Italien – Irland 2:0
Prandelli wechselt zurück zum 4-3-1-2. Italien siegt glanzlos durch zwei Standardsituationen. Irland kämpft wie gewohnt, macht einige Sachen richtig, fängt sich aber zum wiederholten Male vermeidbare Gegentore.
Irland nahezu unverändert, Italien mit Systemwechsel
Die bereits ausgeschiedenen Iren liefen wie gehabt im flachen 4-4-2 auf. Diesmal stürmte wieder Doyle an der Seite von Robbie Keane, Cox blieb nur die Bank. Ansonsten spielten die gleichen Spieler wie bei der deutlichen Niederlage gegen Spanien.
Cesare Prandelli stellte sein System im vergleich zu den ersten beiden Gruppenspielen um. Aus dem 3-5-2 mit de Rossi im Abwehrzentrum wurde mit einigen Spielerwechseln das gewohnte 4-3-1-2-System.
Die Innenverteidigung bildeten Chiellini und der wiedergenesene Barzagli. Flankiert wurden sie von Abate auf dem rechten und Balzaretti auf dem linken Flügel. Pirlo gab den tiefliegenden Spielmacher vor der Abwehr.
Motta, de Rossi und Marchisio besetzten die drei verbleibenden Positionen im Wechsel. In der Regel befand sich de Rossi halblinks, Motta zentral und Marchisio halbrechts. Es gab aber auch längere Passagen, in denen Marchisio zentral und Motta halbrechts agierte.
Im Sturm erhielt di Natale den Vorzug gegenüber Balotelli, der zudem angeschlagen war. Cassano komplettierte die Elf als zweite Spitze.
Warum nicht wieder 3-5-2?
Schon gegen Spanien fragten sich sicherlich viele engagierte Leser von Spielverlagerung, warum Prandelli eine Dreierkette gegen einen Stürmer aufstellte. In der Theorie wäre das nämlich ein Verteidiger zu viel – dieser Mann würde dann im Mittelfeld fehlen. Da Spanien aber einerseits die Läufe durch offensive Mittelfeldspieler das Sturmzentrum gar nicht wirklich besetzte und Italien auch nicht zwingend auf Ballgewinne, sondern Raumkontrolle aus war, machte die Dreierkette in der Form Sinn.
Eigentlich könnte man denken, die Dreierkette sollte gegen Irlands zwei Spitzen ebenfalls eine gute Lösung sein. Man hätte gegen das irische 4-4-2 jeweils einen Mann Überzahl im Abwehr- und Mittelfeldbereich. Warum also nicht das 3-5-2 gegen Irland?
Um diese Frage zu beantworten muss man sich nur die vorherigen Spiele der Iren anschauen. Einzig Robbie Keane lauerte relativ weit vorne, während die anderen beiden Ketten ziemlich weit in der eigenen Hälfte positionierten. Von zwei Stürmern im herkömmlichen Sinne konnte also keine Rede sein.
Da Italien gegen die eng stehenden Iren im letzten Drittel Breite benötigt, hat ein System mit Außenverteidigern deutliche Vorteile. Die beiden Innenverteidiger konnten hinten bei Robbie Keane bleiben während beide Außenverteidiger vorstürmten. So wurden die irischen Flügelspieler zurückgedrängt, es entstand also viel Raum für Pirlo und seine Kollegen im Zentrum.
Ein weiterer Grund ist, dass Irland gerne über die Außenspieler kontert. Eine Dreierreihe hätte die gesamte Breite des Feldes niemals abdecken können. Die Außenverteidiger spielten nicht so hoch wie die Wingbacks im 3-5-2 und hatten somit kürzere Wege zurück.
Pirlo diktiert Italiens zielstrebige aber nicht immer konsequent ausgespielte Angriffe
Der jeweils zurückfallende Stürmer der Iren – meistens war es Doyle – sollte eigentlich ein Auge auf Pirlo haben, jedoch sah er sich oft mindestens drei Italienern gegenüber und wurde leicht überspielt. Grund dafür war, dass die irischen Sechser vor den Innenverteidigern die Passwege zustellten und keinen Druck auf den Ball ausübten. Zudem wurden Duff und McGeady von den italienischen Außenverteidigern zurückgedrängt.
Pirlo konnte aufgrund der tiefen irischen Mittelfeldreihe und dem zwischen den Italienern verlorenem Doyle deutlich höher spielen, als man es von ihm gewohnt ist. Ohne irischen Druck auf ihn konnte Pirlo das Spiel in Ruhe organisieren und einige wichtige Pässe einstreuen, darunter vier, auf die direkt eine Torchance folgte – Topwert in dieser Partie.
Italien kam relativ schnell zum Abschluss. In einigen Situationen hätten sie die recht langsamen Iren ausspielen können, entschieden sich aber trotzdem zum Schuss aus ungünstiger Position. Die Squadra Azzurra hatte folgerichtig 26 Torschüsse, davon jedoch nur 8 aufs Tor, gleich 11 Versuche wurden geblockt.
Tore nur nach Standards
Symptomatisch war, dass die italienischen Tore beide nach Standards fielen. Aus dem Spiel heraus erspielten sie sich kaum hundertprozentige Torchancen, da sie entweder zu früh oder aus zu schlechter Position abschlossen. Die vielen geblockten Schüsse brachten aber viele Ecken ein, von denen dann zwei verwertet wurden.
Über diese Art von Gegentoren wird sich Trappatoni mit Sicherheit besonders ärgern, da die Iren eigentlich als kopfballstarkes Team gelten und bei einer Ecke die Zuteilung in der Regel recht klar sind. Durch individuelle Fehler kassierten sie also schon wieder die entscheidenden Gegentore und fahren somit ohne Punkte nach Hause.
Irische Konter zu ungenau
Es ist nicht so, dass Irland nur verteidigt hätte. Ganz im Gegenteil: Gerade in der ersten Hälfte gab es einige gute Kontersituationen, in den Italiens Außenverteidiger aufgerückt waren und das Mittelfeld schnell überbrückt wurde. Aber gleich mehrere Szenen, in denen man 3 gegen 3 oder 2 gegen 2 spielte, wurden aufgrund von zu ungenauen letzten Pässen leichtfertig verworfen.
Nicht nur die Pässe, sondern auch die Laufwege bei den Kontern waren suboptimal. Häufig liefen die irischen Spieler auf einer Linie, Diagonalläufe ins Zentrum waren ebenso wenig zu sehen wie Doppelpässe oder ein Hinterlaufen. So war es für die italienischen Verteidiger oft zu einfach, die Passwege zu schließen und wieder an den Ball zu kommen.
Zusammenfassung
- Italien wechselt vom 3-5-2 auf das gewohnte 4-3-1-2. Grund dafür war, dass Irland über die Außen kontern wollte. Mit einer Dreierkette hätte Italien nicht die gesamte Platzbreite abdecken können.
- Pirlo hatte zu viel Zeit mit dem Ball und konnte so nach Lust und Laune dirigieren.
- Irland hatte gute Gelegenheiten, um zu Kontern. Die Ausführung war aber wegen schlechtem Passspiel und Laufverhalten zu schwach.
- Schon wieder kassierte Irland vermeidbare Tore. Schon gegen Spanien erlaubten sie sich einen haarsträubenden individuellen Fehler, der zum frühen Rückstand führte.
- Italien hat offenbar Probleme, ein Spiel selbst zu machen. Pirlo und Cassano sind die einzigen Spieler mit kreativen Ideen. Nur die Außenverteidiger garantieren Breite im Offensivspiel.
- Italien suchte recht schnell den Abschluss und verpasste es häufig, den Angriff zu Ende zu spielen. Irland blockte viele Schüsse, verursachte so aber einige Ecken.
Fazit
Italien dominierte zwar, tat sich aber dennoch schwer. Das Passtempo war nicht besonders, zu viele Spieler waren mit ihren Pässen nicht ambitioniert genug. Die Iren griffen den italienischen Ballführer erst sehr spät an, dann aber eben sehr energisch.
Im Hinblick auf den weiteren Turnierverlauf dürfte es ein großes Plus der Italiener sein, dass sie sowohl die Dreier- als auch die Viererkette gut beherrschen. So können sie sich auf jeden Gegner einstellen und gegebenenfalls auch im Spiel umstellen – die dafür nötigen Spielertypen sind da: Chiellini, de Rossi und alle defensiven Außenspieler sind in der Defensive sehr flexibel einsetzbar.
Das Spiel gegen Irland verdeutlichte, dass es den Italienern gar nicht behagt, das Spiel selbst zu machen. Auf eine tiefstehende Mannschaft werden sie voraussichtlich aber nur noch maximal ein Mal treffen, nämlich dann, wenn England oder die Ukraine die Gruppe D gewinnt.
Irland kämpfte abermals tapfer und scheiterte zum wiederholten Male an dummen individuellen Fehlern. Die Konter waren schwach ausgespielt, die Verteidiger oft zu hüftsteif. Dennoch hätte es jeder Gegner relativ schwer gehabt, wenn Irland mal etwas länger ein 0:0 gehalten hätte oder gar in Führung gegangen wäre.
8 Kommentare Alle anzeigen
aristoles 20. Juni 2012 um 13:31
Korruption bei Irland gegen Italien
Im Spiel Irland gegen Italien hat der Schiedsrichter ab der 70. Minute das Spiel zugunsten der Italiener verpfiffen. 2 mal Abseits, dass keines war, zwei Fouls, die keine waren, ein Platzverweiss, der kaum ein Foul war, eine Gelbe Karte für nichts und alles gegen die Iren und für die Italiener.
Daran haben wir uns alle gewöhnt. Der Skandal bei diesem Spiel aber war, dass für diese höchst umstrittenen Entscheidungen keine Zeitlupenaufnahmen gezeigt wurden. Ein Ire wird vom Platz gestellt für wer weiß was. Es wird keine Zeitlupe geboten. Der Schiedsrichter pfeift Abseits gegen die Iren, was mehr als umstritten ist. Es wird keine Zeitlupe geboten. Der Schiedsrichter pfeift ein Stürmerfoul gegen die Iren. Keine Zeitlupe wird geboten.
Der Filz ist also selbst bei der Berichterstattung und auch beim ZDF angekommen. Das ist Geld, sonst nichts was ich sehr traurig finde. Und das hat nichts mehr mit fair play und Fußball zu tun.
Ich würde mich sehr freuen, falls ein Journalist die letzten 20 Minuten der Übertragung nochmals anschauen würde, um die Hintergründe zu recherchieren.
Eimeck 19. Juni 2012 um 12:22
Danke schön, so kann man sich wenigstens ein ungefähres Bild von der Partie machen. Auf die „Sportberichterstattung“ der „Experten“ im deutschen TV braucht man da schon lange nicht mehr zu zählen. Von einer respektvollen Behandlung des irischen Teams ganz zu schweigen.
ode 19. Juni 2012 um 08:16
„In der Regel befand sich de Rossi halblinks, Motta zentral und Marchisio halbrechts. Es gab aber auch längere Passagen, in denen Marchisio halbrechts und Motta zentral agierte.“
Ahja! 😉
Lino 19. Juni 2012 um 10:02
Auch mit einer Viererkette kann man bei Kontersituationen die gesamte Platzbreite nicht abdecken, da sich bei Ballbesitz mindestens ein Außenverteidiger am Offensivspiel beteiligt und so eine asymmetrische Dreierkette entsteht. Ich glaube, dass hat vielmehr mit der Ausrichtung der Spieler zu tun und weniger mit der Frage Viererkette oder Dreierkette.
ode 19. Juni 2012 um 11:26
In einer 3er-Kette stehen die Flügelspieler aber um einiges weiter vorne. Steht ja auch so im Text…
PP 19. Juni 2012 um 12:05
„ode“ sagt es: Es geht darum, dass die Außenverteidiger im Vergleich zu den Außenspielern im 3-5-2 in der Regel nicht so weite Wege zurück haben, was das Verteidigen gegen Konter natürlich vereinfacht 😉
@Lino: Danke für den Hinweis, habs gerade korrigiert.
Jose Mourinho 20. Juni 2012 um 00:29
Ich glaube nicht, dass die Außenverteidiger der auschlaggebende Punkt für den Systemwechsel war. Das Problem dass die Flügel nur einfach besetzt sind hat man ja bei beiden System.
Lino 20. Juni 2012 um 10:39
Rein schematisch (also an der Taktik-Tafel) stimmt das sicherlich, aber es hängt im Wesentlichen auch von der jeweiligen Interpretation der Position ab bzw. wie sich das taktische Gesamtgefüge einer Mannschaft verhält. Gerade bei einem 3-5-2 wäre es theoretisch denkbar gewesen, dass einer der defensiven Mittelfeldspieler abkippt, falls der Wingback extrem weit aufgerückt sein sollte. Ebenso konnte man bei Spanien-Kroatien beobachten, dass die Kroaten sehr gut über die Außen kontern konnte, obwohl bzw. weil (?) Spanien mit einer Vierkette spielte, in welcher beide Außenverteidiger extrem weit aufrückten. Mir erschließt sich der Wechsel auf das 4-1-2-1-2 jedenfalls an diesem Punkt noch nicht ganz, aber ich denke noch drüber nach 😉