Chelsea FC – Manchester United 3:3
Wer Tore sehen will, muss sich ein Spitzenspiel der Premier League ansehen – diese „Phrase der Saison“ bewies ein weiteres Mal ihre Gültigkeit in einer turbulenten und unterhaltsamen Partie.
Das System Chelseas
Die Hausherren traten in einem flexiblen 4-2-3-1-System an, indem eine völlig neuformierte Viererkette vor Torhüter Petr Cech auflief. In der Innenverteidigung agierte mit Neuzugang Cahill und David Luiz ein durchaus passendes Pärchen, während Bosingwa Ashley Cole auf links in einer inversen Rolle ersetzen mussten. Davor bildeten Essien und Raul Meireles eine relativ klassische, aber sich wechselnde Doppel-Sechs, doch interessant wurde es besonders ganz vorne. Während Sturridge auf rechts seine übliche Rolle einnahm, war der Mittelstürmer in Person von Torres erneut sehr beweglich aufgestellt und deutlich nach links versetzt. Von halblinks zog Malouda immer wieder in die Mitte zu Mata, wobei die beiden auch gerne rochierten und ihre Aufgabe tauschten.
Der Plan war hier, die Mitte durch das Pärchen der beiden Kreativspieler zu fluten, während Torres und Sturridge für etwas Breite und vor allem Betrieb auf den Außen sorgen sollten. Zwar okkupierte Torres mit seinen Läufen Rechtsverteidiger Rafael und schuf damit etwas Raum für Malouda, doch die Taktik Chelseas ging nur teilweise auf, da United in den meisten Szenen mit einer anpassungsfähigen Doppel-Sechs bestehend aus Carrick und Giggs dagegen hielt.
Je nachdem welcher der beiden Chelsea-Akteure gerade von halblinks hereinzog, wurde dieser von Carrick abgedeckt, während sich Giggs am jeweils anderen orientierte, wobei man auch auf Nachrücker von hinten aufpassen musste – besonders, da Rooney keinen von beiden wirklich abdeckte, sondern eher weiter vorne wartete. Man verfolgte den jeweiligen Gegenspieler bei den meisten horizontalen und auch vielen vertikalen Bewegungen, so dass die Sechser Uniteds oftmals auch in Breite wie Höhe vertauscht zu sein schienen, doch alles in allem konnte man damit die Hauptgefahr Chelseas, welche aus dem Zentrum kam, abdecken. Einzig die Distanzschüsse, Einzelaktionen von Sturridge oder solche Szenen, wenn sich dieser oder Torres zusätzlich im Zentrum hinzu gesellten, um eine Überzahl zu erarbeiten, wurde es gefährlich (Torres, 22.).
Allerdings hatte Chelsea zusätzlich noch Probleme, den richtigen Moment für einen solchen Spielzug zu finden, da der Ball für schnelles One-Touch im letzten Drittel von den zentralen Mittelfeldspielern vertikal gespielt werden musste. Zu Beginn des Angriffes standen Carrick und Giggs zumeist noch höher und beschäftigten sich mit Essien und Meireles, so dass Platz zwischen den Linien vorhanden gewesen wäre, doch es fehlte ein Kontrolleur für Tempo und Rhythmus des Spiels, der die Situation so überblicken würde, dass er nach dem „Zurechtspielen“ des Gegners im richtigen Moment den vertikalen Pass anbringen würde. So war dieses Zuspiel oft zu hektisch und fahrig und Chelseas Ansätze wurden nicht zu Ende gespielt. Auch am Ende sollte sich diese fehlende Ruhe am Ball noch bemerkbar, um in der Schlussphase den Vorsprung sicher zu verwalten.
Das System Uniteds
Ebenso wie die Hausherren wählten auch die Gäste ein nominelles 4-2-3-1, welches allerdings grundlegend anders angelegt war als jenes der Blues. Die Fluidität und Asymmetrie war viel weniger ausgeprägt, sondern bezog sich vor allem auf die beiden Stürmer, welche an Stelle der kreativen Mittelfeldspieler die Pärchenbildung hatten. Auch die Quelle der Hauptgefahr war anders, denn meistens spielten die Red Devils über die Flügel mit Valencia und Young, während Chelsea durch die Mitte kam.
Unterstützt wurden diese beiden Flügelstürmer von den beiden Außenverteidigern Rafael und Evra, welche zusammen mit Evans und Ferdinand die Abwehrkette formierten. Wie bereits erwähnt erhielten erneut Carrick und Giggs das Vertrauen im zentralen Mittelfeld, während der bewegliche Welbeck und etwas zurückhängend Wayne Rooney im Sturm spielten.
Interessant war, wie Chelsea defensiv gegen United agieren wollte. Zunächst formierte man sich relativ abwartend in einem 4-4-1-1 mit zwei Viererketten, doch gelangte der Ball zu einem der beiden Flügelstürmer, rückten Sturridge und Malouda/Mata ein Stück zurück, um den ballbesitzenden Spieler von hinten unter Druck zu setzen. Damit presste man ohne konkreten Ball-, dafür aber mit Raumdruck nach hinten, um einen Rückpass zu verhindern und so den Passrhythmus Uniteds zu brechen. Carrick und Giggs leben von einem ruhigen und sicheren Aufbauspiel, welches Chelsea negieren wollte, um stattdessen für Tempo und einen etwas hektischeren Charakter der Partie zu sorgen. Dafür nahm man in Kauf, dass Valencia und Young ins 1-gegen-1 mit dem Außenverteidiger gehen konnten, was vor allem Letzterer zu einigen guten Aktionen nutzte, da auch Evra gut unterstützte und nun Sturridge seinerseits in defensive Schwierigkeiten brachte – so wie auch später noch ein Elfmeter zu Stande kommen sollte.
Rooney versuchte meistens sich zwischen den Linien anzubieten, was teilweise gelang – meistens kam er nach Ablagen von Welbeck an den Ball und hatte dann einige gute Schussszenen oder kombinierte mit seinem Partner, doch es war nicht durchschlagend genug, um vor der Pause zu treffen, obwohl man in einem ausgeglichenen Spiel auch die Chancen dazu gehabt hätte. Das Tor machte stattdessen Chelsea, als sich Sturridge in das Spiel mit Mata und Malouda einschaltete (36.).
Zweite Halbzeit – Chelseas stärkste Phase
Nach dem Seitenwechsel wurde das Angriffsspiel der Londoner nun um einige Bereiche und Methoden bereichert, was zu mehr Dominanz, Fluidität und Unberechenbarkeit im letzten Drittel führte. In der ersten Phase des zweiten Durchgangs bis zur 60. Minute hatte Chelsea über 75 % Ballbesitz und United konnte sich kaum befreien.
Torres bewegte sich nun auch immer häufiger auf die rechte Seite und nicht nur auf die linke, so dass Sturiddge noch stärker in die Mitte zu Mata rochieren konnte, während Malouda die Position auf dem linken Flügel etwas stärker hielt. In der Mitte konnte man zu dritt kombinieren oder durch die Läufe Torres´ versuchen, Raum für Sturiddge frei zu blocken. Beim 2:0 machte sich Torres´ Ausweichen bezahlt – ermöglicht wurde seine Flanke durch das Zusammenspiel im Zentrum, verwertet wurde sie von Mata, der am langen Pfosten so frei stand, weil mit Malouda und Sturridge zwei Kollegen bereits sehr viel Aufmerksam auf sich gezogen hatten. Auch der Freistoß zum 3:0 kam nun von dieser rechten Seite – Chelsea konnte zwischen mehreren fluiden Grundformationen wechseln und erhöhte in dieser stärksten Phase auf drei Tore Unterschied.
Zweite Halbzeit – Ferguson reagiert und sein Team kommt zurück
Trotz eines scheinbar aussichtslosen Rückstandes gab Sir Alex Ferguson mit seinem Team nicht auf und versuchte durch offensive Wechsel noch einmal frischen Wind reinzubringen. Dafür wurde man mit einem schnellen Elfmetertor von Rooney belohnt, worauf in Form des zweiten Wechsels die Schlussoffensive eingeläutet wurde.
Für Ashley Young und Rafael standen nun Chicarito und Scholes auf dem Feld, was ein offensives 4-3-3/4-4-2/4-3-1-2-System zur Folge hatte, in dem Valencia und Evra das Spiel sehr breit hielten und für Flankenläufe sorgten, während Scholes – der sich viel besser als Giggs anstellte – und Carrick die Bälle verteilten und zirkulieren ließen und Giggs, Rooney, Welbeck und Hernandez vorne fluide Hybrid-Rollen bekleideten.
Immer häufiger gerieten die Hausherren durch die offensiven Außenverteidiger des Gegners, deren effektive Ballzirkulation und die Power aus dem Offensivzentrum in Schwierigkeiten, was schließlich zu einem weiteren Elfmeter führte, als man sowohl von der Überzahl in der Offensivzentrale als auch von der unorthodoxen Rolle Welbecks profitierte. Anschließend reagierte André Villas-Boas – vielleicht etwas zu spät – mit der Hereinnahme eines dritten zentralen Mittelfeldspielers in ein 4-1-4-1, was zwar nicht die Dominanz – gerade Scholes hatte nun keinen direkten Gegenspieler mehr – aber doch den Druck Uniteds ein wenig zu brechen schien, ehe die Innenverteidigung bei einer Flanke im Tiefschlaf versank und so Chicarito den Ausgleich ermöglichte. Hierbei profitierte der Mexikaner ausgerechnet von seiner eigentlichen Stärke der Schnelligkeit – um diese unschädlich zu machen, hatte sich Chelsea immer tiefer fallen lassen und wurde dafür ausgerechnet von dem Mann bestraft, den man damit neutralisieren wollte.
Fazit
Es war ein taktisch sehr interessantes und zudem wirklich unterhaltsames Spiel mit einem Ergebnis, das keinem wirklich hilft. Berechtigt war dieses Resultat am Ende nach Abwägen aller Faktoren, Chancen und Abläufe innerhalb des Spiels aber schon.
Wie so oft in dieser Saison fehlte den Top-Teams in den direkten Partien untereinander die defensive Sicherheit (besonders individuell, denn kollektiv waren einige gute Ideen und Konzepte vorhanden) und vor allem die Fähigkeit, die Kontrolle über ein Spiel so zu haben, dass man Tempo und Rhythmus bestimmen und variieren kann.
Wirklich beschweren kann man sich darüber aber nicht – es sind vielmehr kleinere Makel und eine veränderte Marschroute der großen Vereine, die in der aktuellen Phase für diese torreichen Spiele sorgen.
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