Eintracht Frankfurt – FC Schalke 04 1:0
Im Kampf um den vierten Champions-League-Platz trafen die kriselnden Frankfurter auf Schalke 04. In einem Spiel der unterschiedlichen Flügelnutzungen errang die Eintracht die womöglich enorm wichtigen drei Punkte.
Schalkes Ausrichtung
Über Jens Keller wurde in den letzten Wochen und Monaten viel geredet. Es gab Kritik und Lob, in den letzten Wochen zeigten die Schalker nach einer längeren Durststrecke zahlreiche gute Leistungen und konnten sich etwas von ihrem aufgebrauchten Kredit bei den Fans wieder zurückholen. Die typisch gewordene Spielweise der Schalker sah man in dieser Partie über weite Strecken sehr gut: Sie ist simpel, relativ stabil und fokussiert sich auf einige wenige Aspekte.
Das Interessanteste dürfte Raffaels Spielweise als nomineller Zehner sein. Einmal mehr war er es, der das Pressing variierte; statt dem erwarteten 4-4-2-Pressing gegen die Innenverteidiger Frankfurts wurde mit einem 4-4-1-1 gespielt, in welchem sich Raffael auffällig oft an das zentrale Mittelfeld orientierte. Er wollte dabei die Kompaktheit in der Mitte und die defensive Stabilität erhöhen. Außerdem war es eine Wechselwirkung mit Höger, die diese Spielweise interessant machte.
Höger kippt oft nach rechts ab, um dort für Uchida abzusichern. Der Japaner kann dann nach vorne gehen und die Seite überladen, während Bastos als Rechtsaußen in die Mitte schiebt. Zusätzlich bewegt sich entweder Raffael oder Mittelstürmer Marica immer wieder auf die rechte Seite, wodurch Bastos Räume in der Mitte geöffnet werden.
Über die linke Seite geht hingegen eher wenig. Hier spielt zumeist Julian Draxler den Alleinunterhalter, immer wieder kommt er über links in die Mitte und sucht den Abschluss. Die offensive Durchschlagskraft erhöht Keller dabei durch Kolasinac aufrücken. Gegen Frankfurt war diese Spielweise aber nicht allzu durchschlagskräftig.
Die Eintracht hat mit Russ einen zurückhaltenden Sechser gehabt, Aigner und Inui sind ebenfalls gut im Defensivspiel und auch Rode kommt ausreichend schnell zurück. Die Mitte wurde für Schalke nur selten geöffnet, die meisten Angriffe mussten sie über die Seite zu Ende spielen und hatten dadurch einige Abschlüsse, aber nur wenige Großchancen.
Zentral fehlten den Schalkern die Verbindungen. Raffael tat sich gegen Russ, der sich öfters situativ als Manndecker betätigte, und Rode schwer. Höger kippte meistens nach rechts und Neustädter musste weite Räume in der Mitte alleine sichern. Ohnehin war die Eintracht auf Schalke und insbesondere Neustädter sehr gut eingestellt.
Frankfurts Pressing und Offensivspielweise
Die Eintracht stellte die Innenverteidiger des Gegners trotz eines 4-4-2-Pressings ebenfalls nicht zu. Stattdessen postierten sich Stendera und Matmour (dieser etwas höher) neben Neustädter. Höger befand sich oft im rechten defensiven Halbraum, wo Inui sich oft zwischen Uchida und Höger positionierte. Schalkes Aufbauspiel litt dadurch unter gewissen Problemen.
Neustädter hatte nie viel Raum, um strategisch gute Pässe zu spielen. Höger erhielt zwar viele Bälle, wurde dann aber gut angelaufen und letztlich waren es vorrangig Pässe auf den rechten Flügel und Angriffe von dort, mit denen Schalke nach vorne kam. Im Zentrum hatte Raffael wie schon erwähnt Probleme mit der gegnerischen Überzahl.
Außerdem rückte Rode im Pressing öfters etwas nach vorne und Russ blieb tiefer. Dadurch erzeugte Frankfurt mehr Druck und stand wegen der mangelnden Bewegung im Zentrum sowie einzelnen mannorientierten Verfolgungen der Schalker Außenstürmer und Maricas relativ sicher. Sie waren wegen der besseren Staffelung auch stärker im kollektiven Spiel um die zweiten Bälle, auch wenn Schalke in der Anfangsphase in den Zweikämpfen selbst überlegen war und einige Angriffe, vorrangig über den sehr aktiven Inui, abwürgen konnte.
Offensiv zeigte sich die Eintracht ebenfalls gut. Das Passspiel war stark und flüssig, der sehr junge Stendera (Dezember 1995 geboren) zeigte ebenfalls eine gute Leistung. Er diente vorrangig als dynamischer Raumöffner in der Mitte und als Kombinationsspieler. Sowohl technisch als auch läuferisch überzeugte er und auch seine Standards sorgen immer wieder für Gefahr. Alex Meiers‘ Fehlen wurde also durch eine veränderte Spielweise im Offensivspiel mit weniger langen Bällen vergessen gemacht.
Auf den Flügeln gab es eine zusätzliche leichte Asymmetrie. Über rechts überluden Celozzi, der sich einige Male sehr interessant diagonal bewegte und die Räume hinter dem fluiden Draxler nutzte, und Aigner die Seite. Auf links wurde Inui von Ozcipka hinterlaufen sowie von Stendera und dem ausweichenden Matmour unterstützt. Frankfurt fehlte es einige Male in der Präzision beim Beenden von Angriffen, aber spätestens in der Schlussphase der ersten Hälfte und nach Rodes vermehrtem Aufrücken in die Offensive war die Eintracht spielerisch und taktisch überlegen.
Veränderungen in der zweiten Spielhälfte
Abermals mussten Jens Keller und seine Mannen also einem Rückstand hinterherlaufen, wie schon gegen Bayer 04 Leverkusen, wo sie das erfolgreich gestalteten. Nach der Halbzeit gab es ein weiteres Mal schnelle Umstellungen: Kolasinac rückte deutlich öfter mit nach vorne auf und nutzte seine beeindruckende Athletik im Rückwärtspressing, um die Stabilität möglichst wenig darunter leiden zu lassen. Bastos und Draxler tauschten ein paar Mal die Seiten und generell gab es mehr Fluidität in den Halbräumen bei Schalke.
Zur 64. Minute brachte Keller Jones für Neustädter. Damit wurde die Beweglichkeit weiter erhöht: Jones kippte manchmal ab, ging oft nach vorne oder wich gar auf den Flügel aus. Ziel war eindeutig das Erhöhen der Durchschlagskraft in der Offensive und zusätzlich wurde Barnetta als dribbelstarker Akteur für rechts statt Bastos eingewechselt.
Wirklich effektiv war dies alles nicht. Zwar hatte Schalke mehr vom Spiel und mehr Chancen, aber alles in allem fehlte es weiterhin an der nötigen Kreativität aus der Mitte heraus, die auch die Einwechslungen nicht beheben konnten. Frankfurt ließ sich allerdings deutlich weiter zurückdrängen und kam vorrangig über Konter nach vorne.
Hier überzeugten Celozzi, der unaufhörlich nach vorne mitging, und Stendera, der einige gute Seitenwechsel zeigte. Generell war die Eintracht in ihrer Spielanlage kompletter und griff öfter zu Flanken oder Kurzpasskombinationen zurück, um ihr Ziel zu erreichen. Lakic statt Matmour sollte die Effektivität dieser Spielweise noch erhöhen, tat es aber nicht. Höwedes Aufrücken in der Schlussphase wirkte dann wie eine Verzweiflungstat der Schalker.
Fazit
Das Spiel als solches nahm nach den Wechseln an Fahrt auf und war wohl trotz nur einem Tor eine interessante Partie, auch wenn sich aus taktischer Sicht keine besonderen Veränderungen zeigten. Die interessantesten Wechselwirkungen betrafen vermutlich die Auswirkung der Frankfurter Spielweise auf Schalkes Zentrum und die Reaktionen der Spieler auf die veränderten Spielrhythmen; ab und zu war Frankfurt am Drücker, manchmal war es Schalke, eine klare Dominanz gab es aber wohl nur in der Schlussphase der ersten Hälfte durch die Eintracht. Schalke mangelte es an Kreativität und Ideenvielfalt im Offensivspiel.
5 Kommentare Alle anzeigen
Wolfgang Würz 23. April 2013 um 10:37
Danke für die wiederum gute Analyse: SGE hat diesmal insbesondere von den sehr guten Freistößen von Stendera profitiert, hierdurch ist auch das Tor gefallen. Russ war noch zweimal bei Freistößen dicht an einem zweiten Treffer. Stenderas Freistöße waren deutlich schärfer und präziser getreten, als die von Ozcipka oder Schwegler in der Vergangenheit. Hier ergeben sich Hoffnungen für die Zukunft.
Adler 21. April 2013 um 01:03
Also ich fand die Einwechslung von Lakic eindeutig als Versuch von Veh unsere Standarts zu verwärten, weil die Schalker da immer sehr offen waren.
Fabian 21. April 2013 um 00:36
Gibt es demnächst vielleicht ein Spielerportrait von Sebastian Rode? Einer meiner Lieblingsspieler.
blub 20. April 2013 um 20:12
Sagt mal, Keller ist doch spätestens seid heute bei euch unten durch.
Er wechselt Neustädter aus und bringt Jones. 😉
datschge 20. April 2013 um 22:36
Die Tatsache, dass Jones nicht gesetzt ist, ist doch eher ein positives Zeichen. 😉
Interessant ist eher, ob und wie der Mangel an Kreativität angegangen wird. Dass sie tatsächlich nun auf Raffael als 10 zurückgreifen, zeigt mir, dass sie inzwischen zumindest der Problematik bewusst sind. Der Kader ist nun aber ausgedünnt.