Wildes Umschaltspiel zwischen den Cafeteros und der Blanquirroja
Kolumbien und Peru qualifizieren sich mit einem torlosen Remis für das Viertelfinale der Copa América. Einige Aspekte zur von schnellen Angriffen und teils überhasteten Torabschlüssen geprägten Partie in Temuco führen wir kurz aus.
Peru startet unverändert zum letzten Spiel, dem Sieg gegen Venezuela. Das bedeutet, Jefferson Farfán muss einmal mehr auf der Ersatzbank Platz nehmen. An vorderster Front eines 4-4-1-1 stürmt Paolo Guerrero, dahinter Claudio Pizarro. Bei den Kolumbianern gibt es ebenfalls keine Überraschung. José Pekerman setzt erneut auf ein 4-2-2-2.
Vor allem James Rodríguez füllt eine eingerückte Flügelspielerrolle aus, was sehr frühe Außenbahnläufe vom Linksverteidigerbullen Pablo Armero zur Folge hat. So zum Beispiel in der siebten Minute, als Armero aus dem Zehnerraum heraus direkt in den Lauf bedient wird und zum Schuss kommt. James‘ Pendant Juan Cuadrado bleibt da schon eher breit positioniert. Im Offensivzentrum agieren Radamel Falcao und Teófilo Gutiérrez. Zu Turnierbeginn hatte ich mich darüber geärgert, dass Teó keinen Stammplatz bei den Kolumbianern erhält. Mittlerweile ist ihm dieser aber sicher und die Partie gegen Peru offenbart auch warum. Denn im Gegensatz zum einmal mehr blassen Falcao zeigt er die passenden Bewegungen. Der Stürmer von River Plate lässt sich vermehrt in den Zehnerraum zurückfallen und startet dann anschließend Tiefenläufe hinter die gegnerische Abwehrlinie. Er ist insgesamt sehr agil und ständig in Bewegung, was der doch eher starren Verteidigung von Peru Probleme bereitet.
Wenn wir schon bei der Abwehr der Blanquirroja sind. Diese wird in der ersten Halbzeit enorm unter Druck gesetzt. Wollen Carlos Zambrano und seine Kollegen ohne lange Schläge von hinten heraus aufbauen, steht ihnen sofort Kolumbien in einer Art 2-3-3-2 gegenüber. Peru versucht sich sogar phasenweise über eine Aufbaureihe mit Torwart Pedro Gallese zu befreien. Aber sie sind in der Regel passend zugestellt. Dazu rückt jeweils der ballnahe Angreifer Kolumbiens auf den ballführenden Peruaner. Der zweite Stürmer besetzt den Passweg zum anderen Innenverteidiger. Aus dem Rückraum kommen James Rodríguez, Cuadrado sowie der oftmals aufrückende Edwin Valencia.
Als wäre dieser Druck nicht schon groß genug, intensiviert Kolumbien auch das eigene Gegenpressing – vor allem am Flügel. Der Vorteil des 4-2-2-2 besteht darin, dass meist fünf oder mehr Spieler direkt an die ballnahe Außenbahn schieben. So besteht für Peru selbst beim Ballgewinn stets die Isolationsgefahr.
Peru selbst agiert im Pressing entweder in einem 4-1-4-1 und damit sehr mannorientiert – Flügelstürmer gegen Außenverteidiger, aufrückender Sechser und Pizarro gegen Kolumbiens Sechser. Oder sie stehen noch passiver im 4-4-1-1, wobei Pizarro dabei immer klar Carlos Sánchez zugeordnet ist. Folglich kann Kolumbien vergleichsweise ungestört von hinten heraus aufbauen. Guerrero bleibt passiv vor den Innenverteidigern, die Außenstürmer der Peruaner ziehen sich bis an oder hinter die Mittellinie zurück. Sollte Peru doch einmal höher pressen, so tun sie dies im 4-1-3-2, also ohne Unterstützung der Außenverteidiger, die sehr flach in der letzten Linie bleiben. Kolumbien kann sich folglich immer wieder über Zuspiele nach außen, meist auf die zurückfallenden Außenstürmer beziehungsweise Halbspieler, befreien.
Bei 43 Prozent Ballbesitz in der ersten Halbzeit hat Peru natürlich selten längere Zirkulationsphasen. Wenn aber doch, dann versuchen sie es mit kleinen Kombinationen über die Außenbahnen. Pizarro schaltet sich dabei als Rückraumoption ein.
Einen recht schweren Schlag erleiden die Kolumbianer in der 23. Minute. Denn da verletzt sich Edwin Valencia. Sein Ersatzmann Alexander Mejía verhält sich seltener vorstoßend. Faktisch übernimmt sogar Sánchez während der zweiten Halbzeit des Öfteren die Rolle von Valencia. Doch insgesamt verliert die Doppelsechs etwas an Wirkung. Die Pressingintensität nimmt leicht ab. Man könnte sagen, Kolumbien wird druckloser, bleibt aber immer noch druckvoll.
So dominieren sie nahezu die kompletten neunzig Minuten. Lediglich nach der Halbzeitpause kommt Peru aggressiver ins Spiel. Sie können die Cafeteros kurzzeitig einschnüren. Perus Nationaltrainer Ricardo Gareca wechselt dann vor der 60. Minute Pizarro aus und bringt Farfan, der sich direkt als Ballmagnet im zentralen Mittelfeld einschaltet, aber auch über beide Flügel mit Dribblings die gegnerische Defensive nach hinten drückt. Die Verteidigungsstrategie der Peruaner bleibt derweil gleich: Sie stehen im 4-1-4-1 mit der ersten Viererkette mannorientiert, mit der zweiten Viererkette absichernd.
Einen interessanten Schachzug unternimmt derweil Pekerman in der 65. Minute. Er nimmt Falcao vom Feld und bringt Portos Jackson Martínez. Doch anstatt dass der Angreifer direkt in die Spitze geht, agiert er fortan aus dem Mittelfeld heraus. Kolumbien spielt nun im 4-2-3-1. Mit seinen tiefen Ballannahmen im Mittelfeld und den anschließend dynamischen Läufen sowie Teófilos raumöffnenden Bewegungen bekommt James größere Möglichkeiten im Zwischenlinienraum. Zum Beispiel in der 79. Minute: James startet links außen, geht erst locker an Josepmir Ballón vorbei und zwingt dann den zweiten Sechser, Carlos Lobatón, dazu, ein Foul direkt an der Strafraumgrenze zu ziehen. Zum Ende hin wirkt die Organisation der Peruaner insgesamt schlechter. Sie generieren vorn überhaupt keinen Zugriff gegen die schnellen Aufbaupässe der Kolumbianer, rücken aber gleichzeitig mit der Viererkette hin und wieder nach vorn. Einige Tiefenläufe wie von Martínez kurz vor Schluss überrumpeln sie deshalb.
Alles in allem feuern beide Teams 23 Schüsse über die gesamte Spielzeit hinweg ab. Nur vier kommen überhaupt in Richtung gegnerischen Gehäuses, allein zehn werden geblockt. Gerade Kolumbien kommt meist recht schnell bis ins letzte Drittel, tut dies aber oftmals mit Verlagerungen auf einen Flügel. Von dort aus gelangen sie nur schwerlich hinter die gegnerische Abwehrlinie. Nicht selten laufen sich Falcao und Co. fest oder wählen schnelle Abschlüsse ohne große Erfolgsaussichten. Im Gegensatz zu Peru können die Cafeteros mit ihrer Vorrunde nicht zufrieden sein. James macht dort weiter, wo er in Madrid seine Saison beendete. Cuadrado ist aktuell nicht der Cuadrado der WM 2014. Und Falcaos momentane Form – oder langfristiges Leistungsvermögen – ist hinlänglich bekannt.
7 Kommentare Alle anzeigen
Valentin 22. Juni 2015 um 15:37
Obwohl die Vorrunde von Kolumbien ja nicht gerade überzeugend war, sollte es gegen Argentinien trotzdem eine enge Partie werden oder? Ihre Probleme liegen ja vor allem im eigenen Spielaufbau, während sie mich im Spiel gegen den Ball eigentlich ziemlich überzeugt haben (gegen Brasilien gut das Zentrum zu gemacht und jetzt gegen Peru auch mal höheres Pressing). Und das wird ja gegen Argentinien wohl eher gefragt sein. Außerdem haben sie auch schon ein paarmal ihr Potenzial bei Kontern angedeutet, da hatte auch James seine besten Szenen. Wird auf jeden Fall ein interessantes Spiel.
Noch was: Jeison Murillo gefällt mir bisher sehr gut. Hatte den vorher noch nicht so auf dem Schirm, aber scheint ein starker Verteidiger zu sein.
cali 22. Juni 2015 um 14:30
Pekerman hat leider nicht die Cojones, um Falcao auf die Bank zu setzen. Von seinem 4411 ist er auch nicht gewillt abzuweichen. Halte ihn dennoch für einen sehr fähigen Trainer.
Ich glaube allerdings, dass eine Dreierkette die beste Variante für alle Beteiligten wäre.
Ungefähr so:
Falcao
Teo-James
Armero-Sanchez-Valencia-Cuadrado
Murillo-Zapata-Franco
Ospina
Isco 22. Juni 2015 um 14:11
Mendes kann eben jeden Spieler irgendwo unterbringen (und das auch immer für viel Geld) 😉
Soweit ich weiß ist der Transfer aber bisher alles andere als fix.
James wirkt auf mich (wie viele andere auch) so, als würde seine Kondition einfach nicht mehr ganz ausreichen. Je später im Spiel, desto zentraler positioniert er sich und desto weniger Defensivarbeit am Flügel übernimmt er. Gegen Brasilien hat Pekerman ja dann sogar Ibarbo eingewechselt, damit er für ihn die Linie auf und ab läuft.
Isco 22. Juni 2015 um 13:28
„James macht dort weiter, wo er in Madrid seine Saison beendete“
Wie ist das gemeint? Fandest du ihn gegen Ende der Saison schwach? MMn war er nach der Verletzung noch ein Stück besser als davor.
Und wieso hat Falcao immer noch seinen Platz? Einfach weil er der Kapitän/Superstar ist oder gibt es da systembedingte Gründe, die mir bisher nicht aufgefallen sind? Ich hätte Bacca-Teo als bestes Duo empfunden, das hat sich jetzt aber leider auch schon erledigt, zumindest für das ARG Spiel.
CE 22. Juni 2015 um 13:45
Zum ersten: Er war zuweilen wirkungslos in der Rückrunde. Immer schön anzuschauen, hin und wieder ein gutes Dribbling oder allgemein eine passende Aktion, aber kein wirklicher Impulsgeber, was bei Real Madrid noch geht und dort auch teils an der Aufgabenstellung lag, fällt in der Nationalmannschaft natürlich stärker ins Gewicht. Die Rollenverteilung zwischen ihm und Cuadrado ist klar. James muss da mehr abliefern oder vielleicht mit Pekerman eine erneute Versetzung ins Zentrum diskutieren. Könnte dann womöglich besser klappen.
Da sind wir schon beim zweiten Problem. Falcao zehrt noch von seinem Können vergangener Tage und der Hoffnung, dass sein altes Potenzial wieder in echte Leistung übertragen wird. Anders hätte ihn Mendes gar nicht bei Mourinho unterbringen können. Sicherlich hat er als Kapitän und Volksheld einen anderen Status als Bacca oder Martínez – ganz zu schweigen von Ramos.
woody10 22. Juni 2015 um 16:22
bin da auch deutlich eher bei „Isco“. Fand James nach der Verletzung auch stärker. Im Prinzip war er 2015 der beste Offensivspieler Reals, das soll schon was heißen. Isco hat ja 2015 etwas abgebaut (schien etwas geknickt als Bale nach seiner Verletzung gleich wieder vor ihm in die Startelf geworfen wurde)
V.a. als Real dann mehr Verletzte hatte war er wohl derjenige, den man am ehesten was zugetraut hätte (hat er auch manchmal geschafft). Wenn er nicht so auffällig war, dann meist wegen seiner etwas abgeänderten Rolle, aber dies war ja gerade zu Saisonbeginn, als Ancelotti versuchte, James in das alte System zu integrieren, der Fall.
CE 22. Juni 2015 um 18:16
Er blieb auch zum Schluss hin immer mal wieder ohne Wirkung. Wir hatten das mal anhand des Hinspiels gegen Juventus in einem nie veröffentlichten Podcast diskutiert. Das war nicht schön anzusehen.