Tottenham mit 4:1 gegen City im Herumlauffestival

4:1

Nach nur drei Punkten aus den ersten vier Partien ist Tottenham nun in Fahrt gekommen. Die letzten zwei Partien wurden gewonnen, der Kader wirkt stark besetzt und mit Pochettino hat man einen der besseren Trainer der Liga. City hingegen startete hervorragend in die Saison, gewann die ersten fünf Spiele – u.a. beeindruckend gegen Chelsea – und hat das klar beste Torverhältnis der Liga. Doch gegen West Ham setzte es letzte Woche die erste Niederlage. Würde Tottenham das nutzen können?

Interessantes Offensivquartett bei Tottenham

Die Spurs begannen mit einer unerwarteten Aufteilung in der Offensivreihe. Son besetzte nicht die Außenbahn, sondern agierte als hängende Spitze. Lamela und Eriksen, die beide häufig als Zehner gespielt haben, starteten nun auf dem Flügel. Prinzipiell war dies eine durchaus gut durchdachte Aufstellung. Lamela und Eriksen sind hervorragende Dribbler, haben ein gutes Gefühl für Räume – insbesondere Eriksen – und öffnen durch ihre zentralere Rolle die Flügel für Vorstöße der Außenverteidiger.

Grundformationen

Grundformationen

Kane als Mittelstürmer wich passenderweise immer wieder auf den Flügel aus, bevorzugt den rechten, um die gegnerische Viererkette auseinanderzuziehen und Räume in der Mitte zu kreieren. Dadurch konnte nicht nur der ballferne Flügelstümer einrücken und oftmals den Ball zwischen den Linien erhalten, sondern Son konnte auch mit schnellen Läufen in die Spitze stoßen. Teilweise besetzte auch der ballferne Flügelstürmer die zentralen Räume und Son agierte wie ein Zehner.

Daraus entwickelte sich auch ein gewisser Rechtsfokus der Spurs. Son und Kane wichen bevorzugt dorthin aus, Lamela ist eher ein Flügelstürmer als Eriksen, erhielt einige Bälle auf dem Flügel und versuchte in die Mitte zu dribbeln, währen d Eriksen sich eher auf das Besetzen der Mitte fokussierte. Er baute das Spiel auch aus dem zweiten Drittel heraus auf und unterstützte dabei die Jungtalente Dele Alli und Eric Dier. Son wich gelegentlich nach Verlagerungen auch auf die linke Seite aus, um situativ Breite zu geben.

Prinzipiell war die Offensive hierbei gut besetzt und die Spurs wirkten in der Anfangsphase gar etwas dominanter; doch der Schein trügt. Sie hatten zwar mehr vom Feld und vom Ball, aber City spielte sich die Chancen heraus. Dabei überzeugte insbesondere das 1:0 und zeigte, wo City dieses Jahr seine Stärken haben könnte.

Kontermaschine City?

Das Führungstor erzielte Manchester City nach einer Balleroberung am eigenen Strafraum, nach der sich Yaya Touré mit einem Sprint über fast sechzig Meter in Richtung gegnerische Hälfte absetzte, während De Bruyne und Agüero die Halbräume besetzten. De Bruyne erhielt den Pass letztlich und erzielte sehenswert das 0:1. Interessant ist, wie sich die Bedeutung eines Mittelfeldtrios ändern kann.

Im vergangenen Jahr spielte City ebenfalls häufig mit zwei Sechsern (dieses Mal: Fernando und Fernandinho) hinter Touré als Zehner. Vielfach mündete dies in inkonstanter Präsenz ganz vorne, mäßigem Ballbesitzspiel und einigen Unterzahlangriffen in der letzten Linie. In dieser Partie war das Ziel eher mithilfe Tourés umschalten zu können und seine einmalige Mischung aus Technik und Athletik zu nutzen.

Desweiteren hatten sie dieses Mal die passenden Flügelstürmer dazu. Letztes Jahr waren es oft keine wirklichen Flügelstürmer, sondern eher Spielmacher (wie Silva) oder sehr lineare Akteure (wie Navas), was dann für ein schwaches Ausspielen von Angriffen sorgte – ob aus dem Ballbesitzspiel heraus oder bei Kontern.

De Bruyne und Sterling sind hierbei schon passendere Flügelbesetzungen. Sie sind einigermaßen abschlussstark, können mehr als eine Rolle erfüllen, sind gut im Dribbling, kreativ im Passspiel und schnell. Dadurch können sie bei den Kontern nicht nur die Läufe Tourés schnell genug verfolgen, sondern auch schwierige Pässe verarbeiten, aus ungünstigen Situationen gefährlich abschließen oder schlichtweg noch einen Gegenspieler aussteigen lassen.

Theoretisch könnte City mit Touré und Fernandinho extrem schnell auf der Doppelsechs umschalten, Silva könnte die Bälle als Zehner verteilen und im gegnerischen Gegenpressing behaupten (was die Spurs unsauber und inkonstant machten), während De Bruyne, Sterling und natürlich Agüero als Anspielstationen fungieren. Auch defensiv würde sich wenig verändern.

City im 4-4-1-1 und mit Mannorientierungen

Obwohl City mit Touré und somit einem dritten Sechser/Achter begann, spielten sie nicht in einem 4-5-1 oder 4-1-4-1. Stattdessen formierten sie sich wie gewohnt bei gegnerischem Ballbesitz in einem 4-4-1-1, in welchem Touré situativ auch Agüero an vorderster Front unterstützen und ein 4-4-2 herstellen konnte. Interessant: Der ballferne Flügelstürmer stand teilweise etwas höher, um bei gegnerischen Rückpässen aggressiv herausrücken und den Innenverteidiger pressen oder bei Ballgewinnen im Mittelfeld sofort als Anspielstation im offensiven Umschaltmoment anspielbar sein zu können.

Aus dieser 4-4-1-1-Staffelung heraus gab es zahlreiche Mannorientierungen. Im hohen Pressing der Anfangsphase (und nach dem späteren Rückstand) gab es zahlreiche 4-1-3-2-Staffelungen, in denen einer der Sechser (häufig Fernandinho) nach vorne rückte und die zentrale Anspielstation des Gegners ins Mittelfeld manndeckte. Dazu gab es auch in tieferen Situationen viele situative Mannorientierungen, wodurch City häufig aggressiv herausrückte und Räume zwischen den Linien öffnete.

Zu Beginn war dies effektiv. Tottenham kam damit nicht wirklich klar, hatte einige Ballverluste und bespielte Citys nicht immer kompakte Defensive nur selten. Mit fortschreitendem Spielverlauf wurde Tottenham besser; trotz Rückstand.

Tottenham profitiert von Citys Veränderung

Schon zu Beginn presste City eigentlich nur situativ höher. Nach der Führung zogen sie sich zurück und agierten relativ passiv. Gleichzeitig fand Tottenham hier bessere Möglichkeiten vor, um hinter die Abwehr Citys zu kommen oder die herausrückenden Bewegungen mit schnellen Ablagen und Dribblings zu bespielen. Eriksen spielte später auch eher als Zehner und Son ging auf den linken Flügel, wodurch zwar die auf dem Papier vielversprechenden Wechselwirkungen verloren gingen, aber die Spurs defensiv stabiler und offensiv effektiver wurden.

Interessant war, wie eng Tottenham in der Offensive vielfach agierte. Walker und Davies spielten oftmals schnelle Pässe von den Flügeln diagonal in die Mitte und nach vorne, wo Lamela, Son, Kane und Eriksen auf sich alleine gestellt waren. Sie kombinierten möglichst schnell und suchten Schnittstellenpässe, was aber nur bedingt klappte. Vorteil daran jedoch: Tottenham war bei fürhen Ballverlusten stabiler abgesichert als zu Beginn und bei längeren Ballzirkulationen konnten die Außenverteidiger ohnehin gefährlich nachstoßen.

Ein etwas glückliches Tor von Dier nach einem Ballverlust De Bruynes im Konterspiel nach einem typischen Angriff der Spurs (Kombination in der Mitte, Lauf von Walker, flache Hereingabe) führte zum Ausgleich, kurz nach der Pause traf Alderweireld per Kopf zur Führung.

City reagiert

Nach gut einer Stunde brachte Pellegrini Veränderung. Da man in Führung auf Ballbesitz spielen musste, brauchte man ohnehin eine neue Offensivkraft – und der verletzte Touré wurde dafür ausgewechselt. Mit Navas – anstatt beispielsweise Nasri – schnitt man sich auch etwas ins eigene Fleisch. Navas sollte zwar mehr Breite, Dynamik und Hereingaben besorgen, ist aber in dieser Rolle oft schwer einzubinden.

Tottenham konnte sich nun erstmals im Spiel aufs Kontern verlegen, wo sie mit ihren vier Offensivspielern eben sehr gut bestückt sind. Es war aber ein Freistoß, der zur Vorentscheidung führte. Eriksen traf nur die Latte, doch Kane verwandelte den Abpraller und Tottenham spielte die Partie letztlich souverän zu Ende. Trotz der Einwechslung Nasris für Fernandinho blieb City die etwas weniger gefährliche Mannschaft.

Fazit

Beide Teams hatten Probleme, als sie das Spiel machen mussten. Die Strukturen waren mäßig und die Dynamik im Bespielen der offenen Räume des Gegners gering. Beide Teams fühlten sich in Führungsposition wohler. City zog sich nach der Führung aber zu weit zurück und hätte vermutlich eher tiefen Ballbesitz nutzen sollen, um den Gegner herauszuziehen und einzelne Nadelstiche zu setzen. Nach dem Rückstand brach City ein. Tottenham stand defensiv stabil und hatte einige gute Konter; u.a. jenen zum 4:1.

Gooner90 26. September 2015 um 20:54

Danke für den guten Artikel. Finde es interessant das City nun vielleicht auf eine Konterstrategie setzt. Ich mein wenn man schon kein gutes Pressing kann und in Europa erfolg haben will warum nicht hinten reinstellen und hoffen das es klappt ( ich mein Chelsea hat es auch geschafft) und die meisten starken europäischen Mannschaften spielen Momentan auf Ballbesitz womit man wohl selten in die Verlegenheit kommen würde das Spiel zu machen…. wäre ein pragmatischer Ansatz von Pellegrini ( und ein Eingeständnis das man Ballbesitz und Pressing nicht so gut hin bekommt wie in kontinental Europa) aber ist wohl der wenn man es einiger maßen hin bekommt zu spielen der mit den größten Erfolgschancen

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LuckyLuke 26. September 2015 um 22:09

Auf Konter setzen ohne gutes Pressing? Also aufs Glück setzen oder wie? Da ist doch jeder andere Ansatz genau so erfolgsversprechend…

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Gooner90 27. September 2015 um 16:58

Warum auf pures Glück setzten ? Wenn die Endverteidigung gut ist und man es schafft auch aus tiefen Positionen zu kontern( was natürlich schwieriger ist als von weiter vorne ), finde ich das besser als ein halbgaren Pressing versuch … das konnten wir schon gegen 10 Bayern sehen das das nur mit Glück funktioniert.

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LuckyLuke 28. September 2015 um 10:26

Pressing bedeutet ja nicht nur ganz vorne drauf gehen, aber eben irgendwo die Gegner anlaufen, was auch im letzten Spielfelddrittel passieren kann. Sich eine ganze Cl-Saison nur auf die Endverteidigung zu verlassen ist eben ein Glücksspiel, weil die gegnerische Mannschaft zu vielen potentiell gefährlichen Situationen kommt und man selbst den längsten Weg zum Tor mit schlechter Staffelung bei Ballgewinn hat…

Und ja klar Chelsea und so…meiner Meinung nach ist das das Paradebeispiel, warum da nur Glück hilft…sie hatten in jedem Spiel Glück (zumindest ab dem Viertelfinale)…im Finale mit dem Bayern-Los mega Glück…
Das einzige, das in diesem speziellen Fall vielleicht noch dazu kommt, ist die Psyche mit dem Trainerwechsel und der verkorksten nationalen Saison. Nach dem Motto „jetzt erst recht!“

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Gooner90 4. Oktober 2015 um 16:23

mhh naja vlt verstehen wir etwas anderes unter Pressing für mich muss Pressing schon aktiv und kollektiv sein und nicht nur wenn ein Spieler herrausrückt und den Gegner stellt bzw. Angreift aber ich denke schon das das für City ganz gut wäre solange es der Rest schafft Kompakt zu stehen und die Gegner nicht in die Formation kommt … denke außerdem das es leichter ist ein Tiefes Pressing einzustudieren als ein höhers ( bzw Mittelfeld- oder Angriffspressing) weil man dort es leichter hat Kompakt zu stehen.

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Patrizan 27. September 2015 um 21:17

Naja, Chelsea hatte 2012, auch ein Team, was in der Strafraumverteidigung, einzigartig war. Dazu mit Drogba einen Zielspieler der fast alles festmachen konnte mit seiner Physis.
Aktuell kenne ich kein PL-Team was, in dieser Hinsicht einen vergleichbaren Kader hätte, um sowas zu spielen.

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DAF 28. September 2015 um 10:12

Und trotzdem war ihr CL-Titel der glücklichste und unverdienteste Titel der Fußballhistorie. Dagegen ist selbst Griechenland völlig verdient Europameister geworden. Mit diesem Fußball unter diesen Rahmenbedingungen die CL zu gewinnen hätte Chelsea auch in 1000 Versuchen nicht mehr geschafft.

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Brathuhn 26. September 2015 um 17:03

Böse Zungen behaupten ja, dass Tottenham damit seinen Vorrat an guten Spiele gegen Topmannschaften für diese Saison verbraucht hätte 🙂
Darf man hier einen Wunsch äußern? Mich würde mal ein kurzer Vergleich des Pressings zwischen Tottenham und Leverkusen interessieren. Einerseits haben die Spurs eine hohe Intensität bis zum Ende des Spiels, mir scheint aber dieses „schwarmhafte“ das Leverkusen hat zu fehlen, dieses isolieren eines bestimmten Spielers, häufig an der Außenlinie. Liegt das am „schwächeren“ Pressingverhalten oder ist das Taktisch bedingt und gewollt?

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