1899 Hoffenheim – Hannover 96 0:0

In Sinsheim trafen zwei Mannschaften der Bundesliga aufeinander, die in jüngerer Vergangenheit bereits bessere Zeiten erlebt hatten. Der ehemalige Herbstmeister 1899 Hoffenheim dümpelt im Mittelfeld der Liga herum, während die letztjährige Überraschungsmannschaft aus Hannover mit Personalsorgen zu kämpfen hat. Beide Vereine stehen für schnelles Umschaltspiel nach vorne, charismatische junge Trainer und durch das Spiel mit einer Berührung. Eine sehr interessante Paarung, in der man die feinen Unterschiede zwischen zwei oftmals gleich kategorisierten Philosophien gut erkennen konnte.

Wechselwirkung der Formationen

Grundformationen zu Beginn des Spiels

Auf dem Papier scheinen sich die Systeme zu gleichen, doch während man Hannovers Formation klar als 4-2-3-1 bezeichnen kann, traten die Hausherren mit einem 4-3-3 an. Mlapa und Babel bildeten relativ nah postierte Außenstürmer, die allerdings ebenso die Aufgabe hatten, das Spiel breit zu machen. Meist geschah dies, wenn der Pendant auf der anderen Seite den Ball hatte, so öffnete man den Raum in der Mitte und gab die Möglichkeit für eine weite Spielverlagerung. Bei Hannover spielten beide offensiven Außenspieler sehr breit und kümmerten sich hauptsächlich um Vorstöße in Nähe der Außenlinie, wobei Royer sich einige Male Richtung Zentrum bewegte. Bei den Gästen begann Abdellaoue vorne im Sturm, er wurde vom verkappten hängenden Stürmer Moritz Stoppelkamp, welcher als zentraler Spieler in der offensiven Dreierreihe, einige Male ganz alleine vorne gelassen und die Hannoveraner versuchten mit Bällen auf den schnellen Abdellaoue zu kontern. Interessant war, wie man den Raum für diese Angriffe zu öffnen versuchte. Mit einer Verteidigungskette, die sich unterschiedlich zwischen 10 Metern vor dem Strafraum und 10 Metern hinter der Mittellinie postierte, natürlich je nach Ballbesitz, entstanden mehrere Faktoren, welche das Angriffsspiel beeinflussten.

Einerseits konnte man die Hoffenheimer vermehrt Abseits stellen, ohne zu viel Raum hinter sich zu öffnen, andererseits konnte man sich tief positionieren und dennoch den Strafraum dem Antizipationstorhüter Zieler überlassen, welcher allerdings mehr als einmal nach Flanken und Lochpässen des Gegners stark reagieren musste. Durch diese Aufstellung öffneten die Hannoveraner viel Raum in der Mitte, durch welchen man sich schnell vorbeispielen wollte, passend dazu agierten die Flügel sehr breit und die Außenverteidiger relativ offensiv, doch bis auf ein paar eher missglückten Versuchen über die Seite gab es in der ersten Halbzeit keinen Ertrag. Die Sechser Stindl und Schmiedebach waren etwas überfordert und es fehlte an Unterstützung für die Offensive wie auch die Defensive, was sich erst in der zweiten Halbzeit bessern sollte, da das gesamte Team nun höher agierte.

Hoffenheim spielte mit Mlapa auf rechts und Babel auf links sowie Ibisevic im Sturmzentrum mit drei Mittelstürmern vorne, was oftmals kontraproduktiv war. Zwar kamen durch Salihovic und Firmino einige schöne Gassenpässe auf die drei Instinktfußballer vorne, doch konstant überzeugen konnte nur Ryan Babel, welcher allerdings von den Hannoveranern besonders gedeckt wurde und so ineffektiv wurde.

Mit Ibisevic als einem eher statischen Anspielpunkt vorne wurde Babels Radius auch noch durch die eigene Mannschaft etwas verkleinert und Mlapa kam kaum ins Spiel. Eine weiterer Ursache für die eher durchwachsene Leistung war sicherlich das Auftreten der Außenverteidiger, die zwar beide eine gute Partie spielten, allerdings offensiv nicht immer fähig waren zur konstanten und effektiven Unterstützung. Während Braafheid zumindest mehrere Flanken schlagen und defensiv sehr überzeugen konnte, war Beck weniger durchschlagskräftig, er überzeugte kaum. Salihovic wich darum sehr auf die linke Seite aus, um zumindest zwischen Braafheid, Firmino und Babel vermitteln zu können, über rechts gab es jedoch nur wenige Angriffe. Rudy als Sechser zeigte keine schlechte Leistung, konnte sich offensiv aber nicht wirklich miteinschalten. Problematisch war für ihn auch der Mangel an laufwilligen Anspielstationen, Babel wurde zugesperrt, die Außenverteidiger sehr wechselhaft in ihren Angriffsbemühungen, ebenso Firmino – einzig Salihovic tauchte überall auf, wirklich etwas Handfestes zu erzeugen, ist aber in solchen Situationen immer schwierig. Nach der Halbzeitpause waren die Hannoveraner dann konsequenter und mutiger, was den Spielfluss Hoffenheims im Mittelfeld zum Erliegen brachte. Lichtblick bei den Gastgebern war folglich die zentrale Defensiven, Vestergaard und Williams mit einer guten bis sehr guten Partie und insbesondere ersterer konnte mit seiner Defensivstärke überzeugen.

Hannover 96s Verteidigung der Außenbahnen und die dadurch resultierende Lücke im zentraldefensiven Mittelfeld

Auffällig war es, wie die Hannoveraner die Außenstürmer Hoffenheims zu verteidigen versuchten. Wenn die Außenverteidiger der TSG den Ball hatten, zogen sich die Außenspieler im Mittelfeld Hannovers zurück und deckten den Passweg zum Außenstürmer zu, überließen also dem aufrückenden Außenverteidiger der Hausherren viel Raum.

Einer der Sechser von 96 rückte dann Richtung gegnerischem Außenverteidiger auf und attackierte ihn langsam, während sein Partner in der Doppelsechs den Passweg zum zentralen Mittelfeldspieler sperrte. Durch diese Taktik gewann man bei jedem Angriff Hoffenheims einige Sekunden und sorgte dafür, dass die gegnerischen Außenverteidiger nicht durch einen Doppelpass oder einen Vorstoß aufrücken konnten, die Außenstürmer niemanden zum Kombinieren hatten und sich deshalb nicht effektiv ins Aufbauspiel einbringen konnten.

Hoffenheim verlagerte das Spiel nach hinten und Hannover verschob oder ließ sich kollektiv in die Tiefe fallen, dadurch war die alte Grundformation in der Defensive wiederhergestellt und das Spiel Hoffenheims unterbunden worden. Problematisch wurde es, wenn Hoffenheim sich sehr breit postierte, da nun mehr Raum zugestellt werden musste, was nicht immer rechtzeitig geschah, Rudy konnte einmal so sehr gut Beck einen Pass zuspielen, der diesen aber nicht effektiv in einen offensiven Spielzug verwandeln konnte. Eine taktisch sehr interessante Variante Slomkas, welche aber durchaus hätte schiefgehen können. Mehr Laufarbeit im Zentrum Hoffenheims und mehr Mut der Außenverteidiger hätte diese Maßnahme des Gegners aushebeln können und eine Situation erzeugen können, in der drei Spieler der Gastgeber gegen zwei aus der gegnerischen Mannschaft zulaufen.

Stoppelkamp, Firmino und die Rolle des zentralen offensiven Mittelfeldspielers in vertikalen Systemen

Ein weiterer interessanter Punkt in diesem Spiel, bei dem Hannover geradliniger nach vorne spielte, während Hoffenheim mehr Raum und mehr vom Ball hatte, waren die Rollen der jeweiligen zentraloffensiven Mittelfeldspielern.

Beide mussten sehr viel laufen und verschieben, ohne eine reelle Chance auf den Ball zu erhalten. Bei Firmino war dies, um die fehlende Arbeit der Außenverteidiger und Rudys zu kompensieren, sowie eine Bindung ins Offensivspiel zu finden. Dazu kam erschwerend hinzu, dass Hannover schnell umschaltete und viel Raum für Diagonalbälle öffnen wollte, was Firmino zu einigen Läufen in die eigene Hälfte zwang, die aber lediglich taktische Vorteile eröffneten und spielerisch keinen großen Nutzen hatten – wie so oft beim Raumzustellen. Stoppelkamp hingegen musste nicht nur vorne attackieren, wenn sich die eigene Mannschaft zurückzog, aufgrund der vorher geschilderten Verteidigungsweise auf den Außenbahnen war er dafür verantwortlich, dass er Pässe zum Sechser oder zum nächsten Innenverteidiger erschwerte, desweiteren sollte er bei Ballbesitz Hannovers eine Passbrücke zu Abdellaoue und den jeweiligen Außenspieler bilden. Er verschob also auch sehr viel bei eigenem Ballbesitz auf der horizontalen Achse, was sehr kraftraubend war.

Fazit

Kein hochklassiges Spiel, eine typische von Taktik geprägte Nullnummer, welche zeigte, wieso beide Teams teilweise ihrer Form hinterherlaufen. Einige Chancen wurden schwach vergeben, andere nicht gut genug zu Ende gespielt und man sah zwei sehr unterschiedliche Halbzeiten. Das Unentschieden geht in Ordnung, dass es torlos war, vermutlich auch.

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