Everton FC – Southampton FC 2:1

Everton und Southampton, ein etwas atypisches Spiel für die Premier League. Beide Teams definieren sich in dieser Saison über einen modernen Fußball mit viel Pressing, konstruktivem Aufbauspiel und schönem Offensivfußball. Everton ist dabei noch etwas fokussierter auf den Ballbesitz, während sich die Saints stärker über die Arbeit gegen den Ball definieren.

Everton vs Southampton - Grundformationen zu Spielbeginn.

Everton vs Southampton – Grundformationen zu Spielbeginn.

Durch diesen beidseitigen Fokus auf Pressing und Offensivfußball in etwas unterschiedlicher Ausführung entstand eine tolle Partie. Die beiden Mannschaften setzten viele Aspekte ähnlich um und waren dabei trotzdem in ihrer Grundnatur unterschiedlich. Everton versuchte den Ball stärker im zweiten Drittel zirkulieren zu lassen und hatte offensiv ein bisschen weniger Flexibilität, Southampton wollte aus dem ersten Drittel nach Ballstafetten schnell in die Spitze kommen und dort über fluide Bewegungen der Offensivspieler für Gefahr sorgen.

Interessant ist, dass beide Mannschaften ähnliche Reaktionen auf den Gegner hatten, zumindest defensiv.

Die Aufgaben der Flügelstürmer

Auf beiden Seiten gab es zahlreiche Mannorientierungen und die Außenstürmer hatten überaus ambivalente Aufgaben und Rollen in der Defensivarbeit. Southampton hatte zum Beispiel sehr viele flexible Mannorientierungen in der Mitte, an denen sich teilweise sogar die Außenstürmer beteiligten. Insbesondere Rodriguez übernahm immer wieder einen Gegenspieler im ballfernen Halbraum und half somit dabei, dass die Sechser weit auf die ballnahe Seite schieben konnten.

Mit diesen Mannorientierungen und der Unterstützung der ballfernen Akteure oder auch des Zehners konnten die Saints in Ballnähe extrem ballorientiert verschieben, ließen dafür aber öfters Räume auf dem anderen Flügel offen. Aus zwei Gründen ist dies jedoch durchaus intelligent und praktikabel. Mit der dadurch entstehenden hohen lokalen Kompaktheit sowie in Wechselwirkung mit der Spielphilosophie des Gegners sind horizontale Seitenwechsel für Everton ohnehin schwer zu spielen.

Dank der lokalen Kompaktheit gibt es zu viel Präsenz in Ballnähe, womit Passoptionen in die Mitte durch Deckungsschatten oft abgedeckt werden. Der Druck und die Anzahl der Gegenspieler sorgen für schwierige Dribblings. Wenn der Ball dann zurück oder über eine Schnellkombination auf die andere Seite kommt, sind zwar Räume offen, doch Southampton kann in der Zwischenzeit verschieben. Bis mit 2, 3 oder 4 Kurzpässen die Seite gewechselt wurde, stand Southampton oftmals  schon in der passenden Formation als Antwort auf den Seitenwechsel da.

Kritisch war für Everton allerdings ohnehin eher das Versperren der Mitte durch das Defensivspiel der Saints. In der ersten Halbzeit gingen nur 19% der Angriffe der Gastgeber über die Mitte, was ihnen eine strategisch enorm wichtige Komponente für ihr Ballbesitzspiel nahm. Wie erwähnt waren aber nicht nur die defensiven Aufgaben der Flügelstürmer Southamptons interessant, sondern auch jene der Hausherren. Zu den Defensivaufgaben der Flügelstürmer Evertons müssen wir dabei die Mannschaftstaktik hinzuziehen.

Evertons Reaktion auf Southamptons Aufbauspiel

In den Anfangsminuten wirkte es noch so, als ob die Gastgeber in einem 4-2-3-1/4-4-1-1 pressen würden. Nach der Anfangsphase schienen sie sich jedoch stärker in einem 4-2-4/4-2-4-0 zu positionieren. Die beiden Innenverteidiger und die beiden Sechser konzentrierten sich stark auf ihre Position und Sicherung der Mitte, ansonsten gab es sehr freie Bewegungen im Pressing.

Everton vs Southampton - Grundformationen - Everton offensiv

Everton vs Southampton – Grundformationen – Everton offensiv

Die Außenstürmer pendelten dabei immer zwischen einer losen Mannorientierung an die gegnerischen Außenverteidiger, einem aggressiven Einrücken in zentralere Räume oder einer Positionierung im Halbraum, von wo sie aus auf die gegnerischen herauskippenden Achter herausrückten. Diese Spielweise war nur allzu logisch.

Southampton baute wie üblich wieder mit drei beweglichen Akteuren auf; Davis ließ sich zurückfallen und kippte vereinzelt heraus, die beiden Sechser taten dies ebenfalls. Einige Male entstand wie so oft ihre 2-3-4-1-Formation, in welcher die Außenverteidiger vor die Linie der drei zentralen Mittelfeldspieler nach vorne schoben.

Der Schachzug Evertons Außenstürmer in einer hohen und nicht rein mannorientierten Position aufzustellen war darum ein guter. Sie konnten hier situativ zwischen einem Einrücken in die Mitte, um dort die zentralen Mittelfeldspieler zu unterstützen, einem hohen Pressing auf die herausgerückten Akteure (mit den Außenverteidigern im Deckungsschatten) oder einer Verfolgung der gegnerischen Außenverteidiger wechseln. Theoretisch hatten sie damit zwar offene Räume, aber konnten diese durch viel Herausrücken der Außenverteidiger, den hohen Druck im Angriffspressing und die Bewegung der Außenstürmer kompensieren.

Auch die Offensivbewegungen beider Mannschaften kamen nicht voll zum Tragen. Sie konzentrierten sich auf bestimmte Aspekte und Situationen.

Staffelungsprobleme, Southamptons offensive Bewegung und Evertons Außenverteidiger

Auf beiden Seiten gab es durch die Mannorientierungen, das hohe Tempo und die lokalen Kompaktheiten durch das extensive Verschieben auf den Ball immer wieder Probleme in der Positionierung. Southampton hatte zum Beispiel einige offene Räume bei schnellen Seitenwechseln, welche nicht über die Abwehr, sondern durch das Mittelfeld gingen. Auch Konter waren vereinzelt gefährlich und die Kommunikation in der Viererkette sowie von der Viererkette mit der Linie davor war ebenfalls nicht immer perfekt.

Ansonsten funktionierte das 4-2-3-1 relativ gut. Evertons Mitte konnte nicht so oft eingesetzt werden, wie es Lukaku, Barkley und McCarthy verdient hätten. Viel ging gezwunge

Everton vs Southampton - Grundformationen - Southampton offensiv

Everton vs Southampton – Grundformationen – Southampton offensiv

nermaßen über die Flügel, wo Everton eigentlich ebenfalls Stärken hatte. Mit Coleman und besonders mit Baines verfügen sie über sehr gute Außenverteidiger, doch diese hielten sich phasenweise deutlich stärker zurück als üblich. Wenn sie aber aufrückten, was sie situativ sehr gut taten, waren sie gefährlich und zeigten beide eine gute Partie. Vermutlich wollte Martinez bloß eine zu offensive Ausrichtung verhindern und veränderte die Mechanismen des Flügelspiels situativ.

Ähnliches gab es bei Southampton. Sie spielten wieder mit vielen Akteuren im Aufbauspiel, vorne war Rickie Lambert einmal mehr sehr beweglich, ließ sich nach hinten oder auf die Seiten fallen und versuchte Räume für Lallana und Rodriguez zu öffnen. Letzterer schob mehrmals in die Spitze. Die Schnellkombinationen Southamptons konnten aber wegen der Kompaktheit der Gastgeber und dem guten Defensivspiel nur selten ordentlich abgeschlossen werden.

Die Saints hatten zwar mit 12 Abschlüssen 3 mehr als Everton, davon gingen allerdings nur 2 auf das Tor von Robles. Beim Traumtor von Evertons Rechtsverteidiger zeigte sich, wie wichtig das Verschließen von strafraumnahen Positionen durch eine ordentliche Staffelung ist. Die Viererkette stand zu eng und kompakt, der herausgerückte Prowse-Ward verlor den Zweikampf (allerdings musste er viel Raum abdecken und unangenehm anlaufen) und dadurch konnte Coleman mit seinem Dribbling in eine aussichtsreiche Position kommen; individuell war dies natürlich auch sehr gut gemacht, die Entstehung war zusätzlich noch vorteilhaft.

Fazit: Chapeau, England!

Ein faszinierendes und unterhaltsames Spiel in der englischen Premier League, spielerisch wie taktisch. Beide Mannschaften zeigten eine tolle Leistung, insbesondere in Relation zu ihren finanziellen Möglichkeiten im Ligavergleich. Sie überzeugten mit Angriffspressing, interessanten taktischen Aspekten und Kompaktheit auf beiden Seiten. Zwar waren sie in einzelnen Umschaltmomenten, Staffelungen und Gegenpressingsituationen auch nicht vor der britischen Krankheit gefeit, alles in allem war es aber ein Spiel, in welchem beide Mannschaften Werbung für ihre Trainer machten.

Etwas überraschend, aber durch die jeweiligen Führungen zu erklären, dürfte die Unterlegenheit Evertons beim Ballbesitz vor heimischem Publikum sein. Eine interessante Statistik hierzu: Bei gleicher Passgenauigkeit (76%) in der ersten Hälfte hatte Southampton vier Prozentpunkte mehr Ballbesitz; sie spielten nicht besser im Aufbauspiel, konnten den Gegner aber stärker unter Druck setzen, als es Everton wiederum tat. Am Ende waren es aber nur Nuancen. Everton war etwas stabiler und durchschlagskräftiger, was die Partie zu ihren Gunsten entschied.

Die Einwechslungen änderten nicht viel; Gaston Ramirez erzielte zwar ein Tor, zerstückelte aber etwas die eigene Defensive und sorgte dafür für etwas mehr Dynamik und Präsenz weiter vorne. Bei Everton kam Pienaar für Ovideo, später wurde Mirallas für Osman eingewechselt und Barkley ging auf die Sechs; eine stärker auf das Konterspiel und die Ballbehauptung in der Mitte ausgelegte Spielweise, obgleich Mirallas auch als Antwort auf den Rückstand hätte dienen können.

Izi 30. Dezember 2013 um 14:34

Danke für den tollen Artikel! 🙂

Ich habe den Eindruck, beide Trainer versuchen, den Fußball ihrer Mannschaft „kontinentaler“ zu machen. Unter Moyes wirkten die Toffees zuletzt etwas hölzern (was sich bei United auch gerade zeigt), jetzt spielen sie wesentlich ansehnlicher.

Und das schönste: Durch den Sieg Chelseas liegt Everton vor dem anderen Verein von der Merseyside! Für den Augenblick genießen! 😀

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AP 29. Dezember 2013 um 23:13

Hi RM, hast du dir neben diesem auch CFC-Liverpool angeschaut? Dann würde ich meine Sachen erst dann dort posten…

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RM 29. Dezember 2013 um 23:29

CE macht was zu der Partie. 🙂

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