Interview mit Bernhard Peters
Wir sprachen mit dem ehemaligen Hockey-Nationaltrainer und heutigem Sportdirektor von 1899 Hoffenheim Bernhard Peters über die Gemeinsamkeiten zwischen Hockey und Fußball und wieso die Diskussion um Systeme seiner Meinung nach kontraproduktiv ist.
Spielverlagerung: Herr Peters, am heutigen Samstag spielt die deutsche Hockey-Mannschaft der Herren bei Olympia um Gold. Passend dazu die These: Hockey und Fußball sind sich recht ähnlich und könnten viel voneinander lernen, wenn sie denn wollten. Wie sehen Sie das?
Bernhard Peters: Ja, es gibt Übereinstimmungen, es gibt aber auch Grenzen. Es gibt Gemeinsamkeiten in der Größe der Fläche, der Anzahl der Spieler und dadurch auch in sehr vielen gruppentaktischen Prinzipien. Eigentlich beschäftige ich mich seit 30 Jahren damit, das eine ins andere zu transferieren, in beide Richtungen. Hockey kann vom Fußball das aggressive Nach vorne Verteidigen lernen. Im Fußball gibt es einige Teams, die sehr gute Verhaltensweisen und methodische Wege kennen, ein Pressing oder ein schnelles Gegenpressing aufzuziehen. In die andere Richtung könnte ich Dinge aufzählen wie schnelles Konterspiel, aber auch das Antizipieren, Wahrnehmen und Entscheiden, welche Räume bespielt werden sollen, wenn man bei Rückstand das Tor machen muss und der Gegner sehr tief hinten drin steht. Da gibt es eine klare Struktur in der variablen Verfügbarkeit der taktischen Handlungen und eine gute methodische Ausbildung im Hockey.
Spielverlagerung: Im Fußball hauen viele Teams bei Rückstand kurz vor Schluss den Ball einfach blind nach vorne.
Peters: Das liegt eben daran, dass es keine variantenreichen, kreativen Lösungen und vor allem keine klar definierten taktischen Aufgabenbeschreibungen gibt, wie man solche Situationen am Schluss besser lösen könnte.
Spielverlagerung: Die gibt es im Hockey eher?
Peters: Der entscheidende Punkt ist, dass es methodische Lernwege gibt, auf dem Platz diese Prinzipien zu erarbeiten und mit der Videoarbeit diese Lösungen zu festigen.
Spielverlagerung: Würden Sie allgemein sagen, dass dieses taktische Verständnis im Fußball nicht so stark trainiert wird wie im Hockey?
Peters: (überlegt) Das sind Dinge, die man nicht mit zwei Sätzen erklären kann.
Spielverlagerung: Dann erklären Sie es in drei oder vier.
Peters: Das ist nicht so ganz einfach. In der Tradition der Trainerausbildung fehlt in der Entwicklungstreppe eine entscheidende Stufe, nämlich zwischen der Ausbildung der Positionstechnik und der Anwendung im Spiel. Ich sehe in einer Stufe dazwischen das Erarbeiten von individualtaktischen und gruppentaktischen Prinzipien. Das macht man durch Spielphasenübungen, in denen man das Antizipieren,Wahrnehmen und Entscheiden in taktischen Situationen trainiert, mit halbaktiven oder aktiven Gegenspielern. Man trainiert in speziellen Spielräumen, mit Provokationsregeln und unter speziellen Prinzipien, um diese Lösungen erfolgsstabil zu machen. Im Fußball gibt es zu oft nur Techniktraining, in denen ohne aktiven Gegnerkontakt trainiert wird, und dann gibt es das Spiel, aber die Stufe dazwischen fehlt. Es ist wichtig, Spielprinzipien zu entwickeln, um diese Stufe gruppentaktisch zu trainieren, in dem man lernt, entsprechend den Gegner wahrzunehmen und dann erfolgsstabile Lösungen zu wählen. Damit meine ich die Spielprinzipien wie schnelles Umschaltspiel, Spiel gegen einen tiefen,kompakten Gegner, das Eindringen durch das Zentrum in den Strafraum, das Flügelspiel, Seitenverlagerungen, das Verhalten im Strafraum bis Torabschluss und so weiter. Das ist eine Stufe, die im Hockey intensiver betrieben wird und wo sich der Fußball weiterentwickeln kann im Methodischen. Du musst das trainieren, was das Spiel am Wochenende fordert: Ich bin auf jede sich schnell und ständig ändernde Spielsituation durch das variable Training von Entscheidungsverhalten stabil vorbereitet.
Spielverlagerung: Wenn ich Sie richtig interpretiere, plädieren Sie dafür, dass nicht Positionen, sondern taktisches Verständnis im Vordergrund stehen sollte?
Peters: Es ist wichtig, dass es eine Klarheit und Symmetrie gibt in der Grundordnung gegen den Ball, aber diese ständigen Diskussionen über Spielsysteme halte ich für kontraproduktiv, was die Variabilität angeht. Die Systeme verschwimmen ohnehin immer in der offensiven Spielsituation, weswegen ich eher von erfolgsstabiler Verfügbarkeit und Variabilität taktischer Prinzipien spreche. Ob man mit zwei Spitzen oder mit einer spielt, das ist nicht entscheidend. Es geht um das richtige Lösen der Spielsituation. Banales Beispiel: Wie viele Leute brauche ich an welchen Positionen im Strafraum, um ein Tor zu erzielen? Das sind aufgabenorientierte Prinzipien im taktischen Bereich, die muss ich trainieren. Da gibt es interessante Transfers zwischen diesen Sportarten.
Spielverlagerung: Wobei ich finde, dass in einem Punkt der taktische Transfer größer sein könnte: Im Hockey werden aus meiner Sicht die Standardsituationen sehr viel intensiver wahrgenommen.
Peters: Sie haben im Hockey grundsätzlich eine höhere Bedeutung, aber das ist eine Ressource im Fußball, bei der man in Umfang und Methodik noch jede Menge dazupacken könnte. Wie kann man die Ecken und Freistöße erfolgreicher machen? Wie kann man die Variabilität zwischen langen und kurzen Ecken so stabil machen, dass sie nicht ausrechenbar und erfolgreich wird?
Spielverlagerung: Wieso wird das im Fußball nicht so wertgeschätzt?
Peters: Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich persönlich glaube, dass man dadurch Spiele entscheiden kann, im Hockey wie im Fußball. Das Training der Standards macht nicht so viel Spaß. Also braucht man Fleiß, Konsequenz und das methodische Knowhow, wie Standards entwickelt werden können. Einige Trainer haben das gut drauf, andere eher nicht!
Spielverlagerung: Es gibt sportwissenschaftliche Theorien, nach denen die Nachwuchsarbeit mit einem ballsportartübergreifendem Ansatz verbessert werden könnte. Sollten in der Nachwuchsarbeit verschiedene Sportarten trainiert werden?
Peters: In angemessener Art und Weise, ja. Nicht zu wenig, nicht zu viel. Im richtigen Moment sollte dies als methodische Variation eingesetzt werden, um mentale und motorische Stereotypen zu unterbinden, das ist ganz wichtig. Ich halte sehr viel von koordinativen und kognitiven Transfers.
Spielverlagerung: Das heißt konkret?
Peters: Dass man durch Transfers aus anderen Spielsportarten, sei es Basketball oder Hockey, die Spielfähigkeit unter dem Aspekt der taktischen Handlungen entwickelt, sprich Laufwege, Passwege, Blockwege, Freilaufwege. Nehmen Sie zum Beispiel das Freilaufen, Freiblocken und Abschirmen im Basketball unter dem Korb und vergleichen Sie das mit dem Strafraum. Da gibt es noch viele Ressourcen zu abgestimmten Laufwegen und Blocks im Fußball. Wann dringe ich in den Strafraum ein? Wann biete ich mich an? In welchem Moment laufe ich mich frei? Wo kreuze ich einen Weg frei für einen Mitspieler? Das kann man vom Basketball lernen oder auch vom Hockey.
Spielverlagerung: Letzte Frage zum leidigen Thema Videobeweis. Im Hockey gibt es ihn, im Fußball nicht. Man hat das Gefühl, dass Hockey schneller ist, wenn es um Regeländerungen geht.
Peters: Hockey ist ein bisschen zu schnell und Fußball zu langsam. Hockey macht zu viele Änderungen. Der Videobeweis ist gut, aber ich habe bei Olympia manchmal gedacht, das dauert etwas zu lange. Da warten immer alle Zuschauer, das müsste spätestens nach 20 Sekunden entschieden sein. Man könnte einen Videobeweis im Fußball einführen, aber nur bei wichtigen Situationen wie Elfmetern. Aber das werden wir eher nicht mehr erleben…
42 Kommentare Alle anzeigen
grasnarbe 15. August 2012 um 18:06
schön, was ihr da an land gezogen habt! mehr, mehr…!
zum thema standardsituationen:
viele, mich eingeschlossen, werden sich über die stiefmütterliche behandlung von standardtraining im fussball gewundert haben. bis ich auf einer seite, es war wahrscheinlich soccerbythenumbers dot com, las, dass …wieviel prozent aller tore aus standards resultieren? tippt mal…
natürlich kann man diskutieren, ob diese prozentzahl beim fussball dramatisch in die höhe schnellt, würde man standards nicht so sträflich vernachlässigen. kann sein, aber im fussball sind standards – von elfern abgesehen – eben nicht so torgefährlich wie in anderen sportarten.
die aktuelle wahrnehmung von standards als hochgefährliche situationen rührt mmn daher, dass sie besondere aufmerksamkeit erreichen: spielpause, ruhender ball, spannungsaufbau usw. ein folgendes tor bleibt natürlich in erinnerung. aber dass zb cristiano ronaldo ein miserabler freistossschütze ist, sagt eben die statistik, unbeeindruckt vom spektakel.
prozentzahl der tore, die nach standards erzielt werden (ohne elfmeter): 3
HW 15. August 2012 um 22:21
Auch Eckbälle usw. sind sind nicht so erfolgreich wie oft angenommen.
Klar kann man Standards auch verbessern und damit gefährlicher werden, was auch sinvoll ist. Aber im Punkt verteidigen von Standards haben viele Teams ihre Hausaufgaben gemacht.
Und es ist eben eine Standardsituation, der Gegner kann dein Standardvorgehen also relativ gut vorher beobachten. Im offenen Spiel kann man variieren und zwischen Flügelspiel, hohen/flachen Hereingaben und Spiel durch die Mitte wählen. Bei Ecken können die meisten Teams das nicht, und die Flanke in den Strafraum landet dann beim Torwart oder prallt an der Innenverteidigung ab.
Da muss man sich als Trainer schon fragen ob der Aufwand von stundenlangem Training für wenige Standards es Wert ist andere Trainingsformen zu vernachlässigen. Diese bringen einem vielleicht die Dominanz im Spiel und damit den wichtigeren Vorteil.
Warum aber (zumindest gefühlt) weniger Tore nach Freistößen fallen ist mir noch nicht ganz klar. Basler und Beckham können doch nicht besser sein als Robben und Ronaldo? Stehen die Torleute oder Mauern heute anders?
C 15. August 2012 um 23:32
Die großen Teams (vll mit Ausnahme von Chelsea letzte Saison) vernachlässigen Standards ganz klar, das erscheint mir auch logisch ich würde wetten wenn man die Durchschnittsgröße von Barca, ManU und Bayern von heute mit früher vergleicht stellt man fest dass diese insgesamt abgenommen hat, mit Ausnahme vll der Innenverteidiger.
HW 16. August 2012 um 11:45
Naja, der technische Bericht der UEFA zur CL 10/11 hatte 273 Tore aus dem Spiel 82 Toren nach Standards entgegengestellt (steigende Tendenz bei den Toren aus dem Spiel).
Ganz unwichtig sind Standards also nicht.
Die Frage ist. Sind die Chancen auf einen Torschuss bei Ecken, Freistößen usw. höher als bei einem Angriffsspielzug im freien Spiel? (Angriffsversuche / Torchance)
Und: Sind die resultierenden Torschüsse / Torchancen von besserer Qualität und führen öfter zu Toren als im freien Spiel? (Torchance / Tor)
Gute Team sind in der Regel spielerisch besser / dominanter / effentiver als schwächere Team. Es ist nur logisch, dass sie nicht so auf Standards setzen müssen.
grasnarbe 16. August 2012 um 15:37
das wären 20% anteil der standards und somit eine völlig andere sache. vielleicht wertet die uefa elfer mit rein?
Sven 15. August 2012 um 12:51
Der Abschnitt bezüglich der Standards müßte unserem Bundestrainer besonders bitter im Magen liegen. Er beklagte im Vorfeld der Euro 2012 ja , dass er dafür keine ausreichende Zeit hatte. In einem Spiel wie gegen Italien wäre das aber ein evtl. Befreiungsmittel gewesen.
Ich habe immer wieder von Fussballern gelesen, die nach dem Mannschaftstraining noch stundenlang Freistöße trainiert haben.
Ergo: Da trifft sich sehr viel der theoretischen Darlegungen von Herrn Peters mit der Praxis.
DLPilger 15. August 2012 um 09:06
Sehr interessant finde ich den Hinweis mit dem Blocken beim Basketball. Als ehemaliger Basketballer habe ich mich immer gefragt, weswegen das keine Verwendung in anderen Sportarten findet. Vor allem bei Standards ergeben sich hier doch interessante Möglichkeiten im Strafraum.
Ich kann mir das nur erklären, dass das Freiblocken im Fußball als Foul gewertet werden würde (wobei da selbst ein Schiri auf Nachfrage meinerseits ins lavieren verfiel).
Im Basketball ist es sogar so, dass man sogar ein Foul für sich gepfiffen bekommt, wenn man steht und von einem anderen Spieler über den Haufen gerannt wird.
Oft wird im Fußball jedoch genau umgekehrt entschieden. Der offensive Spieler legt den Ball am Gegner vorbei und läuft geradewegs (oft auch mit voller Absicht) auf diesen auf. Ich frage mich immer, wewegen hier auf ein Foul gegen den Abwehrspieler entschieden wird, selbst wenn dieser sich keinen Zentimeter bewegt hat. Er kann sich ja schließlich nicht in Luft auflösen. Sollte dieses Schinden von Freistößen etwa durch die Regeln gewollt sein???
HerrHAnnibal 15. August 2012 um 13:49
Das Freiblocken ist doch bei Standardsituationen schon im Repertoire vieler Mannschaften. Das sieht man selbst im Amateurfussball und ist sehr effektiv um dem eigenen Kopfballspezialisten Freiraum zu schaffen wenn der Gegner in Manndeckung verteidigt.
Als Beispiel: http://www.youtube.com/watch?v=VxTbFqNKHsw
Bei 1.58 auf Puyol achten, der den Gegenspieler von Busquets wegblocken will… Bei 2.09 sieht man gut wie Pique am Fünfer einen Spieler blockt.
Es ist offensichtlich, dass man damit Busquets freiblocken will und der Ball recht kurz in den Bereich 6-7 Meter vor dem Tor kommen soll. (Der Ball fliegt dann zu weit und das Blocken von Puyol klappt auch nicht so richtig) Es führt dann zum Elfer aber ich denke die Absicht ist gut zu erkennen.
Wenn man darauf achtet sieht man das bei etlichen Teams.
Kraizee 15. August 2012 um 00:28
Tolles Interview, wenn auch leider viel zu kurz. ürde mich sehr freuen wenn ihr einen zweiten Termin hinbekommen würdet oder das Thema anderweitig vertiefen könntet.
Ich war damals als Herr Peters bei Hoffenheim seinen Posten antrat sehr erfreut und hoffte auf ein paar interessante anstöße von ihm. Leider hat man seither recht wenig von ihm und seiner inhaltlichen arbeit bei Hoffenheim mitbekommen.
Zur optimierung der eigenen Spielstärke finde ich gerade den vergleich und sinnvolle übernahme mit und aus anderen sportarten sehr interessant. Aus dem Hockey lassen sich einige taktische elemente entnehmen – da spielfeldgröße und mannschaftsstärke stark vergleichbar sind, bei handball udn baskettball kann man schauen wie einstudierte spielzüge zu optimieren sind und wie man sie „richtig“ läuft. So kann man in meinen Augen noch sehr viel brachliegendes Potential abschöpfen.
Roberto78 14. August 2012 um 09:29
Ich meine mich zu erinnern, dass Per Mertesacker nach dem Halbfinal – Aus 2006 durchblicken lassen hat, dass die Mannschaft kurz danach gegen die B – Junioren der Hockey – Nationalmannschaft Hockey gespielt und dabei haushoch gewonnen hat. Seiner Ansicht nach waren die entscheidenden Faktoren für den hohen Sieg einer „sportfremden“ gegen eine „sportbeheimatete“ Mannschaft die Positionen der einzelnen Spieler auf dem Feld und das Erkennen der zu bespielenden Räume seitens der Fussballer.
Schicke Anekdote auf alle Fälle.
TE 14. August 2012 um 13:12
Hast du rein zufällig einen Link oder weißt du, wo diese Anekdote publiziert wurde?
Edeljoker 14. August 2012 um 19:24
Ein Hinweis findet sich bei Werder Bremen:
http://www.werder.de/de/aktuell/werder-magazin/08522.php
Werder-Magazin: Hast du irgendetwas im Film (v. Sönke Wortmann) vermisst?
Mertesacker: Einen Tag nach der Niederlage gegen Italien waren wir gedanklich alle in einem großen Loch, wir wussten nichts mit uns anzufangen, wollten uns vom Fußball ablenken. Und da haben wir mit ein paar 10- bis 12-Jährigen Hockey gespielt. Es haben sich einige coole, fast legendäre Szenen abgespielt – gerade nach dieser Niederlage. Aber das ist kein Vorwurf an Sönke, dass im Film etwas fehlt (lacht). Er konnte nicht überall dabei sein.
Kraizee 15. August 2012 um 00:23
aber asl Erwachsene gegen 10-12 jähriger ist natürlich nochmal was ganz anderes, auch wenn es sportfremde sind. Ein Spiel gegen zumindest a-jungendliche wäre da besimmt interessanter.
Roberto78 15. August 2012 um 00:27
Nein, leider nicht, aber danke @Edeljoker, der noch was gefunden hat! Das war auf alle Fälle im Zusammenhang mit dem Film – wie im Zitat. Ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben, aber seitdem ist auch schon wieder viel Wasser die Weser runtergeflossen – tut mir leid!
Guido 13. August 2012 um 08:58
Toll, wegen solchen Artikeln lese ich diese Seite!
Fand das ganze aber auch etwas kurz und ohne ausreichend Tiefgang – bei 15 Minuten aber logisch. Da Kritik ja immer konstruktiv sein soll: Du siehst ja das positive Feedback hinsichtlich der Thematik. Vielleicht hätte Herr Peters ja mal Lust auf ein weiteres, längeres Gespräch? Vielleicht im Stile der 11-Freunde-Fussballschule und in Bezug auf bestimmte Spielsituationen? Wie würden diese ganzen angedeuteten Ansätze denn in der Praxis aussehen, wer hat es wo falsch bzw. ganz besonders: richtig gemacht?
vE 13. August 2012 um 08:39
Starkes Interview!
„Spielverlagerung: Es gibt sportwissenschaftliche Theorien, nach denen die Nachwuchsarbeit mit einem ballsportartübergreifendem Ansatz verbessert werden könnte.“
Als Sportlehrer, der gerne spielsportartenübergreifend lehrt und damit erfolgsstabile:-) Ergebnisse erzielt, würde ich gerne wissen, auf welche Literatur ihr euch bezieht.
Mir würden ein, zwei Namen und Schlagworte reichen…
Weiter so!
TE 13. August 2012 um 21:25
Hallo vE. Ich beziehe mich hierbei auf die Heidelberger Ballschule bzw. das Modell des spielerisch implizierten Lernens. Ein Standartwerk kann ich leider nicht benennen, ich kenne die Modelle vor allem aus zweiter Hand. Aber Google spuckt ein wenig was aus. Es gibt gerade zur Heidelberger Ballschule auch viele Werke mit Praxisbezug, was für einen Sportlehrer mit Sicherheit das Interessanteste ist.
Kurt C. Hose 24. August 2012 um 00:46
Hihi, in einem Forum das ich früher oft besucht habe hatte jemand die schöne Signatur:
Standart: Die Art und Weise wie man steht 🙂
Sorry für’s OT
HerrHAnnibal 12. August 2012 um 12:25
Ich bin auch der Meinung, dass man aus anderen Ballsportarten viele sinnvolle Dinge für den Fussball ableiten kann… Das Spacing also die Raumaufteilung hatte in anderen Sportarten schon immer einen höheren Stellenwert und man merkt wie auch im Fussball darüber nachgedacht wird bestimmte Seiten oder Zonen zu überladen oder das Spielfeld und damit den Gegner möglichst in die Breite zu ziehen. Ein weiteres Beispiel ist das Freiblocken von Mitspielern bei Standards wie beim Basketball
Man muss aber auch die Grenzen sehen.
Systeme im Basketball oder Handball sind einfacher einzustudieren. Der Ball ist mit der Hand einfach präziser spielbar und einfacher zu kontrollieren.
Das Beispiel mit der „Brechstange“ ist meiner Meinung nach seltsam. Denn natürlich gibt es beim Hockey keine „Brechstange“ wie beim Fussball weil es einfach keinen Sinn macht bzw nicht erlaubt ist den Ball blind nach vorne in die Gefahrenzone zu schlagen…
Und ich widerspreche auch bei der Behauptung, dass beim Fussball „das Erarbeiten von individualtakischen oder gruppentaktischen Prinzipien“ fehlt…Das ist ja selbst im Amateurbereich mittlerweile Standard indem man verschiedene Spielsituationen simuliert und unterschiedliche Druckfaktoren (Gegnerdruck, Zeitdruck, Präzisiondruck, etc) anwendet.
Interessantes Thema aber es sind in diesem Interview ziemlich viele allgemeine Floskeln ohne wirklich präzise Aussagen.
Loenz 12. August 2012 um 12:56
@ Hannibal das liegt dann aber wohl an der Zeitbegrenzung, ich meine irgendwann sind 15 Minuten halt rum, um da tiefer nachzubohren und Peters sagte ja, das er dafür ansich tiefer ausholen müsste.
HerrHAnnibal 12. August 2012 um 15:06
Das sollte ja auch kein Vorwurf an die Autoren sein… Ich lobe an dieser Stelle auch gerne nochmal das Engagement der Leute hier, die sich um interessante Interviewpartner bemühen und immer bessere Qualität abliefern…
Man kann den Jungs daher keinen Vorwurf machen, dass sie kein 2 stündiges Interview geführt haben.
Meine Kritik bezieht sich nur auf die Aussagen von Peters die meiner Meinung nach sehr allgemein bleiben und wenig Interessantes bieten…
Als das Thema Standards angesprochen wird, wäre doch dann interessant zu hören welche Trainer für ihn eben kompetent beim Trainieren/Einstudieren von Standards sind…
Oder auch welche Trainer da Defizite haben.
Allerdings verstehe ich natürlich auch, dass er da in so einem Interview dann keinen Trainer an den Pranger stellen will.
Vieles bleibt aber einfach schwammig und allgemein formuliert. Als Beispiel die Anwort auf die Frage nach dem sportartenübergreifenden Konzept…
Man soll das „nicht zu wenig und nicht zu viel“ einsetzen…
Das ist natürlich keine Antwort mit der irgendjemand etwas anfangen kann…
Loenz 12. August 2012 um 11:11
Durchaus ein interessantes Interview und es zeigt, das artfremde Trainer mal gar nichts schlechtes sein müssen, einfach weil sie eine andere Draufsicht haben, und neue Aspekte schildern und einbringen. Inwieweit natürlich Verhaltensmuster aus Hockey und anderen Sportarten auf Fußball zu übetragen sind, das ist natürlich wieder eine andere Frage. Aber gerade die Sache mit den Standards macht mich nachdenklich, die sind beim Hockey ja tatsächlich eine totale Waffe, und im Fußball eher nicht so.
Jx 11. August 2012 um 13:11
Ein wirklich hochinteressantes Interview. Ich war regelrecht „enttäuscht“, dass es doch recht kurz war. ^^
Ich selber habe während Olympia beim Hockey gucken teilweise gedacht, dass die grundlegenden Fähigkeiten und Spielsituationen nicht weit vom Fußball entfernt sind. Ein Transfer der Erkenntnisse aus beiden Sportarten scheint mir sehr sinnvoll und sportwissenschaftlich lässt sich daraus bestimmt wichtige Erkenntnisse ziehen. Ich denke, dass von solch einer taktischen Weiterentwicklung besonders die individuell schwächeren Teams im Fußball davon profitieren könnten. Schließlich hat man in jüngerer Vergangenheit schon viele Mannschaften geshen (zB Honduras) die spielerisch unterlegen gewinnen können. Nur leider halte ich das ganze für eher unrealistisch/Zukunftsmusik.
TE 11. August 2012 um 13:19
Ich hätte auch gerne länger mit Herrn Peters gesprochen, allerdings befindet er sich gerade in London und hatte nur wenig Zeit.
Jose Mourinho 11. August 2012 um 17:37
Wie macht ihr das eigentlich mit den Interviews, per Telefon oder persönlichem Gespräch?
Jx 11. August 2012 um 18:20
Spricht ja aber auch für Eure Seite, wenn Ihr überhaupt ein Interview mit ihm bekommt, gerade wenn er eigentlich gerade gar keine Zeit hat. 🙂
TE 11. August 2012 um 23:31
In diesem konkreten Fall habe ich mit MR und RM über die Frage gesprochen, was Fußball und Hockey gemeinsam haben. RM meinte daraufhin zu mir, ich solle einen Artikel zu dem Thema schreiben, allerdings ist meine Ahnung über das Thema Hockey arg beschränkt. Also dachte ich mir: Warum nicht Bernhard Peters fragen? Eine Mail an Hoffenheim später hatte ich seine Nummer, da er allerdings in London war, konnten wir nur rund 15 Minuten reden. Das Ergebnis fand ich dann so interessant, dass ich es so veröffentlichen wollte – eigentlich war die Idee, nur ein paar Ideen für einen Hockey-Fußball-Vergleichsartikel zu sammeln.
Grundsätzlich versuchen wir immer, Interviews im persönlichen Gespräch zu führen. So war es auch bei Lothar Mathäus der Fall. Das Ganze finde ich insofern besser, als dass man einen direkteren Draht zu seinem Interviewpartner bekommt. Da Herr Peters allerdings momentan in London ist, war das leider nicht möglich.
flavour 14. August 2012 um 11:00
Was macht Herr Peters eigentlich zu Zeit? Er sit doch in Hoffenheim als Sportdirektor entlassen worden, oder täusche ich mich?
datschge 14. August 2012 um 18:34
Sie täuschen sich, es war Manager Ernst Tanner, der entlassen wurde. Peters ist immer noch beim TSG.
OM 11. August 2012 um 12:21
Sehr schönes Interview. Den Ansatz eines Transfers zwischen Fußball und Hockey betreibt zum Beispiel auch die holländische Seite 11tegen11.net. Während der EM konnte ich dort das höchst interessante PDO-Konzept kennenlernen, das auf einer langfristigen Basis den Faktor Glück aus der Statistik entfernt. Diese Art der statistischen Untersuchung ist dem Eishockey entnommen und macht in einer langfristigen Untersuchung überraschend viel Sinn.
http://11tegen11.net/2012/05/04/winning-matches-is-it-luck-or-skill/
Wenn mir jetzt noch jemand erklären kann, was das, während des Interviews viel zu oft gefallene, Wort „erfolgsstabil“ bedeutet, bin ich wunschlos glücklich 😉
TheSoulcollector 11. August 2012 um 12:52
erfolgsstabil heißt wohl einfach, dass man diese Methoden erfolgreich anwendet und nicht nur ein paar mal glücklich diese Situationen übersteht.
OM 11. August 2012 um 13:03
„erfolgsstabile Verfügbarkeit“
Naja, scheint ein Neologismus zu sein…
kompottclown 13. August 2012 um 14:31
vollkommen richtig interpretiert. In einigen Disziplinen, z.B. der Psychologie (vermehrt in Psychotherapien) beschreibt das Wort erfolgsstabil:
das (je nach Zielkorridor erfolgreichere) zielgerichtete Auswählen sowie Nutzen von und Festhalten an vorher definierten und anschließend erlernten Mechanismen zur Verbesserung der Ausgangssituation oder zur Zielerreichung, auch und insbesondere bei Auftreten externer Hemnisse
übersetzt in den Fussballkontext: die Lösung von mannschafts-, gruppen- oder individualtaktischen Problemen durch die zielgerichtete Auswahl antrainierter Mechaniken, welche statistisch höhere Erfolgschancen bieten (als andere Mechaniken) und somit zur Ergebnisoptimierung als Mannschaft, Gruppe oder Einzelspieler immer wieder genutzt werden.
Beispiele dafür kann sich jeder zuhauf ausdenken
boing 13. August 2012 um 19:54
so ein schwammiges nonsenswort samt schwammiger erklärung hab ich ja schon lange nicht mehr gehört.
bedeutet es, dass die ausgewählte strategie eine stabile statistische wahrscheinlichkeit hat, zum erfolg zu führen? oder bedeutet es, dass man trotz gelegentlicher rückschläge, sprich ausbleibendem erfolg, an der strategie festhält?
interessiert aber eigentlich auch niemanden, ist nämlich ein ganz schön überflüssiges wort!
Jose Mourinho 13. August 2012 um 23:37
Gibt man erfolgsstabil bei google ein kommt nur dieser Artikel als Suchergebnis 😀
Hab dieses Wort auch noch nie gehört/gelesen.
Tank 11. August 2012 um 14:58
„Man trainiert in speziellen Spielräumen, mit Provokationsregeln und unter speziellen Prinzipien, um diese Lösungen erfolgsstabil zu machen. Im Fußball gibt es zu oft nur Techniktraining, in denen ohne aktiven Gegnerkontakt trainiert wird,…“
Ich denke damit ist eine Form des Trainings gemeint, in der gruppentaktische Übungen unter Einbeziehung eines Gegners und vielleicht noch anderen Druckfaktoren ausgeführt werden. Anstatt dass man zum Beispiel nur Ballannahmen und Passmuster trainiert, in der Hoffnung, dass einem das beim schnellen Umschalten im Spiel hilft, trainiert man eben das schnelle Umschalten selbst, inklusive Gegner. Ziel des Ganzen ist es schon im Training die Drucksituation des Spiels zu simulieren, was schwieriger ist als es klingt, da es ja im Training zunächst einmal um nichts geht. Erfolgsstabil trainieren heißt dann so zu trainieren, dass man den Druck der Spielsituation versucht im Training zu integrieren. Das kann man zum Beispiel, in dem man eine Wettkampfatmosphäre im Training aufbaut oder mit (allerdings eher symbolischen) Strafen arbeitet. Oder eben, schlicht und einfach, in dem man Übungen mit Gegner spielt.
So reim ich mir das zumindest zusammen.
(Super Interview!)
Rudelbildung 11. August 2012 um 12:16
Ein richtig starkes Interview!
Man merkt an euren Fragen, dass ihr euch wesentlich tiefgründiger mit solchen Themen beschäftigt. Und das verdient allerhöchsten Respekt. Denn davon fehlt in der deutschen Berichterstattung immer noch viel zu viel. Habe gerade erst den LIGA TOTAL Cup gesehen, wo man sich mit anhören musste, was die Frisur von Bayern Neuzugängen wohl auszusagen hat. Vielen Dank, dass ihr die griffigen und (in meinen Augen) relevanten Fragen aufgreift!
OM 11. August 2012 um 12:30
Is ja eigentlich obsolet, sich über schlechte Fußballkommentatoren aufzuregen, aber: Alter, haben die mich wahnsinnig gemacht! Die Kommentierung dieses Telekom-Nonsens-Turnier war ja wirklich ein selten erreichter Tiefpunkt! Außer ständig zu erwähnen, welche Nationalität der Spieler hat und wie modisch die Frisur jetzt wirklich ist, wussten die ja gar nichts zu sagen! Schluss jetzt, da darf ich mich nicht reinsteigern…
Tobias 11. August 2012 um 11:59
In einem Punkt muss ich Herrn Peters deutlich widersprechen. Die Aussage, dass Spielsituationen im gruppentaktischen Bereich im Fußballtraining nicht im Fokus stehen, ist eindeutig falsch. Im offiziellen Trainingsbuch des DFB [1] wird nach Taktiktraining, Individualtaktik, Gruppentaktik und Mannschaftstaktik unterschieden. Dabei nimmt der Punkt Gruppentaktik knapp ein Viertel des Buches ein.
[1] Dirk Reimöller, Thomas Voggenreiter: Erfolgreiches Angreifen Moderne Spielsysteme – vom Spielaufbau bis zum Torerfolg. DFV Der Fußballverlag, Passau, 2008. ISBN 978-3-00-018905-0
TheSoulcollector 11. August 2012 um 12:50
Nur weil es im Buch so ausführlich beschrieben wird, heißt das ja nicht gleich, dass der Anteil im Trainingsalltag dann auch 25% beträgt.
Wenn ich die Aussage richtig verstehe, kritisiert Peters, dass es in der Praxis zu wenig Gruppentaktik gibt. Umso schlimmer ist die schwache Umsetzung, gerade weil es dzu schon genügend Anleitung und Literatur gibt.
Tobias 11. August 2012 um 12:56
Okay, vielleicht war ich etwas hart. Er sagt ja: „In der Tradition der Trainerausbildung fehlt in der Entwicklungstreppe eine entscheidende Stufe“, bezieht sich damit also auf die Vergangenheit. Es ist aber gut zu wissen, dass der DFB dieses Problem erkannt hat und aktiv angeht, z. B. durch das genannte Buch.
Cleptop 11. August 2012 um 09:49
Überragend.
Das ist ein sehr, sehr wichtiges Interview. Die deutsche Fussballöffentlichkeit ist einfach zu monoton, zu sehr auf eine Sportart fokussiert. Das sieht man an der ständigen Frage nach dem „Volkssport“
Ja, den mag es geben und gemessen an Zahlen und kultureller Bedeutung ist das Fussball in Deutschland
Doch statt ein „Volkssport“ zu haben, habe ich lieber ein „Sportvolk“ und am liebsten eine „Sportgesellschaft“.
Ich würde mich äusserst freuen, wenn im Sinne des Transfers jemand der Autoren das Finale Deutschland – Holland taktisch analysiert. Druchaus unter Verwednung der Bezugsrahmen des Fussballs.
Wahrscheinlich werdet ihr das nicht machen, aber Transfer heisst oft auch Annäherung und nicht selten Kompromiss. Also wie gesagt, es wäre ideal, wenn ihr in Sachen Transfer einen Schritt vorausgeht.