Real Madrid – Real Zaragoza 3:1

Nach dem knappen Ausscheiden gegen den Erzrivalen aus Barcelona suchte Real Madrid Wiedergutmachung – der Abstiegskandidat aus Saragossa schien dafür der ideale Kandidat zu sein. Besonders in Anbetracht dessen, dass man nun einen Titel weniger dem katalonischen Erbfeind entreißen konnte, war jedes Spiel

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Beginn des Spiels

Die Gäste traten mit einem 4-2-3-1 an, welches interessanterweise zu einem 4-1-4-1 wurde, in welchem einer der beiden Sechser nach vorne schob und sich neben dem zentralen offensiven Mittelfeldspieler einreihte. Zaragoza versuchte durch eine dynamische Spielweise über die Außen zu Erfolg zu kommen, mit  Garcia und Lafita hatte man die eigenen Stärken auf dem Flügel ausgemacht und wollte das gegnerische Spiel, welches auf offensiven Außenspielern und einem normalerweise eher langsamen defensiven Zentrum, zu seinen eigenen Gunsten ausnutzen. Die Innenverteidigung mit Paredes und da Silva stand relativ tief, die Außenverteidiger versuchten höher zu agieren, um ihre jeweiligen Gegenspieler zu stellen und eine Verbindung zu den offensiven Spielern der Dreierreihe im Mittelfeld zu halten. Dujmovic und Apono sicherten diese Außenbahnen als Doppelsechs, die sich allerdings in gewissen Spielsituationen veränderte. Micael und Aranda spielten auf den zentralen offensiven Positionen, wobei Aranda als alleiniger Mittelstürmer bezeichnet werden kann, während Micael tiefer agierte.

Gastgeber Real Madrid wurde taktisch seiner Favoritenrolle mehr als gerecht. Mourinho ließ mit der Standardformation, dem 4-2-3-1, welches oftmals einem 4-3-3 ähnelte, spielen. Allerdings war dies keineswegs eins zu eins das typische Real-System, was man an mehreren Faktoren ausmachen kann. Einerseits spielte Sergio Ramos nicht und dies ergab eine ungewohnte Viererkette, in der Marcelo und Hamit Altintop offensiv die Außenverteidigerpositionen bekleideten und Pepe mit Ricardo Carvalho eine portugiesische Innenverteidigung bildete. Anders war ebenso das Mittelfeld, ohne wirklichen Flügelstürmer beziehungsweise einem Mittelstürmer auf der offensiven Außenbahn sah man Real in einem neuen Licht erstrahlen. Mesut Özil trat auf dem rechten Flügel an, Kaká spielte zwischen ihm und Cristiano Ronaldo in einer sehr kreativen offensiven Dreierreihe, welche Benzema als vorderstem Stürmer vor sich hatte.

Mit dieser geballten individuellen Offensivkraft schien es nur eine Frage der Zeit, bis Real sich in Front schießen würde, doch das erste Tor gehörte Zaragoza, welche nach einer hervorragenden Drangphase Reals einen überraschenden Konter zu Ende spielen konnten. Sie sollten sich im Laufe des Spiels sehr stark zurückziehen und Dominanz durch eigene Spielanteile oder Gefahr durch gefährliche Vorstöße weitgehend vermissen lassen.

Zaragoza – vertikal verschiebende Außenverteidiger, interessante Mittelfeldflexibilität

Die Gäste versuchten Real mit einem interessanten Abwehr- und Mittelfeldpressing vor Probleme zu stellen. Taktgebend dafür war die Doppelsechs. Durch ihre flexible Spielweise passten sie sich Reals Positionswechseln und Angriffsversuchen an, manchmal hielten sie ihre Doppelsechs und schoben die Lücken, besonders bei Obradovic, zu, andererseits rückte einer der beiden ins offensive Zentrum auf. Mit einer dichten Viererreihe und einem Spieler zwischen den Linien erleichterte man den eigenen Außenverteidigern das Leben in der Defensive ungemein. Das Doppeln der gegnerischen Stars um Ronaldo und Özil wurde vereinfacht, sie erhielten zumindest kleine Freiheiten und hatten in der Theorie die Möglichkeit, sich offensiv einzuschalten. Die Räume waren extrem kompakt und verdichtet, deswegen spielte sich Real trotz einer schön anzusehenden Offensive und extrem viel Ballbesitz relativ wenig Chancen gegen einen Tabellenletzten heraus, wenn auch die Niederlage in der Höhe durchaus glücklich war.

Reals unterschiedliche Mittelfeldpressingformationen

Ebenso wie der Gegner spielte Real mit einer flexiblen Mittelfeldreihe, welche ein extrem wichtiger Bestandteil im kollektiven Pressing war. Beim spanischen Tabellenführer war dafür hauptsächlich Granero verantwortlich, der gemeinsam mit Xabi Alonso spielgestalterische Aufgaben aus der Tiefe übernahm und dazu noch Kaká wie auch Özil im letzten Drittel unterstützen versuchte. Im Gegensatz zu Khedira und Pepé besitzt er dafür die technischen Fähigkeiten, im Vergleich zu Sahin und Xabi Alonso selbst hat er die notwendige Dynamik, um sich in beiden Bereichen miteinzuschalten. Er mag zwar kein Weltklassespieler sein, doch diese spezifischen Aufgaben übernimmt er in einer ansehnlichen Art und Weise. Mit spielintelligenter Defensivarbeit und guter Laufarbeit füllt er Lücken in den defensiven Schnittstellen, dazu gesellt sich noch sein auf Kurzpass-basierender Spielstil, der Özil und Kaká im Kombinationsspiel unterstützt. Diese Fähigkeiten halfen dabei, das Pressing an die gegnerische Formation und deren Flexibilität anzupassen. Die Madrilenen agierten dadurch nicht nur in ihrem 4-2-3-1, sondern Granero rückte auf und hinterließ Xabi Alonso die Mitte, es entstand einerseits die Möglichkeit für Özil ins Zentrum zu rücken und Granero hinten im halbrechten Raum absichern zu lassen, andererseits rutschte Granero oftmals neben Kaká oder Özil, um eine Viererkette vor Alonso zu erzeugen. Dadurch erhöhte man den Druck und füllte die Mitte, was die eigenen Defensivreihe im Mittelfeld beim Pressing breiter werden ließ und die Taktik des Gegners, über die Außen zu attackieren, weitgehend zunichte machte. In weiterer Folge erhielten die Außenverteidiger mehr Sicherheit und mehr Anspielstationen, sie rückten teilweise extrem weit auf, ohne zu hinterlaufen. Dadurch waren sie hauptverantwortlich für die Breite im Spiel, während sich die Spielmacher Kaká und Özil stark zueinander und zentral orientieren konnten, während man Ronaldo erlaubte, sich näher zum Zentrum zu postieren. Zwar musste letzterer einige Male wegen Marcelos Rolle als klassischer wie inverser Außenverteidiger dennoch sehr breit agieren, doch beide Optionen wurden Real offen gelassen.

Besonders auffällig an dieser generellen taktischen Ausrichtung ist natürlich, dass Real somit das gleiche Mittel wie sein Gegner verwendete, es aber besser machte und mehr Erfolg dabei hatte. Ob dies an einer höheren individuellen Stärke im Bezug auf Spielintelligenz oder einem taktisch versierteren Trainer liegt, lässt sich natürlich nicht sagen – in Anbetracht der Tabellenplatzierungen scheint beides höchstwahrscheinlich der Fall zu sein.

Özil und Kaká

Ein weiterer Punkt in diesem Spiel, neben Graneros überzeugender Leistung, der langfristig sehr wichtig werden könnte, war das Zusammenspiel zwischen Özil und Kaká. Die beiden konnten gemeinsam sehr gut harmonieren, durch Rochaden und Einzelaktionen dem jeweils anderen Raum gewähren und ihn so aus der Doppeldeckung nehmen. Mit zwei Stürmern vor sich und zwei kombinationsstarken Spielern in der Doppelsechs sowie offensiven Außenverteidigern fanden sich für beide Spieler hervorragende Bedingungen, um ihre Stärken ins Spiel einzubringen. Kaká in der zentralen Rolle als jemand, der mit seiner Dynamik in die Spitze stoßen oder auf den Flügel ausweichen konnte, während Özil auf der Außenposition etwas mehr Raum und etwas weniger Druck hatte – kein Wunder, dass er förmlich aufblühte und eine gute Leistung zeigte. Immer wieder zog er in die Mitte, tauchte in Löchern auf und forderte den Ball, welchen er dann sehr geschickt und elegant wieder verteilte. Herausragende Pässe und schöne Kombinationen waren von beiden Spielern keine Mangelware und es wird eine große Frage dieser Saison, wie man die zwei unterschiedlichen Spielmacher miteinander vereinen kann. Benzema würde insbesondere davon profitieren, da er mit seinen intelligenten Läufen und seiner Anteilnahme am Spiel nicht nur mehr Pässe erhalten kann, sondern sich im Kombinationsspiel stärker unterstützt gesehen würde. Im Gegensatz zu Higuain sucht Benzema nämlich nicht andauernd den freien Raum für einen schnellen Vertikalpass, sondern spielte seine Rolle als kompletter Stürmer – Rochaden, Kombinationen und das schöne Herausspielen von Chancen.

Fazit

Es war kein berauschendes Fußballfest, doch Real zeigte eine sehr starke Leistung und konnte insbesondere durch seine Ballwechsel und Kurzpassstafetten beeindrucken. Özil, Kaká, Granero und Xabi Alonso sorgten für eine enorme Ballsicherheit, was sich letztlich auch in der Zahl von Pässen und dem Ballbesitz wiederspiegelte. Zaragoza hatte trotz Führung nie wirklich eine Chance und darf sich zumindest über eine relativ geringe Niederlage freuen. Aufgrund des Unentschiedens Barcelonas wuchs Reals Vorsprung desweiteren noch auf sieben Punkte in La Liga an.

vastel 31. Januar 2012 um 00:09

Danke für die Analyse!

Du schreibst, dass Özil auf dem linken Flügel gespielt hat, allerdings ist doch dort normalerweise CR7 anzutreffen und deine Grafik bestätigt das auch. Tipfehler? Ich habe das Spiel leider nicht gesehen.

Außerdem kommt die Rolle von Benzema zu kurz. Wie hat sich sein Spiel geäußert? Welche Rolle hat er gespielt?

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RM 31. Januar 2012 um 01:14

Beides nun im Artikel drinnen.

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vastel 1. Februar 2012 um 19:23

Vielen Dank! 🙂

Ich finde es auch gut und wichtig, dass du/ihr auch weiterhin in zukünftigen Real-Analysen im Hinblick auf die EM Özil/Khedira (falls sie spielen) einen kleinen Extra-Unterpunkt widmet, um ihre aktuellen Leistungen und ihre Form verfolgen zu können.
Wie hier im Punkt „Özil und Kaka“ geschehen ist. Danke auch dafür!

Das gleiche wäre auch schön bei Klose, falls mal wieder ein Lazio-Spiel analysiert werden sollte. Der „Fachpresse“ traue ich da nicht sonderlich viel zu…

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