Schwächelnder Favorit holt MLS Cup im Nachsitzen
Landon Donovan beendet seine Karriere mit einem sechsten Meistertitel in den USA. Galaxy-Trainer Bruce Arena darf sich nun auch bereits seine fünfte Trophäe in den Schrank stellen. Doch der Favorit aus Los Angeles hatte große Probleme mit den Underdogs aus Massachusetts.
Grundformation
Arena schickte seine Mannschaft im heimischen StubHub Center ohne große Überraschungen auf das Feld. Im Vergleich zum entscheidenden Halbfinalrückspiel gegen Seattle Sounders kam lediglich Rechtsverteidiger Adolph DeLaGarza in die Startelf. Acht von elf Spielern standen bereits zuvor in einem MLS-Finale und eigentlich erwartete man von Beginn einen dominanten Auftritt. Arenas Mannschaft agierte im gewohnten 4-2-4. Donovan und Stefan Ishizaki schoben erneut in der ersten Halbzeit weit auf. Viele Bälle flogen direkt nach vorn.
Bei New England Revolution war es hingegen das bekannte 4-2-3-1. Cheftrainer Jay Heaps vertraute auch seinerseits dem üblichen Stammpersonal. Nur Kelyn Rowe kam im Vergleich zur zweiten Halbfinalpartie neu in die Startaufstellung. Er ersetzte Linksverteidiger Kevin Alston, wodurch Chris Tierny auf dieser Seite eine Position nach hinten rutschte. Die Ausrichtung der Revs war stärker auf Mittelfeldkontrolle ausgerichtet. Über Jermaine Jones und Home Grown Player Scott Caldwell sollte die Ballzirkulation etwas kleinteiliger erfolgen, was aber zunächst nicht gelang.
Farrells Albtraum
Los Galácticos übernahmen zunächst die Kontrolle über das Spiel. Doch anstatt die brasilianische Doppelsechs Juninho und Marcelo Sarvas vornehmlich in den Aufbau einzubinden, nutzte Omar González seine Freiräume halbrechts und schob mit Ball am Fuß häufiger vor. Von dort aus schlug er mehrere lange Diagonalbälle auf den linken Flügel, wo Donovan sowie Linksverteidiger Robbie Rogers im letzten Drittel überluden. Zudem fokussierte Robbie Keane zunächst auf die Lücke zwischen A. J. Soares und Andrew Farrell. Das Muster war simpel: Donovan oder Keane sollten zwischen Innen- und Rechtsverteidiger hineinstoßen und dann im besten Fall eine Ablage spielen. Vor allem Donovan fiel mit gut abgestimmten Läufen ins Zentrum bereits in den letzten Wochen auf. Da Rechtsaußen Teal Bunbury nicht intensiv zurückarbeitete, war Farrell in direkten Duellen vermehrt auf sich allein gestellt. Lediglich Caldwell konnte unterstützend wirken, indem der Revs-Sechser den Zwischenlinienraum für Keane und Co. verdichtete, folglich auch Soares eine bessere Verteidigungshaltung ermöglichte.
Eine Stunde lang sollte Farrell mehr oder weniger indisponiert wirken, weil der bullige Außenverteidiger mit den zahlreichen Sprints und Dribblings nicht zurechtkam und immer wieder Durchbrüche zulassen musste. Als Galaxy klar wurde, dass ihr strategischer Ansatz in mehreren Szenen funktionierte, zog auch der zweite Angreifer Gyasi Zardes oftmals nach links, wodurch sich der Fokus von Los Angeles noch verstärkte. Ishizaki blieben auf dem anderen Flügel balancierende Aufgaben und der Schwede konnte einzelne Tempoläufe starten, ohne zunächst große Wirkung auf die Partie entfalten zu könnten.
Beide Teams nahmen sich in puncto strukturierten Spielaufbau nicht viel. Lange Schläge prägten das Bild über weite Strecken der ersten Halbzeit. Im Pressingansatz war es ähnlich, wobei die Revs zunächst noch ein Stück weit passiver agierten. So bekam González den erwähnten Freiraum, weil New England in der Regel im tiefen 4-5-1 stand. Charlie Davies versuchte durch sein Pendeln zwischen beiden Innenverteidigern den Weg nach innen zu Juninho zu zustellen. Dahinter zog sich aber auch Zehner Lee Nguyen zur Formationsverdichtung zurück.
L.A. war derweil flexibler im Pressing, aber gleichzeitig nicht auffällig intensiver. Einige Male stand Galaxy in einer 4-1-4-1-Formation gegen den Ball, die sich aus den abkippenden Bewegungen Keanes ergab. Der Ire stand mehrmals als eine Art halblinker Achter in der Nähe von Donovan. In anderen Szenen spielte Arenas Mannschaft ein simples 4-4-2, wobei Angreifer sowie Sechser ungefähr auf gleicher Breite standen und der erste Block das Zentrum abdecken sollte.
Jones als Schlüsselspieler?
Denn vor der vermeintlichen Dominanz und Aggressivität des Ex-Bundesligaprofis Jermaine Jones hatte man doch Respekt. Bereits vor der Partie wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass der 33-Jährige der Schlüsselspieler der Revs sein würde. Ob Jones diesem Anspruch gerecht wurde, darf man ruhigen Gewissens hinterfragen. Er war klar der offensivere Sechser neben Caldwell und startete bereits in der Anfangsphase der Partie einige Vertikalläufe. Jedoch lief er dabei meistens in die gut gestaffelte Formationskompakheit der Galaktischen. Jones wollte einmal mehr das Spiel an sich reißen. Seine Zuspiele und seine Bewegungen brachten aber seine Mitspieler mehrmals eher in Bedrängnis, als dass seine Aktionen hilfreich waren.
Das Spiel schien anhand des Ballbesitzes in der ersten halben Stunde ausgeglichen, führte Los Angeles in dieser Statistik doch lediglich mit 53 Prozent. Allerdings täuscht dies über den Spielverlauf hinweg. Denn die Revs ließen das Spielgerät meist nur tiefer zirkulieren, kamen aber aus dem offenen Aufbau nur ganz selten ins letzte Drittel. Vielmehr konzentrierten sie sich zunächst auf weiträumige Konter, wobei Davies immer wieder in lange Sprintduelle mit den beiden Innenverteidigern von Galaxy geschickt wurde. Der 28-jährige Angreifer rieb sich hierbei allerdings erfolglos auf.
In der letzten Viertelstunde bis zum Pausenpfiff sollte sich das Bild jedoch signifikant ändern. Denn New England übernahm die Partie nun augenscheinlich, strahlte aber keine wirkliche Gefahr für das Tor von Jaime Penedo aus. Währenddessen verloren die Galaktischen ihren Zugriff in der Offensive. José Gonçalves positionierte sich ganz clever ein Stück tiefer, sobald Zardes an den Ball oder zumindest in den Zuspielkorridor der Mittelfeldakteure gelang. Somit konnte Revs-Verteidiger Gonçalves die Sprintduelle besser verteidigen. Gleichzeitig fiel MLS MVP Robbie Keane in der Angriffsabteilung von Los Angeles etwas ab. Denn er wirkte langsam in der Entscheidungsfindung und konnte selbst freie Räume nicht entsprechend nutzen.
Zweite Halbzeit: Unklare Verhältnisse
Zum Ende des ersten Durchgangs hatten die Revs mittlerweile einen Ballbesitzanteil von 57 Prozent erlangt. Der Außenseiter wirkte dominanter als zunächst von allen erwartet. Aber war es dann doch der Favorit der kurz nach Halbzeitpause zur Führung traf. In der 52. Minute flankte Ishizaki vom rechten Flügel nach innen. Seine Hereingabe wurde abgefälscht und landete direkt bei Zardes, der zwei Verteidiger am langen Pfosten austanzte und zur Führung einschoss.
Bruce Arena hatte zuvor eine seiner klassischen Umstellungen vorgenommen. Der dynamische Zardes sollte als neuer Linksaußen den Rechtsverteidiger New Englands unter Druck setzen, während Donovan und Keane als fluides und technisch beschlagenes Pärchen im Zentrum die Zwischenlinienräume infiltrieren sollten. Aus dem 4-2-4 wurde nunmehr des Öfteren ein 4-2-4-0.
Im Anschluss an den Führungstreffer wurde nicht nur die Linkslastigkeit von L.A. noch stärker, sondern Revs-Trainer Heaps stellte um. Er brachte den offensiveren Daigo Kobayashi für Caldwell, wodurch die Formation häufiger wie ein 4-1-4-1 aussah. Kobayashi agierte fortan im rechten Halbraum, während er dadurch Nguyen nach links drückte und Jones sich als linker Sechser den Bewegungen anpasste. Zudem wechselten Rowe und Bunbury mittlerweile ständig die Seiten.
Doch die geöffneten Räume ermöglichten Los Angeles vermehrte Durchbrüche über die beiden Flügelstürmer. Allerdings retteten Gonçalves und Soares mehr als einmal in höchster Not im Zentrum. Erfolgsversprechender schien der Zwischenlinien-Fokus, der sich quasi automatisch durch die Präsenz von Donovan und auch Keane ergab. Gegen das nun progressiver agierende New England konnte bei Ballgewinnen auf Höhe des eigenen Sechserraums einer der beiden Angreifer direkt angespielt werden. Die Halbräume um und hinter Jones verwaisten in mancher Szene. Jedoch konnte L.A. wie beispielsweise bei der Großchance in der 70. Minute kein Kapital daraus schlagen.
Unterdessen reagierte Heaps personell sehr effizient. Er nahm Playoff-Toptorjäger Davies heraus und schickte den jungen Patrick Mullins auf die Neunerposition. Die Revs suchten zunächst vergeblich nach dem Dosenöffner, was vor allem daran lag, dass Nguyen zwischen den beiden Sechsern „gefangen“ war. So musste in der 79. Minute ein simpler Vertikalball den Ausgleich einleiten. Mullins sprintete zur Torauslinie auf der linken Seite und zog dabei nicht nur González aus dem Zentrum, auch Leonardo ging einige Meter mit, bevor er abstoppte. Mullins konnte das Spielgerät auf den diagonal einlaufenden Tierney ablegen, dieser umkurvte Leonardo und traf zum Ausgleich.
Das Momentum schien auf der Seite der Männer von der Eastcoast. Wenige Minuten später traf Bunbury mit einem langen Lupfer von links die Latte. Zuvor hatte Nguyen, der später verletzt ausgewechselt wurde, den Ball mit der Hacke aus der Enge des Zehnerraums weitergeleitet. Mullins brillierte derweil mit seinem intelligenten Laufverhalten. Der 22-Jährige ließ stets ein kleines Loch zur Abwehr, wodurch er dann bei Pässen in seiner Richtung bereits Dynamik entwickeln konnte und so auf González und Soares zulief.
Verlängerung: Der MVP entscheidet
Die reguläre Spielzeit endete Remis und der US-amerikanische Meistertitel musste folglich in der Overtime entschieden werden. Arena hatte sich bis dahin seine Wechselmöglichkeiten aufgespart und brachte zu Beginn der 30-minütigen Verlängerung Dan Gargan für den sehr aktiven Rogers sowie Routinier Alan Gordon für Ishizaki. Durch die letztgenannte Änderung rückte Donovan wieder auf die Außenbahn, dieses Mal nach rechts. Gordons Hereinnahme sollte wieder mehr physische Stärke ins Offensivspiel der Kalifornier bringen.
Über die Verlängerung lassen sich nur wenige Aussagen mit Mehrwert treffen. Beide Teams waren mehr oder weniger stehend KO. Lediglich Jones bekam nach einer Ruhepause zuvor seine zweite Luft und setzte zu neuerlichen Vertikalläufen, wobei er in diesem Fall von den lockereren Staffelungen profitierte, aber weiterhin Hektik ins Angriffsspiel der Revs brachte. Bei New England war außerdem Kobayashi mittlerweile auf die Zehnerpositon gerückt, während der eingewechselte Andy Dorman als Abräumer Jones absichern sollte.
Kobayashi erledigte seine Aufgabe passabel, wie er in der 102. Minute unter Beweis stellte, als der mit Volley das Spielgerät über die beiden Galaxy-Innenverteidiger auf Mullins brachte, dieser aber scheiterte. Schlussendlich sollte es erneut ein langes Zuspiel sein, was die Entscheidung brachte. Doch es waren die Favoriten aus Los Angeles, die dies bewerkstelligten. Sarvas schickte über halblinks einen langen Ball in Richtung von Robbie Keane. Tierney hatte wohl die Abseitsfalle verschlafen, sodass Keane freistehend einnetzen konnte. Er agierte eigentlich schwach über die volle Spielzeit hinweg. Doch dieser Treffer bescherte ihm auch noch den Titel des Final MVP, denn L.A. verteidigte den Vorsprung, während sie einige Kontermöglichkeiten liegen ließen. Bruce Arena wird es am Ende des Tages nicht stören.
Fazit
Traf hier der Dominator der letzten Jahre auf einen zukünftigen Titelträger? Die Chancen stehen nicht schlecht. Für Los Angeles war es der dritte Titel innerhalb von vier Jahren. Mit Donovan verliert man nicht nur einen wichtigen Stützpfeiler, auch andere Spieler erreichen langsam die imaginäre Altersgrenze. Die Mannschaft war insgesamt keineswegs haushoch überlegen, weder in diesem Finale noch zuvor. Allerdings zeigten sie erneut ihre Abgebrühtheit, wie sie es schon nach einem Pausenrückstand in Seattle letzte Woche taten.
An hohen taktischen Maßstäben gemessen enttäuschte dieses Finale. Zu einfach waren die Struktur, zu wenig flexibel die Ansätze mit dem und gegen den Ball. Doch andererseits wurde jene Art von dynamischem Fußball gezeigt, den man erwarten durfte, wobei einzelne Könner wie Nguyen oder Donovan natürlich das Salz in Form von technischer Brillanz in der Suppe waren.
Es bleibt außerdem zu hoffen, dass der junge Trainer Jay Heaps seinen Weg mit New England weitergeht. Immerhin erreichte er mit einem individuell unterlegenen Kader (und JJ) das Finale der Saison 2014.
3 Kommentare Alle anzeigen
HW 8. Dezember 2014 um 13:42
Off Topic:
Habe gerade aufgrund des Adventskalenders den Barca 2010/11 Artikel „wiederentdeckt“.
Da regte sich bei mir die Frage ob mittel- oder langfristig eine Mannschaftsanalyse zu entweder Real Madrid oder Bayern München geplant ist.
Ich weiß, es gibt zunächst die Serie zum BVB, die soll auch ihre Zeit bekommen. Aber Real hat sich seit der letzten speziellen Analyse 2012/13 mittlerweile verändert und zu Bayern gibt es diese „In deep“ Betrachtung noch nicht (oder?).
MMn könntet ihr euch das für das Ende dieser Saison oder Ende 2015 merken und dann eines der Teams mal analysieren. Fände ich zumindest interessant. Muss ja keine Artikel-Serie werden.
Wo ich grade dabei bin, versucht doch aus der WM Kapital zu schlagen und macht eine Analyse der N11 unter Joachim Löw für den Sachbuchmarkt.
Brathuhn 8. Dezember 2014 um 20:58
Die Stärke der Bayern ist doch neben der individuellen Qualität auch die taktische Flexibilität, die durch eine große Analyse nicht im Ansatz so abgebildet werden kann, wie es die viele kürzeren, hier regelmäßg erscheinenden Artikel über Ligaspiele schon machen. Oder anders gesagt: Die Serie über die Münchner gibts hier sowieso schon, was fehlt wäre vllt. ein ordnender Überartikel mit verweisen.
HW 9. Dezember 2014 um 13:33
Irgendeine Basis muss da vorhanden sein, die man analysieren kann.
Halt mal den Wald und nicht die Bäume betrachten.