Liverpools Glas bleibt Hull(b) leer
Nach dem Erfolg gegen Manchester City an Silvester ist Jürgen Klopp 2017 noch sieglos. Da kommt Hull City gerade zur richtigen Zeit, möchte man meinen. Doch die Tigers schöpfen unter dem neuen portugiesischen Trainer Marco Silva wieder Hoffnung im Abstiegskampf. Ein kurzer Blick auf die Probleme des Spitzenteams und die unerwartete, aber doch irgendwie absehbare, Entwicklung des ersten Abstiegskandidaten.
Von „pundits“ und Portugiesen
Bereits zu Beginn der Saison hatte Hull City sich einen Titel gesichert, auf den man kaum stolz sein kann: Sie galten schnell als der Chaosverein schlechthin in der Premier League. Der eigentliche Trainer Steve Bruce war nach nicht gehaltenen Transferversprechen bereits vor dem ersten Spieltag zurückgetreten. Aus der Not heraus übernahm Assistent Mike Phelan einen zusammengeflickten Kader. Die zwei überraschenden Siege zu Saisonbeginn täuschten nur kurzzeitig darüber hinweg, dass die Reise für den Aufsteiger direkt wieder in Richtung Championship gehen sollte. Schließlich wurde zu Beginn des neuen Jahres der 39-jährige Marco Silva verpflichtet, um das doch noch zu verhindern.
Die Begrüßung der englischen TV-Gurus klang dabei wie ein Abgesang:
„What does he know about Hull? It’s quite astonishing that they’ve plumped for someone like this. It’s just baffling, when there’s a lot of people out there who know about the Premier League – know what;s required to dig it. He’s not got a clue. It’s manna from heaven to be given this job … it’s another slap in the face to all our British cultures and managers – and what they have done to make this appointment for six months is just embarrassing to the football club”.
Knapp einen Monat später sind sie es, die in sozialen Medien verspottet werden. In 3 wettbewerbsübergreifenden Spielen holte Hull City jeweils einen Sieg sowie ein Unentschieden gegen das Starensemble von Manchester United und sammelte auch darüber hinaus Punkte. Nun sollte auch Liverpool am eigenen Leibe erfahren, dass es im nördlichen Osten Englands noch die ein oder andere Raubkatze gibt.
Von 0 auf 100 im Premier League-Pressing-Rating
Die Mannschaft präsentierte sich in einem durchaus zu Silvas Zeit bei Sporting vergleichbaren System, das grundsätzlich zwischen 4-2-3-1 und 4-1-4-1 wechselte, wobei auch ein klareres 4-4-2 oder 4-5-1 möglich war. Die Rollenverteilung der beiden nominellen Sechser gestaltete sich so, dass Huddlestone grundsätzlich tiefer blieb und den Raum vor der Abwehr sicherte, während N’Diaye sich gegen und auch mit dem Ball viel bewegte. Er rückte oft dynamisch heraus, verfolgte vereinzelt Liverpooler Spieler oder nutze gerade bei Angriffen über die linke Seite Hulls seinen Deckungsschatten, um Zuspiele nach innen zu verhindern. Später wurde er noch weiträumiger in seinem Verhalten, schob weit nach rechts herüber oder ging nach vorne, um für verschobene 4-3-3-Anordnungen zu sorgen. Insgesamt zeigten sich einige Asymmetrien im Pressingansatz der Tigers.
Während Stürmer Hernandez eher halblinks blieb und somit lose auf die eigene rechte Seite leitete, ließ Evandro sich dort recht frühzeitig zurückfallen, um den Halbraum zu versperren. In der Folge spielte Liverpool hier häufig auf Milner zum Flügel. Hull schob enorm weit und kompakt herüber und verhinderte zumeist die üblichen Kombinationen Liverpools in diesem Bereich. Teilweise agierten sie sogar schon zu eng, wenn beispielsweise Linksverteidiger Robertson sich etwa auf Höhe des Elfmeterpunkts befand. Für diese Fälle agierte Clucas gegen den Ball tiefer und füllte ballfern, aber auch ballnah häufig zu einer Fünferkette, beziehungsweise pendelnden Viererkette, auf.
Insbesondere Pässe auf Coutinho wurden von Hull aggressiv zugestellt, sodass sich der Brasilianer nicht selten in klaren Unterzahlsituationen wiederfand, die auch für ihn schwierig zu lösen waren. Insbesondere Ranocchia agierte hier etwas zu unbalanciert, was den grundsätzlich unsauberen Charakter des Pressings unterstrich. Jedoch gelang es in der Regel gut, ballnahe Überzahlsituationen zu erzeugen und Liverpool in berechenbare Szenen zu zwingen.
Im höheren Anlaufen wurden die Abstände jedoch etwas größer und der Grad der Mannorientierungen nahm zu. Die Tiefensicherung, beziehungsweise grundsätzliche Abstimmung, in der Viererkette passte häufig nicht, was jedoch von den Reds in den seltensten Fällen genutzt wurde. Sie präsentierten sich grundsätzlich fahrig und unkonzentriert im Aufbauspiel (Beispiel: Cans Ballverlust in klarer Überzahl, der zur Ecke vor dem 1:0 führte).
Liverpool irgendwie wieder am Anfang
Can ließ sich von der nominellen Achterposition häufig weit zurückfallen, auch Henderson blieb tief, Matip spielte etwas vorgeschoben. So ergab sich eine große Überzahl in tiefen Zonen, bei der jedoch die Anbindung in zentrale Bereiche kaum gegeben war, zumal die drei vorderen Spieler weit vorgeschoben agierten und auch Lallana viel auswich. Die Beobachtungen erinnern stark an jene aus der Anfangszeit Klopps.
Vereinzelte Gefahr ging über das ballferne Ausweichen Firminos nach links aus, wodurch ein 2 gegen 1 entstand, das über Verlagerungen genutzt werden konnte. Gelangte der Ball jedoch unabhängig von der Situation zum Flügel, wurde allzu häufig der Weg entlang der Grundlinie gewählt. Auch die unterstützenden Läufe gingen zur Seitenlinie, wodurch die Verbindung zum Zentrum fehlte. Zur Verdeutlichung: Am Ende standen auf Seiten Liverpools 46 Flanken zu Buche. In deren Anschluss kam es dann zu vielen eher ungefährlichen Abschlüssen.
Die provozierten engen Situationen im Kampf um den zweiten Ball lagen Hull in ihrer Ausrichtung und ihrem Fokus zudem ganz gut, wodurch sie das Gegenpressing Liverpools mit kleineren Kombinationen überwinden konnten. Hier agierten die Reds, obwohl der Wille durchaus da war, nicht so intensiv wie gewohnt. Sie scheinen gerade ohnehin Probleme dabei zu haben, ihre Aktionen konstant in gewohnter Qualität und Quantität auszuführen – ein fast schon typisches Klopp-Problem.
Dieses zeigte sich auch im Pressing, welches zwar nicht allzu oft gefordert war, von Hull dann aber durchaus überwunden werden konnte. Auch die Gäste variierten zwischen 4-2-3-1 und 4-1-4-1, wobei vor allem das Zentrum eng zugestellt wurde. Genau dort positionierte sich allerdings Huddlestone und wurde gezielt angespielt. Der stämmige Engländer bestach mit recht guter Übersicht und wurde nicht so konsequent angelaufen, wie es nötig gewesen wäre. Immer wieder spielte er befreiende Bälle nach außen, wo Hull City schnell vorrücken konnte.
Ihre Struktur hatte teilweise was von einer Variation der Dunga-Raute. Grosicki blieb auf rechts in hoher Position auf der gleichen Ebene wie der im Zentrum startende Hernandez. Clucas ließ sich häufig fallen oder ging in den Zehnerraum, N’Diaye rannte überall ein bisschen rum: zunächst eher halblinks ausweichend, später die gedachte rechte Halbposition der Raute auffüllend. Evandro konnte derlei Bewegung dann durch tiefere Positionierung etwas balancieren. Alternativ wurden bestimmte Bereiche, vor allem auf halbrechts, bewusst überladen. Auch mit Ball blieb Hull City ein unangenehmer Gegner mit interessanten Ansätzen, denen häufig noch die letzte Konsequenz fehlte.
Fazit
Ein Beispiel auch hier Andrea Ranocchia: Teilweise spielte er Pässe, auch flach, ziemlich unreflektiert in ungünstige Situationen, um dann in anderen Szenen genau die richtige Option zu wählen – die Vorlage zum späten 2:0 wirkte nahezu lehrbuchhaft. Auf einem derartigen Fundament kann Hull City definitiv aufbauen, auch wenn sich noch zeigen muss, wie es um die Kohärenz des spät zusammengekauften Kaders tatsächlich bestellt ist. Den ein oder anderen Konkurrenten sollten die Tigers noch hinter sich lassen können.
Liverpool wird dies sowieso tun, kann das Titelrennen, wie alle anderen, nun aber endgültig abhaken. Doch auch der Einzug ins internationale Geschäft ist langsam bedroht. Irgendwie ist es das übliche Klopp-Phänomen, das man da gerade sieht. Formlosigkeit und Fitnessprobleme schwächen vor allem das er improvisiert daherkommende Offensivspiel. Es bleibt abzuwarten, welche Lösungen der Fußball-Lehrer dieses Mal hervorbringt und ob sie zu einer Verbesserung der Lage beitragen können.
16 Kommentare Alle anzeigen
fcb 10. Februar 2017 um 16:22
Vorallem wenn man bedenkt wie „einfach“ es für Fußballer ist das umzusetzen. (Ernährung, Training) Jeder Spieler bei einem Topverein verdient x Millionen pro Jahr. Die kosten für einen Fitnesstrainer, Ernährungsberater und 2 Köche sind peanuts für sie.
Zum vgl. muss ein Olympia Athlet in einer Randsportart vieles selber organisieren!? Oder wie funktioniert das dort?! Zumindest kann er sich wohl keine 2 Köche leisten etc ^^
Schorsch 10. Februar 2017 um 20:57
Im Trainingszentrum müssen sich auch Olympiaathleten in „Randsportarten“ (sollten Leichtathletik, Schwimmen oder Turnen etwa auch darunter fallen?) z.T. auch nicht selbst um den Ernährungsaspekt kümmern. Außerdem ist es in der Tat so, dass diese Sportler über eine extrem hohe Selbstdisziplin und Selbstorganisation verfügen. Da wird nicht viel gepampert und man muss sich um sehr vieles selbst kümmern. Ich kenne das sehr gut z.B. aus den Bereichen Rudern und Triathlon. Jeder Sportler ist prinzipiell in der Lage, selbst für die Umsetzung seiner Ernährungspläne zu sorgen und die meisten tun dies auch. Wenn man das alles nicht als Profisport betreibt und/oder bei Bundeswehr/Zoll/Polizei ist, muss z.B. Beruf, Ausbildung oder Studium noch so ’nebenher‘ organisiert werden. Gerade im Rudern ist das kein Zuckerschlecken. Dennoch schaffen diese Sportler es, sich selbst entsprechend zu bekochen. Der Profifußballer hat da ja immer noch seine Spielerfrau… 😉
CHR4 9. Februar 2017 um 00:52
naja die Verletzungen von Robben scheinst du Pep ja nciht anzukreiden … da liegt es also am Spieler?
sorry – nicht jeder ist mit einem robusten Körper gesegnet, Robben hat seinen Körper aber nach verletzungsanfällige Zeiten ne Zeit lang ziemlich gut stabilisieren können – aber nimm halt einfach die anderen drei als Bsp.
allerdings habe ich von Robben nie Schlagzeilen gehört wie „hatte nachts um 4 Uhr auf der Autobahn nen Unfall“ ; „hat nen unerlaubten Trip nach Mailand gemacht“ ; „hat besoffen ind ie Hotelloby gepinkelt“ ; “ war nachts wieder lange mit x im P1″ usw. – nur mal so der Vergleich zu anderen Spieler, die ich im Gegensatz zu ihm für keine Musterprofis halte, obwohl da bei den Schlagzeilen sicher spielerisch hervorragende Leute dabei sind
Dr. Acula 6. Februar 2017 um 13:11
danke für die analyse erstmal.
finde es erschreckend, dass trainer wie pep oder klopp, die eigentlich jedes noch so kleine detail berücksichtigen, auf etwas so profanes wie die fitness zu wenig wert legen. dass es so kommen würde, habe ich befürchtet und viele Benjamin Newman explizit vorausgesagt. wie kann das sein? irgendwelche erklärungen?
Koom 6. Februar 2017 um 15:23
Sie projezieren sich auf ihre Spieler. Guardiola und Klopp leben Fußball in jeder Minute ihres Daseins und körperliche Fitness stellt da eine Grundvorraussetzung dar. Der Profi (nicht nur) von heute lebt aber eventuell nicht nur für seinen Job. Trainer sehen es vermutlich so, dass ihre Angestellten abseits der (moderaten) Trainingszeiten per Rad, Laufband, Joggen und/oder Krafttraining was für ihr „Arbeitsmaterial“ tun, während die Trainingseinheiten „in der Firma“ mehr zur Leistungüberprüfung und taktischer Einstellung/Schulung dienen. Die Fußballer selbst sehen vielleicht aber nur die Trainingseinheit als zu erfüllenden Part. Man sieht ja aber an Trainingsmonstern wie vor allem Ronaldo, wie viel ein Leben für den „Job“ in dem Fall bringen kann.
CHR4 7. Februar 2017 um 02:32
also ich erwarte nicht, dass da im Topbereich im Fitnesstraining außerhalb der „Firma“ noch zusätzliche Einheiten erwartet werden sollten, Rad, Laufband, Joggen, Kraftraining und nicht zu vergessen Beweglichkeitstraining sollten doch größenteils unter Anleitung für jeden Profi Pflicht sein – alles andere ist naiv gedacht und das unterstelle ich den beiden nicht!
sicher gibt es diese Außnahmeprofis wie CR7, Lewy, Robben, Lahm denen man das auch selbst überlassen könnte … aber schon beim Kraftraining gibt es genug Kandidaten, die es schaffen auch unter Anleitung / mit Gruppen-Fitnesstrainer etwas Gas rauszunehmen und die Einheit mehr als Alibieinheit zu absolvieren
und dann gibt es noch den großen Bereich drumherum, bei dem ähnliches gilt, der aber nicht komplett überwacht werden kann und sollte : ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung usw.
Koom 7. Februar 2017 um 10:30
Vorweg: Ob es so ist, weiss ich nicht. Bin kein Spiel/Trainingsbeobachtet. Aber ich kann mir das ganz gut vorstellen. Bei Guardiola mehr als bei Klopp, dessen Steckenpferd eigentlich immer die Fitness war.
Andererseits „weiß“ man aber auch aus früheren Verpflichtungen (bspw. Wolfsburgs Transfer von Schürrle und De Bruyne), dass Fitness in England nicht so eine Wissenschaft ist wie in Deutschland und die von dort transferierten Spieler teils großen Nachholbedarf hatten. Und Klopp wie Guardiola arbeiten jeweils noch nicht so lange dort, um diesen Mangel tiefgehend zu beheben. Dazu muss ja einiges umstrukturiert werden und Liverpool wie ManCity haben einiges mehr an Baustellen.
Ist ja auch bezeichnend, dass die letzten Meisterschaften jeweils an Teams gingen, die entweder gar nicht (Leicester, Chelsea momentan) international unterwegs waren oder wie 14/15 Chelsea recht zeitig rausflogen. Das bringt dann doch einige Körner.
Ethem Saciak 7. Februar 2017 um 21:20
@Koom: also diese Erklärung erscheint mir dann doch etwas zu simpel. Guardiola erwähnt ja immer wieder, wie wichtig ihm bspw. die Ernährung der Spieler vor und nach dem Spiel ist und eigens dafür Experten eingestellt werden. Da wird er wohl kaum bei der Fitness auf den guten Geist der Spieler vertrauen.
@CR94: dass du CR7 und Lewy nennst, ist legitim. Aber Robben? Der ist alles andere als ein Musterbeispiel für pflegsamen Umgang mit seinem Körper. Der ist ja nur verletzt…
Bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass die beiden das entweder falsch einschätzen oder komplett unterschätzen. Von Klopp kenn ich das Zitat (sinngemäß) : „Das Training nur mit Ball ist ein Mythos. Fitness kommt durch Laufen, Laufen, Laufen.“ Und von Pep habe ich folgendes Zitat live mitgehört: [angesprochen auf die Verletzten vor dem Barca Hinspiel 2015] : „Meine Trainingsmethoden können gar nicht so verkehrt sein. Spieler wie Lahm, Müller oder Lewy sind nie verletzt.“ So sehr ich die beiden – vor allem Pep – schätze; solche Zitate zeugen doch von grenzenloser Ignoranz. Leute wie Benjamin Newman weisen seit Jahren darauf hin und haben mit ihren Prognosen Jahr für Jahr recht. So eine Wegschau-Mentalität wird sich spätestens in der RR immer rächen. Und das tut es dann auch immer. Ich habe dafür auch überhaupt kein Verständnis. Dass da nicht die Alarmglocken klingeln, ist doch absurd. Bei Trainern wie Mou, Favre oder Enrique sind Spieler so gut wie nie verletzt. Und wenn doch, sind sie ruckzuck wieder auf dem Feld.
Koom 9. Februar 2017 um 09:38
@Ethem: Es ist nur eine Annahme. Und Ernährung… selbst wenn sein Spieler brav alle Mahlzeiten auf seinem Ernährungsplan ißt, kann er nebenher noch andere Dinge essen/trinken. Und Ernährung und Fitness gehören zwar durchaus zusammen, aber nur vom Reis/Low Carb/High Carb etc. essen wird die Ausdauer nicht besser. Sonst könnt ich Marathons laufen. 😉
Gerade wenn Europapokal ansteht, sind die Trainingszeiten rar und ich bin mir recht sicher, dass sowohl Guardiola als auch Klopp diese wenige Zeit lieber für taktische und spielerische Schulung nutzen wollen, anstatt Ausdauer zu trainieren. Legitim. Aber gerade in England mit seinen drölfzig Pokalwettbewerben, großer Liga und natürlich des Geldes wegen die diversen weiten Freundschaftsspielen geht das an die Substanz. Gerade, wenn man auch ziemlich hochaktive Spielsysteme verwendet mit hohem Gegenpressing etc.
Letztlich sind wir uns ja durchaus einig, wenn ich deinen 2. Absatz lese. Ich denke auch, dass die diesen Faktor vernachlässigen – aus welchen Gründen auch immer. Ich denke schon, dass sie diverse Statistiken und Messwerte haben, die ihnen sagen, dass die Ausdauer im Schnitt eher schwach ist bzw. die aktuelle Erschöpfung sehr hoch. Das jetzt zu reparieren ist praktisch unmöglich.
CHR4 9. Februar 2017 um 13:45
Das Problem ist folgendes: Man muss das auch immer im Vergleich zu den anderen Mannschaften sehen: Wer aus der Saisonvorbereitung da mit Rückstand rausgeht wird immer Probleme haben, den Rückstand während der Saison wettzumachen. Die anderen legen ja nicht die Hände in den Schoß, sondern trainieren auch weiter. Im Gegensatz zur Bundesliga hat die PL ja auch keine Winterpause.
Pauschal würde ich aber nicht sagen, dass das jetzt nicht mehr zu reparieren ist. Hier wäre dann natürlich individuell zu unterscheiden, ob es jetzt an der mangelnden Erholung oder fehlenden Ausdauerfähigkeiten liegt. Das für die einzelnen Spieler jeweils optimal zu steuern ist allerdings ein Haufen Arbeit 😉
Im Ausdauerbereich gilt es ja drei Energiesysteme zu verbessern: Fettverbrennung (aerob), Kohlenhydratstoffwechsel (aerob + anaerob). Natürlich kann man da auch während der Saison mit entsprechender Steuerung, was dran machen: z.B. bei Regenerationseinheiten im niedrigen aeroben Bereich und bei der spielerischen Schulung im höheren aeroben und anaeroben Bereich (Laktatresistenz und -abbau). Aber wie gesagt die anderen machen das auch.
Bei der Ernährung spielt natürlich auch die Qualität der Zutaten und Zubereitung eine Rolle. Ebenso der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme: z.B. sollte man nach einer Einheit idealerweise nach max. 30 min. etwas Eiweiß drin haben. Aber selbst wenn der Club zusätzliche Regenerationsmaßnahmen wie Eisbad, Massage usw. noch gut steuern kann – bei der für mich wichtigsten Regenerationsmaßnahme ist der Spieler doch größtenteils selbstverantwortlich: ausreichend Schlaf, gute Schlafqualität und -rhythmus. Natürlich lässt sich dies mittlerweile auch überwachen …
Letzlich ist es während der Sasion eher die Microperiodisierung aus Belastung, optimaler (möglichst schneller) Erholung und erneuter Belastung (weder zu früh noch zu spät). Da ist für mich der Chefcoach sicher nicht allein der Verantwortliche, da muss das Trainer-Team optimal zusammenarbeiten.
PS: … und vielleicht muss man den Spielern auch mal während der Saison ne Regenerationswoche („normales“ Training aber mit etwas niedrigerer Intensität) mit „Gurkenspiel“ zugestehen …
PPS: ich denke auch die Marcoperiodisierung kann/sollte da durchaus je nach Ausgangslage ne andere sein: da Pool nicht international spielt, wird das Primärziel erstmal Quali für den internationalen Wettbewerb sein (natürlich möglichst CL), wann die Punkte geholt werden ist dann letzlich egal, also kann man bereits am Anfang (Voll-)Gas geben und schauen, dass man möglichst lange um den Titel und die nationalen Pokale mitspielt. Bei City sollte es meiner Meinung nach etwas anders sein: da sollte man jetzt wenn die CL-KO-Runden möglichst nicht erschöpft sein.
Schorsch 9. Februar 2017 um 18:56
Ich stehe dem hiesigen Olympiastützpunkt recht nahe und habe u.a. einen gewissen Einblick in das Training, die medizinische und physiotherapeutische Betreuung sowie die Steuerung der Lebensgewohnheiten (Schlaf, Ernährung, etc.) von Hochleistungs-/Spitzensportlern in olympischen Disziplinen. Da klaffen zum Profifußball nach wie vor Welten. Sicherlich hat der Fußball da in den letzten 25 Jahren enorm aufgeholt. Aber der Fortschritt ist im Sport halt nicht stehengeblieben. Ein Individualsportler ist sich von Jugend an voll bewusst, dass sein Körper sein Kapital ist. Dass ist bei einem Fußballer sicherlich auch der Fall, aber nach meiner Erfahrung auf einem anderen Niveau. Ein Olympiasportler hat einen Tagesablauf, der absolut getaktet ist; 24 Stunden eines Tages voll verplant mit detailliertesten Vorgaben. Das betrifft nicht nur Schlaf-/Ruhephasen oder Ernährung (die bis ins letzte ausgetüfftelt ist), sondern auch sämtliche anderen Bereiche des Lebens. Es wird alles strengstens kontrolliert und gesteuert, von einer Privatsphäre, in die der Trainer keinen Einblick hat, kann nicht gesprochen werden. Aber die Eigenkontrolle und Selbstdisziplin ist ohnehin schon enorm. Kein Vergleich mit Profifußball. Wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. Robert Lewandowski wurde z.B. angesprochen. Dessen Frau ist ebenfalls Sportlerin und sie weiß um die Wichtigkeit der Dinge. Das mag banal klingen, ist es aber ganz und gar nicht. Mal eine Döner essen oder ein Bierchen trinken gehen? Fehlanzeige – und das ist auch gut so…
Koom 10. Februar 2017 um 09:42
Genau sowas meine ich. Für das, dass die Spieler absurd viel Geld verdienen (auch im Bezug auf andere „Profisportler“), leben die meisten unglaublich schlecht dafür. Für mich würde da regelmässiges gezieltes Kraftsporttraining mindestens jeden 2. Abend, eine komplette Ernährungsweise mit den richtigen Makros etc. dazugehören. Das ist schlichtweg gute Pflege des Arbeitsmaterials und des eigenen Kapitals (ich rede aus Spielersicht).
Ich bin kompletter Laie, beschäftige mich wegen Abnehmens (35kg in knapp 7 Monaten) intensiv mit Ernährung und Kraftsport und bin durchaus fasziniert, wie schnell man gewisse Dinge erreichen kann und wie viel es ausmacht, wenn man dies oder jenes trainiert und auf seine Ernährung konsequent achtet. Und ich mache das komplett privat und bekomme keine 6-7 stellige Gehälter dafür.
These: Wenn alle Fußballer so sehr auf ihre Fitness und ihr Krafttraining achten würden wie Cristiano Ronaldo, dann wäre der nie Weltfußballer geworden. 😉
CHR4 10. Februar 2017 um 13:44
Im Bereich Kraft(ausdauer) / Stabilisation sehe ich eher zwei gezielte Einheiten während der Saison und drei Einheiten während der Saisonvorbereitung (evt. Winterpause) als optimal an. Zum einen braucht der Körper etwas Zeit um in die Superkompensation zu kommen, zum anderen hat man während der Saison mindestens eine „Einheit“ pro Woche, in der man voll ausgeruht auf dem Feld sein sollte (Bundesliga, Pokal, CL/EL).
These: Wenn mehr Fußballer so auf ihre Fitness und ihr Krafttraining achten würden wie CR7, dann würden einige „Talente“ nicht so oft auf der Bank sitzen. 😉
Die Disziplin, das alles immer so konsequent umzusetzen ist eben einer der Bereiche, die die Weltklasse von denen hintendran unterscheidet.
PS: Glückwunsch @Koom zur gesteigerten Fitness / Wohlbefinden, sowas zu lesen freut mich immer. 🙂
Koom 10. Februar 2017 um 14:58
„Die Disziplin, das alles immer so konsequent umzusetzen ist eben einer der Bereiche, die die Weltklasse von denen hintendran unterscheidet. “
Jepp. Das muss man einfach noch mal wiederholen. Und ich vermute, dass der Großteil der Fußballer in diesem Bereich den größten Nachholbedarf hat. (Aber wenn man halt so damit durchkommt und fürstlich entlohnt wird…).
P.S.: Danke. 🙂
Schorsch 10. Februar 2017 um 20:40
@Koom
35 kg in 7 Monaten? Mein lieber Scholli… Respekt! Und: Dranbleiben!
Antithese: Ohne Begabung nutzt auch das beste Verhalten nichts. Der gute Kevin möge mir verzeihen, aber ob Großkreutz ohne Döner- und Pilskenkonsum Chancen hätte, Weltfußballer zu werden…? 😉
Schorsch 9. Februar 2017 um 18:25
Die Saison in England ist aufgrund der Ligagröße und der diversen Wettbewerbe traditionell sehr lang und sehr intensiv. Die fehlende Winterpause wurde schon des öfteren für mangelnde Leistungsfähigkeit des englischen Nationalteams bei großen Turnieren verantwortlich gemacht. Inwieweit das stimmig ist, mag man zur Diskussion stellen. Zumindest ist es so, dass die Clubs dem schon in gewisser Weise Rechnung tragen. Ich weiß nicht genau wie es aktuell ist, aber in früheren Zeiten waren z.B. die Kader der englischen Profiteams sehr groß. In Wettbewerben wie dem League Cup, aber auch z.T. dem FA-Cup traten (und treten auch heute) je nach Gegner oft komplette B- oder C-Teams an. Auch scheint die EL nicht immer und von allen Teams mit der allerletzten Einsatzbereitschaft angegangen zu werden.
Wenn ich es richtig im Kopf habe, dann hat Klopp doch so um Weihnachten herum die fehlende Winterpause kritisiert und auf negative Folgen hingewiesen. Vielleicht hat er da schon geahnt (oder gewusst), dass sein Team abbauen wird… Obwohl Liverpool nicht international spielt. Bei anderen Teams scheinen entsprechende Probleme jedenfalls nicht aufzutauchen.