Ajax – Manchester United 0:2

Ein Spiel klingender Namen – und so wurde die Partie von Amsterdamer Seite auch vermarktet. Während United sich allerdings klar auf dem aufsteigenden Ast befindet, hat der Gastgeber derzeit mit einigen Problemen zu kämpfen.

In der Liga gab es im Herbst eine Durststrecke von nur einem Sieg aus 13 Spielen und nachdem man nun die internen Vereinsturbulenzen sowie diese Phase überstanden zu haben schien und sogar bis auf vier Punkte an die Tabellenspitze herangekommen war, gab es erneut zwei Niederlagen, durch die man nun auf den sechsten Platz gefallen ist. Hinzu kommen Spielverkäufe und natürlich vor allem große Verletzungsprobleme, die auch diesmal wieder die Aufstellung diktierten.

Grundformationen

Links in der Viererkette musste der junge Koppers agieren, Sulejmani wurde auf die ungeliebte linke Angriffsseite verschoben und Edeljoker Bulykin durfte von Beginn an spielen, während das Mittelfeld so ausgedünnt war, dass mit drei kreativen Offensivmännern gespielt werden musste – Aissati begann auf der Sechs.

Auf der anderen Seite deutete United beim Sieg gegen Liverpool vom Wochenende wieder die Qualitäten von Saisonbeginn an, spielte hier aber mit einigen Umstellungen und nicht der kompletten derzeitigen „Stammelf“ – wer allerdings Spieler wie Jones, Nani, Young, Cleverley und Chicarito ins Team rotieren kann, darf sich glücklich schätzen.

Wie sich das Spiel dann anließ, war angesichts der Formationen doch etwas überraschend. Die übliche Strategie Ajax´ sowie ihre Aufstellung von drei offensiven und spielstarken Mittelfeldspielern ließ auf einen auf Dominanz ausgelegten Matchplan schließen, während United der derzeit für die Ballzirkulation so wichtige Scholes in der Startformation fehlte.

Doch es war eher so, dass United die Spielkontrolle und den Ballbesitz in Händen hielt, während Ajax in der Defensive spielte und dabei relativ abwartend, allerdings mit einer hohen Abwehrlinie, agierend zwischen einem Mittelfeldpressing und einer höheren Variante wechselte.

Ajax diesmal defensiv, aber zunächst weitgehend sicher

Bei den Gästen aus England ließ sich Michael Carrick aus dem Mittelfeld oftmals zu seinen Innenverteidigern fallen, während die Außenverteidiger weit aufrückten und das Feld sehr breit machten. Dafür zogen Nani und Young von den Außenpositionen gerne Richtung Mitte. Ajax war bereit, Carrick und den Innenverteidigern die Zeit am Ball zu lassen, wollte aber jegliche Zuspiele ins Mittelfeldzentrum blockieren. Gerade zu Beginn funktionierte dieser Plan, United auf die Außenbahnen bzw. von dort wieder zurück zur Dreierkette zu lenken, gut, wozu insbesondere der sehr aufmerksame Eriksen mit dynamischen Läufen und gutem Stellungsspiel beitrug.

Wohl nach dem Vorbild von Feyenoord, die kürzlich im Derby Ajax mit 4:2 geschlagen hatten, ließ Ferguson seine Flügel ohne Ball nach innen ziehen, wo sie vertikale Zuspiele gegen die potentiellen Schwachstellen Anita und Koppers nach innen mitnehmen sollten. Allerdings zeigten sich die beiden Außenverteidiger sehr aufmerksam und geschickt gegen ihre Gegenspieler, so dass insbesondere Koppers den etwas formschwachen Nani hervorragend neutralisierte und United im ersten Durchgang kaum zu Chancen kam.

Denn seine Kollegen machten die Mitte durch die sehr eng zusammen stehenden Defensivreihen in Verbindung mit aufmerksamer Arbeit der beiden Innenverteidiger bei längeren Bällen diszipliniert dicht, isolierten insbesondere Cleverley vom Spielgeschehen und ließen zu Beginn auch Rooney kaum zur Entfaltung kommen.

Verteidigen als Strategie ist dennoch nicht Ajax´ Stärke und manchmal nicht mutig genug

Je länger United allerdings das Match dominierte und den Rhythmus bestimmte, desto drückender und deutlicher wurden die individuellen Unterschiede zwischen den beiden Mannschaften – dem Champions-League-Finalisten und Premier-League-Titelaspiranten und dem stark ersatzgeschwächten holländischen Team.

Ebenso wurde erneut auffällig, dass Ajax keine Mannschaft ist, die daran gewöhnt ist oder der es liegt, eine verteidigende und eher defensive Haltung einzunehmen. In dieser Rolle ist die Verteidigungsarbeit der Mannschaft aufgrund ihrer Ausbildung und normalen Ausrichtung nicht so stark. Nach einer gewissen Zeit verliert das Team die nötige Disziplin und Konzentration.

Dies ist gerade deshalb ein Kritikpunkt an Trainer Frank de Boer, weil er – wissend um diese Probleme – gegen den formal starken Gegner so vorsichtig und nicht mutiger agierte. Gerade in der Phase nach der Halbzeit ließ sich Ajax immer weiter nach hinten drängen, konnte sich kaum mehr befreien und kassierte schließlich im Anschluss an eine Standardsituation folgerichtig das Gegentor.

Es hätte dem Team wohl besser getan, wenn man die übliche Philosophie mit Mut beibehalten hätte. In der ersten Halbezeit, als man noch häufiger solche Ballbesitzphasen zu verzeichnen hatte, wirkte die Mannschaft in der Tat gefährlicher, besser und konnte mithalten und das Spiel offen gestalten, was sich auch im Ergebnis von 0:0 wiederspiegelte.

In der Offensive zu inkonsequent beim Nutzen der eigenen Arbeit

Dadurch, dass gerade die beiden Außenverteidiger sowie Özbiliz ziemlich breit agierten, wurde Uniteds Formation in die Breite gezogen und Raum für die beiden zentralen Mittelfeldspieler Siem de Jong und Eriksen geöffnet. Die beiden spielstarken Innenverteidiger sowie der überzeugende Aissati ließen den Ball effektiv zirkulieren und insbesondere der junge Mittelfeldmann glänzte mit guter Tempokontrolle, Spielberuhigung und Rhythmuswechseln.

Ziel des Spielaufbaus sollten  nun also die beiden Achter sein – die breite Stellung sollte ihnen Raum im zweiten Drittel und zwischen den Linien, während Bulykin mit seinen Läufen die Mitte im Bereich des Strafraums aufreißen sollte. Gerade weil Cleverley höher als Carrick stand und hinter sich ein kleines Loch preisgab, funktionierte diese Strategie ordentlich – von hinten heraus spielte man gute Vertikalbälle auf Eriksen und de Jong in die freien Räume im Mittelfeld, doch anschließend hatten sie zu selten einen Spieler in ihrer Nähe, so dass die Anschlussaktionen häufig aus Dribblings oder Fernschüssen bestehen mussten.

Hier hätte man zum Beispiel die Qualität der Innenverteidiger noch konsequenter nutzen müssen. Rooney deckte bei gegnerischem Ballbesitz Aissati ab, welcher es sehr gut verstand, nach außen auszuweichen und damit Raum für die Innenverteidiger zu schaffen. Vertonghen marschierte einige Male wieder sehr weit mit nach vorne, fand dann auch sofort Räume, aber war zu ineffektiv.

Mit dieser Zentrumsballung hätte man Uniteds Mittelfeld zur Unterstützung konsequenter in die Mitte zusammen ziehen lassen und dann den Ball nach außen verlagern müssen, um dort die Räume auszunutzen oder sofort wieder zurück zu spielen, wo sich nun großer Raum in der Mitte eröffnen würde – nach einer halben Stunde hatte Siem de Jong auf diese Weise eine hervorragende Schussgelegenheit.

Die Rolle Miralem Sulejmanis

Besonders interessant war noch, dass Sulejmani als linker Außenstürmer sowohl bei eigenem als auch gegnerischem Ballbesitz ungewöhnlich tief agierte. Jones konnte auf seiner Seite weiter aufrücken, weil Carrick sich eher nach halbrechts fallen ließ und damit eine zusätzliche Absicherung darstellte und Jones deutlich dynamischer Konter hätte abfangen können als Ferdinand.

Allerdings hatte Sulejmani einige ganz hervorragende Defensivaktionen und gewann viele Bälle, auch wenn Jones oftmals  einfach vorne blieb und Sulejmani ihn dann etwas aus den Augen ließ.

Bei eigenem Ballbesitz ließ sich der Serbe ebenfalls weit fallen, womit er eine sichere Anspielstation bot, doch auch hier verfolgte man einen sehr interessanten Zweck. Bei United kann man oftmals erkennen, dass die Außenverteidiger sehr aggressiv agieren und ihren Gegenspieler zwecks Pressing in die Tiefe folgen, damit sich diese nicht so leicht aufdrehen und ins Spielen kommen können.

Ajax machte sich diesen Umstand allerdings zunutze, um hinter Jones Raum freizuziehen, in den Sulejmani den Ball nach einem kurzen Zuspiel weiterleitete. Vor allem Bulykin, aber auch Eriksen bewegten sich in diesen geöffneten Bereich – und ersteres Szenario führte kurz vor Halbzeit sogar zu einer Aktion, bei der Ajax einen Elfmeter hätte bekommen sollen, als Sulejmani gefoult wurde, nachdem Jones aufgrund des Spielzugs zurück eilen musste und damit den nach innen gehenden Sulejmani aus den Augen verlor.

Dieser Aspekt hätte eine Schlüsselrolle einnehmen können, doch aufgrund des ausbleibenden Elfmeterpfiffs war dies nicht der Fall. Defensiv muss man natürlich sagen, dass diese sehr starke Leistung Sulejmanis großen Anteil an Ajax-Stabilität hatte.

Fazit

Trotz passenden Personals wich Frank de Boer gegen einen stärkeren Gegner von der üblichen Ballbesitz-Taktik ab. Stattdessen drängte er seine Mannschaft in eine abwartende und defensive Haltung, die dieser aber nicht so gut stand.

Dies war diese Saison schon einige Male der Fall – ob in besonderen Krisenzeiten oder vor allem gegen die „großen Gegner“ wie zum Beispiel Real Madrid. Die taktische Flexibilität von de Boer in allen Ehren, doch bei kaum einem Versuch machte sich dieser vorsichtigere Ansatz bezahlt.

Gerade offensiv wirkt die Mannschaft viel zu halbgar, unentschlossen und daher ungefährlich. Es fehlt an der letzten Einordnung ins System durch das ständige Ausführen von bestimmten wichtigen Laufwegen bzw. Freilaufbewegungen – lieber bleibt man in seinem Raum und sichert diesen – und ebenso an genügendem kollektiven Aufrücken. Damit fehlt die letzte Verbindung, um vielversprechende Ansätze durchbringen zu können, und der Killerinstikt, um knifflige Szenen zu den eigenen Gunsten zu entscheiden.

Mit viel Einsatz und auch guter taktischer Einstellung auf das Spiel durch ihren Trainer konnte Ajax eine Stunde mithalten und das Spiel offen gestalten ehe ihr Widerstand brach, der bis zum Ende auch nicht mehr wieder aufgebaut werden konnte.

Vor allem beim zweiten Gegentor spiegelten sich die Probleme, die United in der zweiten Halbzeit dann besser ausnutzen konnte und Ajax schon mehrfach Sorgen bereiteten. Durch die offensiven Mittelfeldspieler, die bei Ballverlusten gerade diesmal oft vor dem Ball sind, ist man im Zentrum sehr verwundbar, da der Sechser alleine das Zentrum decken muss. Bei Verlagerungen auf Außen wird damit entweder keine Doppelung geboten oder die Mitte komplett geöffnet, was United durch den sehr offensiven Cleverley gut genutzt bekam. In der zweiten Halbzeit war es insbesondere Chicarito, der das United-Spiel belebte, da er häufiger in die von den Außenverteidigern freigelassenen Räume rochierte und damit auch Ajax´ Kette auf diese Seite lockte, was die Verlagerungen erneut effektiver machte.

Kritisch könnte man auch die Personalentscheidungen de Boers hinterfragen: Auf der einen Seite erwiesen sich Aissati und Koppers als sehr gute Wahl, doch wenn man schon einen Stürmer haben wollte, der durch weitläufige Bewegungen Raum schafft, hätte man lieber gerade gegen Ferdinand die Falsche 9 Lodeiro auch zur Unterstützung im offensiven Mittelfeld spielen lassen sollen. Dass der junge Klaassen nicht einmal auf der Bank saß, ist auch diskussionswürdig.

Zum Schluss noch kurz zu United: Sie spielten diesmal eine sehr ruhige und ballsichere Spielanlage mit viel Geduld und einer sehr funktionalen Ausrichtung mit dem schnellen Chicarito und den nach innen kommenden Flügeln. Für eine solide Leistung wurde man am Ende belohnt – ein gutes Pferd springt eben genau so hoch, wie es muss.

Damo 18. Februar 2012 um 13:33

Hallo,
sehr gute Analyse( wie immer 😉 )

ich würde mich freuen wenn ihr eine Analyse von Conte bzw von Juve machen könntet =)

Damo

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