Ähnlich + doch verschieden = Unentschieden
Am 3. Spieltag wartete bereits das zweite Spitzenteam auf die Mannschaft von Jürgen Klopp. Nach dem Auftaktsieg bei Arsenal und einer großen Enttäuschung gegen Burnley gab es nun ein Gastspiel im Norden Londons bei Tottenham. Das Duell gegen Mauricio Pochettino versprach vor allem Pressing und Dynamik.
Ausrichtung beider Teams
Der Argentinier ließ seine Mannschaft im gewohnten 4-2-3-1 auflaufen, das vor allem durch die flexiblen Verhaltensmuster der 4 vorderen Akteure Kane, Eriksen, Lamela und Alli besticht, hinter denen Dier und Wanyama seit Beginn dieser Spielzeit die Stamm-Doppelsechs bilden. Die Viererkette besteht derweil zur einen Hälfte aus den belgischen Nationalspielern Alderweireld und Vertonghen, zur anderen aus den englischen Teamspielern Walker und Rose. Im Tor kommt Vorm aktuell aufgrund einer Verletzung von Lloris zum Einsatz.
Auch bei Liverpool fehlt der als Nummer 1 vorgesehene Loris Karius, sodass Simon Mignolet trotz seiner fast schon charakteristischen Wackler weiterhin Einsatzzeit bekommt. Jürgen Klopp vertraut davor seit einiger Zeit auf vom 4-3-3 abgeleitete Grundformationen. James Milner läuft dabei seit neuestem als Linksverteidiger in der Viererkette um Clyne, Matip und Lovren auf. Davor spielt Henderson als Sechser, während Lallana und Wijnaldum ein asymmetrisches Achter-Pärchen verkörpern. In vorderster Front werden wiederum die umtriebigen Mané, Firmino und Coutinho eingesetzt.
Liverpools flexibles Pressing bereitet den Spurs Schwierigkeiten
Gegen den Ball zeigte sich in dieser Zusammensetzung ein hohes 4-1-2-3 Mittelfeldpressing, das geprägt war von verschiedenartigen Versuchen, Tottenhams Aufbau zu lenken und sich insbesondere zu Beginn vermehrt auch als klares Angriffspressing gestaltete. Liverpool präsentierte sich dabei, wie allzu oft, gut auf die gegnerischen Eigenarten eingestellt und hatte entsprechende Gegenmaßnahmen parat.
Wie üblich ließ sich Dier bei den Spurs nahezu konstant zwischen oder neben die Innenverteidiger fallen, während Wanyama grundsätzlich davor blieb und sich in der Breite hin und her bewegen konnte. Er stellte dabei unter Beweis, dass er ein potentiell überaus interessanter Spielertyp ist, der eine herausragende Physis mit strategischem Gespür und Pressingresistenz verbindet. Im Mannschaftskontext zeigten sich hierbei jedoch noch einige Schwächen, zumal er Dier in gewissen Aspekten etwas zu ähnlich ist, wenn es um das Aufbauspiel in der eigenen Hälfte geht. Wanyama hält sich ebenfalls gerne recht tief auf und weicht direktem Gegnerdruck beispielsweise durch Herauskippen nach links aus.
Dadurch entstand ein ums andere Mal ein Loch im eigenen Sechserraum, welches durch Alli oder Eriksen gefüllt werden musste. Diese Bewegungen waren allerdings kaum in die mannschaftlichen Abläufe eingebunden, sorgten in der Folge für schwache Verbindungen und boten Liverpool eine gute Möglichkeit, Pressingfallen aufzubauen.
Firmino nahm bei zentralerem gegnerischen Ballbesitz den Sechserraum der Spurs in seinen Deckungsschatten und lief den ballbesitzenden Innenverteidiger beziehungsweise Dier im Bogen von innen nach außen an, sodass der Pass zu einem der Nebenmänner praktisch unmöglich wurde. Näher an der Seitenlinie konnten auch Mané oder Coutinho diese Aufgabe übernehmen. Dahinter nutzten die Mitspieler je nach Situation ihren Deckungsschatten oder nahmen immer wieder Mannorientierungen auf.
So ließ sich entweder der Weg nach vorne für Tottenham versperren oder der Zugriff in Ballnähe verbessern. Hielt sich Wanyama (halb-)links auf, kam vor allem die deutliche Orientierung von Lallana auf ihn zum Vorschein. Dieser agierte dadurch oftmals höher als Wijnaldum auf der gegenüberliegenden Seite. Bei vereinzelten Ausflügen von Wanyama dorthin war es eher Coutinho, der lose die Verfolgung aufnahm. Auch Mané konnte durch leichtes Zurückfallen eine mögliche höhere Positionierung von Lallana balancieren. Im Idealfall behielt dieser zusätzlich Eriksen im Deckungsschatten, der gemeinsam mit Alli die Räume um Henderson besetzte.
Hier lag eine potentielle Überzahl für Tottenham vor, deren Nutzung Henderson gemeinsam mit den beiden Achtern durch kluges, der Situation angepasstes Verhalten zu verhindern suchte. Bei richtiger Abstimmung konnten so überaus vielversprechende Kontersituationen entstehen – eine davon führte in 6 gegen 5-Überzahl zu einer Großchance für Coutinho. Klopp nahm eine gewisse Dosis Risiko bewusst in Kauf, um seinerseits Gefahr erzeugen zu können.
Liverpools Schwierigkeiten spielen den Spurs in die Karten
Gelang es jedoch einmal nicht, den Ballführenden weiter vorne unter Druck zu setzen und orientierten sich Wijnaldum und Lallana gerade zu den Akteuren vor ihnen, konnte Tottenham einen der für sie üblichen Vertikalpässe zwischen die Linien anbringen. Des Weiteren agierte die erste Verteidigungslinie Liverpools häufig ebenfalls mannorientiert und ließ sich recht einfach aus der jeweiligen Position ziehen, was vor allem in Verbindung mit Tiefenläufen aus Tottenhams Mittelfeld zum Problem werden konnte, da die Absicherung untereinander nicht besonders stabil funktionierte.
Bei Zuspielen auf den Flügel konnten demgegenüber gute Lokalkompaktheiten erzeugt werden, wobei das Zugriffsverhalten nicht immer optimal war. Gerade Lallana zog dann weit mit nach links, ließ sich aber zu leicht umspielen, wodurch der ballferne rechte Halbraum leicht erreicht werden und Tottenham die nachstoßenden Läufe von Rose bespielen konnte.
In der Entstehung überluden die Spurs vor der verletzungsbedingten Auswechslung Walkers in der 27. Minute häufig bewusst den von ihnen aus gesehen rechten Halbraum und zeigten allgemein einen Fokus auf die zentraleren Zonen. Eriksen rückte sehr weit ein und bildete gemeinsam mit Alli eine Art Doppelzehn. Lamela zog es derweil immer mal wieder diagonal mit in die Spitze zu Kane, der sich wiederum je nach Ausgangslage in verschiedene Richtungen absetzen konnte. Aufgrund der Aufbauprobleme kam dieses konstruktive Spiel in der gegnerischen Hälfte jedoch deutlich seltener zum Tragen als üblich.
Ähnlich gestaltete sich die Lage bei Liverpool: Neben vielen Verletzten begleitet Jürgen Klopp seit Beginn seiner Amtszeit ein allzu häufig unverbundenes Aufbauspiel, das (wie bei der Niederlage gegen Burnley) zusätzlich unter mangelhaften individuellen Orientierungen leidet. Gegen Tottenham fokussierte sich Liverpool wie gewohnt vor allem auf Konter und Schnellangriffe, während das Spiel von hinten heraus mit recht simplen Mitteln zu unterbinden war.
Tottenham staffelte sich dazu anders als viele andere Teams auch gegen den Ball im 4-2-3-1, wobei die Dreierreihe vergleichsweise eng blieb und die Außenverteidiger am Flügel häufig weit mit vorrücken konnten. Standardmäßig lief Kane, vereinzelt auch Alli, einen der Innenverteidiger seitlich an, während seine Mitspieler ballnah klare Mannorientierungen eingingen. Dies genügte oft schon, um einen langen Ball oder ein Zuspiel auf den Außenverteidiger zu provozieren.
Zusätzlich konnte der ballnahe Flügelspieler auch diesen Weg versperren und das Spiel so in den Halbraum lenken. Hier hätten sich noch deutlich konsequentere Pressingfallen aufbauen lassen statt „nur“ 1 gegen 1-Duelle zu provozieren. Tottenhams Anliegen nahm sich ähnlich heraus wie jenes von Liverpool. Doch die Umsetzung gestaltete sich deutlich simpler, wodurch sich auch mehr bespielbare Räume ergaben.
Zumindest für den Gewinn von zweiten Bällen hatte Liverpool somit eine bessere Ausgangsposition, gerade aus Ballungen mehrerer Spieler heraus. Vermehrt wurde zur Erzeugung dieser bereits in den Versuchen des geordneten Aufbauspiels die linke Seite um James Milner bewusst überladen. Wijnaldum hielt sich etwa auf einer Höhe mit Henderson oder kippte heraus, während Lallana vermehrt diagonal in Richtung Zehnerraum oder Spitze zog.
Zudem bewegte sich Firmino in alle möglichen Richtungen, woraufhin Coutinho diagonal in Richtung Spitze ziehen konnte. Mané blieb demgegenüber auch mal etwas tefer, um rautenförmige Staffelungen im Mittelfeld zu kreieren. So entstanden ansatzweise sehr frei angelegte kleinräumige Kombinationen, die in noch zielstrebigerer Ausführung bereits für die beste Phase gegen Arsenal sorgten. In der Folge konnte das Spiel nach rechts verlagert werden, wo Clyne und Mané Tempo aufnahmen und entweder direkte Durchbrüche anvisierten oder den Ball gegen die Verschieberichtung wieder nach links chippten.
Bekam Lallana den Ball in zentraler Position, war es oft Mané, der durch bogenförmiges Einlaufen die Schnittstellen in Tottenhams Viererkette anvisierte. Vorm musste mehrfach mit riskanten Grätschen in letzter Sekunde klären. Häufig genug war Liverpool jedoch nicht konstant gut verbunden, was auch entsprechend negative Auswirkungen auf die Qualität ihres Gegenpressings hatte, das sich noch nicht auf allerhöchstem Niveau bewegt.
Weitere Entwicklungen
Als Walker verletzungsbedingt den Platz verlassen musste und Janssen für ihn in die Partie kam, passten beide Mannschaften ihre Herangehensweise etwasan. Bei den Spurs nahm Dier nun die Position des rechten Außenverteidigers ein, die er insgesamt erstaunlich simpel interpretierte und entgegen seiner Spielweise als Sechser im Aufbau nicht tief blieb. Diese Rolle im zentralen Mittelfeld bekleidete nun Alli, der sie naturgemäß etwas höher interpretierte.
Er pendelte zwischen einer Position aus Sechser und Zehner, während Kane selbiges zwischen Zehnerraum und Sturm tat. Daraus ergab sich eine Mischung aus 4-2-3-1 und 4-1-3-2, die im nun vermehrt auch tieferen Mittelfeldpressing zu einem 4-4-1-1 wurde. Zwischenzeitlich gab es weniger Abkippbewegungen, im Laufe der zweiten Halbzeit nahmen diese jedoch wieder zu, indem Alli sich ebenfalls begann in tieferen Zonen zu bewegen.
Liverpool staffelte sich dagegen ebenfalls etwas tiefer entweder in einem klassischeren 4-1-4-1 oder in einem interessanten und engen 4-3-3-0, bei dem die Flügelstürmer nunmehr bogenförmig von außen nach innen anliefen und eher ins Zentrum zu lenken begannen. In der Folge waren auch einmal asymmetrische 4-4-2-Anordnungen zu beobachten.
Nach dem Führungstreffer durch einen Elfmeter von Milner wähnte Liverpool sich zwischenzeitlich schon mit 2:0 in Front, doch der Treffer von Mané aus einer Kontersituation heraus wurde aufgrund einer knappen Abseitsposition nicht anerkannt. Stattdessen gelang Tottenham doch noch der Ausgleich, auf den die Reds keine Antwort mehr fanden.
Fazit
Ein für Premier League-Verhältnisse intensives und durchaus interessantes Spiel, mit dessen Ausgang Jürgen Klopp kaum zufrieden sein wird. Liverpool präsentierte sich als leicht überlegene Mannschaft, die es jedoch weiterhin kaum schafft, den Rhythmus einer Partie tatsächlich zu dominieren. Es wartet immer noch eine Menge Arbeit auf „The Normal One“.
3 Kommentare Alle anzeigen
Partizan 28. August 2016 um 21:31
Habe leider nur die zweite Halbzeit verfolgen können, wo Pool leider nur noch reagierte, Millner könnte mich bis jetzt noch nicht als linker Ausverteidiger überzeugen. Obwohl die Idee Ansicht nicht schlicht finde ihn dort zu bringen. Hoffe Can wird bald wieder zu 100% fit, da ich ihn doch deutlich vor Henderson sehe.
Bernhard 28. August 2016 um 20:02
Eine der besten SV-Überschriften aller Zeiten.
Dr. Acula 28. August 2016 um 19:51
tolle analyse. kann es nicht so recht in worte fassen, warum, aber es wird dem spiel gerecht und das ist doch ein riesen kompliment oder