SC Freiburg – Bayer Leverkusen 0:0

Das Topspiel des 19. Spieltags überzeugte vor allem defensiv: Freiburg und Leverkusen gingen nicht mehr Risiko ein als nötig, verteidigten aber bärenstark.

Mit Bayer Leverkusen und dem SC Freiburg trafen am Samstagabend zwei Überraschungsteams der Saison aufeinander. So unterschiedlich die Strategien beider Teams im Detail sind, so ähnlich ist ihre grundsätzliche Herangehensweise: Sowohl Streich als auch das Trainerduo Lewandowski-Hyypiä setzt auf eine intelligente Pressingstrategie gepaart mit schnellen Gegenstößen. Im direkten Aufeinandertreffen führte dies jedoch über 90 Minuten hinweg zu einem Problem: Keins der Teams konnte so recht das Spiel machen.

Högschde Disziplin bei Freiburg

Speziell in der ersten Halbzeit nahmen sich die Teams die Räume mit ihren Pressingansätzen:  Freiburg trat im mannorientierten 4-4-2 auf. Wie üblich störten sie den Gegner früh und machten einen geordneten Spielaufbau unmöglich. Auch wenn Reinartz in die Verteidigung zurückfiel und die Außenverteidiger vorrückten, deckte Freiburg Eins-gegen-Eins: Schuster bzw. Flum rückten mit Reinartz auf, die Außenstürmer Caligiuri und Schmid verfolgten Leverkusens Außenverteidiger weit in die eigene Hälfte.

Die Grundformationen.

Die Grundformationen.

Auch Rolfes und Bender deckte Freiburg eng, wofür oftmals ein Innenverteidiger aus der Abwehr rückte und einen der beiden Achter aufnahm. Leverkusens Innenverteidigern waren alle Anspielmöglichkeiten zugestellt. Es schien jedoch, dass die Trainer sie auf solch ein Szenario bereits einstellten. Leverkusen suchte gar nicht erst das schnelle Kombinationsspiel; vielmehr setzten sie auf lange Bälle.

Im Preview für Bettingexpert mutmaßte ich, dass lange Bälle eine erfolgsversprechende Strategie für Leverkusen seien; Kießling könnte diese erobern, Bender mit seiner Dynamik zweite Bälle schnappen. Jedoch verteidigte Freiburg über 90 Minuten hinweg so stark, dass Leverkusen keinen Nutzen aus ihnen ziehen konnte. Krmas und Diagne gewannen fast alle Kopfballduelle, und die Mittelfeldspieler holten die zweiten Bälle. Es half, dass Schmid und Caligiuri tief standen, um die gegnerischen Außenverteidiger zu decken; so bekam Freiburg die zweiten Bälle gerade in den Halbräumen gut verteidigt, indem sie Zwei-gegen-Eins-Überzahlen schufen.

Leverkusen nur auf links mit leichten Schwierigkeiten

Leverkusen verbarrikadierte im bekannten 4-3-3 vor allem das Zentrum. Schuster musste sich weit zurückfallen lassen, um überhaupt am Spielaufbau teilzunehmen. Rosenthal, der sich oft fallen ließ, wurde von Reinartz sofort zugestellt. Freiburg blieb nur der Weg über die Außen. Doch sobald Schuster die Bälle auf den linken Flügel spielte, schlug Leverkusenes Pressingfalle zu: Bender rückte ein, Castro zurück und Caligiuri war von seinen Kollegen isoliert. Nicht zufällig verlor er 11mal den Ball an einen Gegenspieler, öfter als jeder andere Bundesliga-Akteur an diesem Spieltag.

Nicht ganz so stark verteidigte Bayer Freiburgs rechte Seite: Schürrle blieb weit vorne und Rolfes rückte nicht so stark ein wie Bender, sodass Boenisch verhältnismäßig oft ins Eins-gegen-Eins gehen musste. Zudem kam Freiburgs umtriebiger Rechtsverteidiger Hedenstad einige Male frei zu Hereingaben. Freiburg konnte sich durch die starke rechte Flanke ein kleines Chancenplus erarbeiten, unter anderem traf Rosenthal nach einer Hedenstad-Flanke die Latte (17.).

Trotz einiger Freiburger Chancen war die erste Halbzeit eher defensiv-taktisch geprägt. Kein Team wollte sich die Blöße geben, gegnerische Konter zu fangen, sodass nur wenige Akteure am Angriffsspiel teilnahmen. Grundsätzlich blieben bei beiden Teams alle Spieler hinter dem Ball, was in einigen Situationen dazu führte, dass 10 Feldspieler eines Teams im eigenen Drittel(!) standen. Schnelle Konter gab es selten, und selbst wenn diese zustande kamen, scheiterten die Angriffe an den hohen Defensivqualitäten der Verteidiger und dem zaghaften Nachrücken der eigenen Mitspieler.

Zweite Halbzeit ohne große Änderungen

Nach der Pause übernahm Leverkusen zunächst die Initiative. Nachdem der Ballbesitz in Halbzeit Eins exakt 50:50 aufgeteilt war, ließen sie den Ball nun länger in den eigenen Reihen zirkulieren. Sie fokussierten in der Folge Angriffe über die Flügel. Gerade über die rechte Seite kam Carvajal besser ins Spiel, aber auch Boenisch hatte nun einige Offensivaktionen. Dadurch dass Bender und Rolfes sich besser in die offensiven Positionen bewegten, befreiten sie die Außenverteidiger von ihren Gegenspielern.

Leverkusen kam durch ihre Flügelläufe zwar nicht zu großen Chancen, dafür aber zu Standardsituationen, die in der ersten Halbzeit völlig fehlten. Diese sind bei den groß gewachsenen Leverkusenern stets eine Waffe, und so hatten sie ihre größte Chance durch Rolfes nach einer Ecke (51.). Aber auch Freiburg kam in diesen Minuten gefährlich vor das Tor: Leverkusens Ansatz öffnete Konterräume auf dem Flügel, Kruse vergab eine gute Konterchance (52.).

Nach dieser Post-halbzeitlichen Unruhephase verfiel das Spiel jedoch wieder in die gewohnte Defensivschlacht. Beide Teams wussten, dass ihr defensiver Ansatz funktioniert, sie aber bei zu großem Risiko Opfer gegnerischer Konter werden könnten. So war es auch keine Überraschung, dass beide Trainerteams während der zweiten Halbzeit keine taktische Änderungen und nur wenige personelle Umstellungen (nur drei Wechsel!) vornahmen.

Einzig Leverkusen versuchte, mit einer kleinen taktischen Variation das Spiel zu drehen: Nach der Pause ging Schürrle vermehrt ins Offensivzentrum, Kießling wich dafür auf den Flügel. Schürrle sollte seine Schussstärke einsetzen und den entscheidenden Treffer erzwingen. So bekam er bei einem Gegenstoß genug Platz, um Fahrt zu einem schnellen Dribbling anzusetzen, traf allerdings nur den Pfosten (71.). Auch ein weiteres Solo konnte Baumann halten (83.), es blieb beim leistungsgerechten 0:0.

Fazit  

Leverkusen und Freiburg lieferten über 90 Minuten eine beeindruckende Defensivleistung, vernachlässigten jedoch die Offensive. Obwohl manche Fans sicher mehr Tore und Torchancen hätten sehen wollen, war es ein Spiel auf hohem Niveau. Dies beweist auch die Laufstatistik: Die Laufleistungen lagen bei 123km (Freiburg) zu 126km (Leverkusen), zwei absolute Spitzenwerte.

Den Trainern sei an dieser Stelle kein Vorwurf gemacht. Mehr Risiko in den eigenen Angriffen hätte womöglich zu Kontertoren geführt, gehören beide Teams doch zu den konterstärksten und effektivsten Mannschaften der Liga. Wenn beide Klubs noch einen kleinen Makel auf dem Weg zur Europapokal-Qualifikation haben, ist es sicherlich der geordnete Spielaufbau gegen ein starkes Pressing. Leverkusen baute komplett auf lange Bälle, und auch Freiburg spielte einige eher unnötige Fehlpässe. Dennoch: Zwei solch starke Defensivreihen treffen in der Bundesliga selten aufeinander.

Rudi 29. Januar 2013 um 14:28

zwei Überraschungsteams? Was ist daran überraschend wenn „Vizekusen“ auf dem 2. Platz steht?!

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Andrés 21 29. Januar 2013 um 11:39

Ich halte Rolfes nicht für den dynamischen Spieler der auf zweite Bälle zwischen den Linien gehen kann. Viel eher hätte vielleicht Castro auf die 8 für Rolfes gehen sollen , um mehr Kreativität und Schnelligkeit aus dem Mittelfeld zu bekommen, sowie Sam auf die Außenposition…
Das wäre vielleicht riskant gewesen, aber gegen diesen bärenstark vertedigenden SC Freiburg muss man etwas riskieren, wenn man dort gewinnen will.

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suspido 28. Januar 2013 um 13:31

Gute Analyse Tobias!

Frage: ich hatte gehofft, dass Lewandowski/Hyypiä etwas früher Sam bringen und nicht für Castro, sondern für Reinartz.
So hätte der schnelle Flitzer beide Flügel beackern können und zusammen mit Bönisch – Rolfes und Schürrle (links) oder mit Carvajal – Bender und Castro bei Überzahl kräftig Alarm machen können!

Zu riskant beim Spielstand von 0:0?

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geco87 29. Januar 2013 um 00:47

Das wäre viel zu riskant gewesen. Reinartz spielt als „moderner Libero“ (der Begriff wird mir sicher viel Kritik hier einbringen) eine elementare Rolle im neuen Leverkusener System und wird wohl nur in ganz speziellen Situationen ausgewechselt (z.B. bei Gelb-Rot-Gefährung). Sam für Bender oder Rolfes hätte Sinn gemacht, allerdings wohl nur, wenn Castro auf die Acht zurückgerückt wäre. Schürrle+Castro+Sam als Offensivkräfte wird es so schnell wohl nicht geben, das Trainergespann hält klar am neuen, erfolgreichen System fest und wechselt wenn dann, wie in München, situationsabhängig ins 4-5-1.

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EY 29. Januar 2013 um 11:05

An Sam für Rolfes hab ich auch gedacht. Aber ich hab auch vorher nicht verstanden warum Schürrle nicht viel härter an der Abseitslinie gespielt hat und Leverkusen nicht auf Kopfballverlängerung Kießling oder direkt den Ball hinter Freiburgs letzte Linie spekuliert hat, auch wenn das vielleicht ein bisschen Oldschool klingt. Die Viererkette stand ja relativ hoch, die Innenverteidiger rückten situativ raus und Hedenstad war alles andere als konservativ. Mit Rolfes und Bender hat man ja ein dynamisches Duo auf die zweiten Bälle zwischen den Linien und im Pressing war Schürrle ja sowieso weit vorne und spielte gegen Ende ziemlich zentral. Zudem hätte der im Verlauf der Partie zumindest im Ballbesitz immer offensiver werdende Boenisch ihn unterstützen können. Als dann auch noch Sam eingewechselt wurde hab ich gedacht jetzt versucht man das weil man doch ohne Castro sowie ein bisschen mehr Risiko geht und Sam ja glaube ich ohne Ball noch schneller ist als Schürrle und vielleicht so etwas wie den Sanchez ohne exorbitante Ballbesitzzeiten, oder eher ohne hohen (auf dem Spielfeld) Ballbesitz. Das hätte ja vielleicht Freiburg tiefer reingedrängt.

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Taisumi 28. Januar 2013 um 10:25

Tobias, ich muss dich loben. Dein Schreibstil ist klasse! Total verständlich und nachvollziehbar ist das alles. Ich habe das Spiel selber nicht gesehen, kann mir jedoch mit Hilfe deines Textes, ein ungefähres Bild davon machen.

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sharpe 28. Januar 2013 um 09:21

Bin von Freiburg echt begeistert. Ihre taktische Disziplin und Ordnung im Defensivverhalten und im defensiven Umschaltspiel ist top. Aber sie haben offensiv auch mit mehr Kreativität gespielt als Leverkusen, die es immer nur mit vielen langen Bällen probieren, weil ihnen das Aufbauspiel über die Mittelfeldspieler zu risikoreich ist. Ich dachte mir manchmal, schade, dass die Freiburger nicht individuell etwas besser besetzt sind, sonst hätten sie Leverkusen oft in arge Schwierigkeiten bringen können. Aber leider waren zu viele Stockfehler und Fehlpässe bei relativ einfachen Pässen dabei. Aber was Streich aus dieser Truppe gemacht hat, Respekt.

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Steffen 27. Januar 2013 um 22:56

Wieder Mal so ein Spiel, das ich wohl nicht genossen hätte, wenn ich nicht durch Zufall damals auf eure Seite gelangt wäre.
Defensivtaktisch von beiden überragend.

Trotzdem noch eine Frage: Du schreibst, dass ein Achter von Leverkusen im Spielaufbau situativ von einem Innenverteidiger von Freiburg gedeckt wurde?
Im tiefen Spielaufbau treiben sich die beiden ja irgendwo um die Mittellinie herum, wurde tatsächlich so hoch verteidigt das der Innenverteidiger dann ohne größeres Risiko raus rücken kann? Im Fernsehen sieht man ja (leider) nie Totalen, sonder max. eine Spielhälfte.

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TE 27. Januar 2013 um 23:12

Die kurze Antwort ist: Ja, aber es wurde nur angewandt, wenn ein Achter weit aufrückte. Beispielsweise gab es Situationen, in denen lange Bälle auf Bender gespielt wurden. In solchen Situationen rückte ein Innenverteidiger auf. An und für sich ist das kein Problem, schließlich stehen die IVs eh kurz hinter der Mittellinie; wenn ein IV drei Meter aufrückt, bleibt gegen ein 4-3-3 die Eins-gegen-Eins-Deckung in der hintersten Linie.

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blub 27. Januar 2013 um 18:59

Ich fand das spiel total geil. Die Intesität war enorm hoch.
Freiburg hat mangels ziespieler etwas mehr das kurzpassspiel gesucht und ist dann mangels möglichkeiten auch auf die diagonalbälle umgestiegen.
Es gab durchaus vor allem für Leverkuen gute Kontermöglichkeiten, die Freiburg aber herausragend abgewürgt hat.

kleine sache noch: Hedenstad ist Rechtsverteidiger.

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TE 27. Januar 2013 um 23:27

Danke für den Hinweis; macht so auch viel mehr Sinn 😉

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geco87 27. Januar 2013 um 15:45

Habe selten ein Spiel gesehen, in dem zumindest in der 1. Halbzeit beide Mannschaften so viel Pressing gespielt haben und das gleichzeitig nicht zum Gebolze verkam. Die Mannschaft in Ballbesitz konnte einem vor allem im Mittelfeld richtig Leid tun. In der zweiten Halbzeit ergaben sich dann etwas mehr Räume – klar, so ein Pressing hält man keine 90 Minuten durch.
Ich habe Freiburgs Taktik erstmals genauer beobachtet und ich finde es nach wie vor interessant hier von einem 4-4-2 zu sprechen. Wenn die gegnerischen IV in Ballbesitz sind, mag die Formation stimmen, aber sonst kaum, vor allem in Ballbesitz. Kruse und vor allem Rosenthal lassen sich tief fallen, um Räume für (allen voran) Schmid und Caligiuri, teils sogar einen der Sechser zu schaffen. Heraus kommt eine höchst fluide Formation, die teilweise etwas von einem 4-6-0 (Roma von vor einigen Jahren lässt grüßen) oder 3-7-0 hat!
Dass die Mannschaften die Offensiv vernachlässigt haben, sehe ich übrigens nicht so. Es wurde versucht sehr vertikal anzugreifen, doch entweder fehlte, gerade bei Freiburg, die Konzentration bei den Bällen in die Spitze oder die Defensiven ließen nichts zu.

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El Entrenador 29. Januar 2013 um 11:26

Hallo geco87, natürlich sieht die Formation bei eigenem Ballbesitz anders aus. Gott sei Dank. Alles andere wäre auch zu ausrechenbar.

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