Eintracht Braunschweig – 1. FC Heidenheim 3:0
In einem über weite Strecken guten Zweitligaspiel ohne allzu viele nennenswerte Torchancen gewann die Eintracht aus Braunschweig verdient, aber etwas zu hoch, mit 3:0 gegen den 1. FC Heidenheim. Vor allem in der ersten Halbzeit kontrollierte die Mannschaft von Torsten Lieberknecht das Spiel und den Gegner, schaffte es aber nicht, gegen die passiv verteidigenden Schwaben konstant zum Abschluss zu kommen.
Braunschweigs flexible Spieleröffnung über die Halbräume
Gegen die 4-4-2-Defensivformation des Aufsteigers aus Heidenheim agierte Braunschweig mit vielen abkippenden Bewegungen der Doppelsechs, die wie schon gegen Düsseldorf aus Boland und Theuerkauf bestand. Während einer der beiden meistens zentral blieb und die Schnittstelle zwischen den Heidenheimer Stürmern Morabit und Niederlechner besetzte, driftete der andere seitlich vor den Innenverteidigern zur Seite heraus.
Dabei waren die durch diese Bewegungen angestoßenen Halbraumangriffe, welche vor allem über die linke Seite – und dabei relativ linear – vorgetragen wurden, das prägende Muster des Braunschweiger Offensivspiels. In der ersten Halbzeit konnte das Team deshalb extrem dominant agieren und hatte viel tiefen Ballbesitz. Heidenheim hingegen bekam mit seiner Formation keinen wirklichen Zugriff auf den Braunschweiger Aufbau. Das lag allerdings nicht nur an der formativen Schwäche des 4-4-2, das gerade neben den beiden Stürmern Lücken offenbarte, die Braunschweig gezielt bespielte, sondern auch an der Flexibilität des Braunschweiger Aufbaus und der intelligenten Einbindung der Außenverteidiger.
Reichel über links und Hedenstad über rechts agierten nämlich nicht tief und breit, sondern schoben immer wieder in die Halbräume, verhielten sich dort vertikal und öffneten so Räume für Theuerkauf und Boland sowie Passwege auf die breit agierenden Flügelspieler Zuck und Korte. Mit diesen Rochaden verhinderte man schlussendlich auch, dass Heidenheims Flügelspieler herausrücken konnten, um unangenehme 4-3-3-Stellungen am Flügel zu erzeugen, was diese zu Beginn der Partie noch versuchten, später allerdings einstellten, um das Zentrum nicht weiter als nötig zu öffnen.
In Verbindung mit gelegentlichen Aufrückbewegungen von Correia aus der Innenverteidigung und vereinzelten langen Bällen mit anschließendem Kampf um zweite Bälle zeigte sich Braunschweig sehr flexibel im Eröffnen von Angriffen. Ein weiteres Muster, das auch schon gegen die Fortuna am ersten Spieltag zu sehen war, waren die vielen vertikalen Bälle auf der linken Seite, die aus dem ersten Drittel meistens von Boland oder Theuerkauf nach vorne in den Zwischenlinienraum auf Nielsen oder Kruppke gespielt wurden. Nielsen, der auf der Zehn etwas hinter Kruppke eingesetzt wurde, und der Kapitän selbst bildeten weitestgehend eine Doppelspitze, die durch ihre hohe Stellung immer wieder Räume zwischen den beiden Heidenheimer Viererketten öffnete, und in die sie sich dann abwechselnd situativ nach hinten fallen ließen. Dabei diente Kruppkes tieferes Zurückfallen vor allem dazu, den linken Flügel zu überladen, wohingegen durch Nielsens horizontalere und dynamischere Läufe eine Anspielstation für Ablagen und Kombinationen im hohen linken Halbraum geschaffen werden sollte.
Braunschweigs Probleme mit der Durchschlagskraft
Trotz der theoretisch guten Anlagen und dem sicheren Spielaufbau gelang es Braunschweig nicht wirklich, zu hochkarätigen Torchancen zu kommen. Dies lag unter anderem an der passiven Stellung der Heidenheimer, die zwar nie wirklich aggressiv, dafür aber gruppentaktisch sauber verschoben und keine potentiell gefährlichen Räume geöffnet ließen.
Auf Seiten der Braunschweiger war hingegen problematisch, dass die Rochaden auf der linken Seite von Reichel und Zuck teilweise unzureichend mit denen von Kruppke und Nielsen abgestimmt waren und in zu tiefen Räumen stattfanden. Durch ungünstige Abstände ergaben sich kaum schnelle Kombinationen im Zwischenlinienraum oder den Flügel herunter, weil z.B. Reichel viel zu lange Wege zurücklegen musste und Zuck viel zu tief stand.
Dass damit situativ die Breite und Präsenz in letzter Linie fehlte, ermöglichte den Heidenheimern vor allem in Person von Göhlert ein effektives Schließen des Zwischenlinienraums, da durch ein Herausrücken aus der Innenverteidigung keine Gefahr entstand, mit langen Bällen überspielt zu werden. In der Folge kam vor allem Kruppke nie in spieloffene Stellungen und auch Kortes Einrücken vom Flügel in den Zehnerraum blieb weitestgehend ineffektiv. So wurden die Angriffe der Braunschweiger häufig zu linear und schnell, um sie wirklich effektiv ausspielen zu können.
Heidenheims Probleme in der Spieleröffnung
Im Gegensatz zu den Braunschweiger Außenverteidigern blieben Heise und Strauß auf Seiten der Heidenheimer im Spielaufbau tief, um sich an der Ballzirkulation zu beteiligen, und schoben auch im späteren Angriffsverlauf kaum mit nach vorne, um mögliche Braunschweiger Konter zu vermeiden. Dieser Umstand in Verbindung mit dem Fokus auf die Kontrolle des Zentrums der hohen 4-4-2-Defensivformation der Braunschweiger, die gegen Heidenheims Doppelsechs, bestehend aus Titsch-Rivero und Griesbeck, viel mit losen Mannorientierungen arbeiteten und bereits die Innenverteidiger anliefen, führte dazu, dass der FC zu Beginn kaum ins Spiel fand. Vor allem nach Zuspielen auf die Außenverteidiger zeigten sich Korte und Zuck extrem aggressiv, würgten die Angriffe ab und nach Rückpässen schob man auf Braunschweiger Seite ins 4-1-3-2-Angriffspressing, das von seinen vielen Mannorientierungen lebte und mit dem tieferen Theuerkauf einen Spieler vor der Abwehr zur Absicherung besaß.
Eines der Hauptprobleme der Heidenheimer war die fehlende Breite im zweiten und vor allem letzten Drittel, die durch höhere Außenverteidiger gegebenenfalls hätte beseitigt werden können, durch die Besetzung der Flügelpositionen allerdings verschärft wurde. Mit Schnatterer agierte über rechts ein spielmachend veranlagter Außenbahnspieler, der häufig zur Mitte kam, dort aber gut aufgenommen wurde und über links Bagceci, der viel ins Sturmzentrum zog. Dass vor allem Morabit das ein oder andere Mal balancierend aus dem Sturmzentrum auf links auswich und Heise vereinzelt lange Läufe nach vorne zeigte, wenn Titsch-Rivero doch einmal abkippte, reichte schlussendlich nicht aus.
In der Konsequenz ergab sich entweder das Problem der fehlenden Breite im letzten Drittel, was Braunschweig ermöglichte kompakt einzurücken, oder aber eine Unterbesetzung des Zehnerraums und fehlende Verbindungen vom Flügel zurück zur Mitte. Dass Frank Schmidt hier keine größeren Anpassungen vornahm, dürfte seinem Matchplan geschuldet sein, der in der ersten Halbzeit vor allem die defensive Stabilität in den Vordergrund stellte.
Heidenheim reagiert auf den Rückstand
Nach dem Führungstreffer für die Braunschweiger durch Nielsen nach einer Flanke von Reichel in den Rückraum beorderte Schmidt zu Beginn der zweiten Halbzeit seine Außenverteidiger (vor allem Heise) weiter nach vorne, besetzte somit konsequent die Breite und zwang Braunschweig zurückgezogener zu verteidigen. Durch den aufrückenden Bagceci und den immer wieder nach vorne schiebendem Griesbeck konnte Heidenheim eine relativ hohe Präsenz in letzter Linie erzeugen und Braunschweigs 4-4-0-2-Formation bekam keinen so großen Zugriff mehr auf das Heidenheimer Aufbauspiel, bei dem jetzt auch Titsch-Rivero konsequenter abkippen konnte. Dadurch, dass Schnatterer auf rechts klassischer als zuvor agierte, ergaben sich auch für ihn klarere Aktionen, die er besser ausspielen konnte. Das Spiel war breiter angelegt und in der Mitte öffneten sich mehr Räume für ein kombinatives Zusammenspiel. Ein weiteres belebendes Element war das jetzt öfter zu sehende Ausweichen von Morabit auf den rechten Flügel vor Schnatterer, der in diesen Situationen in tieferen Räumen ins Zentrum schieben konnte.
Genau in dieser guten Phase der Heidenheimer fiel dann der Treffer zum 2:0 durch Reichel nach einem schlecht verteidigten Standard. In der Folge wurde Heidenheim noch einmal deutlich offensiver, bis – wiederum durch Reichel – der dritte Braunschweiger Treffer fiel. Danach stellte Schmidt mit der Einwechselung von Riese gegen den Ball auf ein 4-5-1 um, erzeugte mehr defensive Stabilität und das Spiel plätscherte seinem Ende entgegen.
Fazit
Am Ende gewann der Absteiger gegen den Aufsteiger verdient, wobei vor allem das Pressing und die defensive Stabilität den Ausschlag gaben. Probleme in der Endphase der Angriffe gegen die kompakten Heidenheimer, kompensierte Braunschweig mit etwas Glück und Effizienz beim Abschluss. In der zweiten Halbzeit nutzten die Niedersachsen die durch Heidenheims offensiveren Spielstil entstehenden Räume und konterten gnadenlos. Die Mannschaft von Frank Schmid hingegen verlor zu hoch und kann auf eine durchaus ordentliche Partie zurückblicken, die punktuellen Verbesserungsbedarf offenbart.
5 Kommentare Alle anzeigen
RT 17. August 2014 um 19:26
@Mario und HD15: Generell dürfte es so sein, dass sich die Eintracht gegen tiefe und passive Gegner schwerer tut, als gegen Mannschaften, die auf Ballbesitz spielen (hat man z.B. an den guten Spielen gegen Bayern oder dem Heimspiel gegen Schalke letztes Jahr gesehen), weil da die Stärken der Mannschaft gegen den Ball und im Konterspiel zum tragen kommen.
Da die Eintracht aber jetzt vermehrt auf tiefe Gegner treffen wird, wird der Fokus wahrscheinlich auch mehr auf eigenes Ballbesitzspiel gehen. Dabei sehe ich die Leistung der Braunschweiger eigentlich als recht ordentlich. Die grundlegenden gruppentaktischen Bewegungen sind ja vorhanden. Ein paar Abstimmungsprobleme gibt’s halt noch, vllt. probiert man noch den ein oder anderen Ansatz aus und dann wird sich das mit der Zeit schon einspielen. Von der Sache mit der Durchschlagskraft kann ja auch der FC Bayern regelmäßig ein Lied singen 😉
HD15 17. August 2014 um 21:51
Mag ja durchaus so gewesen sein aber in der zweiten Liga gehören sie jetzt auch in den meisten Spielen zu den Favoriten, das heißt sie werden wieder mehr Ballbesitz haben und dafür ist der Ansatz ja schon ziemlich gut, wie schon gesehen gegen Heidenheim.
Dennoch finde ich das man selbst gegen einen tiefstehenden 5tligisten mehr Durchschlagskraft, bzw mehr Torchancen, erspielen sollte … und nicht das Spiel mit Glück gewinnen und durch(extrem ausgedrückt) Überladungen der Seitenlinien am Flügel durchbrechen um Chancen zu kreieren.
ps: Ja, ich weiß das war ein Pokalspiel und kein Spiel wie Braunschweig es noch oft haben wird diese Saison.
Dennoch fand ich, das war einfach viel zu wenig durchschlagskräftig und defensiv auch nicht ganz so stabil!
HD15 17. August 2014 um 00:39
Ich habe Braunschweig danach im Pokal gesehen und sie haben in der ersten Halbzeit(in der zweiten gar nicht mehr) wieder mit den einrückenden AV in den Halbraum gespielt.
Führte wieder zu viel Ballbesitz in hohen Zonen, was aber gegen eine 5t-Ligist aufgrund des Klassenunterschieds wenig überraschte, konnten aber so gut wie gar keine Durchschlagskraft erzeugen bzw Chancen heraus spielen.
Bremer SV verteidigte in einem tiefen 5-4-1 und hatte damit die Breite sehr gut abgedeckt und Braunschweig erspielte sich echt erschreckend wenig Chancen …
vor allem auffällig in der zweiten Halbzeit war wie wenig sie durchs Zentrum gespielt haben, die Außen und Av klebten an der Außenlinie und die Stürmer ließen sich fallen zum Überladen der Seite für einen Durchbruch. Also diese offensive Leistung gegen so einen Gegner war echt schlecht meiner Meinung nach!
Goalimpact 16. August 2014 um 00:56
Danke für die Analyse und schön, dass SV Verstärkung bekommt! Nach meinen Zahlen hat Heidenheim eigentlich das bessere und auch homogener besetzte Team. Ich würde vermuten, dass sie am Ende der Saison vor Braunschweig stehen.
Mario 16. August 2014 um 12:54
Da halte ich als Eintrachtfan jetzt einfach mal dagegen 😉
RT, hast du denn Ideen, wie Braunschweig nach das Offensivspiel verbessern könnte? Hoffentlich spielt Ademi wieder und Bakenga kommt auch immer besser rein.