Schalke 04 – Werder Bremen 3:1
Werder Bremen zeigt gegen Schalke im Pressing eine gute Leistung. Am Ende war dennoch ein individueller Unterschied zu erkennen, den Schalke besonders in Halbzeit Zwei ausnutzt.
Werder Bremen hat sich nach einem durchwachsenen Saisonstart langsam gefangen (siehe hierzu unsere Werder-Analyse im aktuellen Ballnah-Heft). In der vergangenen Woche zeigte Dutts Team gegen Hannover eine starke Leistung. Verantwortlich für Werders Sieg war Dutts Entscheidung, auf eine Raute im Mittelfeld zu setzen. Gegen Schalke setzte er auf das gleiche System. Keller hielt diesem das altbekannte 4-2-3-1/4-4-2 entgegen, diesmal mit Boateng als nominellem Zehner.
Bremens Pressing
Die wohl größten Fortschritte haben die Bremer in den vergangenen Wochen im Pressing erzielt. Gegen Schalke setzten sie vor allem auf ihr Gegenpressing, dem sie auch die eigenen Angriffe unterordneten. Bremen hatte zwei Angriffsmuster: Zum einen überluden sie bewusst eine Flanke und stellten dort eine Überzahl her. Bei eigenen Ballbesitz standen sie sich dabei teilweise selber auf den Füßen, dafür war ihre Staffelung für ihr Gegenpressing gut: Nach dem Ballverlust gingen sie sofort mit zwei Mann auf den Ballführenden und jagten auch danach die Schalker. Sie setzten dabei intelligent ihre Deckungsschatten ein, um Flügelwechsel zu verhindern und Schalke ins Zentrum zu locken. So hatte Bremen fast immer eine Überzahl in Ballnähe
Ähnlich aggressiv war ihr Pressing auf die zweiten Bälle. Im Spielaufbau haben die Bremer noch herbe Probleme. Gerade die Pässe der Innenverteidiger sind ungenau. Zuletzt ging Werder dazu über, vermehrt lange Bälle zu schlagen. Elia und Junuzovic im Sturm sind allerdings keine Zielspieler, welche hohe Bälle erobern und halten können; vielmehr jagen die Bremer Achter Makiadi und Selassie den zweiten Bällen hinterher.
So machte Bremen die eigenen spielerischen Schwächen (nur 68% Passgenauigkeit!) mit ihrem Gegenpressing wieder wett. Schalke brachte man damit zu Beginn des Spiels einige Male in Verlegenheit. Auch wenn das Bremer Pressing teilweise chaotische, gehetzte Züge hatte, bekamen sie doch recht viel Zugriff in der gegnerischen Hälfte. Schalke tat ihnen den Gefallen, selbst enge Situationen spielerisch lösen zu wollen. Außerdem agierte Schalke recht positionstreu; dem Bremer Chaos begegneten sie nur selten mit kreativen oder unerwarteten Laufwegen.
All die genanten Punkte lassen sich gut anhand von Bremens erstem Tor nachvollziehen:
Schalkes spielerische Überlegenheit
Obwohl Schalke sich gegen Bremens Pressing nicht immer intelligent anstellte, waren sie bis zur Pause die spielbestimmende Mannschaft. Jones und Neustädter kippten im Verlauf der ersten Halbzeit vermehrt ab. So konnte Schalke zumindest im geregelten Spielaufbau das Pressing der Bremer aushebeln.
Nach und nach wurden die Nachteile der Bremer Raute sichtbar. Eine Raute hat oft Probleme, die gegnerischen Außenverteidiger aufzunehmen; durch das zentral ausgerichtete Mittelfeld gibt es keinen direkten Gegenspieler für die Außenverteidiger (siehe Abbildung). Um dieses Problem zu umgehen, interpretiert Bremen die Raute sehr eng. Die Achter rücken weit ein, um die gegnerischen Außenverteidiger aufzunehmen.
Schalke war immer dann effektiv, wenn sie dieses Einrücken bespielten. Dies geschah entweder über Pässe aus dem Halbraum auf die Flügel oder umgekehrt, vom Flügel in den Halbraum. So konnte Schalke jeweils die Lücken bespielen, welche der Achter gerade freiließ. Kroos konnte diese Löcher trotz unermüdlicher Laufarbeit nicht durchgehend schließen. Schalke besetzte gerade in der Schlussviertelstunde der ersten Halbzeit die Halbräume sehr gut. Boateng, Draxler und Meyer agierten recht frei und tauschten immer wieder die Positionen. So hatte Schalke vor dem Pausenpfiff ein klares Chancenplus.
Höhere Außenverteidiger nach der Pause
Nach der Pause nahm Keller einen Wechsel vor: Er brachte Fuchs für Neustädter. Fuchs agierte als Linksverteidiger, Aogo ging dafür ins Zentrum. Schalkes Außenverteidiger standen nun etwas höher. Damit konnte sich Schalke besser aus dem hohen Pressing der Bremer befreien – sie ließen sich nicht mehr im eigenen Drittel festnageln, sondern suchten direkter den Weg ins zweite Drittel. Dank der höheren Außenverteidiger hatten sie hier mehr Anspielmöglichkeiten und konnten öfter das Spiel verlagern.
Bremen zog sich gegen Schalkes stärkeren Spielaufbau weiter zurück. Sie verdichteten jetzt vor allem das Zentrum und ließen die gegnerischen Außenverteidiger ein Stück weit passieren. So schlossen sie die Halbräume besser, ließen zugleich aber mehr Flanken zu. Hier konnte Bremen jedoch die Kopfballstärke der eigenen Viererkette einsetzen. Zudem eroberten die Achter viele zweite Bälle.
Die ersten zwei Schalker Treffer fielen dennoch nach Flanken. Boateng kompensierte seine spielerische Abwesenheit, indem er nach und nach weiter vorne agierte. Er ging früh in den gegnerischen Sechzehner und postierte sich an den zweiten Pfosten; dort konnte er sich vor dem 1:1 gegen Schmitz durchsetzen (64.). Dass Keller ihn kurz darauf in den Sturm schickte, kam dem Schalker Spiel zugute. Boateng setzte seine Physis ein und positionierte sich intelligenter als Szalai. Der für Szalai eingewechselte Farfan brachte indes etwas mehr Breite ins Spiel. Boateng erzielte so auch das zweite Tor, bei dem er das Kopfballduell erneut gegen Schmitz gewann (85.). Flanken, mehr Breite, Kopfballduelle gegen den schwächsten Kopfballspieler der gegnerischen Viererkette – einfache Mittel, die Schalke am Ende zum Erfolg führten.
Für die letzten Minuten des Spiels kann man einen Baustein aus dem Analyse-Textbaukasten verwenden: Werder warf alles nach vorne, öffnete dabei jedoch Räume für Konter. Farfan erzielte das entscheidende 3:1 (91.).
Fazit
Ich tue mir schwer damit, die Schalker Leistung zu bewerten. Einerseits sind ihre spielerischen Ansätze weiter entwickelt als noch zu Beginn der Saison. Andererseits verwundert es, dass sie ein gutes, aber auch instabiles Pressing derart in Schwierigkeiten bringt. Zudem befinden sich einige Leistungsträger nicht auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit; Draxler blieb weitgehend blass, auch Boateng setzte wenig Akzente und, ja, auch Neustädter hatte schon bessere Nachmittage (für letztere Aussage dürfte ich einen Rüffel vom Spielverlagerung-Aufsichtsrat erhalten). So wird sich erst nach den Spielen gegen Frankfurt, Bukarest und Stuttgart zeigen, was dieser Sieg wert ist.
Dutts Bremer entwickeln sich Schritt für Schritt weiter. Das Pressing ist kaum mehr mit den zarten Ansätzen vergleichbar, welche Bremen noch zum Beginn der Saison spielte. Auch spielerisch setzt Bremen einige Akzente, gerade durch ihre zahlreichen Überladungen. Dennoch fehlt noch im letzten Drittel und teilweise auch im eigenen Drittel die Konsequenz, die eine gute Mannschaft auszeichnet. Zudem übertrieben sie in diesem Spiel die Überladungen und standen sich teilweise auf den Füßen. Dennoch: Die Leistungskurve zeigte auch gegen Schalke weiter nach oben, trotz (am Ende verdienter) Niederlage.
7 Kommentare Alle anzeigen
S 11. November 2013 um 09:28
Meyers Pass bringt Neustädter in der Tat in Bedrängnis, dieser hätte aber direkt zurück zu Meyer spielen können (nach der Lehre Favres müssen), der mitnichten schon zu weit aufgerückt war. Neustädter hätte zudem zuvor den Ball auf Uchida spielen sollen, oder zumindest einen flachen Pass hinkriegen müssen, statt Meyer auf Kniehöhe anzuspielen.
Izi 11. November 2013 um 08:21
Schöner Artikel!
Interessant finde ich an Bremens aktueller Aufstellung, dass Junuzovic (sonst 8er/10er, jetzt Stürmer) und Gebre Selassie (8er statt LAV) auf diesen für sie untypischen Positionen aufgeboten werden. . . Gibt es keine Alternativen zur Zeit, oder hat Dutt bei beiden ein Potential erkannt, das bisher verborgen geblieben war? Bleibt abzuwarten, was Bremen in den nächsten Wochen daraus macht! 🙂
Lars 11. November 2013 um 08:48
Zumindest auf der Position des Stürmers gab es nicht wirklich Alternativen mit den verletzten Petersen und Di Garcia. Alle anderen Stürmer, zum Beispiel der noch eingewechselte Selke, kommen aus dem eigenen Nachwuchs und sind eher längerfristig eine Alternative. Außerdem hat diese Aufstellung gegen Hannover ja gut geklappt.
Den Grund für die Aufstellung von Gebre Selassie würde ich darin sehen, dass er als gelernter Außenverteidiger Clemens Fritz auf dessen Seite unterstützen sollte, der derzeit ja schwächelt. Inwiefern das geklappt oder nicht geklappt hat, kann ich nicht sagen, da ich das Spiel nicht sehen konnte. Robin Dutt ist offensichtlich noch nicht so weit, Bremens Kapitän mal auf die Bank zu setzen.
Lars 11. November 2013 um 10:18
Di Santo, nicht Di Garcia…
Tom 11. November 2013 um 11:17
Zum einen will Dutt den oft überforderten Clemens Fritz durch einen defensiv starken Spieler unterstützen.
Zum anderen wird Junuzovic denke ich aufgeboten um weit vorne die Bälle zu erobern und somit schnell zum Abschluss zu kommen ohne viele Pässe. Man hat wohl erkannt, dass man von hinten heraus nur selten zum Torerfolg kommt. Die Passgenauigkeit lässt da zu sehr zu wünschen übrig. Bevor man in Schussposition kommt ist der Ball schon beim Gegner. Deshalb vorne erobern und schnell zum Abschluss kommen.
ES 10. November 2013 um 17:18
Vielen Dank für den guten Artikel. Wenn es denn so ist, dass bei einer Raute die Aussenbahnen schön frei sind, und Bremen erwartet mit Raute aufläuft, warum spiele ich dann nicht gleich mit Fuchs, für den das doch ideal ist, weil er Platz für seine Flanken bekommt. Dann ist das defensive MF mit Neustädter und Aogo ideal (in Abwesenheit von Höger) besetzt. Ja, Neustadter mag nicht seinen besten Tag gehabt haben. Aber mir hat Schalke in der ersten Halbzeit mit ihm besser gefallen. Wenn sie erst einmal das erste Pressing und Gegenpressing der Bremer überwunden haben, gab es die eine oder andere nette und geduldig rausgespielte Kombination, die bei besserer Verwertung locker für ein Tor gereicht hätte. In der zweiten Halbzeit fehlte sichtlich der Verbindungsspieler. Der Sieg wurde dann im Armdrücken zwischen Boateng und Lukas Schmitz entschieden. So kann man auch gewinnen. Ich mag es einfach nicht, dass die Spiele von Schalke so oft über die individuelle Qualität entschieden werden. Mal Draxler, dann Meyer, dann Boateng. Geht es mal zur Abwechslung mit überzeugendem Gesamtauftritt?
blub 11. November 2013 um 10:07
Nicht solannge der Jones mitspielt….