Celtic Glasgow – Juventus Turin 0:3
Celtic gegen Juventus – ein atypisches 0:3.
Ein neues Celtic
In der Gruppenphase zeigte sich Celtic als defensiv und taktisch hochdisziplinierte Mannschaft. Gegen Barcelona stellte man gar einen Ballbesitznegativrekord auf, gewann aber sogar eine der beiden Partien auf diese Art und Weise. Dennoch wurde die Mannschaft trotz des als großen Talents geltenden Trainers kritisch beäugt. Nach der Auslosung des Achtelfinales und dem somit fixen Aufeinandertreffen mit Juventus schein klar, dass Celtic keine Chance auf ein Weiterkommen hat.
Doch der 41jährige Trainer, Neil Lennon, ließ sich etwas einfallen. Um die gegnerische Dreierkette zu schocken, wurde das 4-4-1-1/4-4-2-System umgestellt. Celtic begann in einem 4-3-3, welches aber einige interessante Züge aufwies. Es war kein klassisches 4-3-3, sondern eine adäquate Anpassung an den Gegner und dessen besondere Eigenheiten.
Das breite 4-3-3
Sowohl im Angriff als auch im Mittelfeld hatte Celtic zwe
i breite Dreierreihen. Vorne waren es Kris Commons, Gary Hooper und James Forrest, welche weite Abstände in der Grundformation hielten. Dahinter waren es Scott Brown, Victor Wanyama und Charlie Mulgrew, die eine ähnliche Ausrichtung im Mittelfeld besaßen. Das Interessante war aber die Art und Weise, wie sie sich zueinander postierten und miteinander interagierten.
Sobald der Gegner das Aufbauspiel eröffnete, zog sich die Angriffsreihe zu. Außerdem war sie leicht nach rechts verschoben, während die Linie dahinter etwas weiter links positioniert wurde. Damit konnten sie den Gegner besser in eine Richtung locken, desweiteren wurde mit dieser Anordnung der gefährlichere Flügelverteidiger Juventus‘, nämlich Stephan Lichtsteiner, schneller bedrängt.
Ein weiterer Punkt war, dass der Mittelstürmer sich mit seinem Deckungsschatten an Pirlo orientierte, während der rechte Stürmer im Bogen den zentralen Innenverteidiger locker anlief und ihm den linken Innenverteidiger als Anspielstation entnahm.
Kamen dennoch Pässe auf die rechte Seite, dann übernahm Außenverteidiger Lustig eine sehr hohe Rolle. Situativ orientierte er sich in einer losen Manndeckung auf Federico Peluso, der als linker Flügelverteidiger agierte.
Neben diesen Ideen wusste auch die Flexibilität dieser Spielweise zu beeindrucken. Wenn Arturo Vidal sich bewusst stärker in die Mitte positionierte oder einer der Stürmer auf die linke Seite auswich, wurde diese minimal asymmetrische Anordnung aufgehoben. Neben der Breitenstaffelung waren auch die unterschiedlichen Kompaktheitslevel in diesem 4-3-3 interessant.
Von Zwischenlinienraum und Relativität in der Nutzung
Celtic presste nämlich extrem aggressiv und war überaus stark im Pressing. Im Gegensatz zu vielen 4-3-3-System wich der ballferne Außenstürmer aber nicht nach hinten, sondern rückte horizontal ein, um den Druck zu erhöhen; gegen die mit nur einem Flügel agierenden Turiner eine hochintelligente Ausrichtung, weil diagonale Verlagerungen ohnehin schwieriger erfolgreich zu spielen sind.
Dieser extreme Druck wurde auch im ersten gegnerischen Spielfelddrittel aufrechterhalten, sogar Gianluigi Buffon wurde in das Pressing miteinbezogen. Doch ein so hohes und riskantes Pressing sorgt natürlich immer für Löcher, meistens im Rücken der Abwehr. Mit den ebenfalls nach vorne weichenden Außenverteidigern gibt es zusätzlich Probleme.
Neil Lennon konterte diese Probleme mit leichten Mannorientierungen seiner Innenverteidiger, die zwei Optionen hatten. Einerseits konnten sie den Mittelstürmer bei dessen Ausweichen (speziell Mirko Vucinic) oder Zurückfallen (insbesondere Alessandro Matri) verfolgen oder sich tiefer fallen lassen. So öffneten sie zwar den Raum zwischen den Linien, doch es war kein so großes Problem, wie man es sich in der Theorie erwarten würde.
Mit den drei Sechsern konnten sie das Aufrücken Vidals und Claudio Marchisios meistens gut verfolgen und sie abdecken. Wanyama als nomineller Gegenüber Andrea Pirlos war außerdemein Raumdecker und unterstützte seine Halbspieler dabei. Eine weitere Unterstützung waren die Synergien, die durch das wirklich schön anzusehende Pressing Celtics entstanden.
Juventus wurde weit in die eigene Hälfte gedrängt, was natürlich zur Folge hatte, dass sich auch die Flügelverteidiger und die zentralen Mittelfeldspieler nach hinten bewegen mussten. Dadurch fehlten sie nach langen Bällen in die Spitze als Unterstützung für Abpraller und konnten nicht ihre gewohnte offensive Gefährlichkeit ausspielen.
Die Gefahr für Celtic und Juventus Anpassung
Aus diesem Grund gab es die besten Angriffe für Juventus, wenn sie mit sehr langen Bällen hinter die extrem hohe Abwehr Celtics spielten. Andrea Pirlo, der wegen dem hohen Pressing Celtics seine Stärken nur situativ ausspielen konnte, konnte miteinigen tollen langen Pässen glänzen; ansonsten hatte sogar er seine Probleme mit den Schotten.
Folgerichtig kamen die Tore für die Italiener auch nach sehr schnellen Kombinationen und nach Pässen mit langen Distanzen – letzteres wurde von einem Fehler Ambroses beim ersten Treffer begleitet, der die ohnehin schwierige Aufgabe in der dritten Minute noch um einiges erschwerte.
Danach fand das bereits geschilderte Spiel Celtics statt, worauf Juventus mit einer tiefen Ausrichtung reagierte. Sie standen defensiv zumeist mit einem tiefen 5-3-2 dar, versuchten über lange Bälle oder Kurzpassstafetten im ersten Drittel Entlastung zu finden, was nur ansatzweise gelang. Doch trotz Celtics toller Vorstellung und auch optischer Dominanz roch es nach einem Tor für Juventus. Die Abwehr schien zu hoch, die Spieler Celtics zu aktiv – und Juventus individuelle Klasse war wohl einfach zu groß.
Aber neben dem gut unterstützenden Matri oder den natürlich in der Theorie jederzeit spielentscheidenden Mittelfeldspielern darf man einen nicht vergessen: den Weltklassetorwart.
Buffons Wert und Contes finale Veränderung
Celtic presste, Celtic schoss, Celtic flankte, Celtic dominierte; aber sie konnten so viele Abschlüsse sammeln, wie sie wollten, Buffon hatte alles, was auf sein Tor zukam. Aber nicht nur das. Sämtliche Flanken, die wegen ihrer Nähe zum Tor hätten gefährlich werden können, wurden von ihm nonchalant abgefangen.
Auch wenn er schon seit einer gefühlten Ewigkeit im Tor steht, ist er in den stereotypen Eigenschaften „moderner“ Torhüter ebenfalls herausragend. Seine Strafraumbeherrschung, -organisation, sein Mitspielen und sein Torwartspiel wirken einfach harmonisch, in sich stimmig und absolut stark. Obwohl er in diesem Spiel keine sogenannte Glanzparade zeigte oder zeigen musste (bei immerhin 17 Schüssen, davon 7 auf sein Tor), war es eine Weltklasseleistung.
Diese war letztlich das Fundament für das entscheidende 2:0, was Celtic die Aggressivität und den letzten Willen raubte; woraufhin dann das dritte Tor fiel. Doch neben Celtics Abschwächung war es die Anpassung von Antonio Conte nach der Entscheidung, die für die erhöhte Stabilität im Spiel der Italiener sorgte. Zur Schlussphase wurden Matri und Vucinic ausgewechselt, während Jungstar Paul Pogba und Neuzugang Nicolas Anelka kamen.
Damit hatten sie einen robusten Stürmer als Wandspieler vorne, Vidal und Marchisio waren freier, während Pogba Pirlo unterstützen konnte – eine sehr gute, wenn auch nur kurzzeitige Umstellung, die aber absolut richtig war. Ob man sie hätte früher vollziehen können? Natürlich. Ob es dann eventuell beim 1:0 geblieben wäre? Möglich.
Fazit
Celtic hatte einen Plan und auch noch einen sehr guten, der beinahe aufgegangen wäre – doch ein individueller Fehler, Juventus‘ Fehlerfreiheit und die herausragenden Fähigkeiten Buffons in sämtlichen Aspekten (sicherlich weit mehr als fünf abgefangene potenziell gefährliche Flanken!) sorgten letztlich für einen klaren, wenn auch nicht souveränen Sieg für die Italiener. Diese fanden später das Loch auf Celtics Seite und konnten auch darüber gut attackieren (44% der Angriffe über links).
Dennoch sollten Celtics taktische Leistung (mehr Schüsse auf das Tor, phasenweise klar über 60% Ballbesitz) oder auch die Leistungen einzelner Spieler, allen voran Victor Wanyama, nicht vergessen werden.
14 Kommentare Alle anzeigen
El Entrenador 13. Februar 2013 um 16:54
Die Italiener nutzten das Loch auf der linken Seite….hmmmm…da war doch was….
juventino 13. Februar 2013 um 13:25
Danke für die Analyse!
Das 3-2-4-1 halte ich auch für sehr spannend. Pogba wäre für Pirlo eine extreme Erleichterung im Aufbauspiel. Gestern wäre dieser Wechsel in meinen Augen viel früher nötig gewesen! Juves unzählige lange Bälle aus der 3er Reihe waren einfach nur schrecklich. Mal schauen wie das Rückspiel wird, Juve steht ja nun nicht mehr gross unter Druck. Mal schauen ob er dann wieder Asamoah spielen lässt, Peluso war gestern wirklich stark, jedoch bei so einem 3-2-4-1, in dem die Flügel ja ein wenig höher stehen, sehe ich Asa ein wenig stärker. Spannend wird’s dann auch mit Llorent!
Juve ist echt stark. Mal schauen wie das Rückspiel wird und was uns allenfalls in der nächsten Runde erwartet. Die CL ist momentan wirklich eine Wundertüte!
Acias 13. Februar 2013 um 17:23
In der Formation der Grafik find ich zumindest die 4-er Reihe im offensiven Mittelfeld problematisch; sehr kreative Leute sind halt nicht dabei und dann wär man ja noch abhängiger von Pirlo. Wenn man aber schon mal Spieler wie Asamoah, Giovinco, nächstes Jahr Llorente reindenkt könnte dass schon die nächste logische Anpassung werden, solang’s Pirlo noch mitmacht 😉
RM 13. Februar 2013 um 17:41
Naja, mit Pogba und Pirlo hat man zwei sehr sehr kreative Leute und mit Vidal und Marchisio zwei, die sehr sehr gut im Kombinationsspiel sind. Ich denke, das wäre schon eine interessante Mischung ohne große Schwächen vom Spielermaterial.
Dan 13. Februar 2013 um 12:28
wie immer ein Top-Artikel.
Habs mir bis zum 0:2 angesehen, fand den Auftritt von Celtic bis auf die individuellen Schnitzer eigentlich recht gut. Juve dürfte in der Form aber auch nicht allzu weit kommen. So wie sie gestern gespielt haben, wären sie gegen Barca, Bayern, Dortmund wohl chancenlos. Passiver als Juve gestern kann man wohl kaum spielen. Aber ein gutes Pferd springt manchmal eben nur so hoch wie es muss, vielleicht war das bei Juve gestern auch der Fall.
richtige11 13. Februar 2013 um 01:50
itali(e)n-er natürlich. sorry, um die Uhrzeit. 😀
Pommesdieb 13. Februar 2013 um 01:21
„Folgerichtig kamen die Tore für die Italien
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er auch nach sehr schnellen Kombinationen und nach Pässen mit langen Distanzen – letzteres wurde von einem Fehler Ambroses beim ersten Treffer begleitet, der die ohnehin schwierige Aufgabe in der dritten Minute noch um einiges erschwerte.“
ich habe jetzt extra adblock ausgestellt, weil ich die vermutung hatte, dass der fehlende text „unter“ der blockierten anzeige ist. nachdem ich mich nun über die „stars of america“ informiert habe, bleibt der fehlende textabschnitt verschollen!?
richtige11 13. Februar 2013 um 01:48
Itali(ä)n-er soll es glaub ich heißen. 🙂
Pommesdieb 13. Februar 2013 um 01:55
oh, manchmal ist des rätsels lösung trivialer als man denkt… danke 😉
TE 13. Februar 2013 um 11:11
Hups, das war mein Fehler. Jetzt dürfte keine störende Anzeige mehr da sein und der Text lesbar sein!
Tank 12. Februar 2013 um 23:30
Krank, krank, krank dein Schreibtempo. Hab das Spiel nur in der Konferenz sehen können und bin auch kein Juve-Profi, trotzdem kam mir das 0:2 wie ein Paradebeispiel eines typischen Juve-Tores vor. Der herausrückende Stürmer, der sofort und eigentlich über den Rand seines Sichtfeldes hinaus auf den anderen Stürmer oder einen von außen kommenden Spieler weiterleitet, hab ich bei Juve diese Saison immer wieder gesehen.
Insgesamt macht Juventus auf mich den Eindruck einer typischen italienischen Spitzenmannschaft. Taktisch hochwertig, defensiv grandios und mit klasse Torhüter, ein Mittelfeld zwischen Kampf und Kreativität und… naja, Juve fehlt halt der Weltklassestürmer, auch wenn Vucinic wirklich gut in ihr Spiel passt. Kein Catennacio oder so ein Klischee, aber ein durchweg moderner Fußball mit italienischer Prägung. Freue mich diese Mannschaft mal gegen einen der europäischen Riesen zu sehen.
RM 12. Februar 2013 um 23:40
Ich mag sie auch – im Sommer kommt ja Llorente, dann wird es noch interessanter. Das Tor war auch gut rausgespielt, da nutzte man diese Löcher auf links mal – da muss man eben schnell sein.
messanger 12. Februar 2013 um 23:28
Das war ja mal wieder blitzschnell.
Hätte Celtic eigentlich einen Ersatz für Ambrose im Kader gehabt? Der war bei 2 von 3 Gegentoren nicht auf der Höhe und bei einer eigenen Ecke köpfte er direkt auf Buffon. (Unkonzetriertheiten weil er gerade erst vom Afrika-Cup zurück ist?)
RM 12. Februar 2013 um 23:40
Habe recherchiert! =)
Ambrose kam heute Morgen erst zurück; Lennon wird auch kritisiert. Aus taktischer Sicht verstehe ich es aber, denn die Alternativen sind eher langsame Spieler, mit denen man dieses hohe Pressing nicht hätte spielen können.