Erst Konterduell, dann Barça-Dominanz

1:2

Ein lange Messi-loses Team vom FC Barcelona entführte den Sieg aus dem Estadio Vicente Calderón. Die Führung für Atlético währte nur kurz. Am Ende war es der Überfußballer selbst, der die Entscheidung besorgte.

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Grundformationen in der ersten Halbzeit

Grundformationen

Diego Simeone konnte auf seine Bestbesetzung zurückgreifen. Im typischen 4-4-2 schenkte der argentinische Cheftrainer zunächst Fernando Torres sein Vertrauen auf der hart umkämpften Stürmerposition neben dem unumstrittenen Antoine Griezmann. Über die Flügel kamen einmal mehr Koke links sowie Óliver Torres rechts. Derweil kehrte Linksverteidiger Filipe Luís nach seinem Ausfall beim 3:0-Sieg in Sevilla in die Startelf zurück.

Diesen Luxus genoss Barcelonas Trainer Luis Enrique unterdessen nicht. Er musste neben dem gesperrten Innenverteidiger Gerard Pique, an dessen Stelle Thomas Vermaelen spielte, auch auf Lionel Messi verzichten. Dieser blieb nach Länderspielreise und der Geburt seines zweiten Kindes zunächst auf der Bank. Für ihn lief Rafinha als nomineller Rechtsaußen auf. Die Position dahinter bekleidete Sergi Roberto, der im Moment zum Außenverteidiger umfunktioniert wird.

Atlético presst, Barça vorsichtig

Die Anfangsphase der Partie erinnerte an viele Duelle dieser beiden Mannschaften in den letzten Jahren. Atlético konzentrierte sich auf seine Fähigkeiten gegen den Ball – die Rojiblancos kommen zum Ende der ersten 45 Minuten auf weniger als 25 Prozent Ballbesitz. Der Gegner aus Katalonien hingegen wollte über sauberes Kurzpassspiel das Spielgerät in höhere Zonen befördern.

Simeones Team hatte sich als Hauptopfer zunächst Vermaelen ausgesucht. Der technisch passable Belgier neigt unter hohem Druck zu hastigen Entscheidungen. Aber auch sein Innenverteidigerkollege Javier Mascherano strahlte in der ersten Halbzeit nicht unbedingt Seriosität aus. Immerhin ließ sich der Argentinier in der 17. Minute von Griezmann überrumpeln, welcher anschließend direkt Torres durch den linken Halbraum schickte. Allerdings vergab Atléticos Sturmroutinier die Chance, indem er den Ball über das Gehäuse von Marc-André ter Stegen, der sein Debüt in La Liga feierte, jagte.

Der Pressingansatz der Rojiblancos sah zunächst ein hohes Anlaufen aus der 4-4-2-Grundordnung vor. Dabei blieben Griezmann und Torres meist recht kompakt im Zentrum, während der ballnahe Flügelspieler herausschob, sobald der Ball auf seiner Seite landete. Oftmals war es Óliver Torres, der zunächst noch Andrés Iniesta bewachte und sich dann in Richtung Vermaelen und/oder Jordi Alba bewegte. Anschließend übernahm in der Regel Gabi die enge Bewachung von Iniesta, welcher meist etwas tiefer als Achter-Pendant Ivan Rakitić positioniert war.

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Der Ball ging hier zu Alba, Óliver verließ seine vorherige Position, während Gabi Iniesta verfolgt. Auch Koke und Griezmann orientierten sich direkt an Gegenspielern. Lediglich Thiago fungierte als Anker in der Mitte des situativen 4-3-3. Interessanterweise besetzte in dieser Phase des Spiels kein Barcelona-Spieler den Zwischenlinieraum…

Katalanischer Flügelfokus

Der Kroate beteiligte sich verstärkt an den Angriffen über breit gefächerte Nachstoßreihen. Denn Barcelona vermied es in der ersten Halbzeit weitestgehend, durch das Zentrum zu kombinieren. Atlético bewachte diese Zonen mit zwei horizontal kompakten Viererketten in der zweiten sowie dritten Phase des eigenen Pressingablaufs.

Im Gegensatz zu früher bleibt bei den Rojiblancos eher selten ein Außenverteidiger breiter stehen – so auch gegen Barça. Zumeist standen Juanfran und Óliver sowie Filipe Luís und Koke in einer vertikalen Linie hintereinander. Und sie taten das oftmals recht eingerückt. Gerade Atléticos rechte Seite konzentrierte sich sehr intensiv auf Neymar, der häufig im Zwischenlinienraum nach innen knickte, sowie den nachstoßenden Iniesta. Folglich öffneten sich einerseits Räume für Alba, der – clever, wie er ist – seine Läufe mit leichter Verzögerung vornahm und so noch die eigene Dynamik gegebenenfalls nutzen konnte.

Auf der anderen Seite kam Rakitić ins Spiel. Da Sergi Roberto zunächst tiefer blieb und seltener die bei Alba angesprochenen Zuspiele erhielt, während Rafinha häufiger etwas passiv auf der rechten Seitenlinie postiert war, übernahm der kroatische Mittelfeldakteur viele Läufe im Halbraum bis in die Spitze. Er fungierte in dieser Form als eine Art zusätzlicher Stürmer, war aber gleichzeitig auch Verbindungsspieler im Mittelfeld, wenn er linienschneidende Vertikalpässe von Mascherano oder Busquets am Rand der Atlético-Doppelsechs aufnahm.

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Juanfran konzentrierte sich auf Neymar. Die Mittelfeldkette war arg nach links verschoben und wurde durch die schnelle Horizontalverlagerung von Barcelona erwischt. Alba fand viel Freiraum vor.

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Ähnliche Situation hier nach einem Anspiel auf Neymar in der Strafraummitte. Der Brasilianer konnte den Ball direkt weiterleiten und nutzte das Verhalten von Atléticos Verteidigung, um den heranfliegenden Rakitić zu bedienen.

Neue alte Rojiblancos

Hinzu kamen einige starke Gegenpressingmomente der Katalanen, wie zum Beispiel in der 16. Minute, als sie mit Hilfe von Busquets‘ Aufrücken den Gegner auf dem linken Flügel festnagelten und Atlético nicht aus deren eigenem Drittel herausließen.

Allerdings gehört es zu den neu erlangten Stärken der Colchoneros, dass sie insgesamt selbstbewusster Kombinationen auszuspielen versuchen und weniger auf schnelle lange Schläge setzen. Dies gilt genauso für den weiteren Verlauf eigener Angriffe, wo Simeones Mannschaft auch im Übergang zum letzten Drittel vermehrt auf präzise Diagonalpässe setzt, statt einfach die Linie entlang zu sprinten und einen Flankenball in den Sechzehner zu prügeln. Insbesondere Griezmanns Beweglichkeit und technische Sauberkeit kommt hierbei zum Tragen.

Allerdings konnte sich Barcelona beim Verteidigen der selten längeren Ballbesitzphasen Atléticos kompakt staffeln und den Zwischenlinienraum zur Abwehr verkleinern. So kombinierten die Hausherren in diesen Szenen meist nur noch in die Breite, ohne essentiellen Raumgewinn zu erzielen. Gerade im Zentrum ging den Rojiblancos ein Stück weit die Pressingresistenz ab, sodass Busquets und Co. durch kurzes Herausrücken und plötzliches Anlaufen Bälle erobern konnten.

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Interceptions in der ersten Halbzeit | Quelle: Squawka.com

Barcelona wurde immer gefährlicher im Verlauf der ersten Halbzeit. Dafür sprachen nicht nur einige Aktionen nach erfolgreichen Seitenverlagerungen oder öffnenden Diagonalpässen nach außen, sondern auch der Lattentreffer in der 24. Minute durch Luis Suárez nach einer verlängerten Ecke von Neymar auf den zweiten Posten.

Ansonsten war in der Viertelstunde vor der Halbzeitpause ein größerer Konterfokus bei beiden Teams zu erkennen. Barcelona probierte es gerade nach Standardsituationen des Gegners, die anscheinend nie gut abgesichert wurden. Atlético setzte weiterhin auf schnelle Ballgewinne in hohen Zonen. Allerdings wirkte die Innenverteidigung, die nach Vermaelens verletzungsbedingtem Ausscheiden in der 28. Minute mit dem Franzosen Jeremy Mathieu aufgefüllt wurde, stabiler und sauberer im Spielaufbau.

Zum Ende der ersten Halbzeit war Barcelona überlegen. Aber die Ballverlust-Statistik zeigte auf Seiten Atléticos sieben und auf Seiten der Katalanen zehn an, sodass noch einmal deutlich wurde, welche Schwierigkeiten auch Barcelona mit dem Pressing der Rojiblancos hatte.

Messi(as) im Anmarsch

Zur Halbzeit verzichteten beide Trainer auf personelle Veränderungen, nahmen aber kleinere taktische Anpassungen vor. Im Falle von Barça bedeutete dies, dass sich Rakitić nun vermehrt aus tieferer Position heraus am Aufbau beteiligte, während Rafinha und Sergi Roberto nun wie ein echtes Flügelpärchen agierten.

Währenddessen erzielte Atlético die Führung, welche in der 52. Minute über rechts fiel. Griezmann legte dabei einen halblangen Ball direkt auf Óliver zurück, der direkt in die Innenverteidigerschnittstelle passte. Torres erlief den Ball und profitierte zudem vom Abwarten ter Stegens, der sein Tor nicht verließ.

Doch nur drei Minuten später glich Barcelona durch einen wundervollen Freistoß von Neymar aus. Nach exakt einer Stunde brachte Luis Enrique nun noch Superstar Messi für Rakitić. Rafinha zog dafür ins Zentrum und überließ Messi die rechte Seite, wobei der Argentinier erneut überall zu finden war.

Auf Seiten der Gastgeber wechselte Simeone seine beiden Torres‘ aus. Für Óliver, der in der Phase vor seiner Auswechslung zunehmend auf dem linken Flügel auftauchte, wurde Yannick Ferreira-Carrasco gebracht. Jackson Martínez ersetzte derweil Fernando. In dieser Phase der Wechselspiele übernahm Barcelona vollends das Kommando über die Partie. Atlético tendierte nun wieder zum tiefen Verteidigen aus dem 4-5-1/4-1-4-1 heraus. Griezmann ließ sich rechts zurückfallen, während Koke das Zentrum verstärkte. Es fiel den Madrilenen daraufhin erneut schwer, aus diesen tiefen Staffelungen heraus in Kontersituationen zu gelangen. Zudem war der Respekt vor Messi immens, was auch daran deutlich wurde, dass Linksverteidiger Filipe Luís selten seinen Vordermann hinterlief.

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Atlético nun im 4-1-4-1 gegen den Ball. Thiago blieb in dieser Szene eng an Messi. Die Kette davor versuchte (!) den Aufbau nach außen abzuleiten. Rafinha gab den Katalanen größere Präsenz im und vorm Sechserraum.

Barcelona sollte das nicht stören. In der 67. Minute zum Beispiel nutzten sie eine Ecke, indem Messi aus der zweiten Reihe Neymar hinter die Abwehr schickte. Diego Godín rettete im letzten Moment auf der Linie für den geschlagenen Jan Oblak. Der Druck Barcelonas nahm nicht ab, aber das Konto an Gegentreffer nahm aus Sicht Atléticos zu. In der 77. Minute konnten sie am rechten Strafraumeck den Ball nicht aus der Gefahrenzone herausspielen. Alba reagierte sehr schnell und passte auf Suárez, der direkt Messi hinter die gegnerische Abwehr schickte. Der Argentinier war damit der Matchwinner.

Denn Atléticos Versuche – unter anderem mit der Einwechslung von Luciano Vietto für Gabi – blieben ineffektiv. Aus dem dann angewandten 4-4-2 beziehungsweise 4-1-3-2 mit Koke auf der offensiven Zentralposition und Griezmann am rechten Flügel schlug Atlético kein Kapital mehr, weil sie jegliche Struktur oder ein entsprechendes Angriffsmuster für diese Situationen vermissen ließen.

Fazit

Irgendwann verlor Atlético nach dem Treffer von Barcelona den Faden und verfiel wieder in alte Muster. Auf der anderen Seite übernahmen aber die Katalanen auch stärker das Kommando, weil sie sich besser durch die Halbräume kombinierten und weniger auf weiträumige Verlagerungen angewiesen waren. Der zu erwartenden Messi-Rakitić-Wechsel brachte mit dem Argentinier sowie Rafinha auf der Acht mehr Kontrolle halbrechts, was sich auf die komplette Statik des Spiels auswirkte. Atlético wird sich trotzdem ärgern, denn vor dem entscheidenden Treffer von Messi hätten Gabi und Co. den Ball wohl klären können, verzichteten aber auf einen unkontrollierten Schlag.

Das Bildmaterial stellt uns freundlicherweise laola1.tv zur Verfügung.

Peda 13. September 2015 um 20:54

Das klingt ja alles stark nach Deus Ex Machina. 😉

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Lenn 13. September 2015 um 20:18

Klasse Analyse. Atletico ist dieses Jahr einfach potenziell so dermaßen cool…
Zwei Sachen noch:
War es, vor allem in der ersten Hälfte, eine Pressingfalle auf Links, wenn bei Ballbesitz Alba im Übergang ins 2. Drittel Oliver den Vertikalpass provoziert hat?

Und mega witzig, wie teils Jackson durch seine Mannorientierung auf Bossquets im 4141 nur der vierthöchste Spieler im Pressing war.

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PNM 13. September 2015 um 13:52

Auffällig fand‘ ich die grade in der zweiten Halbzeit veränderte Rolle der Flügelstürmer.
Anders als in der letzten Saison waren Messi, Neymar und mit Abstrichen Rafinha viel mehr im Zentrum und in den Halbräumen zu finden. Das Kleben an der Außenlinie mit Vorderlaufen von Rakitić sowie anschließendem diagonal-Ball hinter die Abwehr gab es fast gar nicht mehr.
Gegen Málaga war es genauso in der zweiten Hälfte.
Finde ich persönlich sehr gut, finden dadurch doch mehr kleinräumige Kombinationen durch die Halbräume statt, wie auch beim 1:2.
Passt irgendwie noch mehr zum Spielermaterial und macht die Mannschaft variabler.

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Gh 14. September 2015 um 09:58

Die Barca – Atleticos vom letzten Januar waren auch durch eine extreme Zentrumsverdichtung durch Atletico gekennzeichnet. Ich fands damals einen sehr schönen Weg, dass Barca das Zentrum erstmal ignoriert hat und erst sehr spät in der Angriffsphase die Halbräume und das Zentrum angepeilt hat. Diesmal war Atletico wahrscheinlich als Reaktion auf damals nicht ganz so kompakt im Zentrum, um auf dem Flügel die Durchbrüche besser kontroillieren zu können. Barca dann konsequenterweise mit mehr Zentrumskombinationen. Auf jeden Fall immer interessant zwischen den Teams.

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Dr. Acula 13. September 2015 um 11:23

die la liga analysen sind für mich immer ein highlight. liegt vermutlich an den bildern, die den text einfach nur super untermalen.
schon krass, wie die einwechslung von messi so ziemlich das ganze spiel geändert hat. ich hatte dauernd das gefühl, dass die verteidiger immer im hinterkopf haben, dass zu forsches aufrücken sofort bestraft werden würde.
was ne ironie, dass ausgerechnet die vermehrten kombinationen statt wegbolzen letzten endes zum 2:1 führten, wie hier beschrieben. leuten, die SV nicht verfolgen, ist das sicher nicht aufgefallen aber wir können uns doch (stolz) mit dem wissen brüsken, dass die szene einer gewissen ironie nicht entbehrt

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