soll Casemiro im Spielübergang in das letzte Drittel bzw. aus dem engen Raum heraus unterstützen.

Allgemein wird die Breite im Pressing des Gegners zu groß, da Fulham mit den zwei Stürmern eigentlich die erste Aufbaulinie mannorientiert anlief und diese Linie nun enorm über die Halbraumverteidiger auffächerte. Wären die Stürmer diesen Wegen gefolgt, wäre der Weg in den Sechserraum deutlich besser bespielbar geworden.

Dahingehend bedarf es eines aggressiven Herausrückens aus der zweiten Pressinglinie. Die oben beschriebenen Übergaben, wenn der Flügelspieler von United entgegenkommt, sind dann ebenfalls nicht mehr umsetzbar. Infolgedessen muss der gegnerische Außenverteidiger aus der Viererkette ausbrechen, was das Konstrukt schwächt. Fulham neigte jedoch dazu, zu langsam oder zu wenig aggressiv für diese direkten Duelle aus der Kompaktheit heraus auszubrechen. Dadurch konnte Mazraoui einige Male direkt zu Diallo weiterleiten und ihn in direkte Duelle bringen, die definitiv zu seinen Stärken zählen.

Variante 2: Hier rückt Dalot in die Dreierreihe.

Auf der linken Seite gestaltete sich dies im Detail etwas anders: Da, wie bereits mehrmals erwähnt, Martinez dazu neigte, diagonal auf den Flügel aufzurücken, war kein zusätzlicher Spieler in der Breite notwendig. Vielmehr übernahm Casemiro die Absicherung im Zentrum. Daher kam Dalot nur selten in Situationen wie Mazraoui, auch weil er (dazu später mehr) in der zweiten Aufbauphase benötigt wird. Vereinzelt kam es dennoch vor, dass Dalot in ähnlichen Situationen agierte. In solchen Fällen war die Dreierreihe deutlich flacher, wodurch der Abstand der zweiten Pressinglinie zu den Halbraumverteidigern nochmals zunahm, und die zentralen Mittelfeldspieler agierten beide flach hinter der Pressingwand, sodass es in dieser Variante keine Raute war. Allgemein versuchte man, die Stärke von Martinez bei langen Bällen zu nutzen, indem man eine Seite stark überlädt, um den Gegner auf diese Seite zu ziehen, während die andere Seite isoliert und in der Breite besetzt wird, um dann die Tiefe mittels eines langen Balls auszunutzen.

Variante 3: Onana
Variante 3: Hier rückt Onana in die Dreierreihe und implementiert eine mittlere Torwartkette. Dalot und Mainoo befinden sich in einer 2v1-Überzahl zum Außenspieler von Fulham, die Stürmer können die Breite der Innenverteidiger nicht mitgehen, infolge wird Casemiro mannorientiert gedeckt.

Andre Onana kündigte vor der Saison an, dass er in der kommenden Saison noch mutiger mit dem Ball agieren wird. Gegen den FC Fulham zeigten sich bereits erste Ansätze, die unter weiterer Entwicklung große Früchte tragen könnten. Durch den Torwart als zusätzlichen Aufbauspieler im 3-1-Aufbau erzielt man zwar den gewünschten systematischen Effekt, muss aber an anderen Stellen keine weiteren Abstriche machen; somit erhöht sich der Effekt der Raute nochmals.

Wie am obigen Beispiel zu erkennen ist, hatte Fulham auch hier nur bedingt eine Antwort auf die breiten Innenverteidiger, die die Stürmer so nicht abdecken können. Damit die Stürmer ihren Zugriffsbereich erhöhen konnten, markierte infolge dieser Situation ein zentraler Mittelfeldspieler Casemiro. Diese Mannorientierung öffnete jedoch einen Raum im Zentrum, der prinzipiell auch direkt von Onana diagonal angespielt werden könnte, was zu einem direkten Angriff im Drittel führen würde.

Brisanter wird es dadurch, dass die Außenverteidiger die Flügelspieler relativ eng markieren und Mount ebenfalls von einem Mittelfeldspieler bewacht wird. Dies könnte durch eine solche Spieleröffnung zu direkten tiefen Läufen (für die vor allem Rashford bekannt ist) führen und die gegnerische Verteidigung mit nur zwei Pässen aushebeln. Zudem schafft die 2-gegen-1-Situation mit Mainoo und Dalot einen freien Spieler, der im Falle eines solchen Angriffs ebenfalls essenziell sein könnte.

Die Kehrseite ist jedoch, dass Onana nicht oft in diese Szenen eingebunden wurde. Viel zu schnell agierte der Torwart beim Ballbesitz und drängte sein Team meist in direkte Umschaltsituationen, woraufhin oft nur wenig qualitativ hochwertige Chancen entstanden. Es wird spannend sein zu beobachten, wie diese Waffe zukünftig eingesetzt und angepasst wird.

Rotierende Rondo-Linksüberladung

In der obigen Szene sieht man eine Rautenbildung als Ausgangslage am Flügel mit Martinez, Dalot, Rashford und Mainoo. Als Alternative dazu gab es später im Spiel immer häufiger eine ähnliche Staffelung mit dem horizontal verschiebenden Mount und einem zentralen Mittelfeldspieler, der den Anfang der Raute darstellte. In der Folge war Fulham beim Verteidigen quasi permanent in Unterzahl. Dazu kam, dass es für sie auch schwer war, in diesen Unterzahlsituationen Druck gegen eine technisch starke Mannschaft wie Manchester aufzubauen.

Das Rondo auf der linken Seite mit Rashford in der Mitte öffnet Wege in den Zwischenräume der Viererkette des Gegners und auch Diallo kann isoliert in die Box eindringen.

United verblieb jedoch nicht nur bei einer Raute, sondern verschob im Laufe des Spiels zunehmend Casemiro nach links, und auch Mount sowie Fernandes ließen sich weiter zurückfallen. Rashford hingegen ließ sich in diesen Szenen oft halbräumig fallen und agierte entweder im Rondo oder in der Mitte eines 5-gegen-2-Rondos. Diese Anbindung eines zentralen Spielers im Rondo erleichterte es beispielsweise, Mount direkt in die Tiefe zu schicken, wenn er sich auf Höhe der gegnerischen Verteidigungslinie befand.

Die Positionierung und der Lauf von Diallo sind beispielhaft dafür, wie ungeeignet das 4-4-2-Pressing für den Aufbau von United ist. Durch die flachen Linien und die wenigen Ebenen der Struktur muss entweder das gesamte Konstrukt auf die Ballseite verschoben werden, oder ein Spieler muss aus dem Konstrukt herausbrechen, was wiederum eine Reaktion aller anderen Spieler erfordert. Gleichzeitig zeigt diese Szene, wie wichtig die Vorbereitung auf der ballfernen Seite ist: Mazraoui soll eigentlich nur einrücken und absichern, aber damit der Außenspieler nicht Diallo markiert, bewegt sich Mazraoui in Richtung des Balls und zieht so den Gegenspieler mit. Infolge hat Diallo enorm viel Raum und kann problemlos im Rücken des gegnerischen Außenverteidigers in die Box einlaufen.

In diesem Rondo lief der Ball besonders in der ersten Halbzeit zunächst zu langsam. Fulham antwortete darauf mit Intensität, aber als United das Tempo in der zweiten Hälfte erhöhte, hatte der Gegner in dieser Anordnung keine Chance. Dazu trugen auch ständige Positionswechsel bei, die direkte Zuordnungen über das Spiel hinweg erschwerten und die Intensität sanken.

Fazit

Manchester United startete die neue Saison mit einem knappen 1:0-Sieg gegen Fulham, wobei der Debütant Joshua Zirkzee das entscheidende Tor nach einem schnellen Umschaltspiel gegen das in diesen Bereichen unterbesetzte 4-4-2 von Fulham erzielte. Obwohl das Ergebnis positiv war, traten weiterhin Schwächen im Spielaufbau und in der Chancenverwertung auf, ähnlich wie in der vergangenen Saison – wir bleiben gespannt.

Über den Autor: MX hat eine Vorliebe für besonders auf Ballbesitz ausgerichtete Mannschaften, steht mittlerweile aber auch auf Relationismus. Neben Der-Jahn-Blog schreibt er auch für miasanrot. Vorher war er im Analysebereich des NLZ von Jahn Regensburg tätig.

tobit 18. August 2024 um 08:38

2 kurze Einwürfe: Ten Hag (da ist im Titel ein zweites a reingerutscht) geht schon ins dritte Jahr. Und in der Regel wurde in den letzten beiden Saisons 4-2-3-1 gespielt, kein holländisches 4-3-3.

Antworten

Next Generation 18. August 2024 um 08:50

Sorry für diese idiotischen Fehler, ist ausgebessert. Wie gefällt es dir sonst?

LG
M(a)X

Antworten

tobit 20. August 2024 um 16:15

Bis auf die generalisierte Aussage über 4-4-2 Pressingformationen ziemlich gut. Das sieht mir nämlich im Artikel auch nach sehr schwacher Umsetzung und null Anpassung von Fulham aus. Ein von Rangnick aufgestelltes 4-4-2 würde sich da sicherlich nicht so leicht um-/ausspielen lassen.
Die verschiedenen Varianten den 3er-Aufbau herzustellen sind gut rausgearbeitet und der Artikel ist finde ich sauber strukturiert.
Wobei ich vllt zwei drei Spiele mehr gewartet hätte um den Artikel auf eine etwas breitere Basis stellen zu können. So ist es halt ein Spiel gegen ein schlecht eingestelltes und individuell unterlegenes Fulham auf dem alles aufbaut.

Antworten

Next Generation 20. August 2024 um 18:52

Hey, danke für das Feedback.

Jap, das sind sehr valide Punkte. Dachte mir, deswegen mal einen „kurz ausgeführt…“-Artikel, um der Sache auf den Grund zu gehen, aber dennoch Spielraum für kommende Analyse und Gegner zu lassen. Man merkt dann schon, dass ich mit dem Format noch etwas fremd bin und daher zu früh gewisse Ergebnisse daraus schließe.

Aber wie gesagt: Danke!

Grüße
M(a)X

Antworten

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*