TSV 1860 – Jahn Regensburg 1:0
Am ersten Spieltag dieser Saison in der zweiten Bundesliga empfingen die Löwen aus München Jahn Regensburg. Der Aufsteiger kam als Außenseiter in diese Partie und 1860-Trainer Maurer erwartete sich eine tiefstehende Mannschaft. Es sollte ganz anders kommen, denn es entwickelte sich eine offene Partie, in der es allerdings an Torszenen mangelte und sich das meiste im Mittelfeld abwickelte. Passend dazu waren es großteils individuelle und individualtaktische Fehler, welche für Gefahr sorgen. Noch passender war es, dass das einzige Tor der Partie nach einem Eckball durch ein Eigentor des Regensburgers Ziereis fiel.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Die Sechziger begannen in einem relativ klassischen 4-4-2 – klassisch in nahezu sämtlichen Facetten des Spiels. Zwar ließ sich Lauth im weiteren Spielverlauf öfters zurückfallen, doch dies war aus der Not geboren: über das Zentrum ging spätestens nach der verletzungsbedingten Bierofka-Auswechslung wenig. Auch im Aufbauspiel gab es keine Risiken, die Außenverteidiger machten das Spiel im ersten Spielfelddrittel breit und agierten höchstens auf derselben Linie wie das defensive Mittelfeld. Im Normalfall aber blieben sie in der gleichen Zone wie die Innenverteidiger und ließen die Flügelstürmer vorne alleine.
Dadurch wurde den Regensburgern die Defensivarbeit ab dem zweiten Drittel lange Zeit sehr einfach gemacht. Makos auf der Sechs zeigte sich defensiv solide, ihm fehlte es an der Kreativität nach vorne. Bierofka hingegen konnte einige wenige Akzente setzen, jedoch mangelte es ihm an Anspielstationen in der Vertikale, weswegen die meisten Bälle auf Stoppelkamp oder Tomasov auf den Seiten gingen. Diese erhielten dann zwar Unterstützung von den Außenverteidiger, hier passte das Timing aber nur selten. Deswegen wurden die meisten Bälle gegen zwei attackierende Regensburger auf den Seiten verloren und kamen postwendend zurück.
Allerdings hatten auch die Regensburger in der Offensive ihre Schwächen: vornehmlich bei der Chancenverwertung. Sie hatten nach neunzig Minuten ein paar wenige Szenen mehr im Strafraum, scheiterten aber per Elfmeter und auch aus dem Spielheraus an Gabor Kiraly, der eine gute Leistung zeigte. Dennoch überzeugten die Regensburger im Großen und Ganzen. Hinten hatten sie mit Kotzke einen defensivstarken Mann im Zentrum und ihm wurde in der Doppelsechs vom ebenfalls recht defensiven Neunaber geholfen. Gemeinsam mit der starken Innenverteidigung und einer sehr mannorientierten Spielweise der Außenverteidiger wurden nicht nur die zwei Stürmer und die Flügel aus dem Spiel genommen, zumeist wurden gar sämtliche Passwege abgeschlossen und die Löwen taten sich schwer.
Im Gegenzug spielten die Außenverteidiger der Regensburger viele Bälle, wobei sie sich zumeist auf Flanken beschränkten. Rahn spielte diese vermehrt aus dem Halbfeld, während Ziereis weite Wege bis zur Grundlinie gehen wollte. Alles in allem eine starke Leistung dieser sechs primär defensivorientierten Spieler, wobei es ein bisschen an der offensiven Durchschlagskraft mangelte. Trotzdem zeigten sie eine bessere Leistung als Amachaibou und Kialka, welche unter anderem ein Mitgrund für Rahns Halbfeldflanken auf Sembolo waren. Die ersteren beiden konnten selten überzeugen, wobei Amachaibou zumindest ansatzweise sein Potenzial erkennen ließ. Vorne war Sembolo dennoch auf sich alleine gelassen und musste viel entlang der Horizontale arbeiten, ohne effektive Kombinationspartner nach Ballbehauptungen zu haben. Gelegentlich schaltete sich Weidlich mit inversen Läufen gefährlich mit ein, das Endprodukt blieb aus.
Taktische Folgen der Bierofka-Auswechslung
In der dreißigsten Minute ging Bierofka bei den Löwen vom Platz. Bis dahin war es eine relativ ausgeglichene Partie mit leichten Vorteilen für die Heimmannschaft, welche sich aber aufgrund der zugestellten Passwege in der Mitte schwer taten. Mit der Nicu-Einwechslung verschwand die Balance bei den Gastgebern. Nicu hatte zwar in Vorbereitungsspielen zentral agiert und letzte Rückrunde ebenfalls akzeptable Leistungen auf dieser Position und den Flügeln gezeigt, doch gegen das massierte und oftmals passive Zentrum der Regensburger war er orientierungslos.
Für den vertikalen Part, den Bierofka inne hatte (Makos hatte als absichernder Sechser die Breite beackert), mangelte es ihm in diesem Spiel an Timing. In den falschen Momenten wollte er nach vorne durchbrechen, aber anstatt das Spiel in die Tiefe zu ziehen, nahm er den defensiven Spielern eine Anspielstation. Dadurch neutralisierte er sich einige Male selbst und die langen Bälle nach vorne mussten wieder gedroschen werden. Defensiv war er im Umschaltspiel ebenfalls einige Male zu langsam und ohne den nötigen Biss, weswegen er Makos einige Male im Stich ließ. Es schien, als ob Nicu auf einen Ballgewinn in der Abwehr spekulierte und sich bereits für einen schnellen Konter positionieren wollte: als Teil einer Doppelsechs kann das absolut fatal sein.
Die ohnehin schwache Bindung nach vorne aufgrund der abgeschnittenen Passwege zu den Mittelstürmern verschärfte sich und weitete sich weiter aus. Regensburg hatte nun mehr vom Spiel und nicht nur mehr Stationen im Aufbauspiel abgedeckt, sondern konnte sich etwas höher orientieren und von dort aus ihre Konter fahren.
Die grundlegende Idee der Nicu-Einwechslung war aber keine schlechte. Mehr Offensivdrang wurde gesucht und Entlastung durch einen ballstarken dynamischen Spieler. Außerdem wurden nach der Einwechslung Nicus die Rochaden zwischen Tomasov und Stoppelkamp immer mehr. Dank Nicu, so war die Erwartung, konnten die drei offensiven Positionen hinter dem Zweiersturm in einer Art 4-1-3-2 flexibel besetzt und die Mannorientierung der gegnerischen Außenverteidiger durcheinander gebracht werden. Allerdings kam diese Idee selten zum Tragen, Tomasov ging zwar einige Male gut in die Mitte, doch Stoppelkamp und Nicu zeigten sich auch bei den Rochaden und einer freieren Spielweise nicht von ihrer besten Seite.
Erst die Halfar-Einwechslung sorgte für mehr Wirbel. Mit Stoppelkamp hinter Lauth wurde eine bessere Verbindung zum Mittelfeld hergestellt, des Weiteren zeigte Halfar eine starke Leistung auf der Außenbahn. Diese beiden und Tomasov sind in der Theorie ein ungemein interessantes Dreieck, in welchem ein Nicu in besserer Form oder ein fitter Bierofka Gold wert wären. Mit Blanco als Joker gäbe es auch einen Ersatz zu Benny Lauth. Blanco fehlte es an der Spritzigkeit und der Ballbehauptung, weswegen er komplett untertauchte und folgerichtig für Halfar gehen musste. Lauth hingegen überzeugte ebensowenig, wirkte aber deutlich laufbereiter und somit passender für eine Spielweise als Solospitze.
Fazit
Regensburg spielte gut und hätte sich ein Unentschieden verdient gehabt, doch der frühe Treffer der Sechziger sorgte letztlich für eine knappe Niederlage in München. Die Sechziger zeigten gute Ansätze, aber es haperte auch in vielen Bereichen, insbesondere taktisch. Die Regensburger hingegen spielten taktisch sehr gut, jedoch zeigten sie auf der einen oder anderen Position leichte individuelle Schwächen – für einen Aufsteiger zeigten sie sich dennoch stark und können in dieser Saison bei weiterer Entwicklung durchaus mit dem Klassenerhalt rechnen.
2 Kommentare Alle anzeigen
walter 7. August 2012 um 18:36
hi, sehr guter artikel! hab mal eine frage: von der spielanlage der löwen her, liegen ihnen auswärtsspiele wohl mehr? die haben so eine starke anfangself, aber extrem enttäuscht am samstag. zu sehr auf konterfussball ausgelegt?
SSV Jahn Fan 6. August 2012 um 16:18
Als Spielverlagerung Stammleser muss ich natürlich sagen, dass es mich sehr freut hier auch mal was über meinen (recht unbekannten) Verein zu lesen. Danke dafür
Zum Thema individuelle Klasse muss ich anfügen dass wir noch auf der Suche nach 2-3 Zweitliga erfahrenen Kräften sind. Jedoch gestaltet sich bei uns so etwas aufgrund unserer traditionell klammen Kasse als schwierig
Trotzdem gefällt mir vor allem das Schlusswort, indem ihr uns den Klassenerhalt zutraut. Wir wurden in den letzten Wochen regelrecht komplett abgeschrieben. Nicht wenige behaupteten wir würden nicht mal 20 Punkte am Ende haben
Vielleicht liest man öfter was (Gerade bei der 1. Runde Pokal bin ich da zuversichtlich :D)