Malaga CF – Atlético Madrid 0:1

Bernd Schuster bringt gegen Atlético Madrid die 90er-Jahre Fußballdeutschlands zurück in den spanischen Fußball.

Bernd Schuster macht das Klischee salonfähig

Zugegeben, es mag im Einleitungssatz unangenehm klingen, an sich waren Schusters Ideen in dieser Partie überaus interessant und aus taktischer Perspektive sehenswert. Dabei ließ der Deutsche eigentlich nur ein klassisches System wieder aufleben. Die Gastgeber formierten sich gegen Atlético in einem 5-4-1 mit zahlreichen Mannorientierungen.

Malaga im überaus kompakten 5-4-1 mit viel Herausrücken

Malaga im überaus kompakten 5-4-1 mit viel Herausrücken

Diese Mannorientierungen waren überaus interessant gemacht. In der Abwehr wurde mit zwei Manndeckern auf David Villa und Diego Costa gespielt, der zentrale Innenverteidiger positionierte sich oftmals etwas tiefer und sicherte als Libero ab. Gelegentlich schob er allerdings auch auf eine Höhe mit ihnen und spielte wie ein dritter zentraler Innenverteidiger, wodurch sie vereinzelt auf Abseits spielen konnten. Außerdem rückte er in einigen Situationen sogar antizipativ in den Zwischenlinienraum nach vorne auf.

Auf den Flügeln gab es ebenfalls relativ starre Mannorientierungen. Die Flügelverteidiger der Fünferkette orientierten sich an den gegnerischen Flügelstürmern. Diese ziehen bei Atlético Madrid unter Simeone sehr oft in die Halbräume, schieben diagonal nach vorne oder rücken sehr weit ein. Sie bieten sich damit für das Mittelfeld an und können entweder für die Außenverteidiger Räume öffnen oder direkte Schnellkombinationen mit den Stürmern spielen.

Malaga 5-4-1 mannorientiert

Malaga 5-4-1 mannorientiert mit eingerückten, höheren Flügelverteidigern (3-2-4-1 in der Szene gar)

Bei Malaga wurden diese Bewegungen überaus konsequent verfolgt. Vereinzelt standen die Hausherren dann in eine Art 3-3-3-1/3-4-2-1 dar, welches allerdings nur wenig mit den klassischen Staffelungen dieser Formationen zu tun hatte. Manchmal schob nämlich einer der Sechser Malagas nach vorne, die Flügelstürmer kümmerten sich um die gegnerischen Außenverteidiger und standen plötzlich fast in einer vertikalen Linie mit den Innenverteidigern und einer horizontalen Linie mit dem Sechser, während eine Ebene davor die Flügelstürmer tief und auf Höhe mit dem zweiten Sechser standen.

Malagas situatives 6-3-1

Malagas situatives 6-3-1

Dieses 5-4-1 sollte aber vermutlich nicht nur offensiv, sondern auch defensiv die Madrilenen beschneiden.

Umspielen des Pressings der Rojiblanco

Atlético presst normalerweise in einem 4-4-2/4-4-1-1, wodurch sie viel Druck auf die gegnerischen Innenverteidiger ausüben können. Die beiden Stürmer stellen zumeist den Sechserraum zu und kommen dann aus der Tiefe mit ihrem Deckungsschatten sehr dynamisch nach vorne. Gegen Malaga wurde dies ansatzweise versucht, konnte aber formativ nicht wirklich funktionieren.

Die Schuster-Elf hatte mit ihrer tiefen Ausrichtung, der durchgehenden Positionierung von drei Verteidigern sowie zwei Sechsern und dem anspielbaren Caballero im Tor zumindest im ersten Drittel immer klare Überzahl und im zweiten Drittel des Spielfelds einfache Ausweichzonen nach hinten. Über diese konnten sie den Ball zirkulieren lassen, taten es nichtsdestotrotz nur selten. Öfters versuchten sie über schnelle Flügelwechsel eine Seite zu bespielen und dort mit einer Überladung der Seite durchzubrechen.

Malaga im 3-4-3 bei eigenem Ballbesitz und einem zur Seite gependelten Sechser

Malaga im 3-4-3 bei eigenem Ballbesitz und einem zur Seite gependelten Sechser

Offensiv wurde das flexible, mannorientierte 5-4-1 dann natürlich zu einem 3-4-3 mit zwei Sechsern, wobei einer davon sich gelegentlich in die Angriffe miteinschaltete. Die Flügelverteidiger und die Flügelstürmer hatten viele Freiheiten auf ihrer Seite und konnten sich über den unterstützenden Mittelstürmer nach vorne bewegen.

Probleme gab es dann aber – massiv teilweise – im letzten Spielfelddrittel. Zwar konnte sich Malaga überaus viele Abschlüsse erspielen und erarbeiten, aber es fehlte an der nötigen Staffelung beim Angriffsabschluss und an den passenden Abschlusspositionen. Zahlreiche Schüsse wurden oftmals von den Seiten abgegeben. Die strategisch wichtigsten Zonen, die Mitte und die Halbräume, konnten nur selten im Angriffsabschluss bespielt und genutzt werden (74% der Angriffe gingen über einen der beiden Flügel).

Malaga im 3-4-3 offensiv ohne gependelten Sechser mit tiefer kommendem Flügelverteidiger

Malaga im 3-4-3 offensiv ohne gependelten Sechser mit tiefer kommendem Flügelverteidiger

Darum konnten sie trotz mehr Abschlüssen als Atlético (12:9) weniger gefährliche Schüsse herausspielen (3:6). Auch die schönen geometrischen Staffelungen in der Defensive mit vereinzelten Sechserketten und dem durch die Mannorientierungen situativen Verwaisen der Flügel halfen offensiv wenig. Zwar konnten sie Atléticos Offensive lange Zeit neutralisieren, hatten aber bei den eigenen Angriffen wie erwähnt nur wenig Durchschlagskraft.

Noch deutlich problematischer war natürlich das Umschaltspiel. Mehrmals haben wir schon in Artikeln zum 4-5-1 mit flacher Fünf ausgeführt, dass durch die mangelnde Offensivstaffelung nach Balleroberungen oftmals kaum Anspielstationen vorhanden sind und der Gegner viel Druck ausüben kann. Beim 5-4-1 war es trotz der variablen Staffelungen in der Defensive ebenfalls oft der Fall.

Juanmi zeigte zwar in puncto Pass- und Bewegungsspiel eigentlich eine gute Leistung als pendelnder Mittelstürmer, wurde aber nur selten ordentlich ins Spiel gebracht. Atléticos Gegenpressing funktionierte gegen das tiefstehende Malaga gut, abgeschlossene Konter gab es keinen einzigen.

Malaga und der Libero: Ein kompaktes 1-4-4-1

Malaga und der Libero: Ein kompaktes 1-4-4-1

Atléticos Probleme und ihre Lösung

Die Problemfelder der Rojiblanco habe ich in der Analyse schon angedeutet. Das 4-4-2 ließ sich zu einfach überspielen und nach vorne konnten sie sich nur selten durchkombinieren, da die Räume eng, die Spieler Malagas aggressiv agierten und dicht gestaffelt beieinander standen. Diego Costas tolle Tiefensprints kamen kaum zum Tragen, da er keine anvisierbaren Räume in der Tiefe hatte.

Im Aufbauspiel hatte der nun aktuelle Tabellenführer oftmals „zu viel“ Raum in der ersten Linie, den sie schlicht suboptimal nutzten. Die Sechser blieben zu oft im Mittelfeldzentrum und entzogen sich dem Zugriff ihrer Gegenspieler nicht ordentlich, was sich nachteilig auf die Sichtfelder in der Angriffskreation auswirkte. Auch die Innenverteidiger attackierten die offenen Räume neben dem Stürmer nur selten durch Aufrücken mit Ball am Fuß. Sie blieben passiv und ließen den Ball zirkulieren, wodurch Malaga weiterhin kompakt, somit aggressiv, in Überzahl und in der passenden kollektiven Höhe spielen konnte.

Mit der Zeit arbeitete sich Atlético durch einzelne Anpassungen und ihrer starken Arbeit gegen den Ball nach vorne. Kurz vor dem 0:1 gab es kaum noch Aufbauszenen Malagas, die man zuvor durchaus – wenn auch nie übermäßig lang, dafür aber oft – sehen konnte. In dieser Phase wirkte es auch so, als ob Simeone mit den Einwechslungen von Adrian für Oliver (zur Halbzeit) und Rodriguez für Turan (62. Minute) ansatzweise auf eine rautenförmige Rollenverteilung umgestellt hatte.

Atlético im asymmetrischen 4-4-2

Atlético im asymmetrischen 4-4-2

Tiago hielt sich sehr tief auf, Koke und Rodriguez (links-halblinks) spielten als Verbindung in die Spitze und Adriano orientierte sich diagonal ganz nach vorne. Dadurch wirkte dies wie eine asymmetrische Raute, in welcher Adrian fast schon zockend im Defensivspiel zu agieren schien und David Villa beziehungsweise Diego Costa sich gelegentlich in den Zwischenlinienraum zurückfallen ließen.

Hier hatte Malaga ein paar Konter über die linke Seite, gleichzeitig aber keinen freien Mann in der Abwehr mehr beziehungsweise ließ sich tiefer drängen, wenn sie einen zusätzlichen Spieler wegen Adrian hinten nutzten. Bald darauf fiel jedoch der Treffer des Tages durch Koke und Atlético stellte auf ein 4-4-2 um, welches in der Schlussphase zu einem 5-4-1 mit der Einwechslung Alderweirelds für Villa wurde.

Das 4-4-2 war nun überaus kompakt und intensiv; deutlich kompakter als zuvor. Hierbei ist die Berücksichtigung der größten Stärke Atléticos wichtig: Ihrer Gruppentaktik. Viele ihrer defensiv- und offensivtaktischen Aspekte leben davon, dass sie einfach überaus gut aufeinander abgestimmt, schnell, präzise und mit der richtigen Intensität vonstatten gehen. Passiert dies nicht, erhalten sie teilweise Probleme, weswegen sie in bestimmten Situationen offensiv auch schwächer sind als andere Topteams; defensiv und bei passendem Rhythmus sind sie allerdings unglaublich stark, obgleich diese Partie kein Loblied auf sie war. Eher eines an Bernd Schuster, auch wenn dies schwer vorstellbar ist und das Spiel letztlich verloren ging.

 

Danke an laola1.tv für das Bildmaterial!

MAHG 5. Januar 2014 um 10:42

Super Artikel mal wieder!
Würde mich freuen wenn ihr mal was über athletisch und deren jüngste Entwicklung schreibt.

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MAHG 5. Januar 2014 um 10:43

*Atletico

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CF 5. Januar 2014 um 02:58

War auch überrascht von Bernd Schuster viel sein Team doch taktisch in den letzten Spielen insbesondere Offensive ziemlich ab war dies wirklich taktisch interessant. In der Offensive hat man sich halt sehr stark auf Antunes fokussiert mit Überladungen und Ballungen in seinem Raum. Durch diese Fokussierung auf ihn kam ein bisschen die schlechte Staffelung zustande. Die schwächte Staffelung zeigte sich dann aus viele Abschlüssen um die Offensiven Räume von Antunes er selbst hatte glaube ich ein oder zwei Schüsse. Fand aber das Santa Cruz dem Spiel gut Tat. Hatte immer wieder interessante Bewegungsmuster die halfen die schlechte Staffelung ein bisschen zu verbessern. Erinnere mich an einen Angriff Antunes Verlagerung auf Gamez das Spiel ist wieder in einer Situation mit schlechter Staffelung. Santa lässt sich fallen hinter Tiago und spielt zu Duda der einen weiter auf Antunes Flanke und Ecke.

Oliver Torres ist ein echter ganz cool obwohl er in diesem Spiel nicht so präsent war da seine Bewegungsmuster ziemlich gut geschluckt wurden von Malagas Verteidigung. Aber auf den Flügeln agiert er wegen seinem Können sehr variabel entweder Kreativ invers oder gradlinig und dribbelstark eher vertikal zum Strafraum und von da dann typisch Diagonale Passmuster. Dazu gut in engen überdurchschnittlich gut im pressen in Engen. Der könnte echt interessant werden. Man könnte ihn von den Passmustern, Bewegungsmustern und Können ähnlich ein bauen wie Perotti bei Sevilla in den Abkippbewegungen noch variabler und konsequenter aber wäre aufjedenefall eine Idee. Ist sehr variabel gibt viele Möglichkeiten ihn einzubauen aber es sollte definitiv in Simeones Interesse liegen diesen Jungen gut einzubinden. Er könnte neue und unorthodoxe Strukturen in das Spiel von Atlético bringen.

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Izi 5. Januar 2014 um 01:25

Nach dem Einleitungssatz hätte ich nicht gedacht, dass Schuster so gut davon kommt. . . 😉 Aber der Artikel zeigt wieder einmal, dass im Fußball nicht immer die große Revolution nötig ist, alte Ideen an neue Gegebenheiten anzupassen kann auch wirken.

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