Dorf gegen Dose – oder doch einfach das Duell zweier normaler Mittelfeldteams
Zum Abschluss des ersten Bundesliga-Spieltags trafen zwei nicht ganz unumstrittene Clubs aufeinander. Die TSG 1899 Hoffenheim und RB Leipzig trennten sich in einem Duell auf überschaubarem Niveau mit 2:2.
Grundformationen
Die Saison begann für die Leipziger denkbar schlecht. In der ersten Pokalrunde unterlagen sie im Elfmeterschießen Zweitligist Dynamo Dresden. Im Vergleich zu dieser Partie nahm Trainer Ralph Hasenhüttl mehrere personelle Veränderungen vor. Er schob Marcel Sabitzer nach links und brachte Timo Werner anstelle von Emil Forsberg in die Mannschaft. Folglich agierten die Roten Bullen in einem 4-4-2 und nicht in einer 4-4-1-1-Variante. Im zentralen Mittelfeld stand Supertalent Naby Keïta nicht zur Verfügung. Deshalb kam Stefan Ilsanker neben Diego Demme zum Einsatz. Die vakante Innenverteidigerposition – Ilsanker spielte gegen Dresden in der Abwehrzentrale – übernahm Routinier Marvin Compper.
TSG-Trainer Julian Nagelsmann schickte seine Mannschaft wie erwartet im 4-1-4-1/4-3-3 aufs Feld. Kevin Vogt patrouillierte vor der Viererkette. Sebastian Rudy und Lukas Rupp besetzten die Achterräume. Der Ex-Darmstädter Sandro Wagner wurde von Mark Uth und Andrej Kramarić flankiert.
Defensive Problemchen hüben wie drüben
Die Geschichte der Partie ist eigentlich rasch erzählt. Beide Teams wirkten gegen den Ball extrem wackelig. Sowohl Hoffenheim als auch Leipzig agierten beispielsweise auf den Außenbahnen mannorientiert, deckten aber die entstehenden Lücken nicht entscheidend ab. Die Abwehrreihen versuchten jeweils kompakt zu stehen, liefen dadurch aber durchgebrochene Flügelstürmer nicht schnell genug an.
Leipzig stand in der ersten Pressingphase wie gewohnt mit einer hochpostierten Vier-Mann-Linie, die allerdings nicht zu ungestüm anlief. Wie auch schon in Teilen der vergangenen Saison verzichteten die Roten Bullen auch in ihrem ersten Pflichtspiel im Oberhaus auf zu extreme und zugleich zu forcierte Jagdszenen in der Frühphase des gegnerischen Angriffs.
Die TSG startete zumeist mit breiten Innenverteidigern und dem zurückfallenden Sechser Vogt, der somit zumindest zentral eine lokale Überzahl gegen Werner und dessen Sturmpartner Yussuf Poulsen erzeugen konnte. Über diese erste Aufbaudreierreihe wurde mehrfach Niklas Süle freigespielt, der anschließend kurze Vorstöße unternahm, dabei allerdings rasch von Dominik Kaiser oder sogar einem vorrückenden Sechser beziehungsweise Außenverteidiger Leipzigs angelaufen wurde.
Größeren Erfolg verbuchte Hoffenheim in der Anfangsphase der Partie mit langen Bällen von Süle, die über die Leipziger Verteidiger hinwegflogen und mehrfach direkt einen einlaufenden Außenstürmer erreichten. Das Timing der Läufe von Uth und Kramarić war lange Zeit sehr geschickt und verhalf den Gastgebern zur einen oder anderen gefährlichen Szene im gegnerischen Strafraum.
Insgesamt war das Spiel von Situationen geprägt, in denen ein Team rasch in die Gefahrenzone vordrang, dann allerdings die Möglichkeit aufgrund strategischer Schwächen vergab oder die Torchance nicht nutzte. Nach den ersten 45 Minuten lag das Schussverhältnis bei 6 zu 13 zugunsten Leipzigs. Allein vier der RB-Schüsse wurden noch geblockt und es hätten insgesamt bei weitem mehr Bälle auf die Gehäuse von Oliver Baumann und Pendant Péter Gulácsi fliegen können.
Leipziger Machtübernahme
In den ersten zwanzig Minuten wirkten die Roten Bullen wie … ja wie eben Bullen … auf einer Eisfläche in Skandinavien bei -25 Grad Celsius. Die aggressiven Vorstöße auf den Flügeln gegen den Ball öffneten vielfach Lücken. Oder im Zentrum wurde nicht kompakt genug gestanden, sodass Hoffenheim mit relativer Leichtigkeit in den Zwischenlinienraum kam und dann auf die stehende Leipziger Viererkette zulaufen konnte.
Allerdings verlor Hoffenheimer zusehends den Faden. RBL erhöhte die Intensität im Pressing um ein paar Prozentpunkte und schon eröffnete die TSG das Spiel überstürzter. Lange Bälle wurden nun schwächer oder gar nicht vorbereitet. Die Innenverteidiger ließen sich durch das Leipziger Anlaufen von innen nach außen treiben. Gerade Süle wurde mehrfach in eine Sackgasse gepresst.
Eine wirkliche Anpassung erfolgte von Hoffenheimer Seite zunächst nicht. Vielmehr ließ sich Vogt seltener nach hinten fallen, was keineswegs half. Kramarić zum Beispiel ging häufiger über den linken Halbraum zurück und bot sich tief an, wodurch er seinen direkten Gegenspieler mitzog, aber die enge Deckung Leipzigs erlaubte keine Drehung von Körper und Sichtfeld, um Freiräume zu sichten und anzuspielen.
Hatten die Roten Bullen in den ersten 25 Minuten nur 32 Prozent Ballbesitz, waren es anschließend bis zur Halbzeit 55 Prozent. Drei Torschüsse generierten sie in dieser dominanten Phase, blieben jedoch trotzdem torlos.
Torreigen nach dem Pausentee
Alle vier Treffer fielen erst nach dem Seitenwechsel. Zur Pause nahm Nagelsmann einen positionsgetreuen Wechsel vor. Er brachte Pirmin Schwegler für Vogt. An der Ausrichtung änderte sich nichts. Nur die Gastgeber konnten wieder etwas beruhigter ihre Angriffe eröffnen. Die Führung für Hoffenheim fiel allerdings nicht aus dem Spiel heraus. Nach einer Ecke in der 55. Minute eroberte Neuzugang Rupp den Ball im verwaisten Rückraum und schob überlegt ein.
Leipzig reagierte zügig und glich nach drei Minuten aus. Einmal mehr kamen sie recht einfach nach vorn und standen vor einer äußerst flachen Hoffenheimer Abwehrkette. Sabitzer verlagerte geschickt von links nach rechts auf Demme, dessen Flanke dann Kaiser erreichte, der vorm Verteidiger am Ball war. Das Spielgerät rutschte unter dem Körper Baumanns durch.
Im Anschluss hatten beide Teams weitere Chancen. Exemplarisch war eine Phase um die 73. Minute herum. Zunächst hatte Leipzig eine Großchance nach einem Eckstoß. Momente später kam Hoffenheim zu einem Konterangriff über Wagner, dessen Querpass im RB-Strafraum jedoch an allen potenziellen Abnehmern vorbeirutschte.
Es war dann ein weiterer Konterangriff, der Nagelsmanns Truppe vermeintlich auf die Siegerstraße brachte. Rechtsverteidiger Benno Schmitz befand sich in der Nähe der Außenlinie unter Druck, weshalb er den Ball nach innen beförderte. Die Kugel erreichte keinen Mitspieler, dafür aber Hoffenheims Rudy, der den Gegenangriff durchs Zentrum vorantrieb. Mit einem geschickten Pass auf Uth bereitete er das 2:1 vor.
Interessanterweise blieben die Leipziger im Anschluss ruhig. Sie überluden die vorderste Angriffslinie nicht zu stark, sondern bauten vergleichsweise kontrolliert auf. Vorm 2:2 kippte Forsberg halbrechts nach hinten und überließ Schmitz die Außenbahn. Der Pass des Schweden erreichte dann den Leipziger Rechtsverteidiger, der seine Hereingabe auf den zweiten Pfosten spielte, wo Sabitzer vor Fabian Schär einnetzte. Auch hier war auffällig, dass Hoffenheims ballnaher Außenverteidiger eingerückt stand und zu spät nach außen kam, um Schmitz noch entscheidend zu stören.
Fazit
Die hohen Temperaturen haben sicherlich eine Rolle in dieser Partie gespielt. Denn die mangelnde Kompaktheit gepaart mit einer zurückhaltenden Zweikampfforcierung ergab ein chancenreiches, aber nicht unbedingt qualitativ herausragendes Spiel. Hoffenheim schien gerade bei offensiven Umschaltangriffen gefährlich. Leipzig verdeutlichte, dass bei allen defensiven Bedenken zumindest die Offensive über hohe individuelle Qualität verfügt.
Immer wieder starteten Poulsen und Werner intelligente Läufe nach außen, um mit passendem Timing die Diagonalbälle an den Außenseiten der gegnerischen Innenverteidigung zu empfangen. Immer wieder unternahmen Sabitzer, Kaiser und Co. clevere Positionswechsel und neue Raumbesetzungen, um Hoffenheims mannorientierte Defensive mit Schnellangriffen zu knacken. Also auf beiden Seiten gab es viel Schatten und doch auch den einen oder anderen Lichtstrahl.
7 Kommentare Alle anzeigen
Bergas 6. April 2017 um 11:43
Mittelfeld? Aktuell 2 gegen 3 😉 tolle Entwicklungen
tobit 8. September 2016 um 21:07
Wenn ich mir den Kader von Leipzig so anschaue, wäre doch eigentlich eine Raute (wie in Salzburg zeitweise) eine interessante Option. Dabei könnten Poulsen und Werner als breite Stürmer und Sabitzer/Forsberg gleichzeitig zentral besser Synergien ergeben, als es aktuell mit den eher hoch und zentral orientierten Stürmern möglich ist.
Im ZM dahinter gäbe es mit Ilsanker, Keita und Kaiser/Demme sowie einigen Backups auch genug Kombinationsmöglichkeiten.
Im Pressing könnte man dadurch evtl. etwas stabiler stehen, da alle klare Rollen haben – aktuell liegt ja relativ viel Verantwortung auf den 10ern, die maßgeblich über Aggressivität und Effektivität des Pressings entscheiden. Sabitzer könnte dann in aggressiveren Phasen zwischen Poulsen und Werner aufrücken, die ein Anspiel auf die offenen Flügel blocken (von aussen anlaufen) oder genau dorthin (von innen/frontal anlaufen) leiten – jenachdem wo man den Ball gewinnen will. In passiveren Phasen würde Sabitzer näher an den ZMs agieren und auf Passempfänger hinter der ersten Welle pressen.
HB 30. August 2016 um 08:23
Ich konnte das Spiel leider nicht komplett verfolgen, stelle mir aber bei der Aufstellungsgrafik die Frage, wie sich die Hoffenheimer 4er Kette beim Hochschieben der 10er und Stürmer von Leipzig verhalten hat?
Hat man in letzter Linie im 4 gegen 4 verteidigt und ist ohne freien Mann zur Absicherung hohes Risiko eingegangen? Oder hat Voigt das Hochschieben von Werner mannorientiert verfolgt, um einen Innenverteidiger als freien Mann zu haben?
Ist nur ein kleines Detail, aber vielleicht hat ja jemand bewusst darauf geachtet und kann mir seine Erkenntnis mitteilen :D?
Parker 31. August 2016 um 10:43
Ich glaube, die nach außen weichenden Poulsen und Werner wurden von den AVs aufgenommen und Vogt hat realtiv frei agiert und Schnittstellen zwischen AV-IV oder IV-IV aufgefüllt.
HB 31. August 2016 um 16:18
Danke Parker, meine Frage war vielleicht etwas schwammig formuliert. Ich wollte darauf hinaus, wie sich die Hoffenheimer 4er Kette verhalten hat, wenn die Leipziger 10er und Stürmer auf die letzte Linie geschoben haben (also vertikal nach vorne aufrückten).
So dass nominell ein 4 gegen 4 in der ersten Linie der Hoffenheimer entstand. Ist Vogt dann zurück gefallen um in diesem Bereich eine 5 vs. 4 Überzahl herzustellen, oder hat Hoffenheim in der Kette dann wirklich konsequent in Gleichzahl verteidigt?
Parker 31. August 2016 um 20:26
Vogt ist zurückgefallen um in der ersten Linie Überzahl herzustellen.
Parker 29. August 2016 um 09:41
Habe mich gewundert warum sich Vogt im Spielaufbau nicht öfter zwischen die beiden Innenvertediger hat fallen lassen. Das wäre eigentlich eine gute Möglichkeit gewesen die Laufwege für die Leipziger zu strecken und die gesamte Formation vertikal auseinanderzuziehen. So stand Vogt meist neben Rudy oder Rupp im Sechserraum und war nicht anspielbereit.