1899 Hoffenheim – SC Freiburg 1:1
Durch einen erneuten Last-Minute-Treffer sammelt Freiburg einen weiteren wichtigen Punkt gegen den Abstieg, während die TSG die jüngste Serie schwacher Leistungen fortsetzt.
Holger Stanislawski setzte nach der Niederlage beim Hamburger SV Vedad Ibisevic auf die Bank und damit ein deutliches Zeichen, dass er zur fluideren Spielanlage vom Saisonbeginn zurückkehren wollte. Dafür nominierte er Babel, Firmino, Obasi und Mlapa für die vier Plätze in der Offensivabteilung. Zudem musste er auf die beiden etatmäßigen Außenverteidiger Beck und Braafheid verzichten, für die Johnson und Compper eine neue Position bekleideten.
Marcus Sorg nahm auf der Gegenseite keine systembezogenen, sondern nur personelle Veränderungen vor. So spielte Hinkel anstelle von Ferati und Makiadi ersetzte den verletzungsbedingt fehlenden Rosenthal, was eine große Schwächung für die Breisgauer darstellte.
Hoffenheim dominiert die erste Halbzeit
Der Anfang des Spiels gehörte den Hausherren, die dominant anfingen, während die Freiburger ruhig und abwartend in der eigenen Defensive spielten. Allerdings hatten die Hoffenheimer Probleme, aus ihrem Ballbesitz zwingende Chancen zu machen. In ihrem flexiblen Spielsystem war zumeist einer der beiden Sechser damit beauftragt, die Bälle zu verteilen, während der andere sich mit nach vorne einschaltete, womit aber gegen das flexible Mittelfeld der Freiburger, welches zwischen einer 1-2- und einer 2-1-Anordnung wechselten und somit quasi offensive mit defensiver Fluidität konterten, genügende Verbindungen nach vorne und damit erreichbare Anspielstationen in der Tiefe fehlten.
Wenn man die Bälle einmal dorthin spielen konnte, fehlte weiterhin die Durchschlagskraft bei den 1899ern, die zwar in der Offensive munter rochierten (Babel (30), Firmino (28) und Obasi (23) mit den meisten Sprints im Team), dabei aber kaum zwingend wurden, da die entscheidenden Vorstöße auf der Strecke blieben und Schuster und Flum herausragende Defensivarbeit hinsichtlich Organisation, Passwegszusperrung und Isolation gegnerischer Spieler mit beeindruckendem läuferischen Aufwand (Schuster spulte von allen Spielern mit 12,6 km die größte Distanz ab, Flum zeigte 69 intensive Läufe und 16 Sprints) leisteten, die Abwehr schützten und Rückpässe forcierten. Hinzu kam, dass 1899 sich erneut mit relativ einfachen Dingen vieles selbst kaputt machte – individuelle Fehler, überhastete, ungenaue und unkonzentrierte Aktionen oder zu große Abstände zwischen den Akteuren waren in den letzten Wochen schädigende Parasiten für das eigene Spiel gewesen, diesmal waren es Verspieltheit und Egoismus.
Folglich verlief die erste Halbzeit ziemlich ereignisarm – Freiburg traute sich, was man ihnen zum Vorwurf machen muss, viel zu wenig zu, Hoffenheim war sicherlich die bessere Mannschaft, fand aber kein Durchkommen und konnte die spielerische Überlegenheit nur in Eckball-Serien umwandeln. Genau ein solcher Eckball musste dann auch zum Führungstor durch Firmino herhalten.
Freiburgs Comeback
Nachdem die Anfangsminuten noch ausgeglichen verlaufen waren, kam der SC dann in der zweiten Halbzeit zurück und wurde immer stärker. Großen Anteil daran trugen auch die Gastgeber, welche sich ausruhten, nicht mehr engagiert genug waren und damit den Gegner einluden sowie die sich bietenden Kontergelegenheit gegen anrennende Freiburger schlampig liegen ließen – manche verschleppte man, einige wurden durch bereits erwähnten Eigensinn und Ballverliebtheit zunichte gemacht, wieder andere gegen den starken Baumann vergeben.
Angesprochene Faulheit äußerte sich besonders in zweierlei Punkten: Zum einen präsentierten sich die Hoffenheimer Offensivspieler zu defensivfaul und rückten nicht genug nach hinten zurück, so dass die Freiburger vor den beiden Sechsern der Hoffenheimer zu viel Platz hatten und von den Außenbahnen immer wieder den Ball ins Zentrum spielen konnten, wo man Räume vorfand – genau diese Löcher nutzte Dembelé dann auch für seinen Ausgleichstreffer. Zum anderen ließ das Pressing der Hausherren spürbar nach, wodurch Schuster und Flum viel besser ihre typischen Rollen im Spielaufbau einnehmen und die Bälle besser verteilen konnten.
Man sollte den Freiburgern auch ein Kompliment aussprechen, denn der späte Ausgleich war verdient und wurde nicht nur von gegnerischen Unzulänglichkeiten sowie dem eigenen Glauben und der Kampfstärke begünstigt, sondern auch durch einige taktische und spielerische Aspekte eingeleitet.
Hier ist besonders das konsequente Bespielen der Flügel zu nennen, wobei man an diesem Punkt auch erkennen kann, warum die Freiburger mit dem Tor bis zur Nachspielzeit warten mussten, obwohl die Hoffenheimer sie so einluden. Auf halblinks zeigte Putsila eine engagierte Leistung und sorgte für Wirbel, doch Bastians präsentierte sich in schwacher Form und konnte keine Unterstützung liefern. Auf halbrechts halfen Flum, Schuster und auch Makiadi gut mit, um Überzahlen zu schaffen, doch häufig biss man sich am sicheren Compper und dem sehr stark verteidigenden Williams die Zähne aus. Die bereits bekannten technischen Schwächen einiger Spieler und die fehlende Effektivität und Durchschlagskraft der Freiburger im letzten Drittel – wie beim Gegenüber – taten ihr Übriges.
Fazit
Für Holger Stanislawski gibt es noch einiges zu tun. Auch wenn im Kraichgau niemand so richtig davon reden will, zeigen doch die letzten Spiele auf, dass man noch nicht so weit ist, wie man zu Saisonbeginn glaubte. Nun gilt es schnellstmöglichst, der Mannschaft wieder Effektivität einzuimpfen, denn durch die Jubelarien vom fluiden Fußball scheinen einige Spieler im Team den Blick für das Wesentliche verloren zu haben – dies alles soll natürlich nicht heißen, dass die Spielidee Stanislawskis verkehrt ist.
Für den SC Freiburg war es nun das dritte Spiel in Folge, in dem man kurz vor Schluss noch punkten konnte. Damit gleich sich nun das Pech aus, welches man bereits oft hatte, als man trotz guter Leistungen verlor. All diese Spiele sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den entscheidenden Situationen, im letzten Pass oftmals die letzte Qualität fehlt. Daher kann nur der Klassenerhalt angepeilt werden, welcher aber aufgrund gewisser taktische Vorteile gegenüber Konkurrenten gelingen sollte.
2 Kommentare Alle anzeigen
Simon 27. November 2011 um 00:57
Hallo TR!
Tolle Analyse!
2 Fragen zum Spiel:
(1) roochieren nur die 3 Spieler in der offensiven Dreiherreihe oder beteiligt sich der Mittelstürmer des 4-2-3-1/4-2-1-3 an den Positionswechseln?
(2) wie sieht die defensivformation der hoffenheimer aus? Verteidigt man auch im 4-2-3-1 oder – wie üblich- mit 2 Viererketten im 4-4-1-1?
Wie Schaft man es grundsätzlich bei einer so flexibel agierenden Mannschaft die nötige Kompaktheit herzustellen?
Danke und Gruß Simon
TR 27. November 2011 um 11:00
Vielen Dank für das Lob, Simon!
Zu deinen Fragen:
(1) Gerade zu Saisonbeginn rochierten alle vier offensiven Spieler. Zuletzt waren es meist nur drei, diesmal würde ich es als Mittelding bezeichnen, Mlapa ist durchaus auch viel ausgewichen.
(2) Zu oft war es eben ein 4-2-3-1, wo zu viel Platz zwischen den „2“ und den „3“ war. Man hat aber auch zwischendurch im 4-1-4-1 verteidigt.
Das ist natürlich generell ein Problem bei solchen Rochaden, dass vor allem die gegnerischen AVs oft unbewacht nach vorne marschieren können (siehe z.B. hier: https://spielverlagerung.de/2011/10/08/turkei-deutschland-13/). Am besten ist wohl ein schnelles Gegenpressing nach Ballverlust, was Bayern und Dortmund sehr gut spielen, aber auch Hoffenheim. Zudem setzt man normalerweise auf ein frühes Angriffspressing (siehe dazu die Analyse vom letzten Spiel gegen den HSV), aber diesmal waren sie da eben zu faul.