Blick über den Tellerrand – Folge 37
Reichlich Derbys gab es im Verlaufe der vergangenen Woche – ob innerstädtisch (Melbourne), regional (Baskenland) oder einfach nur „de Klassieker“. Der Blick über den Tellerrand schaut sich das an.
Spiel der Woche: Feyenoord – Ajax 1:1
Viel Intensität bot in den Niederlanden „de Klassieker“ zwischen Feyenoord – nach neun Siegen aus neun Spielen Tabellenführer – und Ajax, dem aktuell ärgsten Verfolger. Neben den vielen Mannorientierungen beiderseits sorgte auch ein gruppentaktisch entschlossenes Nachsetzen auf den Ball für zahlreiche wild umkämpfte Szenen, speziell vor dem Seitenwechsel. In einer über weite Strecken ausgeglichenen Begegnung erstickte daher die hohe Intensität den Großteil der spielerischen Entwicklung.
Bei Feyenoord war die Doppel-Sechs von Ajax´ Achtern zugestellt, umgekehrt Schöne durch Kuyt: Es dauerte lange, bis das Aufbauspiel der Kontrahenten in die Gänge kam. Auf Seiten der Gäste rückte im Pressing Younes immer wieder diagonal nach vorne auf, um Feyenoord auf die andere Seite zu lenken. Auf diese Weise konnten sie im ersten Teil der ersten Hälfte etwas häufiger die tiefe Zirkulation des Gegners stören und lange Bälle erzwingen. Später versuchte Feyenoord einige Male, dieses Vorgehen in Person von Toornstra zu übernehmen.
Über die letzten Wochen hinweg hat Peter Bosz bei Ajax die (zu seiner Vitesse-Zeit gern umgesetzte) Idee etabliert, die offensiv besetzte Achterkombination aus Klaassen und Ziyech im Aufbau verstärkt auch raumöffnend einzubinden. Häufiger gab es nun Phasen, in denen diese – gerade gegen Mannorientierungen, wie in der Eredivisie oftmals, aber auch kürzlich gegen Celta – Passwege freiziehen sollten, um mit direkten Zuspielen auf den ablegenden Dolberg nach vorne zu kommen. Das war auch diesmal wichtig, da die Amsterdamer ansonsten beim Spiel durch die Mittelfeldpositionen hindurch nicht so gut zueinander fanden und Schöne in den Übergangsbereichen nicht entscheidend unterstützen konnten.
So gab es einige ausweichende Bewegungen der beiden Achter. Jedoch hielten sich die Innenverteidiger sowohl mit riskanten Zuspielen als auch mit eigenen Aufrückbewegungen eher zurück. Gerade die zuletzt teilweise sehr weiträumigen Vorstöße unterblieben fast völlig – vermutlich aus Gründen der Risikovermeidung. Gegen den alleinigen Stürmer der Hausherren hätte hier Potential gelegen. Nur vereinzelt erhielt Dolberg Zuspiele, durch die sehr intensiv geführten Mannorientierungen um ihn herum waren zuverlässige Ablageoptionen aber nicht immer so leicht zu finden, zumal das gute Herausrücken Botteghins und van der Heijdens ihn oft entscheidend bedrängte.
Ein wichtiges Ziel dieser Spielweise Ajax´ besteht normalerweise dann darin, nach den Ablagen die Flügelstürmer in Szene setzen und ins 1gegen1 bringen zu können. Wenn dies mal gelang, waren die Zuspiele aus dem umkämpften Mittelfeld jedoch oft unsauber. Zudem doppelte Feyenoord viel konsequenter und dynamischer am Flügel als andere Eredivisie-Teams. Vor der Halbzeit hatte Ajax keine wirklich klare Torgelegenheit. Eine andere Route, um dem mannorientierten Zustellen des Gegners auf dem Weg in die Angriffszonen zu entgehen, wählte Feyenoord. Zu Beginn spielten sie längere Bälle, entweder auf den schnellen Basacikoglu in den Raum oder auf Läufe Kuyts hinter Sinkgraven, alternativ in seitliche Freiräume auf die Sechser.
Gerade Vilhena versuchte sich einige Male halblinks neben Klaassen im zweiten Drittel freizulaufen – diese Art der Einbindung sah man demgegenüber bei Ajax seltener. Es war ein anderer Weg, jedoch über weite Strecken kein gefährlicherer. In vielen Szenen fehlten den Hausherren zunächst die Mittel im Aufbauspiel, um kontrolliert flache Anspielstationen nach vorne zu finden. Weil Jörgensen einige lange Bälle festmachte und sich dann im Rückraum anbot, hatten sie phasenweise massiertere Offensivpräsenz. Ihre drei guten Chancen jedoch erwuchsen zunächst allesamt aus Standardsituationen oder nach vereinzelten Konterangriffen.
Erst in den letzten etwa zehn Minuten vor der Halbzeit nahm die Partie – nach einer wenig ereignisreichen Zwischenphase mit etwas mehr Ajax-Ballbesitz – wieder Fahrt auf. Dies ging hauptsächlich von den Gastgebern aus, die nun nochmals Druck entwickelten. Zwei Kernfaktoren trugen dazu bei: Zum einen versuchte Ajax das eigene Pressing anzupassen, erzielte damit jedoch einen negativen Effekt. Statt Younes rückte nun häufiger Ziyech in 4-4-2-Übergänge auf, sollte dabei El Ahmadi im Deckungsschatten halten oder an den herausrückenden Schöne übergeben. Das geschah jedoch zu undynamisch und teilweise in unpassenden Situationen. Letztlich verloren die Gäste dadurch eher Präsenz und Zuordnung im Zentrum, zumal gegen die längeren Bälle, mit denen Feyenoord dann antworten konnte.
Diese legten nun aber auch spielerisch deutlich zu – und das war der zweite Faktor. In dieser Phase schien Giovannni van Bronckhorst seinem Team einige neue Bewegungen und Mechanismen mitgegeben zu haben, die Ajax´ Mannorientierungen zunehmend vor Probleme stellten: Von links rückte Toornstra viel häufiger ein, Veltman musste unangenehm folgen und Raum für Doppelpässe und Vorstöße Kongolos öffnen. Zudem gelang es durch das aufbauende Herauskippen Vilhenas etwas besser, um die erste gegnerische Linie herum zu eröffnen und Klaassen gelegentlich aus dem Zentrum herauszuziehen. Letztlich bot sich auch Kuyt mal tiefer am Flügel an, was Schöne zunächst einige Male zu weit verfolgte: So konnten Karsdorp oder der herüber kommende Toornstra den Halbraum leichter attackieren.
Diese für Ajax nachteilige Dynamik setzte sich jedoch nach dem Seitenwechsel nicht fort: In bestimmten Momenten gaben sie die Mannorientierungen häufiger auf, unter anderem (bis auf wenige Ausnahmen) gegen das Herauskippen von Kuyt nach rechts, das vielmehr nun von Younes aus dem Mittelfeld gepresst wurde. Auch ließ Peter Bosz die beiden Achter tiefer agieren, so dass man mehr Anschluss an die Abwehr hatte. In 4-4-2-Phasen formierte sich Ziyech dann frühzeitig in der vordersten Linie statt herauszurücken – das bot zwar weniger Flexibilität in möglichen Zugriffsszenen, jedoch zeigte sich Ajax so insgesamt stabiler. Da Feyenoord sich zunächst etwas zu weiträumig auf Verlagerungen und vermehrt auch auf Flügeldribblings fokussierte, nahm deren Torgefahr wieder ab.
Vielmehr gelang Ajax zum Start des zweiten Durchgangs der Führungstreffer, nach etwa zehn Minuten durch Dolberg. Im Aufbau agierte Klaassen nun konstanter zurückfallend und raumöffnend, während Ziyech höher blieb. Dadurch sollte Vilhena herausgelockt und die rechte Seite besser geöffnet werden. Beim Schnellangriff nach einer Gegenpressingszene zum 0:1 spielten diese Strukturen auch eine gewisse Rolle. Insgesamt fand Ajax nach dem Seitenwechsel besser ins Match als zuvor, aber auch Feyenoord kam nun über Jörgensens Ausweichen – etwa nach langen Bällen – zu einigen Szenen und brachte zunehmend ihre aggressiven Gegenpressingaktionen über das Nachrücken von Karsdorp und El Ahmadi ein.
Für die Schlussphase brachten die Hausherren schließlich mit Kramer einen zusätzlichen Zentrumsspieler, nahmen dafür einen Innenverteidiger heraus und agierten mit einer improvisierten Dreierkette, in die El Ahmadi zurückpendelte. Das war noch ausreichend stabil, um sich Ajax´ unsauberen Kontern zu erwehren, während umgekehrt die Gäste sich gegen die erhöhte Offensivpräsenz Feyenoords nicht mehr anpassen konnten – auch weil Bosz früh seine Wechsel verbrauchen musste. In den letzten Minuten herrschte eigentlich konstante Unruhe im Sechzehner der Amsterdamer. Durch die starke Rückzugsbewegungsbewegung des Mittelfelds – vor allem Klaassen und Schöne – konnten sie sehr vieles noch klären, den Ausgleich durch Kuyt fünf Minuten vor Schluss schaffte Feyenoord aber.
Interessant zu beobachten: Melbourne Citys Ballbesitzspiel im Stadtduell
Spieltag zwei der neuen A-League-Saison in Australien brachte schon das zweite Kracher-Derby: Nach dem Duell der Sydney-Teams traten nun Mit-Rekordmeister Melbourne Victory und Vorjahresvize Melbourne City gegeneinander an. Bei Letzteren gab Superstar-Neuzugang Tim Cahill sein Debüt. Die mit dem Transfer des Nationalstürmers verknüpften großen Ambitionen konnten die Citizens in diesem Stadtduell auch unterstreichen – sie zeigten eine insgesamt überlegene Vorstellung, siegten letztlich auswärts mit 4:1.
Im Verlauf der ersten Halbzeit gewannen sie immer mehr Dominanz über das Spiel und nahmen Victory den Zugriff. Ein entscheidendes Element dafür war die Interpretation ihrer Grundformation bei eigenem Ballbesitz: Nach klassisch niederländischer Art – wie sie insbesondere in den 80er- oder 90er-Jahren verbreitet war – ließ Trainer John van´t Schip das nominelle 4-3-3 in eine 3-4-3-Rautenanordnung umformen. Aus der Innenverteidigung rückte Kilkenny ins defensive Mittelfeld vor, Cahill agierte im Grunde genommen als offensiver Zehner und die Außenverteidiger – gerade Muscat rechts – staffelten sich enger in den Halbräumen.
Außerdem wurde Torwart Bouzanis sehr konsequent eingebunden, so dass für das Aufbauspiel in der Tiefe eine weitere Rautenanordnung entstand. Dadurch hatten sie mehr Ruhe, konnten besser verlagern und die Schaffung neuer Optionen im Mittelfeld abwarten. Das unangenehme 4-2-1-3-Pressing von Victory sorgte in der Anfangsphase zunächst für Probleme bei den Hellblauen, da es quasi eine Raute dagegenstellte. Zudem zeigten die Hausherren zunächst gute Momente im asymmetrischen Nachschieben: Presste Berisha auf den Torwart, rückte der ballferne Flügelstürmer gegen den etwas nach außen weichenden Jakobsen vor. Später jedoch konnte City diese Vorgehensweise des Gegners immer besser umspielen.
Das erfolgte beispielsweise über lange Diagonalverlagerungen direkt auf die breitstehenden, dribbelstarken Flügelstürmer. Da bei Victory Rojas und Austin in der engen 4-3-3-Staffelung gegen die tiefer eingebundenen Außenverteidiger des Gegners recht weit herausgerückt waren, konnten die Zuspiele gut in die vertikalen Zwischenlücken gerichtet werden, was sie für Kamau und Brandán auch einfacher zu verarbeiten machte. Zudem ergaben sich gelegentlich lokale Überzahlen im Mittelfeldbereich, wo Kilkennys Aufrücken zusätzliche Präsenz schaffen und Dreiecksbildungen anregen, zumal Ben Khalfallah verstärkt binden konnte.
Insbesondere die beiden „Achter“ der Ballbesitzformation bewegten sich vielseitig, gelegentlich fiel Cahill in Lücken oder der fast schon zu umtriebige Fornaroli wich weiträumig aus. So ließen sich für die Gäste in den Mittelfeldzonen zwischendurch immer mal einzelne Anspielstationen öffnen, die sie dann bedienen und über die sie das Leder weiter nach vorne tragen konnten. Überhaupt zeigte City eine starke Leistung gerade im zweiten Felddrittel, wo sie das Leder gut in die Zwischenräume laufen ließen, vielseitige Bewegungen zwischen einrückenden oder tiefgehenden Außenspielern sowie ausweichenden Achtern und damit ihre Dominanz entwickelten. Beeindruckend war auch, wie konsequent sie bei Bedarf in die Rückzirkulation gingen. Gegen ihre Ballstafetten kamen die Dunkelblauen teilweise kaum mehr hinterher.
Auch im Angriffsdrittel schließlich wurde diese Überlegenheit auffällig. Die drei Akteure hinter Cahill – und dahinter noch Muscat als tieferer „Halb“-verteidiger – besetzten den Rückraum aufmerksam und pendelten abwechselnd nach vorne, um Abpraller aufzusammeln oder den Ball dort nochmals laufen zu lassen. Dabei jedoch fokussierten sich die Citizens in ihrem Angriffsspiel etwas zu sehr auf Durchbrüche über die Flügelzonen. Zunächst kam ihnen hier die eher tiefe Rolle ihrer Außenverteidiger jedoch durchaus zugute, da diese ihre nominellen Gegenspieler zurückhielten. Das brachte den individuell starken Dribblern mehr Raum und Zeit, wogegen Victory nicht mannschaftlich genug zuschieben konnte.
Unterstützung erhielten Kamau und Brandán nicht von ihren eigentlichen Hintermännern, sondern vielmehr durch Brattan und Colazo, um sich am Flügel durchzuspielen. In der lose mannorientierten Ausrichtung der Dunkelblauen rückte dagegen der jeweils ballnahe Sechser oft weit zur Seitenlinie heraus. Insgesamt verteidigten sie diese mannorientiert-gruppentaktischen Szenen eher passiv und zurückhaltend, ohne klar auf Balleroberungen zu gehen. Das ermöglichte dem Gast viel Initiative und Vorbereitungszeit, um sich dennoch durchzuspielen: Vor dem 0:2 etwa kam links Colazo zur Grundlinie. Dieser Treffer war zudem das Paradebeispiel für die Dominanz Citys im Gegenpressing.
Mit dem nachrückenden Cahill und Vorjahrestorschützenkönig Fornaroli hatte man auch im Strafraum ausreichend Präsenz. Dass die Sechser Victorys teilweise so weit außen gebunden wurden, erleichterte den Hellblauen abermals ihre Rückraumdominanz, mit dem sie den Gegner hinten festdrückten. Dennoch sorgte der starke Flügelfokus dafür, dass die Durchschlagskraft der überlegenen Mannschaft nicht ganz so zuverlässig war. Damit die Halbzeitführung mit zwei Toren Differenz so deutlich wirkte wie die Mittelfelddominanz, brauche es auch guter Chancenverwertung und beim 0:1 einen Sonntagsschuss Cahills fast vom Mittelkreis.
Dass die Mannen um Cahill die Begegnung so gut im Griff hatten, hing schließlich mit dem eher stockenden Aufbauspiel des Gegners zusammen. Es gelang diesem nur selten, ruhig durch das Mittelfeld zu spielen. Die Doppel-Sechs schob sich zwar einige Male asymmetrisch gut zur Seite, wie überhaupt Victory immer wieder Phasen hatte, in denen sie horizontal sehr kompakt zu attackieren versuchten. Jedoch fehlte es den defensiven Mittelfeldakteuren darüber hinaus an klaren, abgestimmten Freilaufmustern, zumal die Verbindung zu Ben Khalfallah im Zehnerraum kaum stabile Synergien aufwies. Nicht zuletzt machte die hohe Rolle der Außenstürmer Probleme, die zu häufig früh in die letzte Linie aufrückten und dort kaum effektiv eingebunden werden konnten.
Nach Eröffnungen auf die Sechser Victorys mussten diese viele Bälle mit hektischen langen Zuspielen nach vorne weiterleiten. Die ordentliche Offensivpräsenz und einzelne Mannorientierungen Citys in den hinteren Linien brachten einige Ansätze bis ins letzte Drittel. Es ergaben sich daraus jedoch nur unsaubere, nicht so leicht weiterzuentwickelnde Ausgangssituationen, so dass es vor der Halbzeit für keine gefährliche Offensivszene reichte. Die Rollen der Außenstürmer blieben auch in den Angriffszonen eher simpel und flügellastig. Erst in Halbzeit zwei rückten sie häufiger ein, Rojas erzielte so nach einer Nadelspieleraktion das zwischenzeitliche 1:3. Zuvor hatte ausgerechnet ein Ballverlust gegen Citys Pressing das vorentscheidende dritte Gegentor gebracht.
Und sonst so: Macht Valverdes Athletic immer das Gleiche? Nicht ganz
Am vergangenen Wochenende trafen sich Athletic Club aus Bilbao und Real Sociedad zu einer neuerlichen Auflage des Baskenderbys (Endstand 3:2). Die beiden Trainer Ernesto Valverde und Eusebio Sacristán sind in ihrer taktischen Auswahl auf Konstanz und Gleichförmigkeit eingestellt, zeigten auch diesmal wieder ihre bevorzugten Ausrichtungen. In der Folge wirkte die Begegnung in vielen Eigenheiten – ganz besonders in der Anfangsphase des Matches – fast wie eine Kopie des Aufeinandertreffens vom vergangenen März, als Real Sociedad an gleicher Stelle einen 0:1-Auswärtserfolg gelandet hatte. Diese Parallelen erschöpften sich nicht im intensiven, aufreibenden Grundcharakter mit vielen umkämpften Mannorientierungen, Herausrückbewegungen und langen Bällen.
Auch strukturell zeigten sich zahlreiche Ähnlichkeiten. Die Gäste agierten im Aufbau mit einem leichten Rechtsfokus, bei dem der gelegentlich herauskippende Illarramendi das Leder schnell nach vorne weiterleiten sollte. Dort zeigte Xabi Prieto als nomineller Zehner wie schon bei der vergangenen Partie viele Ausweichbewegungen in hohen Zonen, um Freiräume zu finden oder Lücken für den einrückenden Vela zu reißen. Demgegenüber wurde der andere Flügel vor allem nach schnellen Verlagerungen eingebunden: Abermals sollten dort schnelle Pärchenbildungen und kleine gruppentaktische Kombinationen gesucht werden, um Athletics Mannorientierungen zu bespielen, bevor das Kollektiv herübergeschoben hatte.
Der Mechanismus zwischen den sich wieder geschickt und anpassungsfähig bewegenden Yuri Berchiche und Oyarzabal in Zusammenarbeit mit dem ausweichenden Mittelstürmer hatte bei der Begegnung in der Vorsaison für den Siegtreffer gesorgt. Diesmal gab es auf diesem Wege wieder den einen oder anderen gefälligen Ansatz. Auch in Sachen Pressingarbeit orientierte sich Eusebio Sacristán an der typischen Grundausrichtung – und damit der des letzten Derbys: Entscheidendes Mittel waren die vorrückenden Bewegungen Xabi Prietos ins 4-4-2 samt Deckungsschattennutzung. Athletic reagierte darauf häufig ähnlich wie im März: mit vielen langen Bällen, für die später die Flügelstürmer vermehrt ins Zentrum einrückten.
Nach jener letzten Partie hatte Valverde in Folge der Heimniederlage kurzzeitig eine größere Systemumstellung vorgenommen und danach etwa gegen Valencia mit einer speziell besetzen Raute und verändertem strategischen Fokus agieren lassen. Auf lange Sicht setzte sich jedoch die gewohnte 4-2-3-1-Spielweise wieder relativ klar als Standardausrichtung durch. Nun zeigte sich diesmal aber, dass der Coach aus der vorigen Derbyniederlage gelernt und für die Einstellung auf dieses konkrete Match angepasst hatte. Letztlich spielten die kleinen Änderungen in der genauen taktischen Interpretation des Systems auch eine wichtige Rolle dafür, dass sich Athletic nun besser und schlussendlich erfolgreicher schlug – nachdem sie erneut einem recht frühen Rückstand hinterherlaufen mussten.
Der entscheidende Punkt lag im Pressing der Rot-Weißen: Sie stellten weiter vorne zu – was sie auch quantitativ häufiger taten – und rückten dabei geschlossener nach. Hatte San José in der Anfangsphase Xabi Prieto noch vermehrt bis in die letzte Linie verfolgt, schoben die Sechser später konsequenter mit vor. Der gegnerische Zehner wurde situativ von Laporte aufgenommen, doch da dessen Raumöffnungseffekt nun ins Leere ging, fand er in seiner so hohen Position ohnehin kaum Verbindung. Eine Ausnahme war die Entstehung des 0:1, als er dabei helfen konnte, Vela im offenen Sechserraum nach einem Direktpass von Raúl Navas freizubekommen. Hier zeigte sich einmal das Risiko des Pressings der Mannen aus Bilbao, letztlich wirkten jedoch die Vorteilseffekte dieser Ausrichtung stärker.
Gelegentlich schob Inaki etwas höher, bei Verlagerungen auf Yuri ging dann Iturraspe weit nach außen. Dieses – im Vergleich zum Match aus dem Frühjahr – konsequentere Nachschieben kappte auf der „Prieto-fernen“ Seite schnell die Bindungen ins Zentrum und ermöglichte ein kollektiveres Verteidigen der sonst gruppentaktisch überlegenen Mechanismen des linken Flügelpärchens der Blau-Weißen. Im Verlauf der Begegnung fand Real Sociedad kaum mehr Szenen nach vorne: Wie auch schon das 0:1 entsprang der späte zweite Treffer einem Standard. Insbesondere nach der Pause bot das vordere Pressing Athletics einige Variationen und brachte letztlich sogar zwei Ballgewinne zum 2:1 und 3:1.
Neben dem aggressiveren Einschieben des ballfernen Flügelstürmers zeigte Raul García bei Nachrückbewegungen sehr gutes Timing. Die Erhöhung der Intensität nach der Pause als bewusstes Rhythmusmittel gab es übrigens auch schon beim Duell im März. Ballgewinne waren für die Torgefahr diesmal auch deshalb wichtig, weil im geregelten Spiel nach vorne weiterhin Probleme bestanden – trotz der Ideen Valverdes. Der Aufbau lief phasenweise eben fast nur über lange Bälle, wo aber auch die Sechser kohärenter nachrückten. Vorne zeigte sich Aduriz ungewohnt präsent im Ausweichen zum Flügel. Das wurde jedoch weniger im Zuge von Rochaden oder klaren Bewegungsdynamiken genutzt, sondern schien eher zum Erlaufen von weiten Zuspielen und zum Ballhalten gedacht – also um erst einmal in die hohen Zonen zu kommen. In jenen Bereichen selbst tat sich Athletics 4-2-3-1 schon noch schwer, die Bewegungen zur Strafraumbesetzung wirken aber flexibler.
1 Kommentar Alle anzeigen
August Bebel 25. Oktober 2016 um 13:16
Ist wirklich Wahnsinn, was in dieser Reihe so alles abgedeckt wird! Ich hab das Baskenderby auch gesehen. Bilbao hat mit Aduriz und Raul Garcia natürlich hervorragende Zielspieler für lange Bälle. Raul Garcia hat dazu im hohen Pressing wirklich herausgeragt; ich glaube, er hat vor zwei Toren den Ballgewinn mindestens eingeleitet.