FC Bayern München – 1899 Hoffenheim 2:0
Das Spiel zwischen Bayern München und der TSG 1899 Hoffenheim versprach einen Gastgeber auf Rekordjagd und einen hochmotivierten Gast mit aggressiver Gangart. Von den Hoffenheimern erwartete man sich keineswegs eine tiefe Ausrichtung und eine abwartende Spielweise, sondern ein hohes Pressing und schnellen Vertikalfußball. Die Bayern hingegen wollten sich nach der überraschenden Niederlage gegen Bate Baryssau in der Champions League rehabilitieren und den Startrekord mit sieben Siegen aus sieben Spielen einstellen.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Abermals starteten die Bayern in einem 4-3-3, in welchem Mario Mandzukic an vorderster Front als zentraler Stürmer begann. Auf den Seiten spielten Franck Ribéry und Thomas Müller, wobei Letzterer verletzungsbedingt in der ersten Halbzeit für Xherdan Shaqiri ausgewechselt wurde.
Sowohl Ribéry als auch Thomas Müller sollten das Spiel breit machen, wobei Ribéry aus seiner breiten Position einen größeren Radius nach hinten hatte und verstärkt diagonal in die Mitte zog oder sich an der Strafraumkante positionierte. Insbesondere bei Kontern oder Seitenwechseln war dies eine effektive Spielweise.
Müller sollte die Abwehr des Gegners in die Breite ziehen, wenn Ribéry den Ball erhielt, und im Angriffsaufbau für Philipp Lahm Räume für ein diagonales Aufrücken schaffen. Holger Badstuber auf links hielt sich bis zur Führung zurück, er sicherte die Offensivbewegungen Lahms durch Bildung einer Dreierkette mit Jerome Boateng und Dante ab. Diese beiden hatten spezielle Aufgaben, die zu ihrer klassischen Tätigkeit als Innenverteidiger dazu kamen. Dante war der Spielgestalter von hinten und rückte selbst gelegentlich mit nach vorne auf, während Boateng sich stark an Joselu orientierte und dessen Bewegungen nach hinten verfolgte. Zumeist übergab er dann an das defensive Mittelfeld.
Im Mittelfeld erhielt Javi Martinez den Vorzug vor Luiz Gustavo, vermutlich im Zuge der Rotation. Der Spanier hielt sich in der ersten Spielhälfte in der Offensive eher bedeckt, auch wenn er hierbei Bastian Schweinsteiger gelegentlich bei dessen Vorstößen entlastete. Im Normalfall war dieser jedoch der Vertikale der beide, er bewegte sich auch sehr stark auf die Seiten und füllte dort Lücken oder bot sich als Anspielstation an. Parallel zu ihm bewegte sich Toni Kroos, der dann meist den anderen Halbraum oder die Seite übernahm. Im Pressing unterstützte Kroos vorne wie gehabt Mandzukic, bildete somit ein 4-4-2 und versuchte das gegnerische Mittelfeld ungreifbar zu machen.
Die Gäste spielten in einem 4-2-3-1, in welchem Roberto Firmino als zentraloffensiver Akteur zwischen Takashi Usami und Patrick Ochs auf den Flügeln auflief. Hierbei ist die Aufstellung von Ochs interessant: von Linksverteidiger Holger Badstuber war nicht wirklich viel Offensivgefahr zu erwarten, dennoch wurde Ochs einem möglichen offensiveren Akteur vorgezogen. Womöglich war das Ziel, dass man ein aggressives Pressing fahren und dadurch die Anspiele auf Ribéry verhindern wollte oder aber den Franzosen im Rückwärtspressing doppeln sollte, was beides jedoch kaum gelang.
Ganz vorne lief Joselu auf, er bewegte sich viel und organisierte sich mit Firmino und den Flügeln in einem 4-4-2-Pressing, auf welches wir später noch näher eingehen werden. Ähnliches Ziel wie bei den Bayern: Zusperren der Passwege in das defensive Zentrum. Dahinter sicherten Sebastian Rudy und Daniel Williams ab, sie unterstützten auch sehr gut im Pressing und machten enorm viele Meter, da sie weite Räume zwischen Abwehr und Angriff durch die gegnerische Tiefe und Breite zu verteidigen hatten.
Andreas Beck und Fabian Johnson auf den Außenverteidigerpositionen kamen selten nach vorne, bei Mathieu Delpierre und Marvin Compper klappte der Spielaufbau nur mittelmäßig.
Hoffenheimer Pressing: Nutzung der gegnerischen Bewegung und ihres Deckungsschattens
Wie erwähnt positionierten sich die Gäste in einem 4-4-2. Firmino unterstützte Joselu an vorderster Front. Dies war wohl auch einer der Gründe, wieso Jupp Heynckes Badstuber wieder etwas defensiver als in den letzten Partien agieren ließ und ihn verstärkt in den Spielaufbau miteinbezog. Womöglich rechnete Hoffenheim sogar mit diesem Schachzug seitens der Bayern, schob auf den Außen gut zu und stellte die Passwege in die Vertikale (zumindest versuchsweise) zu.
Bayern reagierte darauf, wie man es sich erwarten würde: Schweinsteiger oder Martinez ließen sich zurückfallen und halfen den beiden Innenverteidigern, weil Badstuber trotz seiner tiefen Stellung natürlich Breite geben musste und dennoch wenig Zugriff hatte. Doch dieses Zurückfallen brachte weniger als sonst.
Dies lag daran, dass sich Williams und insbesondere Rudy sehr hoch positionierten und aggressiv am zurückfallenden gegnerischen Akteur orientierten. Damit wollten sie dessen Aktionsradius einschränken und nutzten dessen Deckungsschatten, um Dantes lange flache Bälle in die Spitze oder auf die Flügel zu vermeiden.
Mit zwei Stürmern, einem absichernden und einem mannpressenden aufrückenden Sechser hatten die Hoffenheimer somit ein Dreieck weit in der Hälfte des Gegners, das die Räume und Passwege nach vorne versperrte. Bis zum ersten Gegentor war dies eine erfolgreiche Herangehensweise. Trotz einiger Fehlpässe bei den daraus resultierenden Kontern hatte Hoffenheim in der Anfangsphase mehr Ballbesitz als die Bayern im eigenen Stadion.
Die Reaktion der Münchner
Dies war ein Umstand, welchen der Tabellenführer nicht auf sich sitzen lassen konnte. Natürlich half der Führungstreffer nach einer Soloaktion von Ribéry enorm, doch auch andere, taktische Aspekte wurden angepasst, insbesondere nach dem Seitenwechsel.
Ein Punkt waren die Passmuster und die Bewegungen: Schweinsteiger wich öfter auf die Seite, Badstuber ging höher und Ribéry wiederum tiefer. Mit Shaqiri statt Müller kam auch noch ein sehr beweglicher Akteur auf dem rechten Flügel und Lahm passte sich in seiner offensiven Bewegung an. Außerdem ließen sich die im Aufbauspiel helfenden Sechser dynamischer und vereinzelter zurückfallen, in der ersten Halbzeit hatten sie dies teilweise zu zweit gemacht und die Räume für sich selbst noch stärker verdichtet.
Der nächste Aspekt war das Umschaltspiel, welches generell bei den Bayern verbessert wirkt. In diesem Spiel bemerkten sie schnell, dass sich durch die riskante und aggressive Spielweise der gegnerischen Doppelsechs zwangsläufig Räume öffnen würden. Diese waren nun nicht vor dem Pressingwall zu finden, sondern dahinter, was dem simplen Umstand geschuldet war, dass die Sechser entschieden, ob sie eher defensiv kompakt oder im offensiven Bereich ihrer Formation zu finden waren.
Nach einigen gefährlichen Konter der Bayern wurde die Spielweise der Hoffenheimer weniger dynamisch, auch wenn sie kaum an ihrer Laufintensität verlor. Im weiteren Spielverlauf jedoch dominierten die Münchener und konnten es letztlich nach dem zweiten Treffer sehr ruhig angehen lassen, wirkliche Gefahr auf eine Aufholjagd bestand nicht. Wäre die aggressive Spielweise der TSG zu Spielbeginn mit einem Treffer belohnt worden, hätte die Partie womöglich umgekehrt ausgehen können.
Fazit
Die Bayern begannen sehr träge und Hoffenheim wirkte bissiger, besser eingestellt sowie entschlossener. Doch die Hausherren standen defensiv sehr sicher, insbesondere Boatengs und Dantes intelligente Spielweise gegen Joselu sowie die Kompaktheit im Mittelfeld, welche Firmino zu enorm viel Bewegung zwang, wirkten souverän.
Nach der schwachen Anfangsphase fanden die Bayern schnell im Konterspiel die richtigen Räume und bereits in der unmittelbaren Phase nach dem 1:0 waren sie klar überlegen. Sie dominierten den Ball, hatten dadurch mehr vom Spiel und trotz relativ weniger zwingender Chancen geht dieser Sieg absolut und auch in der Höhe in Ordnung. Ein Pauschallob natürlich an Ribéry, der mit zwei Toren und einer hervorragenden Defensivarbeit im Rückwärtspressing das Spiel entschied.
Von unserer Seite auch noch Genesungswünsche an Boris Vukcevic. Wir hoffen, dass der junge Hoffenheimprofi den Kampf um sein Leben für sich entscheidet. Im Antlitz solcher Geschehnisse verblassen sämtliche andere Problemchen des sportlichen Alltags, weswegen wir ihm alles erdenklich Gute wünschen.
13 Kommentare Alle anzeigen
Moritz 10. Oktober 2012 um 16:33
Ich verstehe Ihr Unverständnis bzgl. der Spielzeiten von Toni Kroos überhaupt nicht. V.a. in dieser Saison ist er deutlich effizienter (siehe 3 Tore Buli und 1 Tor CL) sowie auch sein verbessertes Passspiel und Spiel gegen den Ball.
Das ein Spieler auf seiner Position eine schlechtere Passquote als ein Defensiver Spieler hat, sollte sich auch selbst erklären.
Aber in der Ballbehauptung sowie in der Spielübersicht ist Kroos m.E. derzeit bei Bayern von keinem Spieler zu ersetzen.
Und auch wenn Shaqiri erfrischend spielt, die Forderung ihn auf der zentralen Position aufzustellen ist erheblich verfrüht.
Man merkt deutlich (auch an seinen vielen Ballverlusten in unnötigen Dribblings), dass er sich noch nicht vollends auf das Tempo und die Stärke der Bundesliga eingestellt hat.
Dieses andauernde Kroos schlechtmachen geht mir leider auch auf die Nerven.
Sepp 8. Oktober 2012 um 13:13
Shaqiri überzeugt bisher sehr, wenn er denn mal spielen darf. Unverständlich, dass Kroos den Vorzug erhält. Zwar ist er nicht mehr ganz so phlegmatisch wie letzte Saison, aber trotzdem wirkt er oft lustlos und man kommt bei seinen vielen Fehlpässen nicht mehr aus dem Kopfschütteln heraus. Ich sehe Kroos auch noch hinter Müller falls Robben wieder fit ist. Die Hoffnung ruht auf Sammer, dass er mal Druck ausübt, damit man einen Kroos nur noch im absoluten Notfall ertragen muss.
Franck 7. Oktober 2012 um 17:32
Shaq ist nicht zufällig bereits Publikumsliebling. Er spielt fantastisch schnell, unberechenbar, kreativ, frech. Klasse, wie unbekümmert er sich in diesem Kader behauptet. Schade, dass er (noch) nicht mehr Einsatzzeit bekommt.
vastel 7. Oktober 2012 um 04:04
Wie lässt sich die neuerliche Tendenz zum 4-3-3 der Bayern erklären?
Auch Klopp lässt in meinen Augen immer mehr ein 4-3-3 spielen. Er hat dies beim Spiel gegen City sogar selbst gesagt („Wir haben ein 4-3-3 gespielt.“), wenn ich mich richtig erinnere.
Liegt es rein am Spielermaterial (beide Teams ohne waschechten 10er) oder hat dies andere taktische Gründe?
Jose Mourinho 7. Oktober 2012 um 05:14
Klopps System bleibt ein 4-2-3-1; das 4-3-3 benutzt Klopp bei Gegnern die stark über die Flügel kommen um die komplette Breite zu verteidigen:
https://spielverlagerung.de/2011/11/02/borussia-dortmund-olympiacos-piraus-10/
Zu Bayern: Ich glaube es wird 4-3-3 gespielt, da es letzte Saison viele Mannschaften geschafft haben die Bayern in zwei Teile zu dividieren. Dabei haben sie es geschafft das 4-2-3-1 wie ein 4-2-0-4 aussehen zu lassen.
C 6. Oktober 2012 um 22:21
Ich fand das Spiel relativ schwer zu beurteilen, zwar klare Feldüberlegenheit und eigentlich keine einzige ernstzunehmende Chance von Hoffenheim aber es waren ein bisschen zu wenig eigene Chancen aus meiner Sicht, wobei ich nicht weiss ob man nach der schnellen Führung nur nicht wollte oder nicht konnte. Man beachte die Bayern hatten in den letzten 23 Tagen 7 Pflichtspiele.
Basler 6. Oktober 2012 um 19:51
Als Fan des FC Basel und somit schon längerer Verfolger von Shaqiris Karriere, möchte ich die Frage stellen: Wie macht sich unser Shaq-Attack so? Leider habe ich selten die Zeit Bayernspiele zu schauen. Ist er bisher überzeugend? Wie sehen die Chancen auf einen Stammplatz aus? (vorallem auf die nächsten 1, 2 Jahre)
Danke schonmal für die Antwort!
C 6. Oktober 2012 um 22:26
Er konnte in Ansätzen bereits überzeugen, ihm kommt zu gute dass er sehr flexibel ist wie Heynckes bereits selbst sagte er kann ihn auf allen 3 Positionen in der Offensive einsetzen. Sind alle fit sehe ich allerdings für die 3 Positionen 4 Leute vor ihm. Allerdings aufgrund der enormen Belastung und der Verletzungsanfälligkeit von Robben wird er auf seine Einsatzzeiten kommen.
Fabi 7. Oktober 2012 um 14:34
Ich bin positiv überrascht von Shaqiri, für mich ist er einer der besten Bayernspieler zur Zeit. Das liegt an seiner flexiblen, unbekümmerten und unkonventionellen Spielweise. Es mag sein, dass er (noch) nicht diese typische taktische Disziplin der Bayern angenommen hat, aber das macht ihn gerade so stark. Die Mitspieler sind diszipliniert genug um das aufzufangen und ermöglichen ihm so kreative Freiräume nach vorne, wo er mit seiner flexiblen und unbekümmerten Art eine Bereicherung für das Spiel der Münchener ist. Er erinnert mich ein wenig an den früheren Toni Kroos, bevor er von der Verantwortung Schweinsteiger ersetzen zu sollen fast erdrückt wurde.
firedo 6. Oktober 2012 um 18:44
lass dir doch ein bisschen mehr zeit beim schreiben.
Da lassen sich bestimmt einige holprige, bzw unvollständige Sätze vermeiden.
Generell finde ich den Text anstregend zu lesen und nur mit höchster Konzentration verständlich.
TR 6. Oktober 2012 um 21:09
Ich spreche mal für den Kollegen RM, wenn ich sage, dass wir diese Kritik beherzigen werden. Allerdings zwei Anmerkungen: Erstens hatte er zeitliche Probleme und musste sich daher etwas beeilen und zweitens war es sicher nicht so schlimm und anstrengend, dass man es nur mit größter Konzentration hätte lesen können. Ich habe nun jedenfalls die holprigen Stellen ausgebessert.
TG 7. Oktober 2012 um 08:51
@firedo: Ich kann deine Meinung bzgl des Konzentrationsaufwandes nicht nachvollziehen. Der Text ist durchweg in einem guten Tempo und hinreichend verständlich lesbar. Die verkürzten Sätze sind Imho kein Problem, da ihr Inhalt sich dennoch, aus Kontext und Satzrest erschließt. Ein Taktikblog ist keine Literatur.
Steffen Meyer 6. Oktober 2012 um 18:03
Sehr schöne Analyse! Mir ist vor allem die gute Raumaufteilung von Martinez und Schweinsteiger aufgefallen.
http://derbayernblog.wordpress.com/2012/10/06/fc-bayern-1899-hoffenheim-20-10/