Paris St. Germain – Lorient 2:2

Die Millionentruppe von Paris St. Germain traf am ersten Spieltag der Ligue Un auf den krassen Außenseiter FC Lorient. Für die Elf von Ancelotti sollte es noch ein denkwürdiger Abend werden, in welchem Lorient beinahe ein kleines Wunder vollbracht hätte.

Wechselwirkungen der jeweiligen Formationen

Ohne Thiago Silva, Javier Pastore und Thiago Motta begannen die Pariser das Spiel. Sie formierten sich in einem 4-3-2-1-System, welches dafür sorgen sollte, dass die Halbstürmer Ibrahimovic unterstützen und von ihm profitieren sowie durch die Schnittstellen der gegnerischen Viererkette durchbrechen konnte. Dahinter gab es eine spielstarke Zentrale mit Bodmer, Verratti und Chantome. Der junge Verratti sollte dabei in einer Pirlo-Rolle leicht versetzt hinter seinen beiden Partnern als primärer Spielgestalter agieren, während die zwei Achter für die Transition nach vorne und als Anspielstation wichtig waren.

Grundformationen zu Beginn

Allerdings gab es durch diese Aufstellung mehrere Probleme. Der Gegner stand – auch wegen des frühen Treffers – sehr tief und in der Viererkette eng. Die Schnittstellen waren sehr klein, die Halbstürmer von Paris spielten irgendwann absurd eng zueinander und hatten kaum Effektivität. Im Gegenteil, sie nahmen sich nur gegenseitig die Räume weg. Als Reaktion auf diese Enge mussten die offensiv eingestellten Außenverteidiger extrem hoch aufrücken, wodurch Räume in der Abwehr offen waren. Beim Führungstor für die Gäste fehlte Jallet hinten, dorthin stieß der schnelle Monnet-Paquet hinein und brachte die scharfe und flache Flanke in den Strafraum. Aus dem Pariser Mittelfeld fehlte es an der Unterstützung, wobei zu ihrer Entschuldigung gesagt sei, dass sie sich an den fehlenden Gegenspielern in ihrem Rücken orientierten. Sie erwarteten, dass die gegnerischen zentralen Mittelfeldspieler nachrücken würden, um im Rücken der Abwehr auf Abpraller oder einen Pass zu lauern, was aber nicht geschah. Im Sechzehnmeterraum hatte dann der ballferne und darum nicht-mitaufgerückte linke Außenverteidiger Maxwell das Pech, dass er versehentlich einen traumhaften Tunnel gegen seinen eigenen Torhüter erzielte.

Im weiteren Spielverlauf versuchten die Gäste mit Kontern in diese Lücken neben die Innenverteidiger zu kommen. Die Außenverteidiger mussten sehr hoch spielen und um ausreichend Breite zu geben, rückten teilweise beide nach vorne, was den Raum bis zur Auslinie offen ließ. Die Achter sind ebenso eher offensivorientierte Akteure, insbesondere bei diesem Spielstand, was das Problem verschlimmerte. Einmal hatten die Pariser Glück, dass ein solcher Konter wegen Abseitsstellung knapp nicht zum 0:2 führte, doch dieses kam ohnehin. Aliadiere, der sich viel horizontal bewegte und die alleinige Spitze in einem 4-4-1-1 gab, holte sich den Ball an der linken Außenbahn und zog nach innen. Sein Partner Traore vorderlief ihn und öffnete ihm Raum, was letztlich für einen tollen Treffer sorgte, wo Aliadiere die gesamte Abwehr düpierte.

Lorients Aufstellung im 4-4-1-1 mit dem massierten Zentrum und der engen Viererkette wurde nun noch extremer gemacht. Die Außenspieler gingen weniger nach vorne und es wurde ohne Rücksicht auf Verluste die Überzahl in der Defensive forciert.

Fünfeinhalberkette

Lorient formierte sich nun – ähnlich wie Chelsea gegen den FC Barcelona – in der Nähe des eigenen Tores mit einer Sechserkette. Die Außenstürmer und die Außenverteidiger ließen sich auf eine Linie mit den Innenverteidigern fallen, hatten aber beide noch eine lose Mannorientierung und wichen gelegentlich aus der Sechserkette nach vorne heraus. Dort unterstützten sie die dann die beiden Sechser vor dieser Kette. Außerdem war es auch oft so, dass sich der ballferne Flügelstürmer nicht zurückfallen ließ, weil keine akute Bedrängnis herrschte. Er ging dann ebenfalls vor die Abwehr und orientierte sich an den beiden Sechsern, mit denen er verschob.

Anders als Chelsea suchte Lorient jedoch den Konter. Vorne hatten sie zwei Stürmer, wovon sich nur einer selten fallen ließ, um als Verbindung zu dienen. Ansonsten wollten sie die Höhe von Paris und auch ihre Verzweiflung nutzen, indem sie zwischen einer aggressiven Spielweise und einem passiven Abwehrpressing wechselten. Darauf reagierte Ancelotti, denn die ohnehin verengten Schnittstellen waren in dieser kurzen Phase inexistent.

Ancelotti macht die Offensive breiter

Da es – weder zu diesem Zeitpunkt noch sonst einem in dieser Partie – keine Notwendigkeit für drei zentrale tiefliegende Spielgestalter gab, tauschte Ancelotti. Er brachte Matuidi neben Chantome, was eine klarere Aufteilung in einen eher destruktiven und einen passspielenden defensiven Mittelfeldspieler ergab. Davor wirbelte Nene, der sich frei in dem neuen 4-2-3-1 bewegen sollte. Lorient war mit ihrem klassischeren 4-4-2 nun auf der Suche nach den Räumen, was nicht mehr wie in der ersten Spielhälfte gelang.

Grundformationen ab der sechzigsten Minute

Paris, die sowieso Raum und Ball dominiert hatten, wurde jetzt noch stärker. Sie drückten und waren absolut überlegen, was auch wegen der besseren Raumverteilung in der Offensive so war. Nene und Ibrahimovic bewegten sich viel, unterstützen und tauschten Positionen – Nene in der Horizontale und Ibrahimovic überall, natürlich aber auch nach hinten in die Tiefe, um spielgestalterische Aufgaben zu übernehmen. Auf den Außen waren Menez und Lavezzi  nicht mehr so in die Spitze gedrängt, wie es zu weiten Teilen des Spiels gewesen war. Die Bilder, wo sie beide neben Ibrahimovic vorne standen und von sämtlichen Spielgeschehen isoliert waren, gab es nicht mehr. Stattdessen sorgten sie mehr für Breite und unterstützten die offensiven Außenverteidiger im Kombinationsspiel, ohne jedoch ihre Aufgaben bezüglich einer diagonalen Tororientierung zu vernachlässigen. Mit Gameiro für den ineffizienten Lavezzi wollte Ancelotti nach dem Anschlusstreffer in der Schlussphase für mehr Effektivität und Vertikalität sorgen; doch es war jemand anders, der das Spiel abseits aller taktischen Veränderungen drehen sollte.

Fazit: spielentscheidender Faktor war Zlatan Ibrahimovic

Zwei Treffer bei seinem Debüt standen exemplarisch dafür, wieso Ibrahimovic geholt worden war. Obwohl er sich viel bewegte, einen enormen Aktionsradius hatte und viele Angriffe einleitete, statt vollendete, war er der Zielspieler für hohe Bälle des ganzen Teams. Bei seinem Anschlusstreffer war es seine herausragende Antizipation, welche ihm einen Vorteil im Luftzweikampf einbrachte. Auch in einer anderen Situation hatte er sich dank einer besseren Einschätzung der Flugkurve des Balles einen Vorteil geschaffen und scheiterte nur knapp am Pfosten. Bei seinem Anschlusstreffer konnte er trotz Bedrängnis den heruntergepflückten Ball verarbeiten und traf. Bis zum Ausgleich (und danach ebenso) glaubte er an seine Mannschaft und die Chance, das Spiel noch zu gewinnen. In Führungsspielermanier ging er vor und motivierte seine Kameraden, beim Elfmeter übernahm er auch Verantwortung und erzielte den Ausgleich. Ohne ihn hätte die ersatzgeschwächte Pariser Mannschaft wohl ihren Glauben und das Spiel verloren – ohne ihn wären die taktischen Maßnahmen und die Diszipliniertheit der Mannschaft aus Lorient belohnt worden.

Kaiser-Hummels 14. August 2012 um 10:42

Macht eher den Eindruck eines Spielberichtes denn einer Analyse auf „Spielverlagerung-Niveu“.

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RM 14. August 2012 um 15:40

Die Analyse ist deshalb eher oberflächlich, weil es wenig mit taktischem Mehrwert zu erkennen gab – es waren klassische Probleme im makrotaktischen Bereich einer unterlegenen Mannschaft und eines nicht eingespielten neuen Teams.

Ich wollte Lorients Leistung nicht schmälern, indem ich ihre Wirrheit in jener Phase, wo sie extrem tief standen, negativ auseinander nehme: letztlich hatte sie ja ihren Zweck zeitweise erfüllt.

Dass das Linienspiel mittelmäßig war und die individualtaktische Leistung der Verteidiger von etwas Glück begleitet wurde, war einer der Faktoren. Das Zurückfallen des ballnahen Flügelstürmers wurde schwach praktiziert, gelegentlich standen sie mit einem ungeordneten 6-2-1-1 dar und profitierten von den Unzulänglichkeiten der Pariser. Als sie noch im 4-4-2/4-4-1-1 spielten, war Lorient deutlich besser – weil ihre Spieler schlichtweg nichts komplexeres spielen konnten und ihr Trainer nicht verstand, dass es sonst keine Entlastung wegen mangelnder Verbindung nach vorne gab. Fast so schwach wie Paris‘ Defensive, welche für sehr einfache und banale Konter in der Defensive zugänglich waren.

Beim Treffer von Aliadiere ließen sich die Pariser auf Kreisklassenniveau von einer Rochade eines einzigen weiteren Stürmers düpieren, was im Grunde genommen auch aus einem banalen taktischen Umstand erwuchs: drei defensivlethargische Passspieler im zentralen Mittelfeld, zwei Halbstürmer in einer zu engen und gleichzeitig ineffizienten Rolle (Lavezzi vergibt kläglich aus drei Metern, was seine eindrucksvollste Leistung an diesem Abend war), was die Räume hinter den zwangsaufrückenden ballnahen Außenverteidigern total offen ließ. Lorients einzige durchgehend große offensive Leistung war, dass man ein paar der vielen offenen Räume nutzte, vornehmlich auf links und einmal gefährlich über rechts.

An diesem Abend funktionierte bei beiden Mannschaften schlichtweg wenig – wenn man als Topfavorit zwei Tore auf eine solche Weise zulässt, ist das ebenso schwach, wie wenn man eine 2:0-Führung gegen einen zusammengewürfelten Haufen von uneingespielten Akteuren verspielt, in deren Innenverteidigung ein hüftsteifer Akteur sowie ein verunsicherter Jüngling neben zwei soliden Außenverteidigern mit ungemein komplexen Aufgaben agieren, welche die defensiven und offensiven Verfehltheiten ihrer Vorder- UND Nebenmänner wett machen sollen. Einfachste Konter von Lorient kamen bis ins letzte Spielfelddrittel der Pariser, die sämtliche Organisation in der Defensivarbeit, ob klassisch oder im Pressing, vermissen ließen – Lorient hingegen wirkte wirr und hätte schon früher die beiden Treffer kassieren müssen. Es war auch klar, dass diese nur von Ibrahimovic kommen könnten, der als einziger in Normalform spielte.

(Und wieso Douchez statt Sirigu im Kasten steht, ist mir unerklärlicher als einem Amerikaner der Klimawandel.)

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Kaiser-Hummels 15. August 2012 um 12:49

Genau dieser Kommentar hat mir in deiner Analyse gefehlt! Ich find das völlig in Ordnung, wenn ihr die Mannschaften auch auf diese Weise kritisiert.
Wenn die Leistung nicht stimmt und das taktische Konzept nicht diszipliniert umgesetzt wird, dann sollten diese Teams auch in der Weise kritisiert werden.

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RM 15. August 2012 um 12:59

Das Problem ist einfach, dass Kritik immer subjektiv ist, insbesondere wenn sie eher destruktiv ausfällt. Darum beschränke ich mich in solchen Spielen auf die wenigen guten Sachen sowie die Erklärung der generellen taktischen Ideen. Ich bin wohl einfach zu nett.

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