Portugal gewinnt ohne großen Aufwand

Die Türken galten vor dem Turnier als Geheimfavorit für die Europameisterschaft, aufgrund von talentierten Jungen Spielern im Kader. Beispielhaft hierfür ist Arda Güler, der im ersten Spiel gegen Georgien, beim Treffer zum 2:1 seine Klasse unter Beweis stellte. Portugal hat im ersten Gruppenspiel gegen Tschechien spielerisch enttäuscht konnte aber dennoch mit 2:1 gewinnen.

Aus Vierer wird Fünferkette

Vincenzo Montella wechselte im Vergleich zum ersten Gruppenspiel auf drei Positionen. Startete auf der Rechtsverteidiger Position im ersten Spiel noch Müldür so war es gegen die Portugiesen Celik. Außerdem wurden beide Flügelspieler ausgetauscht. Für Yildiz kam Aktürkoglu rein und für Arda Güler Akgün. Grund hierfür war das die Türkei von einem anderen Spiel ausging.

Gegen den Ball verteidigte die Türkei aus einem 4-4-2 heraus. So agierten man in einem Mittelfeldpressing, gingen aber situativ auch ins Hohe Pressing über. In der Anfangsphase der Partie wurde im hohen Anlaufen versucht die Portugiesen früh unter Druck zu setzten. Da aber die Sechser Portugals sehr nah an der 1. Aufbaulinie agierten mussten beide Mittelfeldspieler der Türkei sehr hochschieben. Das führte dazu das die Kompaktheit im Pressing verloren ging und Portugal es immer wieder geschafft hat das Pressing zu überspielen. Daraufhin reagierten die Türken und verteidigte im Hohen Anlaufen mehr aus einem 4-1-4-1 heraus. Ayhan fungierte hier als alleiniger Sechser und hatte die Aufgabe, eine Verbindung zwischen den Ketten herzustellen. Außerdem konnte er die sich ins Mittelfeld fallenden Bruno Fernandes bzw. Bernado Silva, der sich im Tiefen Spielaufbau ins Mittelfeld fallen ließ. Anfangs wurde er vom Rechtsverteidiger Kadioglu begleitet. Da dies aber immer wieder Räume am rechten Flügel öffnete, löste es die Türkei im Laufe des Spiels, indem Kadioglu auf Joao Cancelo schob und ein Sechser, bei Tiefenläufen den Raum dahinter sicherte..

Die meiste Zeit des Spiels verteidigte die Türkei in einem Mittelfeldpressing. Hier wurde die Systematik geändert. So wurde aus der Viererkette eine Fünferkette. Kaan Ayhan der nominell auf der Sechserposition spielte, ließ sich immer wieder zwischen die Innenverteidiger fallen, um mit fünf Spielern die letzten Linie zu besetzten. Der Plan dahinter war, beiden Außenspieler Portugals (Bernado Silva/ Rafael Leao) gar nicht erst zu Entfaltung kommen zu lassen und bei Ballannahme direkt unter Druck zu setzten, da durch eine Fünferkette, die Außenverteidiger aus einer breiteren Position verteidigen können. Teilweise kam es aber zu Abstimmungsproblemen. So rückten teilweise einer der Innenverteidiger aus der Kette, wo mit einer Absicherung gerechnet wurde, aber Ayhan sich noch im Mittelfeld aufhielt. Deshalb wurde das Experiment in der zweiten Hälfte auch verabschiedet und es wurde auch im Tiefen Verteidigen aus einem 4-4-2 heraus agiert.

Portugals Pressing und Türkeis Lösungen

Portugal versuchte den Ball so schnell wir möglich zurückzugewinnen. Hierzu wurde versucht die Türkei aus einem 4-3-3 hoch zuzustellen. Je nachdem, welchen Innenverteidiger Ronaldo angelaufen ist, wurde unterschiedlich Druck erzeugt. Attackierte CR7 den linken der beiden Innenverteidiger, wurde er von Bernado Silva unterstützt, der von außen nach innen angelaufen ist um den Passweg auf den linken Außenverteidiger Kadioglu zu schließen. Entschied sich Ronaldo den rechten Innenverteidiger anzulaufen war es Bruno Fernandes der vom Sechser weg auf den Innenverteidiger presste. Hier war der Mittelfeldspieler von Manchester United sehr clever in seinem Anlaufverhalten. Er attackierte den Innenverteidiger so, das er den freien Sechser im Zentrum, aufgrund seines Deckungsschattens nicht Anspielen konnte.

Die Türkei versuchte die Dadurch entstehenden Räume zu nutzten. Sollte Bernado Silva wie beschrieben den Innenverteidiger anlaufen, war Kadioglu der freie Mann, über den Dynamik erzeugt werden konnte. Da der Offensivakteur von Manchester City den direkten Weg versperrte, war die Lösung der Türken ihn indirekt freizuspielen. Das geschah entweder per Chipball des Torwarts, oder er wurde per Spiel über den Dritten, übers Zentrum gefunden.

So auch in der fünften Minute. Ronaldo entscheidet sich für den linken Innenverteidiger. Bardakci wird angespielt und Bernado läuft von innen nach außen an umso den Passweg nach außen zu versperren. Aktürkoglu steht sehr hoch und sehr breit und bindet somit Cancelo. Bardakci lässt den Ball auf Bayindir klatschen. Dieser Chipt den Ball in den Rücken von Bernado Silva. Kadioglu hat keinen Gegnerdruck und kann Dynamik erzeugen. Die Türken kommen nach einem Diagonalball zu einer guten Gelegenheit.

Generell hatte die Türkei gute Ideen, wie sie das Pressing bespielen wollten. Es wurde aus einer 4-2-4 Struktur heraus aufgebaut. Die beiden Flügelspieler Akgün und Aktürkoglu hatten die Aufgabe mit einer sehr hohen und sehr breiten Position, die Kette von Portugal zu binden. Yilmaz spielte als rechter Stürmer, während Kökcu auf der linken Seite zu finden war. Beide Stürmer ließen sich ins Mittelfeld fallen, um so entweder eine Anspieloption zwischen den Linien zu geben, oder Raum zu schaffen,  indem sie die Innenverteidiger aus der Position zogen.

Das wurde relativ schnell zu Beginn des Spiels ersichtlich. In der zweiten Minute des Spiels, hatten die Türken in im eigenen Strafraum den Ball. Bayindir hat keinen Druck auf den Ball, da Portugal den Torwart offenlässt. Yilmaz bewegt sich ins Mittelfeld und zieht dadurch Pepe aus seiner Position. Da Cancelo auf Kadioglu schiebt, ist dieser Chip nicht möglich. Ruben Diaz, der Innenverteidiger muss aber aufgrund der Breiten Position von Aktürkoglu, sehr weit durchschieben. Dies führt dazu das die Abstände zwischen den beiden Innenverteidiger sehr groß sind. Aktürkoglu läuft Diagonal ein. Bayindir spielten den Ball in den freigezogenen Raum. Da der Ball aber etwas zu weit nach rechts kommt, kann Pepe die Situation bereinigen.

Leao und Mendes bringen Portugal auf die Siegerstraße

Portugal zeigte im Vergleich zum ersten Spiel gegen die Tschechen eine verbesserte Leistung im Ballbesitz. Im Tiefen Spielaufbau spielte Portugal mit einer flachen Viererkette. Auf der linken Seite hielt Leao die Breite, während Bernado auf der rechten ins Zentrum zog. Idee der Portugiesen war es durch Entgegenkommen enge Abstände zu generieren und die Türken immer wieder vor eine Entscheidung zu stellen.

Dies gelang schon nach nicht mal einer Minute. Portugal versucht nach einem Abstoß von hinten flach aufzubauen. Pepe führt den Abstoß aus und spielt auf Ruben Diaz. Dieser spielt den Ball zurück auf Pepe, der auf Nuno Mendes nach außen weiterspielt. Sobald der Ball in die Breite gespielt wird, kommen Bruno Fernandes im Halbraum und Rafael Leao am Flügel entgegen. Dieses Muster war bei Portugal häufiger zu sehen. Durch das Entgegenkommen werden der türkische Innenverteidiger sowie der Außenverteidiger aus der Position gezogen. Bruno löst die Situation mit einer genialen Bewegung auf und bedient Bernado Silva der in den freien Raum hinter dem Innenverteidiger hineinstartete. Ganz interessant hierbei ist die Bewegung von Ronaldo. Der Kapitän der Portugiesen „manipuliert“ mit einer Lauffinte Kadioglu. Er täuscht erst einen Laufweg auf den ersten Pfosten an, bewegt sich aber dann auf den zweiten. Das Ronaldo sich immer zum zweiten Pfosten hinbewegt konnte auch schon gegen Tschechien die im ersten Gruppenspiel beobachtet werden.

Verteidigten die Türken etwas tiefer, verschob sich bei den Portugiesen die Systematik. Hier wurde aus einem Dreieraufbau aufgebaut, mit Nuno Mendes als Linken Halbverteidiger. Joao Cancelo schob offensiv in den rechten Halbraum. Joao Palhinha und Vithina spielten auf einer Doppelsechs davor, wobei zweitgenannter situativ mit in den Rechten Halbraum schob. Durch diese Struktur hatten die Türken Probleme im Anlaufverhalten. Da Bernado auf der rechten Seite sich in der breite eher flacher positionierte musste Kadioglu oft weit rausverteidigen. Die Flügelspieler Aktürkoglu und Akgün hatten weite Wege auf die Halbverteidiger und so öffnete sich im Halbraum ein Korridor für Cancelo.

Auf der linken Seite war das Zusammenspiel von Rafael Leao und Nuno Mendes sehr stark. Dies führte auch zum ersten Tor für Portugal. Die Portugiesen verlagern das Spiel in der Kette auf die linke Seite. Da Nuno Mendes aus einer Halbverteidigerposition aufbaut zieht er zum einen den Flügelspieler der Türkei aus der Position und hat zudem einen Diagonalen Passwinkel nach außen, wodurch Leao aufdrehen kann. Mendes zieht mit seinem Tempo einen Tiefenlauf zwischen den Innen- und Außenverteidiger der Türkei an. Rafael Leao spielt den Ball zu Mendes hinter die Kette. Akaydin schiebt nach außen durch, kann aber nicht mehr auf die Dynamik reagieren. Mendes spielt mit dem ersten Kontakt den Ball in den Rückraum, wo Kadioglu Bernado Silva aus den Augen verliert.

Aber auch auf der rechten Seite, funktionierte das Zusammenspiel zwischen Bernado Silva und Joao Cancelo. So schafften es die Portugiesen nach Verlagerung mehrfach eine 2 gegen 1 Situation gegen den Kadioglu zu kreieren. In der 50. Minute beispielsweise überlad Portugal die linke Seite. Dadurch muss die Türkei weit auf die Seite verschieben. Aufgrund der Passivität des Teams um Montella kann Portugal die Seite über die Innenverteidiger verlagern. Cancelo bindet durch seine hohe Position Kadioglu und so geht der Pass zu Bernado Silva auf. Der linke Verteidiger entscheidet sich nun auf den Flügelspieler rauszuschieben. Cancelo läuft in den die Schnittstelle zwischen Innen- und Außenverteidiger. Dabei bewegt er sich im Rücken von Aktürkoglu, so dass dieser erst spät reagieren kann.   

Türkei ist zu fehlerhaft

Die Türkei war in diesem Spiel zu fehleranfällig. Es wurde den Portugiesen zu einfach gemacht Tore zu erzielen und man legte sich 2 Tore selbst rein. Beispielhaft hierfür kann das 3:0 angeführt werden.

Portugal hat einen Freistoß auf der linken Seite. Mendes schlägt eine Diagonalball auf rechts. Der Ball wird zu Vitihnia abgelegt, der einen Offenen Fuß hat. Ronaldo startet in die Tiefe. Die Kette der Türken hat in dieser Situation zwei Optionen. Entweder sie fällt im Kollektiv, oder alle Rücken raus und Ronaldo steht im Abseits. In der Situation läuft Ronaldo eigentlich ins Abseits, doch die Türkei entscheidet nicht im Kollektiv. Celik hebt das Abseits auf, während der Rest der Kette auf Abseits spekuliert. So ist Ronaldo frei durch und kann auf Fernandes auflegen.

Pepe Masterclass

Ein Spieler, der auf Seiten der Portugiesen ein sehr gutes Spiel machte, war der mittlerweile 41 Jahre alte Innenverteidiger Pepe. Zwar ist dieser aufgrund seines alters nicht mehr der schnellste, ist aber herausragend darin das Spiel zu lesen. So spielt er oft ein paar Sekunden in der Zukunft. So auch in der 37 Minute. In dieser Situation schaffen es die Türken über die linke Seite durchzubrechen. Die Abwehrreihe von Portugal fällt nach hinten. Ein Trend, der hier bei der Europameisterschaft zu sehen ist, sind flache hereingaben in den Rückraum. Pepe erkennt sofort das der Rückraum offen ist und bewegt sich genau in dem Moment, wo der Ball den Fuß verlässt. So kommt er rechtzeitig dazwischen und kann die Situation bereinigen.

Fazit

Der Sieg täuscht ein bisschen über die Leistung von Portugal hinweg. Schon im ersten Spiel war das Problem, das alle Spieler den Ball in den Fuß haben wollen aber keiner wirklich die Tiefe bedroht. Trotzdem muss gesagt sein das eine deutliche Steigerung im Vergleich zum ersten Spiel erkennbar war. Was gut funktioniert hat war die Veränderung der Position von Cancelo. Im Vergleich zum Spiel gegen die Tschechen kam er gegen die Türkei über die rechte Seite. Hier konnte er mehr Dynamik erzeugen und das Zusammenspiel mit Bernado war herausragend. Auch im Gegenpressing, was schon im ersten Spiel gut war, war in diesem Spiel herausragend, wodurch die Türkei nicht zu Entfaltung kam. Damit steht Portugal im Achtelfinale und der Gruppensieg ist ihnen nicht mehr zu nehmen, da nur noch die Türken auf sechs Punkte kommen können. Somit spielt Portugal gegen einen Dritt Platzierten aus Gruppe A/B/C.

Die Türkei hingegen muss noch um den Einzug ins Achtelfinale zittern. Ein Punkt gegen Tschechien würde allerdings zum Weiterkommen reichen. Hierzu müssen aber die einfachen Fehler abgestellt werden, denn rein spielerisch war man auf Augenhöhe mit Portugal. Ein Problem der Türken war es nicht genügen Druck zu erzeugen, da man sehr passiv verteidigte. Durch Aktiveres Pressingverhalten, hätte man die Portugiesen vor Probleme stellen können, da sie alles flach lösen wollen.

Zum Autor: VR hat vor Jahren angefangen, sich tiefgründiger mit dem Fußball zu beschäftigen und arbeitet seither neben der Ausbildung zum Sportkaufmann beim Bayrischen Rundfunk in der Sportredaktion. Er analysiert gerne und verfasst Artikel über das Spiel.

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