Hoffnungsschimmer für die Eintracht
Klare Pressingstruktur und eine simple, aber recht offensive Herangehensweise bringen der Eintracht den zweiten Saisonsieg unter Kovac – eine stabile Blaupause für den Endspurt im Abstiegskampf?
Kreative Doppelsechs, enge Flügel, hohe Außenverteidiger
Nachdem sich die Frankfurter in den letzten Wochen eher auf Sicherheitsfußball verlegt hatten und in fünf Partien nur ein Mal (gegen Hannover) treffen konnten, wählte Niko Kovac gegen Mainz einen mutigeren Ansatz. Seine Mannschaft versuchte aktiv das Spiel zu gestalten, Torwart Hradecky brachte sich dafür sehr aktiv ein und im Mittelfeld staffelte man sich passend.
So rückten die Flügelspieler konsequent in die Halbräume ein und versuchten so, die Mainzer Doppelsechs zu überladen; teilweise standen sie sogar zu eng und nahmen sich dadurch gegenseitig den Raum. Die Außenverteidiger schoben entsprechend höher und gaben Breite, wobei Oczipka auch gelegentlich wichtige ankurbelnde Pässe spielte – so zum Beispiel beim Siegtreffer.
Zwischen Offensive und Abwehr war indes das nominelle Prunkstück der Frankfurter zu finden: Mit Hasebe und Huszti stellte Kovac eine technisch sehr starke Doppelsechs auf. Besonders Husztis Rolle überraschte. Dem Flügelspieler war auch anzumerken, dass er im Mittelfeldzentrum nicht unbedingt beheimatet ist. Er spielte sehr aufrückend, punktuell wirkte das System dadurch fast wie ein 4-1-4-1.
Undynamische Struktur und individuelle Planlosigkeit
Diese ordentliche Grundstruktur erlaubte der Eintracht im ersten Durchgang den höheren Ballbesitzanteil und einigermaßen Mittelfeld- und Offensivpräsenz, aber Torgefahr strahlten die Hessen trotzdem kaum aus.
Das lag vor allem daran, dass es innerhalb dieser Struktur kaum Bewegungen gab. Seferovic bewegte sich sehr aktiv, wich weit aus und fiel vereinzelt zurück. Ansonsten war die offensive Dreierreihe sehr statisch. Die Spitze wurde nur punktuell besetzt und dann eher undynamisch und vorhersehbar linear. Kombinationsansätze und Aktionen ohne Ball fehlten in der Offensive fast komplett.
Gleichermaßen Grund und Auswirkung dieser undynamischen Offensivanlage war auch, dass die Besetzung der Offensivreihe nicht gut passte: Aigner und Ben-Hatira suchen gerne die Einzelaktion am Flügel oder machen lange vertikale Läufe von dort; in der dichten Situation im Zentrum mit kürzeren Abständen und der Notwendigkeit zur Kombination wirkten sie orientierungslos und sehr zurückhaltend. Auch spielmachende Aktionen aus den Halbräumen fallen nicht unbedingt ihr Fertigkeitsprofil. Diese könnte man eher vom wendigen Kittel erwarten, der früh für Aigner kommen musste. Doch er entwickelte wenig Zug zum Tor und spielte im späteren Spielverlauf merkwürdigerweise sogar etwas breiter, wo er in den meisten Aktionen relativ isoliert war.
Was den überraschend aufgebotenen Gacinovic zum Bundesliga-Spieler qualifiziert war indes nicht so recht zu erahnen. Technik, Beweglichkeit und Wahrnehmung wirkten gut, doch er zeigte nichts vom notwendigen Spielgefühl, um das auch in effektive Aktionen zu übersetzen. Vor allem sein Bewegungsspiel – auf der ungewohnten Position – war unheimlich banal und wirkungslos. So sorgte er nicht für Unterstützung seiner Nebenleute und hatte gleichzeitig keine individuelle Präsenz; er versteckte sich förmlich. Die Statistik verzeichnet 0 Dribblings, 0 Schüsse, 0 Torschussvorlagen, eine Passquote von nur 65%, auch kein gewonnenes Kopfballduell; sechs Flanken und zwei lange Bälle kamen allesamt nicht an. Lediglich seine Beteiligung am Pressing war gut – drei Balleroberungen, ein Foul. Und er wurde drei Mal gefoult; fragt sich allerdings, warum eigentlich.
Sechser kommen kaum aus den Deckungsschatten
Der wesentlichste Faktor für die mangelnde Kreativität in der Partie war jedoch das simpel strukturierte Aufbauspiel auf beiden Seiten, welches jeweils keine stabilen Antworten auf das gegnerische Pressing fand. In beiden Mannschaften waren die Innenverteidiger recht klar von der Doppelsechs getrennt und positionierten sich einigermaßen statisch. Dreierkettenbildung oder asymmetrische Staffelungen gab es nicht.
Dadurch fiel es der ersten Pressingreihe auf beiden Seiten relativ leicht, die Sechser aus dem Spiel zu nehmen. Malli und Cordoba taten das in der 4-4-2-Ordnung als kompaktes Päärchen nebeneinander. Sie stellten somit recht simpel die direkten vertikalen Passwege auf Huszti und Hasebe zu, die häufig Zuspiele von außen bekamen und sich dann nicht effektiv ins Zentrum drehen konnten. Bei Frankfurt agierten die beiden zentralen Spieler hintereinander; Seferovic trennte die Innenverteidiger voneinander, Gacinovic hielt sich zwischen den Sechsern auf. So konnten sie seitlich schnell Druck aufbauen. Die Flügelspieler beteiligten sich dabei gut, hielten die Räume um den Zehner eng und rückten bei Gelegenheit auf, um von außen Druck auf die Innenverteidiger zu machen, was oft zu Befreiungsschlägen führte.
Wiederum fehlten dabei auch individuell mögliche Lösungswege: Serdar bewegte sich auf seiner Position nur sporadisch, sodass auch Baumgartlinger sich nur punktuell im Raum vor der Abwehr freilaufen konnte. Hasebe und Huszti forderten individuell Bälle, waren aber nicht abgestimmt und wurden zu wenig gesucht. Zudem gab es auf beiden Seiten schlichtweg keinerlei Unterstützung für die Sechser von den Offensivpositionen. Beide Dreierreihen orientierten sich exklusiv nach vorne.
Man könnte das alles auch so zusammenfassen, dass das Spiel völlig eindimensional und langweilig war. Die Strukturen waren auf beiden Seiten ohne größere Fehler, aber auch ohne viel Interaktion und Überraschungseffekt, wodurch jeweils die Pressingstruktur der Aufbaustruktur überlegen war – wiederum aber ohne große Möglichkeiten für überraschende hohe Balleroberungen zu bieten.
Standards, Verlagerungen und Konterräume im zweiten Durchgang
Dass die Tore im ersten Durchgang nach Standards fielen, war dem Spiel angemessen. Durch die vielen unkontrollierten Aktionen nach langen Bällen und die ausgewogenen Strukturen gab es enorm viele ausgeglichene Zweikämpfe, die entsprechend bissig geführt wurden. Beide Mannschaften wollten das Risiko verlorener Bälle im Mittelfeld vermeiden und riskierten daher lieber das Foul, was zu zahlreichen Freistößen und gelben Karten führte. Im zweiten Durchgang konnte Frankfurt mehr Standardsituationen holen, wodurch sie zunehmend gefährlicher wirkten. Ihre etwas offensivere Spielweise machte sich hier bezahlt, da ihre Standards näher am Strafraum waren als die der Mainzer.
Darüber hinaus ließ die Pressingintensität im zweiten Durchgang etwas nach, was mehr Raum für Angriffe entlang der Linie, Verlagerungen und Konter ermöglichte. Frankfurt forcierte nun ein wenig die Angriffe über links, wo Oczipka letztlich auch den Siegtreffer vorbereitete. In die andere Richtung hatte Mainz vermehrt Gelegenheiten, gegen die weit aufgerückten Frankfurter in große Räume zu Kontern. Cordoba konnte sich in entscheidenden Situationen jedoch nicht (oder nicht sauber genug) gegen die Schnelligkeit Abrahams durchsetzen und weitere Szenen wurden mit Fouls gestoppt.
Fazit
Dass dieses Spiel durch eine abgefälschte Flanke entschieden wurde, wurde dem Spiel gerecht. Beide Mannschaften lieferten solide Kost, ohne Ideen, was man denn solider Kost effektiv entgegensetzen könnte. Die minimal mutigere Herangehensweise des Gastgebers machte dann den kleinen Unterschied. Frankfurt verbrachte einfach mehr Zeit in Strafraumnähe, wodurch das notwendige Glück zwei Mal zuschlug und bei Mainz nur ein Mal.
8 Kommentare Alle anzeigen
DerHorst 14. Mai 2016 um 10:19
Was den überraschend aufgebotenen Gacinovic zum Bundesliga-Spieler qualifiziert war indes nicht so recht zu erahnen. Technik, Beweglichkeit und Wahrnehmung wirkten gut, doch er zeigte nichts vom notwendigen Spielgefühl, um das auch in effektive Aktionen zu übersetzen. Vor allem sein Bewegungsspiel – auf der ungewohnten Position – war unheimlich banal und wirkungslos. So sorgte er nicht für Unterstützung seiner Nebenleute und hatte gleichzeitig keine individuelle Präsenz; er versteckte sich förmlich. Die Statistik verzeichnet 0 Dribblings, 0 Schüsse, 0 Torschussvorlagen, eine Passquote von nur 65%, auch kein gewonnenes Kopfballduell; sechs Flanken und zwei lange Bälle kamen allesamt nicht an“
Ist etwas OT, aber wurde jemals einem Bundesligaspieler hier ein vernichtenderes Arbeitszeugnis ausgestellt? Jeder Personalchef wäre ob dieser Wortgewalt entzückt-
FAB 29. April 2016 um 16:13
Herrlich Analyse, dann freuen wir uns mal auf den nächsten Abstiegskrampf in Darmstadt.
Peda 29. April 2016 um 16:05
Zwei Matchanalysen von MR an einem Tag. Muss man sich Sorgen machen?
RM 29. April 2016 um 16:23
Nein, sie kamen verspätet genug. Heute Abend wird wohl Chile gegen Brasilien (WM 2014) erscheinen.
Ein Zuschauer 29. April 2016 um 17:18
Geil! Auf die Analyse warte ich seit der WM!
WerderFan 29. April 2016 um 18:21
Direkt nach der Krisenanalyse zum BVB?
tornetz 29. April 2016 um 15:40
In Summe teile ich die Analyse, wobei das bei der Eintracht ja auch ein normaler Entwicklungspfad ist (wenn man die Verfassung des Teams am Ende der Ära Veh betrachtet). Erst mal defensiv stabilisiert, jetzt zumindest (noch recht statische) Ansätze eines Offensivspiels… und vielleicht ja demnächst auch mal etwas variantenreichere Angriffe.
Noch zu drei konkreten Punkten:
1) „Besonders Husztis Rolle überraschte. Dem Flügelspieler war auch anzumerken, dass er im Mittelfeldzentrum nicht unbedingt beheimatet ist.“ – verstehe ich nicht, denn a) ist er für Außenspieler offensiv schlicht zu langsam und dribbelschwach und umgekehrt im Zentrum recht pressingresistent und b) hat er doch zeit seiner BL-Karriere meist zentral gespielt
b) „Lediglich seine Beteiligung am Pressing war gut – drei Balleroberungen, ein Foul. Und er wurde drei Mal gefoult; fragt sich allerdings, warum eigentlich.“ finde ich bei Gacinovic zu kritisch, klar fehlt ihm Spielpraxis, aber er hat (als einziger) einen dynamischen Antritt mit Ball und aus genau so einer Situation resultierte immerhin der Freistoß zum 1:1
c) „In beiden Mannschaften waren die Innenverteidiger recht klar von der Doppelsechs getrennt und positionierten sich einigermaßen statisch. Dreierkettenbildung oder asymmetrische Staffelungen gab es nicht.“ – in der Tat das Hauptproblem im Spielaufbau, bin mal gespannt, falls/wenn morgen Zambrano/Russ/Abraham zu dritt in der Abwehr spielen (ob sie dann z.B. breiter auffächern)…
Bene 30. April 2016 um 10:08
Huszti hat nur sehr sehr selten zentral gespielt. Schnell war er noch nie, aber seine Kreativität konnte er stets im LM ausleben. Dabei kam es ihm entgegen, dass Hannover meistens mit zwei Stürmern aufgetreten ist.