Napoli erobert Tabellenspitze
In einem hochklassigen Spitzenspiel triumphierte Napoli mit 2:1 über Internazionale Milano. Lange Zeit dominieren die Hausherren im Stadio San Paolo und profitieren dabei von Abwehraussetzern der Nerazzurri. Doch zum Schluss wird es noch einmal knapp.
Nachdem die Fiorentina im ersten Montagabendspiel die Möglichkeit auf die Tabellenführung vergab und beim Sechstplatzierten Sassuolo nur 1:1 spielte, war das Duell um die Spitze in der Serie A angerichtet. Napoli wollte vor den eigenen heißblütigen Fans dem Gast aus Mailand den ersten Rang entreißen.
Grundformationen
Bei den Azzurri kehrte Innenverteidiger Kalidou Koulibaly in die Startaufstellung zurück, wodurch Trainer Maurizio Sarri auf seine beste Elf zurückgreifen konnte. Dies bedeutete, dass Napoli einmal im 4-3-3 antrat, wobei vor Sechser Jorginho Kapitän Marek Hamšík sowie Allan agierten. Über die offensiven Flügel kamen Lorenzo Insigne und José Callejón. Beide flankierten Mittelstürmer Gonzalo Higuaín.
Auf Seiten von Internazionale gab es unterdessen größere Wechsel im Vergleich zum vorherigen Ligaspiel, das sie mit 4:0 gegen Frosinone gewannen. Danilo D’Ambrosio verdrängte Außenverteidigerkollege Alex Telles aus der Startelf. Vor der Abwehr liefen Gary Medel sowie die beiden Achter Fredy Guarín und Marcelo Brozović auf. Geoffrey Kondogbia war leicht angeschlagen. Im offensiven Mittelfeld verzichtete Roberto Mancini folglich auf die Dienste von Stevan Jovetić. Dafür kamen Ivan Perišić über rechts und Adem Ljajić über links. Demzufolge ergab sich auch bei Internazionale eine 4-3-3-Grundformation.
Treffer mit dem ersten Angriff
Anstoß hatten die Gäste, die direkt mit einem längeren Ball in Richtung Abseitsgrenze spielten. Nach missglückter Aktion von Napolis Linksverteidiger Faouzi Ghoulam wäre Mauro Icardi im Strafraumzentrum fast zum Abschluss gekommen. Aber die Hausherren konnten sich befreien. Gerade in diesem Moment wollte sich der Autor dieses Artikels notieren, dass Internazionale sehr mannorientiert im Gegenpressing spielte – was aufgrund der identischen Grundformationen sowie der natürlichen Pärchenbildung im Mittelfeldzentrum nicht unlogisch erschien.
Doch plötzlich hatte Higuaín bereits die Führung erzielt. Eine schnelle, flache Hereingabe von Insigne wurde von Jeison Murillo nicht geklärt. Der Kolumbianer schlug schlichtweg über den Ball, wodurch das Spielgerät bei Callejón landete, der zu Higuaín durchstecken konnte.
Im Anschluss war Internazionale gefordert, hatte aber teils erhebliche Probleme strukturiert in die vorderen Zonen zu gelangen. Oftmals ließ sich Brozović im frühen Aufbau neben Medel fallen, um sich dem Zugriff von Allan zu entziehen. Allerdings konnte Napoli aufgrund der 4-4-2-Staffelung im Pressing sowie den relativ engen Abständen zwischen vorderer und mittlerer Linie den Druck in Internazionales Sechserraum erhöhen. Regelmäßig forcierten sie schnelle Zuspiele auf die Flügel. Sowohl Perišić als auch Ljajić klebten anfangs an der Seitenauslinie. Folglich war aufgrund des Fehlens eines Zehners die Anschlussverbindung von der Seite aus nahezu inexistent. Icardi verharrte in der Mitte. Die Offensivlinie der Nerazzurri war horizontal auseinandergezogen. Die Nachschiebebewegungen kamen verzögert.
Außerdem waren die Flügelpärchen der Mailänder durch die Mannorientierungen Napolis recht leicht zu verteidigen. Erst in der Schlussphase der ersten Halbzeit verließen Perišić und Ljajić ihre Positionen. Und so entstand in der 41. Minute ein Abschluss von Perišić in der Mitte, nachdem Ljajić auf der rechten Strafraumseite den Ball aufnahm und ins Dribbling ging.
Napoli dominiert
Die Schlüsselfigur in Napolis Spielaufbau war einmal mehr Jorginho. Der Brasilianer bewegt sich auf der Sechserposition ständig und bietet sich meist in den richtigen Räumen an, um die Zirkulation nach vorn zu treiben.
Internazionale stand normalerweise im 4-1-4-1 gegen den Ball, wobei Brozović mehrfach auf Jorginho herausrückte. Guarín klebte derweil an Hamšíks Fersen. Yūto Nagatomo verfolgte Callejón sogar tief in den Halbraum hinein. Somit entstand viel Bewegung, während Napolis Innenverteidiger am Ball waren. Die Hausherren wirkten in diesen Momenten enorm kontrolliert.
Koulibaly stand meist ein paar Meter tiefer als Raúl Albiol. Zusätzlich hielt sich in der ersten Aufbauphase der ballferne Außenverteidiger auf Höhe der beiden Zentralverteidiger auf. Somit war Napoli gegen frühe Ballverluste abgesichert.
In der 10. Minute eröffnete Koulibaly durch geschicktes Vorstoßen in den Raum neben Icardi einen Angriff. Er verleitete Guarín zum Herausrücken, was wiederum einen Pass auf Hamšíks ermöglichte. Wenngleich Napoli kontrolliert in der ersten Aufbauphase wirkte, konnten sie nach Pässen auf die Achter sehr schnell beschleunigen. Da zudem die beiden Flügelstürmer in der Regel recht eng positioniert waren, ergaben sich kleinere Überladungen der Halbräume um Medel herum.
Gegen den Ball war – bis auf die bereits erwähnten Elemente – auffällig, dass Koulibaly anfangs sehr aggressiv herausrückte, sich dadurch aber auch eine schnelle Gelbe Karte einhandelte. Strukturierter und durchdachter war da schon die Verteidigung auf den Flügeln. Perišić und Ljajić erhielten mehrfach das Spielgerät an der Seitenauslinie. Napoli schob mit einer diagonalen Mittelfeldreihe nach, sodass lediglich der Rückpassweg zu Medel offen blieb. Erfolgte der Rückpass von einem Inter-Flügelspieler, wurde direkt aus der zweiten Napoli-Reihe heraus zum Ball hin nachgestoßen.
Ein anderes Detail in puncto Nachrücken gab es bei Napolis Pressing gegen den geordneten Spielaufbau der Gäste. Vor allem zum Ende der ersten Halbzeit standen Higuaín und Insigne sehr hoch gegen die beiden Innenverteidiger. Allan nahm zudem einige Mal den Laufwege aus der zweiten Linie in Richtung Medel in Kauf, um durch diese direkte Deckung einen langen Schlag der Nerazzurri zu erzwingen. Napoli dominierte das Spiel nahezu komplett in allen vier Phasen.
Für Mancinis Team sollte es aber noch schlimmer kommen, als Nagatomo in der 44. Minute nach einem Foul an Allan vom Platz flog. Die Mailänder mussten folglich die zweite Halbzeit in Unterzahl bestreiten.
Zweite Halbzeit
Zur Pause wechselte Mancini deshalb Icardi für Linksverteidiger Alex Telles aus, womit die Viererkette wieder hergestellt war. Internazionale spielte nun in einem 4-4-1 mit Ljajić in der Spitze. Perišić und Brozović kamen über die Außen.
Aufgrund der flachen Mittelfeldstaffelung hatten die Gäste noch größere Probleme, die Vertikalpässe von Napoli zu verteidigten. Mehrfach fanden die Innenverteidiger oder Jorginho offene Schnittstellen neben den Sechsern. Da sich Higuaín in der für ihn typischen Manier an den Kanälen neben den gegnerischen Innenverteidigern aufhielt, nahm er den Ball mehrfach hinter den Sechsern in Empfang, um anschließend ins Dribbling zu gehen.
Mit zunehmender Spielzeit ging Internazionale höheres Risiko. Medel rückte auf seiner Seite verstärkt nach außen, wenn der Ball von Napoli über diesen Flügel gespielt wurde. In einigen Szenen war die Viererkette der Nerazzurri auf sich allein gestellt, da die Mittelfeldakteure davor Druck aufbauen wollten, aber nicht rechtzeitig Zugriff herstellen konnten. Die präzisen Vertikalpässe von Napoli waren die perfekte Waffe gegen Inters Verteidigung.
In der 62. Minute nahm Mancini dann Guarín vom Feld, um Flügelspieler Jonathan Biabiany einzuwechseln. Dafür ging Brozović zurück ins Zentrum. Unmittelbar nach diesem Wechsel fiel das 2:0 für Napoli. Einmal mehr sah die Innenverteidigung der Gäste alles andere als gut aus. Raúl Albiol köpfte den Ball simpel über die halbrechte Seite nach vorn. Der Ball flog genau zwischen die beiden Innenverteidiger und in den Lauf von Higuaín, der ins lange Eck abschloss.
Eigentlich schien die Partie gelaufen. Internazionale war in Unterzahl und mit zwei Toren in Rückstand. Doch vor dem drohenden Verlust der Tabellenführung konnten sie in der 67. Minute auf 1:2 verkürzen. Nach Einleitung von Medel versuchten die Mailänder halbrechts durchzubrechen. Ljajić wurde im Rücken unter Druck gesetzt und verlor eigentlich das Spielgerät. Doch dieses prallte von Faouzi Ghoulam zurück, was Ljajić zum präzisen Schuss ins kurze Eck nutzte.
Im Anschluss fand Internazionale allerdings keine effektiven Mittel. Bis zur Nachspielzeit hatte Napoli rund 60 Prozent Ballbesitz und einige Chancen gegen die offene Defensive des Gegners. Doch in der Nachspielzeit selbst brach im San Paolo nochmals das Chaos aus.
Erst traf der eingewechselte Jovetić nach Flanke von D’Ambrosio den Pfosten. Wenige Augenblicke später wehrte Pepe Reina einen weiteren Kopfball des Montenegriners nach Hereingabe von Biabiany an den Pfosten. Warum Napoli zum Schluss teilweise derart offen stand und nach Konterversuchen auch nur langsam wieder in eine Verteidigungsstaffelung überging, bleibt das Geheimnis von Sarris Mannschaft.
Fazit
Diese darf sich aber nun Tabellenführer nennen. Ein am Ende knapper Sieg gegen Internazionale war vor allem deshalb interessant, weil Napoli die Partie über weite Strecken bestimmte – und das nicht nur in puncto Ballbesitz. Ihre Aufbaustrukturen waren gefälliger. Sie reagierten gut auf die Mannorientierungen von Internazionale. Und die Flügelangreifer waren besser eingebunden als beim Gegner.
Internazionale musste derweil die zweite Pleite in der Serie A einstecken. Die erste gab es beim 1:4 gegen den direkten Konkurrenten aus Florenz. Also gerade in diesen Partien müssen sie sich noch verbessern. Mancini muss auch seine eigene Herangehensweise analysieren. Denn die Nerazzurri wirkten aufgrund der mangelnden Verbindungen zwischen den vordersten Spielern phasenweise ohne offensive Durchschlagskraft. Der nach 45 Minuten ausgewechselte Icardi hing komplett in der Luft. Seine beiden Nebenmänner blieben vielfach bei Dribblings stecken. Für einen potenziellen Spitzenreiter war das auf alle Fälle zu wenig.
3 Kommentare Alle anzeigen
Michael 1. Dezember 2015 um 21:26
Ziemlich positive Analyse. Allerdings habe ich nur die komplette 2. Halbzeit gesehen. Da habe ich ein langsames und pomadiges Spiel gesehen. Dazu war es geradezu abenteuerlich wie gegen Ende Napoli mit 1 Mann mehr nur mit extrem viel Glück den Sieg nach Hause geschaukelt hat. Auffällig war das Ballverschleppen und sehr langsame nachrücken trotz Überzahl.
August Bebel 1. Dezember 2015 um 18:45
Ich hab die letzten Minuten nicht mehr gesehen und dass Napoli da noch was anbrennen ließ, wundert mich doch sehr. Sie hatten das Spiel total im Griff, das Aufbauspiel hat mir sehr gut gefallen: ohne abkippende Mittelfeldspieler, mit eher tieferen, nur selten vorstoßenden Außenverteidigern und sehr auf die Zentrale ausgerichtet, mit sehr guten Vertikalpässen vor allem von Koulibaly. Nur die ganz große Torgefahr ging dem Spiel bisweilen ab, ansonsten ein beeindruckend souveräner und überlegener Auftritt Napolis gegen einen direkten Konkurrenten, und zwar schon vor dem Platzverweis. Ich kann mich nur an einen einzigen Ballkontakt von Icardi erinnern. Mit solchen Auftritten ist Napoli für mich neben Juve Meisterschaftsfavorit.
Valentin 1. Dezember 2015 um 11:50
Napoli hat es nochmal völlig unnötig spannend gemacht in den letzten zehn Minuten. Hätten sie ihre Angriffe etwas besser ausgespielt, wäre das Spiel längst entschieden gewesen. Ein Punktverlust wäre halt sehr bitter gewesen, da sie ja ansonsten, wie im Artikel sehr gut beschrieben, ziemlich dominant waren.
Besonders Jorginho war in der Tat mal wieder stark, neben den erwähnten guten Freilaufbewegungen und Vertikalpässen gefallen mir auch seine kurzen Drehungen und Dribblings.
Bei Inter ist Ljajic herausgestochen, vor allem als er zentraler agieren durfte. Wenn Inter mal gefährliche Aktionen hatte, dann fast immer nach seinen Unterzahldribblings. Er scheint sich gerade ja auch endlich mal als Stammspieler durchzusetzen.