UD Levante – Athletic Bilbao 3:1
Der baskische Glanz aus der vergangenen Saison ist längst verblichen, atemberaubende Auftritte auf nationaler und internationaler Ebene tauschten zu dieser Saison mit dem Kampf in der unteren Tabellenhälfte. Bielsas kriselndes Bilbao gastierte zum Jahresauftakt bei UD Levante, das nicht nur zu den heimstärkten Teams der Liga gehört, sondern zudem erneut auf Europapokalkurs ist.
Kollektive Basis
Die Grundlage für diesen positiven Kurs bildet das kollektive Spiel innerhalb einer positionsorientierten Raumdeckung mit dem Ziel der Raumkontrolle. Dafür bildet Levante gegen den Ball seinen berüchtigten 4-4-2-Block, welcher in den zwei Viererketten relativ symmetrisch angelegt ist und somit eine grundlegende Kompaktheit im horizontalen und vertikalen Verbund bietet. Auf Basis dessen variiert Trainer Martínez in der Regel die Höhe seines Blocks sowie die Aufgaben des Sturmduos, je nach Gegner.
In diesem Spiel begegnete man den Basken, die aus einer Art 4-3-3 heraus agierten, innerhalb der Mittelfeldzone, ferner bot man einen Teil des Flügelbereichs an. Das aushelfende Sturmduo Míchel und Roger, Torjäger Martins wie Barkero (11 von 36 Scorerpunkten) waren nicht verfügbar, sollte Bilbaos Aufbauspiel in deren erster Linie zeitlich limitieren und vor allem den einfachen Passweg in die Tiefe verschließen. Aufgrund der Wechselwirkung der Formationen musste diese Aufgabe in Unterzahl bewältigt werden, da Athletics Innenverteidigern mit dem nominell freien Sechser Gurpegi theoretisch eine Unterstützung geboten wurde. Angesichts seiner zentralen Positionierung im Sechserbereich konnte er jedoch räumlich kontrolliert werden, denn beide Stürmer achteten diszipliniert auf eine gegenseitige diagonale Absicherung beim Anlaufen des gegnerischen Innenverteidigers, wodurch mögliche Pässe zu Gurpegi hätten abgefangen werden können.
Mit einem taktisch sinnvollen Abkippen zwischen seine beiden Innenverteidiger hätte die Ballzirkulation wesentlich vereinfacht werden können. Eine situativ breitere Dreierkette mit einer anpassungsfähigen Staffelung hätte das kleine Defensivspiel der gegnerischen Stürmer einfach umspielen können, ein erhöhter Druck aus dieser ersten Aufbaulinie wäre wohl das Resultat.
Fehlende Durchschlagskraft
Levantes Spielidee der erhöhten Raumkontrolle und das damit einhergehende Ziel der Angriffsverteitelung bescherte den Gästen aus dem Baskenland ein deutliches Ballbesitzplus, der jedoch hauptsächlich innerhalb der eigenen Viererkette verbucht wurde. Die eigene starre Raumaufteilung, das langsame Passspiel, fehlende Bewegung und die allgemein risikolose Spielanlage verhinderte den Übergang vom Aufbauspiel in die Vorbereitungsphase, dementsprechend auch den Übergang in die letzte Phase, dem Herausspielen von Torchancen. Von der eigentlichen Stärke des dynamischen Flügelspiels, welches durch ständige Pärchen- und Überzahlbildungen die nötige Durchschlagskraft erhält, war nicht viel zu sehen. Stattdessen konnten Bilbaos Flügelsituationen regelmäßig isoliert werden, mit den einfachsten Mitteln und gewöhnlich nach dem gleichen Schema.
Iraola erhält den Ball und wird vom ballnahen äußeren Mittelfeldspieler García gestellt. Die Positionierung war stets diagonal nach Innen, es wurde der Flügel angeboten. Es folgt ein Pass in die Tiefe, den Susaeta ohne großen Gegnerdruck verarbeiten kann, denn Linksverteidiger Juanfran bleibt vergleichsweise passiv auf seiner Grundposition, um keinen bespielbaren Raum im Rücken zu öffnen. Sein überspielter Mitspieler García orientiert sich derweil direkt nach hinten und setzt zum Rückwärtspressing an, während die Doppelsechs aus Iborra und Diop den Raum zwischen den Linien minimiert und den Passweg ins Zentrum abschneidet. Die Handlungsmöglichkeiten des Ballführenden Susaeta wurden mit diesem Ablauf simpel limitiert, Bilbaos breite Raumaufteilung und die mangelnde Bewegung verstärkten den negativen Effekt massiv. Es fehlte an gegenseitiger Bindung. In der Folge wurde der Ball zurückgespielt oder gar verloren.
Solche Ballverluste mündeten jedoch kaum in geradlinige Konter, da die statische Spielfeldbesetzung keine offenen Räume hinterließ und der Gegner Levante aus der Ordnung heraus, innerhalb der bekannten Mannorientiertheit, attackiert werden konnte.
Rechtslastiges Flügelspiel
Levante konzentrierte sich daraufhin auf ein zielstrebiges Flügelspiel, welches neben dem reinen Konterspiel ein weiteres Charakteristikum darstellt. Dabei wird gewöhnlich versucht nach einem Seitenwechsel eine Überladung zu erzeugen. Das jeweilige Flügelduo aus Außenverteidiger und Mittelfeldspieler, immer unterstützt vom Zehner oder Stürmer, soll mit aufeinander abgestimmten Handlungsmustern einen Durchbruch hinter die gegnerische Viererkette generieren. Gruppentaktische Angriffselemente wie das Hinterlaufen, Doppelpässe oder das Spiel über den dritten Mann spielen eine übergeordnete Rolle. Zielbereich der Durchbrüche ist im Groben der Raum neben dem Strafraum, der im besten Fall mit einem Bewegungsvorsprung erreicht wird. Einstudierte Passmuster und Verhaltensweisen machen diese Absicht wahrscheinlicher. Aus diesem Bereich heraus versucht Levante die Situationen variabel zu finalisieren, mit wenigen weiteren Stationen und viel Risiko.
In diesem Spiel wurden ganze 76% der Angriffe über die Flügel gefahren, 44% davon über die sich gut ergänzende rechte Seite. Mit el Zhar bot Trainer Martínez einen dribbelstarken Flügelspieler auf, der hauptsächlich nach Innen driftet um dort Kombinationsmöglichkeiten zu finden. Diese fand er in Person von Míchel, der mit technischem Vermögen, guter Spielübersicht und beschleunigendem Kurzpassspiel auffällt und oftmals den entscheidenen letzten Pass zum Durchbruch spielt. Die benötigte situative Breite erzeugte der ex-Bundesligaspieler Lell (Trikotname „Chris“), der mit dynamischen und gut getimten Flügelläufen für entlastende Unruhe sorgte. Er lieferte eine auffällige Partie ab, da er sich mitsamt seiner athletischen Überlegenheit gegenüber seines direkten Manndeckers einige Male durch- sowie absetzen konnte. Sein Tor steht als Paradebeispiel.
Rote Karte
Die letzten zwei Minuten der ersten Halbzeit waren nicht nur eine gute Zusammenfassung von Bilbaos bisheriger Saison, sie besiegelten im Prinzip auch das Spiel. Beim Stand von 1:1 kassierte der junge Innenverteidiger Laporte aufgrund einer Notbremse die rote Karte, die nachlaufenden Folgeaktionen des fälligen Freistoßes führten zum Führungstreffer.
Nach dem Seitenwechsel zog Levante seinen kompakten Block tiefer in die eigene Hälfte und lauerte auf klare Kontersituationen. Bielsa löste gezwungenermaßen die Position des Sechsers auf, welche eh keinen Einfluss hatte und sich wie angesprochen gewissermaßen selbst aus dem Spiel genommen hat. Bilbao spielte dadurch in einem 4-2-3. Trotz der Unterzahl zeigte sich die Elf nach der Pause flexibler, die starren offensiven Flügelpositionen weichten vermehrt auf, sodass der Halbraum öfters angelaufen wurde und der Zwischenraum angespielt werden konnte. Zu mehr als einer Handvoll Halbchancen führte dies jedoch nicht.
Fazit
Insgesamt ein verdienter Sieg für den Gastgeber UD Levante, der seinen Gegner mit kollektiver Arbeit innerhalb der positionsorientierten Raumdeckung zur Harmlosigkeit drängte. Potenziert wurde Bilbaos Harmlosigkeit von der eigenen statischen und risikolosen Spielanlage, wodurch die eigene Stärke der Überladungen nie ausgespielt werden konnte und Levantes kompakter Block unaufgebrochen blieb, ausgenommen beim einzigen Tor. Die rote Karte wie das folgende Tor entschieden die Partie vorzeitig, denn Levante konnte mit der Führung im Rücken tiefer agieren und auf Konter lauern.
5 Kommentare Alle anzeigen
André 8. Januar 2013 um 09:29
Endlich mal ein Artikel in welchem vermehrt auf die offensiv auffälligen Automatismen eingegangen wurde – fast wie gewünscht. Gerne mehr davon.
mananski 7. Januar 2013 um 15:08
Nach dem Bumms von „Chris“ musste ich mir erst mal zur Beruhigung das Tor von Grafite angucken 😉 So, Fußballwelt wieder in Ordnung!
Rasengrün 7. Januar 2013 um 13:09
Ich verfolge Levante nicht regelmäßig. Beim Lesen dieses Artikels fühle ich mich in Teilen an Solbakkens Köln erinnert, natürlich mit dem Unterschied, dass es hier zu funktionieren scheint. Ist da was dran?
blub 7. Januar 2013 um 12:55
Wenn das die Bewerbung war, dann ist sie gelungen.
datschge 7. Januar 2013 um 13:25
Ja, gute Arbeit. Immer schön, neue Namen zu sehen. ^^