FC Schalke 04 – Athletic Bilbao 2:4
Dem FC Schalke gelang es, gegen die ManU-Killer aus Bilbao lange zu dominieren. Aber am Ende musste man sich durch zwei unnötige Tore dennoch geschlagen geben.
Schalke kontrolliert Zentrum in engem 4-2-3-1
Bielsas Team trat im gewohnten 4-3-3 an, mit der gewohnt riskanten Ausrichtung in Offensive und Defensive. Das aggressive Pressing mit sehr klaren Zuordnungen, die fast Manndeckungen sind, kam aber anfangs wenig zum tragen. Prägender war Schalkes Defensivansatz bei den zahlreichen Aufbausituationen der Spanier.
Dabei verteidigten Farfán und Draxler auf den Schalker Flügeln sehr eng und attackierten Bilbaos Außenverteidiger nicht frontal. Gemeinsam mit Raul, der in der ersten Hälfte sehr viel tiefer als Huntelaar verteidigte, stellten die beiden die Passwege ins Mittelfeld zu.
Das funktionierte recht gut und war sehr wichtig um Bilbaos Kombinationsspiel zu ersticken. Mit den weit aufrückenden Außenverteidigern und den sehr stark rochierenden und kombinationsstarken Offensivspielern sind die Basken sehr gefährlich, wenn sie ins Mittelfeldzentrum gelangen, wo sie alle spielerischen Optionen haben. Durch Schalkes enge Dreierkette in der Offensive und auch Huntelaars gute Mitarbeit wurden sie aber schon früh auf den Flügel gedrängt.
Das war vor allem deshalb schwierig für Bilbao, da die Außenstürmer sehr früh in die Mitte einrücken, während Iturraspe oft nach hinten weicht. Dadurch wurden Iraola und Aurtenetxe vor schwierige Aufgaben gestellt. In der Anfangsphase versuchten sie noch Herrera und de Marcos einzubinden, was aber in der Enge von Schalkes Mittelfeld zu einigen gefährlichen Ballverlusten führte.
Daher rückten die beiden zentral-offensiven Spanier im Verlaufe der ersten Halbzeit immer früher und extremer nach vorne auf. In einer Szene stand Bilbao gar in einer Art 5-0-0-5-Ordung. Die Anbindung zwischen Aufbau und Angriff ging dadurch zunehmend verloren.
Gefährlich wurde Bilbao hauptsächlich dann, wenn Diagonalläufe aus der Offensivmitte zurück nach außen gestartet wurden und dann durch die Außenverteidiger bedient. Diese Pässe waren besonders für Iraola leicht zu spielen, da Schalke eben zur Mitte hin verteidigte und nicht frontal. Ein solcher Spielzug über den heraussprintenden de Marcos führte folgerichtig zu Bilbaos Führung.
Ansonsten ging aber in der ersten Hälfte selten Gefahr von Bilbao aus. Die langen Bälle auf Llorente bekam Schalke meist gut geklärt. Hier machte sich bemerkbar, dass Bilbao quasi ohne defensives Mittelfeld attackierte, welches auf die zweiten Bälle hätte pressen können. Was noch einige Male Gefahr andeutete, waren die Außenverteidiger, wenn sie auf dem ballfernen Flügel vorstießen, da Schalkes mittige Flügelspieler nicht konsequent folgten. Diese konnten aber wegen dem fehlenden Spiel ins Zentrum nur selten auch eingebunden werden.
Farfán und Raúl zerblocken die Manndeckung
Schalke strahlte in Hälfte eins mehr Gefahr aus. Bilbaos Pressing funktionierte nicht gut, hielt Schalke selten weit vom eigenen Sechzehner weg und erzeugte keine frühen Ballgewinne. Dafür gab es eine Kette von Gründen.
Die angesprochenen direkten Zuordnungen von Bilbao sorgen für frontale Zweikampfführung. Die gegnerischen Spieler werden meist in gerader Linie zum Tor gestellt, nicht seitlich oder diagonal. Nebeneffekt ist, dass die Passwege zu den diagonalen und seitlichen Anspielstationen des Ballführenden oft nicht zugestellt sind. Bilbao will in die Zweikämpfe kommen und ist weniger darauf aus, Pässe abzufangen.
Das nutzten die Schalker für sich. Die Offensivspieler, besonders oft und gut Farfán und Raúl, wurden mit langen Flachpässen angespielt und bewegten sich dann stets von ihrem Gegenspieler weg in Richtung des eigenen Tores. Auf diese Weise verhinderten sie, dass Bilbao in die Zweikämpfe kam. Sie hielten den Ball, die hinteren Reihen (hauptsächlich die Außenverteidiger und gelegentlich Jones) rückten nach und bekamen den Ball abgelegt.
Nur bei ausreichender Distanz drehten sich die Schalke zum Gegner und „drohten“ mit Dribblings. Hier offenbarte sich ein Problem der direkten Zuordnungen Bielsas. Die Gegenspieler können oft nicht schnell gedoppelt werden, was gefährliche 1-gegen-1-Situationen erzeugt. Dadurch kam Bilbao wegen Schalkes intelligentem individualtaktischem Verhalten aus dem Konzept.
Man konnte die technisch versierten Schalker Offensiven nicht bei der Ballannahme stören, sondern wurde in direkte Duelle gezwungen. In diese gingen die Basken dann natürlich nicht kopflos herein, sondern warteten auf Unterstützung. Die kam aber oft langsam und sorgte dann dafür, dass die Zuordnungen ansatzweise aufgegeben wurden. Wenn zum Beispiel Muniain gegen Farfán doppelte, wurde Uchida frei. Das nutzte Schalke dann für Ablagen und Doppelpässe. Sehr aufmerksam beobachteten sie, wo Athletic seine Spieler abzog. Wenn Llorente sich in die Kompaktheit zurückfallen ließ, dann kam auch Mal ein 40-Meter-Pass aus dem offensiven Mittelfeld zurück zum Innenverteidiger.
Die Viererkette spielte dabei auch sehr geduldig. Matip und Papadopoulos nutzten ihre Überzahl gegen Llorente meist souverän. In einer Szene, die die Probleme eines Manndeckungssystems brutal aufdeckte, beschleunigte Matip an Llorente vorbei und stürmte dann in Beckenbauer-Manier ungestört mit dem Ball über das gesamte Feld bis er vom gegnerischen Innenverteidiger Martinez gestellt wurde. Auch die Außenverteidiger positionierten sich meist in guter Höhe – tief genug um ihren Gegenspieler von Farfán bzw. Draxler wegzuziehen, hoch genug um Raum für die Innenverteidiger zu schaffen.
Im Laufe der Halbzeit wurde Bilbaos Defensive dadurch inkonsequenter. Muniain und Susaeta standen etwas tiefer, auch Herrera und de Marcos ließen teilweise etwas zu viel Distanz zu ihren Gegenspielern, um bei der Ballannahme stören zu können. Sie verteidigten mehr im Raum, verschoben dabei aber auch nicht konsequent. Gleichzeitig verloren sie punktuell ihre Gegenspieler bei Vorstößen aus den Augen, weil sie sich kurzzeitig im Raum orientierten, so zum Beispiel beim 1:1. Die Defensive war insgesamt nicht griffig.
Viel Raum bekamen die Schalker allerdings nicht. Besonders im Angriffsdrittel mussten sie den Ball sehr zügig verarbeiten, da sie keine Überzahlen herstellen konnten. Spätestens beim Spiel in den Strafraum machte sich dann der „Libero“, also der Überzahlspieler in der Innenverteidigung, bemerkbar und Bilbao verhinderte, dass Schalke zu freien Abschlüssen kommen konnte. Die zahlreichen Strafraumszenen mussten dennoch zu Toren führen. 9:3 Schüsse zur Halbzeitpause sprachen eine klare Sprache.
Änderungen zur zweiten Halbzeit
Die zweite Halbzeit gestaltete sich taktisch interessant. Beide Teams behielten ihre Formation bei, änderten die Interpretation aber entscheidend. Bei Bilbao ging dies mit einem Positionswechsel einher. Bielsa brachte Ibai Gomez für den linken Flügel und nahm Herrera heraus, um den starken Muniain auf dessen zentrale Position zu setzen.
Das zeigte sich als guter Schachzug. Der wendige Techniker brachte eine sehr wertvolle Ballsicherheit ins Zentrum. Er löste sich souverän aus engen Szenen und lief sich gut frei, somit wurde das Problem der fehlenden Präsenz im Zentrum etwas entschärft. Auch Susaeta und de Marcos eilten nicht mehr so aggresiv ins offensive Zentrum, sondern bewegten sich öfter in die Halbräume zwischen Flügel und Mitte, um sich dort die Bälle von Iraola abzuholen.
Aber, dass Bilbao besser ins Spiel kam, lag auch an den Schalkern, die nun konventioneller verteidigten. Die Flügelspieler standen breiter, Raúl agierte etwas höher und griff mit Huntelaar früh die Innenverteidiger an. Dadurch ergab sich mehr Raum zwischen den vorderen Linien, da Schalke nun in 3 Reihen ein oft hohes und nicht sehr aufwändig praktiziertes Pressing spielten.
Der Gedanke dabei war wohl, die Außenverteidiger besser abdecken zu können, was auch funktionierte. Wichtiger war aber, dass die Kompaktheit zwischen Mittelfeld- und Abwehrlinie stimmte. Aus diesem Grund konnte Bilbao aus der zunehmenden Präsenz vorerst nicht sehr viel Gefahr ableiten, jedoch schon mehr als in Hälfte eins. Viele Angriffe blieben in Schalkes Viererkette hängen.
Das gleiche traf weiterhin auf Bilbao zu, die sich defensiv nicht wesentlich veränderten. Schalke wurde offensiv mit der Einwechslung Holtbys für Höger sogar noch etwas stärker, da mehr individuelle Klasse zur Verfügung stand, um die 1-gegen-1-Zuordnungen im Dribbling aufzulösen. Allerdings fehlten den Schalkern wegen des ineffektiveren Pressings nun teilweise die Konterangriffe, die in Halbzeit eins noch prägender waren. Man musste öfter von hinten aufbauen, was die Durchschlagskraft in der Summe ein bisschen abschwächte. Sie war aber aus dem offenen Spiel heraus weiterhin vorhanden, was auch Huntelaars Abseitstreffer verdeutlichte.
Von daher war Schalkes Führung verdient. Bilbao wurde anschließend aber immer stärker, weshalb auch das 2:2 kein Zufall war – die Ecke dazu entstand übrigens wieder aus einem Diagonallauf nach rechts außen. Die entscheidenden Tore 3 und 4 waren aber schlichtweg dumme Unachtsamkeiten der Schalker. Das 2:3 fiel nach einem Schalker Standard, wonach die Basken ganz einfach schneller nach vorne rannten als die Schalker. Das 2:4 entstand aus einer Überzahlsituation der Schalker, in der sich die Königsblauen von einem eigenen halbgaren Klärungsversuch kalt erwischen ließen. Beide Tore waren mehr Tore des Willens als Tore der Taktik.
Fazit
Huub Stevens war gut auf den Gegner vorbereitet und nutzte dessen Schwächen zielgerichtet. Schalke spielte eine sehr gute erste und eine gute zweite Halbzeit und hatte bis zum 2:2 das Pech auf eine Mannschaft zu treffen, die nicht nur spielstark sondern am gestrigen Tag auch sehr effektiv war.
Was nach dem 2:2 passierte, war naiv von den Schalkern, wodurch sie sich um den verdienten Lohn brachten. Mit 15:7 Schüssen eine 2:4-Niederlage ins Rückspiel mitzunehmen ist in jedem Fall sehr bitter.
Das Rückspiel könnte äußerst interessant werden, wenn Schalke einen guten Start erwischt. Dass Stevens mit relativ riskantem Fußball viele Tore erzwingen kann hat er immerhin schon gezeigt bei den zahlreichen Aufholjagden der laufenden Saison. Gleichzeitig wird auch interessant werden, wie Bielsa seine Defensive stabilisieren wird. Gerade angesichts der komfortablen Führung, wäre ein passiverer Plan B denkbar.
4 Kommentare Alle anzeigen
Henrik 1. April 2012 um 19:51
Athletic hat gezielt die Räume ausgenutzt, die durch Fuchs schwaches Positionsspiel entstanden sind: 3 Tore sind über seine Seite gefallen.
datschge 2. April 2012 um 13:23
Während des Spiels kam mir das auch als entscheidender Schwachpunkt der Schalker vor. Besonders nach der großen Chance Rauls zum 3:1 haben sich alle Schalker (besonders die AVs) nach vorne tendiert, während Athletic dies nutzte, um die dadurch alleingelassene schalker IVs (die auch aufrückten) plötzlich laufend in Verlegenheit zu bringen. Darauf hatte Schalke dann nicht mehr reagiert, sondern nach dem Motto „Alles oder Nichts“ weitergemacht, mit dem bekannten Ergebnis. Knackpunkt war in gewisser Weise zusätzlich die Auswechslung Högers für Holtby, Jones war ohne Högers Absicherung defensiv stärker gebunden und reduziert dadurch seine dynamischen Läufe, gleichzeitig fehlten nun die defensiven Leute um sich etwa zwischen die IVs fallen zu lassen oder selber auf Außen für die aufgerückten AVs abzusichern.
MR 2. April 2012 um 13:53
Ich hatte nicht den Eindruck, dass das Schwächen von Fuchs waren. Er musste die Räume ja öffnen um Susaeta in die Mitte zu folgen. Dass dann diese Räume genutzt werden können ist unvermeidlich, man muss diese Nutzung besser verteidigen. Das Herausrücken (von Fuchs, aber auch von Höger) geschah zu zögerlich und der reduzierte Druck auf die AV machte sich dann negativ bemerkbar. Schalkes Viererkette hätte evtl generell raumtreuer spielen können, sie verschoben ja kaum zum Flügel. Das wäre aber dann bei langen Bällen riskant geworden.
bazinga 31. März 2012 um 20:21
Danke für die Analyse.
So manche Sachen sind mir beim betrachten des Spiels auch aufgefallen, aber die Folgen (insbesondere bei Bilbao) waren mir nicht immer so sehr bewusst.
Ergänzen kann man vielleicht noch, dass Schalkes Stärke bei Standards oder Flanken quasi im Nichts verpufften, da Schalke auf ein Team traf das mindestens genauso stark (wenn nicht sogar stärker) in der Luft war.
Gruß