Chelsea – Manchester City 0:0
Zwei Teams gespickt mit Topstars, ein neuer Trainer auf der einen, ein nach dem Aus in der Champions League voll auf die Meisterschaft fokussiertes Team auf der anderen Seite: Dieses Spiel hielt nichts, was es versprach.
Grundformationen
Chelsea begann das erste Spiel unter Benitez im 4-2-3-1. Kapitän John Terry war verletzt, sodass Ivanovic in die Innenverteidigung rückte und Neuzugang Azpilicueta auf der rechten Abwehrseite startete. Die Doppelsechs war auf dem Papier mit einem tief und horziontal spielenden (Mikel) und einem offensiveren und vertikalerem (Ramires) besetzt.
Davor agierte eine spielstarke Dreierreihe, bestehend aus Hazard, Oscar und Mata. Mata hielt meistens die rechte Seite, Oscar und Hazard wechselten sich auf dem linken Flügel und auf der Zehn ab.
City begann im 4-4-2, was sich während des Spiels aber situativ änderte. Kolarov vertrat den verletzten Clichy auf der linken Abwehrseite, Zabaleta spielte rechts. In der Innenverteidigung zog Mancini die spielstarke Variante der körperlichen vor und brachte Nastasic statt Kolo Toure neben Kapitän Kompany.
Auf der Doppelsechs sah es ähnlich aus wie bei Chelsea: Es stand ein eigentlich horizontaler (Barry) und ein vertikaler, dynamischer (Yaya Toure) Spieler auf dem Platz. Milner und Silva sollten über die Außenbahnen das Sturmduo Aguero/Dzeko unterstützen.
Chelsea: Gegen den Ball tief und passiv…
Chelsea hatte nach wenigen Sekunden einen aussichtsreichen Angriff über die linke Seite, von der Grundlinie flankte Cole letztendlich jedoch zu ungenau. Es sollte für lange Zeit der letzte Auftritt des Außenverteidigers jenseits der Mittellinie bleiben.
Nach dieser Aktion zogen sich die Blues nämlich extrem weit zurück. Die Viererkette formierte sich nur wenige Meter vor dem eigenen Strafraum. Hazard und Mata fielen bei gegnerischem Ballbesitz auf Höhe der Sechser zurück und bildeten so eine zweite Viererreihe. Davor versperrten Torres und Oscar an der Mittellinie die Passwege ins Zentrum.
Auch wenn City näher ans Tor herankam, blieb Chelsea recht passiv. Sie setzten den Ballführenden selten wirklich unter Druck, sondern geleiteten ihn auf die Außenbahnen, worauf meistens ein Rückpass folgte.
… mit dem Ball wie in alten Zeiten
Hatten die Gastgeber den Ball, versuchten sie schnell umzuschalten. Problematisch war hierbei jedoch, dass weder die Außenverteidiger noch Ramires für Unterstützung sorgten. Resultat war, dass das Offensivquartett auf sich allein gestellt war. Anfangs versuchten es die drei spielmachenden Akteure hinter Torres noch wie zu Beginn der Saison, eng beieinander zu spielen und den Gegner in den Halbräumen zu überladen, was jedoch einfach verteidigt werden konnte.
Da der jeweilig ballferne Außenverteidiger nicht mit aufrückte und auch Ramires sehr defensiv agierte, gab es keine Breite im letzten (manchmal sogar im zweiten!) Drittel. City konnte einfach rüberschieben, das Trio von Torres isolieren und den Ball zurückgewinnen.
Nach wenigen Minuten gab Chelsea diesen spielerischen Ansatz komplett auf und fing an, lange Bälle auf Torres und Oscar zu schlagen. Es wirkte wie das „alte“ Chelsea mit Drogba als Einmannarmee in vorderster Front. Da Torres und Oscar aber selbst beide zusammen nicht zum Rambo taugen, brachte diese Spielweise nichts. Mata und Hazard konnten ihre Stärken so überhaupt nicht einbringen und wurden schlichtweg überspielt.
Entweder waren die Gastgeber ob des Trubels um den Trainer so verunsichert oder es war taktische Marschroute von Benitez: Sobald Aguero und Dzeko im Aufbau auf fünf Meter herankamen, folgte ein langer Ball. Spielerische Lösungen wurden schlichtweg nicht gesucht.
Bis weit in die zweite Halbzeit hinein griff Chelsea also mit zwei bis vier Spielern an und kam maximal zu Halbchancen oder Ecken. Doch auch Manchester hatte Probleme, die sich gar nicht viel von denen der Blues unterschieden.
Manchester City: Passive Außenverteidiger + zurückhaltender Toure = fehlende Verbindungen
Das Hauptproblem des Meisters war wie auch bei Chelsea die fehlende Unterstützung für die vier offensiven Spieler. Zabaleta und Kolarov waren in Ballbesitz die freien Anspielstationen, zeigten aber keine vernünftigen Aktionen im Spiel nach vorne. Symptomatisch: 81% der Angriffe von City kamen über die Flügel – die Außenverteidiger gaben aber nur eine einzige Torschussvorlage.
Auch ohne Ball waren die beiden keine Gefahr, da ein Hinterlaufen der Vordermänner ausblieb. Milner und Silva sahen sich also meistens zwei Gegnern gegenüber, da Hazard und Mata ja tief verteidigten.
Um das schematische Fehlen eines Zehners im 4-4-2 zu kompensieren, rückt Yaya Toure in der Regel sehr häufig mit auf. Hat dieser mit Ball erst einmal Tempo aufgenommen, ist er kaum zu bremsen. Zusammen mit dem nach innen rückenden Silva als Doppelpasspartner kann er einen tief stehenden Gegner knacken.
Heute sah man einen sehr zurückhaltenden, fast ausschließlich auf die Defensive fokussierten Toure. Nur ein Dribbling und nur zwei Torschussbeteiligungen standen am Ende des Spiels für den Ivorer zu Buche. Dafür konnte er fünf erfolgreiche Tacklings anbringen – Topwert bei City.
Unterm Strich gab es maximal vier Spieler, die wirklich mit angriffen, was gegen die beiden Viererketten Chelseas zu keinen klaren Chancen führte.
City wechselt die Formation: Die Probleme bleiben
Citys einziger kreativer Akteur Silva war der Ausgangspunkt für einige taktische Änderungen im System des Meisters. Hin und wieder verließ Silva die Position auf dem rechten Flügel und löste so einige Kettenreaktionen aus.
Ging er ins Zentrum, entstand eine 4-2-3-1-Anordnung. Der Spanier gab dann den klassischen Zehner, während Aguero und Milner auf seiner Höhe eine Dreierreihe hinter Stoßstürmer Dzeko bildeten. Da Chelsea aber so tief und kompakt stand, kam City selten zwischen die Linien, sodass Chancen weiterhin ausblieben.
Als dritte Alternative formierten sich die Gäste im 4-3-3. Milner und Toure spielten dabei neben Barry auf den Halbpositionen, Aguero wechselte auf die linke Angriffsseite, Silva spielte rechts.
Der Unterschied zum Ausgangs-4-4-2 war, dass der Spanier seine Position länger hielt und mit dem Ball ins Zentrum zog. Vorher war er dort noch ohne Ball hingelaufen, konnte aber von seinen Mitspielern nicht gefunden werden. Das, was Gefahr am ehesten ähnelte, entstand zumeist aus Szenen, in den Silva von rechts in die Mitte zog und auf die Stürmer durchsteckte.
Diese Pässe kamen aber selten an, und wenn, dann befanden sich Dzeko bzw. Aguero meist in einem extrem schlechten Winkel zum Tor.
Erwähnenswert ist noch, dass Aguero und Silva in Citys situativem 4-3-3 auf jegliche Defensivarbeit verzichteten, was angesichts des spärlichen Aufrückens der Gastgeber schlichtweg nicht nötig war. Die taktische Flexibilität des amtierenden Meisters hätte durchaus den Sieg bringen können. Da Toure und die Außenverteidiger im 4-2-3-1 und 4-3-3 genauso wenig aufrückten wie im 4-4-2 waren die Auswirkungen dieser Umstellungen äußerst überschaubar.
Fazit
Da ein Geniestreich eines der Einzelkönners ebenso ausblieb wie ein gravierender Abwehrschnitzer, endete das extrem schwache Spiel mit dem einzig richtigen Resultat.
Was bleibt nach so einem Spiel sind Fragen. War Benitez einfach erstmal auf totale Sicherheit bedacht und wollte um jeden Preis ohne Gegentor bleiben? Oder verwirft er den anfangs der Saison teilweise sehr ansehnlichen, ballbesitzorientierten Stil? Angesichts des Personals um die drei spielmachenden Offensivspieler Oscar, Mata und Hazard ist es eigentlich undenkbar, dass er aus Chelsea eine reine Kontermannschaft machen will.
Auch City wusste keineswegs zu überzeugen. Ähnlich wie Holland bei der EM präsentierten sie sich als zerbrochenes Team, da es keine Unterstützung für die vier offensiven Spieler gab.
5 Kommentare Alle anzeigen
Frankenwald 27. November 2012 um 20:53
Champions hin oder her. Dass Chelsea mit dieser Spielanlage ein Turnier gewonnen hat, ist vergleichbar mit Griechenland 2004. Das gibt es einmal und nie wieder. 😉
Die taktischen Experimente von Mancini zeigen doch gerade, dass es mit dem Verständnis der Spieler, vor allem der vorderen nicht so weit her ist. Dreier Kette mit drei Innenverteidigern wird nunmal nicht gespielt um einen Mann mehr für die Offensive zu haben sondern um drei statt zwei Spieler hinten zur Sicherung abzustellen.
Vielleicht gibt es in England durch die hohen Ablösesummen zu viele Riberys und Robbens die es erst lernen müssen als Offensivasse auch im der Rückwärtsbewegung mitzuarbeiten.
strwbrryflds 27. November 2012 um 11:50
Sehe ich ein wenig anders.
Der angesprochene Mancini hat diese Saison schon mit der 3er Kette probiert – der Artikel über Stärken/Schwächen von United erschien auch bereits, der eine noch unfertige Taktik suggerierte.
Liverpool verfolgt unter Rodgers ein neues Taktikkonzept – Swansea, Wigan und die Spurs mit Dembele im CM/CDM, sind ebenfalls spannend zu beobachten aufgrund Ihrer Systeme.
West Brom liegt an Tabellenplatz 3, mit einem Kaderwert von 82.5Mio (City 498Mio – Transfermarkt.de)
In meinen Augen ein wenig vermessen der Nation, die den Champion of Europe stellt, die taktische Klasse abzusprechen.
Wiktor-Maslow 27. November 2012 um 17:13
Richtig. Im Spiel mit Ball agieren die meisten englischen Topteams schon relativ modern, nur United fällt da mit dem starken Fokus aufs Flügelspiel etwas ab.
Allerdings ist das hohe Pressing sowohl bei den Spitzenmannschaften als auch bei den Schwächeren noch nicht auf hohem Niveau. Tottenham zeigt da ganz gute Ansätze und Arsenals Pressing ist normalerweise recht passabel, ansonsten sieht es relativ mau aus.
Frankenwald 27. November 2012 um 07:38
Was ich sowohl aus den Analysen herauslese aber auch selbst beobachte ist, dass der englische Fussball zur Zeit taktisch nicht mit dem Rest Europas mithalten kann. Zu stark wird auf individuelle Fähigkeiten der Spieler gesetzt, so dass es zu häufig zu auseinanderbrechenden Mannschaften kommt.
Bestätigt wird dies durch das abermals schlechte abschneiden des Meisters in der Champions League.
Ist dies eurer Meinung nach ein langfristiger Trend?
BornALion 27. November 2012 um 10:43
Das nehme ich teilweise auch so wahr.
Vielleicht fehlen neue Impulse – ich denke da an United und Arsenal. Ein neuer Trainer ist nicht gleich besser, hat aber andere Ideen.
Was City angeht bin ich mir trotz des Titels immer noch nicht sicher über die taktischen Fähigkeiten Mancinis – Profitiert er nur von der Klasse der Einzelspieler oder hat er Konzepte zur Hand?
Ein positives Beispiel, dass aber auch zeigt, dass man mit taktischer Klasse die individuelle Klasse verbessern kann (und somit ein schlechtes Zeugnis für die oben genannten Vereine ist) bleibt natürlich Swansea…