Madridderby: Mehr Ärger mit der eigenen Offensive als mit der gegnerischen

1:1

Derbytime in Madrid! Atlético empfängt Real und somit heißt es erstmals Stadtderby für Benitez als Trainer.

Real Madrids Defensivstruktur

Grundformationen

Grundformationen

Unter Rafael Benitez haben sich ohnehin viele Experten eine Veränderung der Defensivstruktur Real Madrids erwartet. Die Madrilenen hatten unter Ancelotti eine 4-1-3-2-Staffelung zu Beginn, in der Angel Di Maria als linker Achter auf die Seite ging und man auch ein 4-4-2 kreieren konnte. Später schob Ancelotti Cristiano gänzlich in die Mitte und nutzte ein 4-4-2 in der Arbeit gegen den Ball. Viele gingen davon aus, dass Benitez – wie bei vielen seiner vorherigen Teams – ein 4-4-2/4-4-1-1 aufstellen würde.

Dem ist allerdings nicht so. Im höheren Pressing formieren sich die Blancos in einer Art 4-1-2-3/4-1-2-2-1. Benzema besetzt das Sturmzentrum, während – in dieser Partie zumindest – Cristiano Ronaldo und Isco neben ihm die Passwege nach vorne für die gegnerischen Innenverteidiger versperren sollten. Nach Pässen ins Mittelfeld war ihr Ziel insbesondere das Versperren von direkten Pässen auf die Außenverteidiger. Kroos und Modric konnten aus ihren höheren Positionen etwas nach vorne pressen, während Casemiro den Raum vor der Abwehr, insbesondere bei langen Bällen sicherte.

Im Mittelfeldpressing spätestens hörte allerdings Cristianos Defensivbeteiligung auf. Der Portugiese zockte meistens auf links, halblinks oder gar in der Mitte, wodurch ein Loch auf der linken Seite entstand. Dieses Loch galt es zu füllen. Immer wieder rückte Marcelo aus der Abwehrkette, um diese Zone zu besetzen. Vielfach war es auch Modric, der von der Acht aus zur Seite rückte und defensiv den Flügel zu verteidigen hatte. Dennoch war Real nicht konstant dynamisch genug, um das geöffnete Loch erfolgsstabil zu verschließen. Die beste Chance der ersten Halbzeit bei Atlético entstand just über diese Zone.

Prinzipiell hatte diese Struktur aber durchaus einige gute Punkte. In tiefen Zonen kreierte man eben bei einem gegnerischen Flügelangriff über die eigene linke Seite ein 4-1-3-2/3-2-3-2 (durch den höheren Marcelo), bei Angriffen über die andere Seite blieb Marcelo einfach tiefer und die ballferne Seite ließ man einfach offen – hier rückte Modric einfach als typischer Achter in die Mitte und half Casemiro.

Allerdings hatte auch Kroos vielfältige Aufgaben als Achter. Da er nicht so sehr wie Modric auf dem Flügel verteidigen musste, schob er häufiger nach vorne und unterstützte Benzema gelegentlich im Pressing. Teilweise schob aber auch Kroos zur Seite und versuchte gemeinsam mit Isco den Flügel zu verteidigen oder hinter Isco auf die Seite zu schieben, wenn die erste Pressinglinie schnell überspielt wurde.

Das 4-1-3-2 von Real.

Das 4-1-3-2 von Real. Hier übernimmt Kroos die Rolle Modrics.

Grundsätzlich klappte die Defensive, auch wenn eine auf dem rechten Flügel stärker besetzte Mannschaft dies besser bespielt hätte. Atlético hatte allerdings einige Probleme im Spiel nach vorne.

Atléticos Offensivprobleme

Die Rojiblanco konnten die wegen der inkonstanten Kompaktheit und den Löchern im Defensivverbund offenen Räume Reals nur unzureichend bespielen. Oftmals positionierte sich Atlético in einer simplen 4-2-2-2/2-4-2-2-Staffelung. Die Sechser suchten Räume hinter der ersten Pressinglinie Reals, die Flügelstürmer rückten weit in die Mitte ein und verhielten sich wie zwei Zehner. Juanfran und Filipe Luis als Außenverteidiger beackerten häufig den Flügel alleine, Angel Correa und Fernando Torres agierten ganz vorne.

Atlético im 4-2-2-2/2-4-2-2 in eigenem Ballbesitz.

Atlético im 4-2-2-2/2-4-2-2 in eigenem Ballbesitz.

Atlético fehlte es aber trotz guter Abstände und der flexiblen Besetzung von Mitte und Halbraum durch die vielen zentralen Spieler an Dynamik. Besonders problematisch war der Mangel an Verbindungen vom Flügel in die Mitte hinein, wodurch man insbesondere in höheren Zonen nur selten das Spiel verlagern oder den Rhythmus verändern konnte.

Insofern funktionierte Reals Defensivstruktur gut; auch wenn Atlético hinten den Ball zirkulieren konnte, mussten sie im Normalfall meist auf die offenen Räume auf der Seite ausweichen. Dort konnte Real sie gut isolieren und verteidigte mit den zentralen Spielern die Räume in der Mitte sehr gut – allen voran natürlich einmal mehr Raphael Varane. Es war bezeichnend, dass Atléticos zwei besten Chancen aus einer Aktion kamen; einem Fehlpass Ramos‘, der dann auch im Elfmeter mündete, den Keylor Navas entschärfen konnte.

Defensiv war Atlético aber so gut wie eh und je, wenn auch etwas weniger kompakt und intensiv als in ihren Hochzeiten.

4-4-2 und verringerte Kompaktheit als taktisches Mittel

Gegen den Ball agierten die Rojiblanco wie üblich in einem 4-4-2. Zwar hatte man letzte Saison vereinzelt auch ein 4-1-4-1 genutzt und in der Vorbereitung war ein 4-3-3 getestet worden, doch insgesamt vertraut Simeone in den meisten Partien dem 4-4-2. Vor zwei Jahren spielte man noch mit einer engen Mittelfeld- und breiteren Abwehrkette, jetzt unterscheidet die 4-4-2-Formation allerdings wenig von den anderen – exklusive der hohen vertikalen Kompaktheit und der Intensität im Pressing innerhalb der eigenen Formation natürlich.

Das 1:0 wurde von Carvajal hier vorbereitet.

Das 1:0 wurde von Carvajal hier vorbereitet. Man sieht einen hohen Fokus auf die Mitte, Filipe Luis wird in ein 1-gegen-1 geschickt, wo er überlaufen wird. Die Kompaktheit in der Horizontale war schon größer – ebenso wie Reals Offensivpräsenz, wo nur die zwei Stürmer höher als der Ball positioniert sind.

Die horizontale Kompaktheit – also die Abstände zwischen den Spielern innerhalb einer Linie bzw. wie viel Platz innerhalb des Spielfelds die Linien entlang der Breite einnehmen – war allerdings etwas geringer. Prinzipiell ist dies oft ein Zeichen von geringerem Pressing und schwächerem Absicherungsverhalten sowie schlechterer Besetzung der Halbräume nach Verlagerungen, in diesem Fall jedoch könnte es durchaus bewusst so gespielt worden sein.

Die geringere Horizontalkompaktheit erlaubte es bei langen Verlagerungen näher am Mann zu stehen. Die Verschiebebewegung selbst war geringer und man blieb am zweiten Pfosten etwas präsenter. Gegen Real Madrid mit ihren aggressiven Flügelangriffen – insbesondere über Carvajal und Marcelo als dynamische Unterstützung –, ihren Verlagerungsmöglichkeiten über Modric und Kroos und der geringen Besetzung der zentralen Offensivzonen im letzten Spielfelddrittel ist dies eine durchaus denkbare Anweisung.

Insgesamt verteidigte Atlético den Stadtrivalen gut. In den ersten sechzig Minuten hatte Real nur sechs Abschlüsse, die meisten davon kamen aus bedrängten Situationen oder gar von klar außerhalb des Strafraums. Real hatte zwar eine stabile Ballzirkulation, war offensiv aber etwas schwach strukturiert.

Unterzahl am Strafraum und inkonsequente Struktur

Spätestens im letzten Drittel fehlte es Real entweder an Breite (einrückende Außenverteidiger) oder an Präsenz in der Mitte, weil sich nur relativ wenige Spieler an den Angriffen beteiligten. Sowohl Modric als auch Kroos blieben in den letzten Zonen hinter dem Ball und boten sich für Rückpässe an, Casemiro sicherte nahe an den Innenverteidigern ab. Isco, Marcelo, Carvajal und die zwei Stürmer vorne waren die einzigen Spieler, die konstant im letzten Spielfelddrittel zu finden waren. Allerdings gab auch Isco nur unzureichend Tiefe, während die Außenverteidiger nicht konstant aufmarschieren konnten. Fast schon symbolisch fiel das Tor nach einer isolierten 1-gegen-1-Situation, wo Carvajal seinen Gegenspieler überlief und präzise auf Benzema flankte.

4-1-2-3 Herausrücken

Aus dem 4-1-3-2 wird hier ein 3-3-4, weil Modric herausrückt und den gegnerischen Außenverteidiger presst, während Marcelo in die entstandene Lücke nachschiebt. Casemiro unterstützt; er bewegte sich generell sehr ballorientiert, auch wenn er sich oft in die Abwehrkette zurückfallen ließ und generell tief positioniert war.

Die Strukturprobleme wurden aber schon in den ersten Linien sichtbar. Kroos und Modric bewegten sich in den defensiven Halbräumen seitlich der beiden Stürmer Atlético, Casemiro besetzte entweder die Räume zwischen ihnen passiv oder kippte ab. Das Problem dabei: Wenn er abkippte, gab es fast keine Reaktion der Innenverteidiger. Sie machten das Spiel nicht breiter, wodurch der Effekt des Abkippens auf die Offensive fast inexistent war.

Zweite Halbzeit und Umstellungen

Nach dem Seitenwechsel wurde Atlético noch eine Stufe stärker, weil sie hoch pressten und viel Druck machten. Gleichzeitig versuchte Real eine Zeit lang den Ball länger zu halten und quasi mit defensivem Ballbesitz zu agieren. Obwohl Atlético dann das Spiel dominierte, konnten sie sich keine wirklichen Chancen herausspielen. Bereits nach 65 Minuten hatte Diego Simeone darum seine Wechsel aufgebraucht.

Jackson Martinez und Luciano Vietto als Mittelstürmer für Angel Correa und Fernando Torres sowie Yannick Ferreira-Carrasco für Oliver Torres auf dem Flügel sollten mehr Dynamik und Tiefgang bringen. Reals Einwechslung Bales sollte mehr Dynamik und mehr Präsenz in der letzten Linie geben, desweiteren half Benzema verstärkt auf dem linken Flügel aus.

Real konnte sich dennoch lange Zeit nicht mehr durchsetzen und scheiterte stets an der Abwehr Atléticos, ohne dass Benzema die Flügelräume effektiv schließen konnte. Kovacic für Benzema bedeutete nun ein 4-1-4-1 gegen den Ball mit Kovacic und Bale als Flügelstürmer sowie massiver Zentrumsbesetzung in Ballbesitz.

Letztlich war es aber ein Durchbruch über die Bale-Seite mit einem ausweichenden Jackson Martinez, der zum etwas glücklichen, wenn auch verdienten Ausgleich Atléticos führte.

Fazit

Im Madrider Derby zeigen beide Mannschaften Schwächen und Stärken; Letztere vorrangig in der Arbeit gegen den Ball. Atlético dominierte nach dem Rückstand die Partie, konnte aber erst in der Schlussphase ausgleichen. Simeone wechselte richtig, Benitez war primär auf die Beibehaltung des Status Quo beschränkt – und scheiterte daran. Das erhöhte Pressing und der vermehrte Druck der Rojiblanco zahlten sich aus.

C.Franz 5. Oktober 2015 um 21:56

Gibts irgendwo ne Analyse von Arsenal gg. United?(:

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Gupf3 5. Oktober 2015 um 14:41

Wie macht sich eigentlich der Querpass-Toni in dieser Saison? Konnte leider nicht viele Real Spiele verfolgen, aber letzte Woche wurde er in den spanischen Medien als Schnarchnase tituliert – typische Übertreibung in Spanien oder was dran?

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Isco 5. Oktober 2015 um 15:24

Typisches Unverständnis für das, was ihn so gut macht. Also genau so wie in den deutschsprachigen Medien, die den Namen Querpass-Toni erfunden haben.
Im Vergleich zum letzten Jahr spielt er etwas tiefer und „konservativer“, hält sich mit dem Herausrücken ein bisschen mehr zurück, aber sonst ist es nicht großartig anders als letztes Jahr.

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Maratonna 5. Oktober 2015 um 04:48

@RM war wohl wieder Super Sunday in deiner Schreibfabrik. Peng Peng Peng eine Analyse nacheinander. Bin extra 1 Stunde früher um 4 aufgestanden, um nachzuschauen ob du geliefert hast. Langsam schäm ich mich das ich seit Jahren für lau bei euch lerne. Hat ja vorher nichts gebracht trotz Fachmagazin-Abo, naja schon Kohle gespart. MR ist ja echt auch schon immer mein absoluter Hero, doch irgendwie ist sein Output immer verstopft. In seinen Essays ringt er wohl wochenlang mit all seiner Masse um Klasse bei jedem Wort. RM haut ein Ding auf hohem, verständlichen Niveau nach dem anderen raus. Junge hör bloss nie auf….echt krass

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Isco 5. Oktober 2015 um 00:54

Ich finde es leider erschreckend, wie wenig Struktur das Offensivspiel unter Benitez hat. Im Prinzip wirkt gar nichts einstudiert, alles basiert nur auf individuellen Entscheidungen und Folgereaktionen (was 2 Klassen besser funktioniert mit einem James am Feld). Ich dachte Benitez sei bekannt dafür alles penibel durchzuplanen und dann spricht er immer nur von „Freiheiten“ vorne. Denkt ihr da wird sich noch was tun? Ich mein er hätte jetzt ja mehr als genug Zeit gehabt.

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Gh 5. Oktober 2015 um 15:55

Das ist jetzt polemisch und gossip: als ich gehört habe, dass Benitez Real trainieren wird, dachte ich, ok, der Cleaner kommt mit den Peroxidkanistern und seine erste Aufgabe ist Ronaldo wegzuekeln, weil Florentino ihn satt hat. Mittlerweile huldigt Benitez Ronaldo, also glaube ich, dass es sich um ein riesiges Desaster handelt…. ich mein, Rafa Benitez, jetzt ehrlich??? Meister könnten sie trotzdem werden, by the way.

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cali 5. Oktober 2015 um 19:46

Fand Real in den ersten 15-20 Minuten überragend, vor allem am Ball. So eine Dominanz gegen Atletico habe ich selten gesehen.

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Dr. Acula 4. Oktober 2015 um 22:59

hab so schnell nicht mit der analyse gerechnet, daumen hoch. heut abend waren 2 hoch interessante spiele in europa dabei, bin froh beide gesehen zu haben, und hier beide analysen bestaunen zu können.
ich bin von filipe luis enttäuscht. er kann nicht an die leistungen von vorletzter saison anknüpfen, hatte mir bei der rückhol-aktion mehr erhofft.. vor 2 jahren war er doch irgendwie kombinations- und durchbruchsstärker mit atletico.. real und benitez: bisher klappt das weniger. das pressing ist schlechter als unter ancelotti und auch wenn man hinsichtlich der geringeren offensiv-präsenz von einer stabileren defensive ausgehen könnte, ist das nicht der fall.. modric kaschiert aber das übelste

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