Bayer Leverkusen unter Dutt

Auch nachdem die Vorrunde nun fast vorbei ist, sind sich die Leverkusener Anhänger unschlüssig: Was sollen wir von diesem Robin Dutt halten? Der gebürtige Kölner macht es Fans und Medien nicht einfach. Schwachen Auftritten in der Liga folgt der Einzug in das Achtelfinale der Königsklasse. Wer verstehen will, wieso Leverkusen in der Liga große Probleme hat und dann wenige Tage später Chelsea mit einer Niederlage nach Hause schickt, muss einen Blick auf den Saisonverlauf werfen.

Die Ausgangssituation für den neuen Trainer

Robin Dutt wurde von den Bayer-Verantwortlichen bereits im März als neuer Coach vorgestellt. Zu einer Zeit, als sich das Trainerkarussel rund um Heynckes, Magath und van Gaal schneller denn je drehte, wirkte die Neuverpflichtung als vernünftiger Transfer im Haifischbecken Bundesliga. Das vermeintlich ruhige Arbeitsumfeld in Leverkusen sollte dem ehemaligen Breisgauer ermöglichen, seinen in Freiburg praktizierten Offensivfußball auch in Leverkusen installieren zu können.

Dutt machte sich an die Aufgabe. Wer die Werkself in der letzten Saison gesehen hat, erinnert sich an eine sehr erfolgreiche, aber auch wenig spektakuläre Mannschaft. Ex-Trainer Heynckes baute sein Team auf den Stärken seiner individuellen Leistungsträger auf. Mit seinem 4-2-3-1 System verkörperte der Vizemeister Ruhe und Gelassenheit. Gegner wurden mit viel Geduld geknackt, im Zweifelsfall spielten sie lieber den Ball zurück zum Innenverteidiger statt riskant in die Spitze. Gerade in der Schlussviertelstunde konnten sie sich so auf ihre Kraftreserven und auf die Leistung der starken Außenstürmer verlassen.

Der neue Coach wollte taktisch mehr aus dem Team rausholen. Zwar war die Werkself unter Heynckes erfolgreich wie seit Jahren nicht mehr, aber gerade in den so genannten „6-Punkte-Spielen“ versagten sie ein ums andere Mal – man erinnere sich nur an die Rückrundenspiele gegen Dortmund und die Bayern. Anstatt sich auf die Stärken einzelner Spieler zu verlassen, sollte das Team als taktische Einheit seine Gegner dominieren. Bestärkt wurde dieser Gedanke durch den Verkauf von Arturo Vidal, dem stärksten Spieler der Vorsaison. Auf die zahlreichen Journalistenfragen, wie dieser Abgang kompensiert werden solle, antwortete Dutt immer mit derselben Formel: Nicht ein einziger Spieler könne ihn ersetzen, sondern nur das Kollektiv.

System Eins: Dominanz und Rochaden

Nach den Testspielen kristallisierte sich langsam Dutts Idee eines dominanten Fußballs heraus. Wer die Werkself beim ersten Pflichtspiel der Saison im Pokal gegen Dynamo Dresden sah, rieb sich verwundert die Augen ob ihrer radikalen, neuen Spielweise. Bender, Augusto, Sam und Schürrle waren im Mittelfeld unglaublich beweglich, tauschten die Positionen miteinander und schufen ständig neue Räume. Unterstützt wurden sie durch die offensiv ausgerichteten Außenverteidiger, die an der Grundlinie blieben und so für die Nutzung der gesamten Breite des Feldes sorgten. Auch wenn es nur gegen einen Zweitligaaufsteiger ging, war die Dominanz der Leverkusener erschreckend. Normalerweise braucht es einige Zeit, bis derart komplexe taktische Vorgaben eines Trainers umgesetzt werden können. Dutts Spieler rochierten so selbstverständlich, als trainierte die Mannschaft nicht erst seit vier Wochen, sondern seit vielen Monaten diese Taktik. Nach einer Halbzeit hatten die Dresdner gefühlte drei Ballkontakte, Leverkusen lag 3:0 vorne.

Das Leverkusener System der Beginn der Saison (hier gegen Augsburg)

Was danach passierte, war typisch für diese Leverkusener Saison: Aufgrund von Fehlern in der Innenverteidigung und Einwechslungen, durch die die Idee des fluiden Systems durchbrochen wurde, verloren sie ein sicher geglaubtes Match mit 3:4 nach Verlängerung. Wurde die Pokalschlappe zunächst als einmaliger Fehltritt bewertet, waren es die Niederlagen zum Saisonauftakt gegen Mainz und später gegen Köln, die Spieler und Fans an Dutts Taktik zweifeln ließen.

Gerne vergessen wird dabei, dass dies die zwei undankbarsten Gegner für Dutts Fußballidee waren: Die Mainzer isolierten durch ihr laufintensives Angriffspressing geschickt die Verteidigung vom Mittelfeld, so dass die zahlreichen Rochaden überhaupt nicht zum Tragen kamen. Das kreativstarke Zentrum um Augusto fand nie ins Spiel, stattdessen scheiterten die eher spielschwachen Reinartz und Toprak im Spielaufbau an Tuchels Pressing. Auch gegen Kölns Raumdeckung waren Bayers Mittelfeldrochaden machtlos, da Fluidität immer auf das Herausziehen der gegnerischen Defensivspieler abzielt – in Kölns Taktik kommt das Verlassen der eigenen Position aber schlicht nicht vor. Das Kind war in den Brunnen gefallen, und nach der deutlichen 1:4 Niederlage gegen Köln waren erste „Dutt raus!“-Rufe in der BayArena zu vernehmen, trotz einiger deutlicher Erfolge wie dem 4:1 gegen den FC Augsburg.

Kritik an Taktik nimmt zu

Nicht nur in der Öffentlichkeit rumorte es, auch intern konnten einige Akteure die Abkehr von den Heynckes’schen Prinzipien nicht nachvollziehen. Stellvertretend für diese Entwicklung stand Simon Rolfes, der in einem für einen Profifußballer ungewohnt kritischen Interview die eigene Taktik angriff. „Wenn du sehr viel Bewegung und viele Positionswechsel hast, kann es sein, dass du das Spiel schnell entscheiden kannst. Es kann aber auch dazu führen, dass dir am Ende ein paar Körner fehlen, um Spiele zu entscheiden“, sagte er im Eurosport-Interview.

Doch nicht nur die taktischen Vorgaben, auch die Trainingsinhalte schmeckten einigen Bayer-Spielern nicht. Ronald Reng zeichnet in einem Artikel für die Berliner Zeitung das Bild einer Mannschaft, die Dutts Methoden ablehnt. So rebellierte das Team beispielsweise gegen die von Dutt geplanten drei Trainingseinheiten am Montag. Gemäß der Theorie der Superkompensation ist solch ein Übungsplan effektiver als der trainingsfreie Wochenanfang, den Heynckes praktizierte – doch die Profis blieben hart.

Dutt musste Zugeständnisse machen. Mit der sofortigen Umstellung zahlreicher taktischer und trainingsspezifischer Vorgaben überforderte er eine Mannschaft, die verwöhnt war durch das, was Labbadia einst als „Komfortzone Leverkusen“ bezeichnete. Ihm muss eindeutig angekreidet werden, dass er zu früh zu viel wollte. Er stieß bei Fans, Journalisten und nicht zuletzt Spielern als Reformer auf breite Ablehnung. Nun war eine neue Rolle gefragt: Die des Taktiker und Diplomaten.

System zwei: Neutralisierung der gegnerischen Stärken

Immer öfter griff Leverkusen in den folgenden Spielen auf sein zweites System zurück. Robin Dutt hatte schon zu Saisonbeginn eine defensivere Spielweise eintrainieren lassen, mit dem das Team Auftritte als Außenseiter absolvieren sollte. Erstmals zu erkennen war diese Spielidee im Topspiel gegen Borussia Dortmund: Aus einem 4-4-2/4-2-3-1 Mischsystem heraus verteidigten sie sehr engmaschig. Bemerkenswert war die taktische Fokussierung auf den Gegner: In den Partien gegen den BVB, gegen Chelsea und auch bei der deutlichen Niederlage in München nahm Dutt stets kleine Anpassungen im Defensivbereich vor, um die Stärken des Gegners zu neutralisieren.

Das Leverkusener System gegen den BVB. Aus dem nominellen 4-1-4-1 entstand oft ein 4-4-2 oder ein 4-2-3-1

Das Grundsystem war hier bewusst gewählt, da ein defensives 4-4-2 sich als sehr anpassbar erweist. Durch einfaches Verschieben des offensiven Mittelfeldspieler oder des Außenstürmers kann sehr schnell ein 4-2-3-1 oder gar ein 4-2-4 entstehen. Ebenso kann durch das Zurückfallen eines Mittelfeldspielers zwischen die Reihen ein 4-1-4-1 gespielt werden. Je nachdem, wie viel Druck auf die gegnerischen Verteidiger ausgeübt werden soll, kann flexibel in andere Grundordnungen gewechselt und entweder weiter vorne oder tiefer verteidigt werden. Auch eignen sich die zwei Viererketten vor dem eigenen Tor, das Feld in der ganzen Breite zu verteidigen oder durch starkes Einrücken den Bereich in der Nähe des ballführenden Spielers zu verdichten. So kann man mit dieser Formation seine eigene Defensive leicht an die Offensive des Gegners anpassen.

Trotz relativ guter Defensivleistungen in diesen drei Spielen muss festgehalten werden, dass zwei Niederlagen gegen Chelsea und Bayern und ein Unentschieden gegen den BVB nicht die beste Werbung für diese Taktik sind. Mit der im Vergleich zum ersten System recht starren Offensive konnte Leverkusen kaum Chancen gegen die Favoriten kreieren und war darauf angewiesen, hinten kein Gegentor zu fangen, wie dies im Spiel gegen den BVB der Fall war. Zu selten konnten sie ihre starken Individualisten auf Außen einsetzen, zu oft verloren sie den Ball im eigenen Spielaufbau.

Fluidität nimmt zusehends ab

Hier zeigt sich auch bereits das kleine Dilemma, das Dutt bevorstand: Er musste mit seiner Taktik zurückrudern, einen Alternativplan hatte er gleichwohl nicht. In den Partien nach dem Köln-Debakel agierte Leverkusen aus dem defensiv sicheren, starren 4-4-2/4-2-3-1-System heraus, in dem es kein klar zu erkennendes Konzept gab, mit dem gegnerische Abwehrketten hätten geknackt werden können. In vielen Spielen war es  schlicht Glück, dass sie am Ende nicht als Verlierer vom Platz gingen, so beispielsweise beim Last-Minute-2:2 gegen Gladbach oder beim 0:1-Sieg in Freiburg.

In der Liga konnten sie nicht überzeugen. Symptomatisch war der Auftritt gegen den HSV: Auf den Außen fielen Sam und Schürrle weit zurück, um die aufrückenden Außenverteidiger aufzunehmen. Mit einem 4-3-3 spiegelten sie die gegnerische Formation, ließen die Hamburger zuerst nicht ins Spiel kommen und mussten am Ende doch zwei Punkte abgeben, da sie in der gegnerischen Druckphase individuelle Fehler machten. Erneut war es Rolfes, der sich an vorderster Front zum Kritiker aufschwang: Eine Mannschaft wie Leverkusen dürfe seine Taktik nicht nach dem Gegner ausrichten, sondern müsse immer dominant agieren – seltsame Worte von einem Kapitän, der noch Wochen zuvor eine dominantere Taktik als zu risikoreich ablehnte. Doch zeigte dies, wie weit Dutt mit seiner Idee der taktischen Anpassungen noch immer von seinem Team entfernt war.

Der Vergleich zeigt: In der Champions League hatte Bayer weniger Ballbesitz, spielte bei gleicher Anzahl an Pässen weniger genau als in der Bundesliga. Dies deutet auf ein zielgerichteteres Spiel in die Spitze, während in der Bundesliga oft der Ball gehalten wurde. Trotz der reaktiveren Taktik kreierten sie nahezu gleich viele Torschüsse international wie national.

In der Champions League mit Erfolg

Während es in der Bundesliga selbst am letzten Spieltag gegen den 1.FC Kaiserslautern an allen Ecken und Enden knatschte, sieht die Situation in der Champions League anders aus: Hier kommt man als Außenseiter in einer recht starken Gruppe mit der defensiveren Taktik gut zurecht. In der Bundesliga mit 52% Ballbesitz fällt die schwache Offensive gegen defensiv eingestellte Gegner deutlich auf. In der Champions League können sie mit nur 44% Ballbesitz aus der eigenen Ordnung heraus den Gegner ärgern. Während der Sieg gegen den schwächsten Gruppengegner Genk noch mit viel Glück verbunden war, zeigte man gegen Valencia in zwei Spielen ordentliche Leistungen.

Das Meisterstück gelang aber am gestrigen Abend gegen Chelsea. Ohne Umschweife lässt sich sagen, dass dies die beste Saisonleistung von Dutts Elf war. Man ärgerte die Gäste durch ein starkes Pressing gegen die Außenverteidiger, die in der ersten halben Stunde aus dem Spiel genommen wurden. Chelsea fand keinen Weg, die dicht am Mann stehenden Mittelfeldspieler der Leverkusener zu umspielen. Im eigenen Spielaufbau deutete die Spielweise von Ballack, Bender und Castro eine leise Rückkehr zur Fluidität an. Anders als noch zu Beginn der Saison überfordert Dutt die Mannschaft aber nicht mit zig verschiedenen Nebenschauplätzen, sondern setzt die Spieler bewusst nach ihren Stärken ein. So darf Rolfes als Ruhepol zwischen seinen Mittelfeldkollegen im Zentrum die Position halten und in Ruhe Bälle verteilen, ebenso Sam, der auf Linksaußen gut mit dem ihm oft helfenden Ballack harmonierte.

Natürlich war auch am gestrigen Abend nicht alles Gold, was glänzte: Das Spiel in das letzte Drittel ist weiterhin in Phasen grauenhaft, weshalb man zwar Chelsea neutralisieren, aber selber nuz selten in den gegnerische Strafraum vordringen konnte. Grund zur Hoffnung gibt aber vor allem die zweite Halbzeit: Nachdem die Mannschaft in dieser Saison nach Gegentoren stets einbrach, mobilisierte sie hier alle Kräfte und belohnte sich mit dem späten Siegtor. Dutts offensive Wechsel trugen ihren Teil dazu bei, dass Leverkusen nun im Achtelfinale der Champions League steht. Wer hätte das nach den schwachen Auftritten zu Beginn der Saison erwartet?

Für den Trainer könnte dieser Erfolg als Befreiungsschlag dienen. Selten sah man Dutt so gelöst wie nach dem Schlusspfiff am Mittwochabend. Langsam, aber sicher sollte er jetzt Schritt für Schritt die Prinzipien einführen, die er bereits zum Beginn der Saison antestete. Doch bis Leverkusen dies leisten kann, werden noch einige Wochen ins Land ziehen – die von vielen gefürchtete Übergangssaison droht. Denn während man in der Champions League Siege gegen Top-Klubs wie Chelsea oder Valencia braucht, sind es in der Bundesliga Triumphe gegen destruktive Teams wie den FC Augsburg, Kaiserslautern oder Hertha BSC Berlin. Letztere warten am Wochenende darauf, mit ihrer tief stehenden Abwehrreihe die Bayer-Elf auskontern zu können. Einen solchen Gegner auseinander zu kombinieren ist für Leverkusen eine viel schwerere Aufgabe als Duelle mit internationalen Top-Klubs.

Dutt hat also noch viel vor sich und muss dabei aufpassen, im Porzellanladen Leverkusen nicht die Befindlichkeiten seiner Spieler zu verletzen. Der Auftritt vom gestrigen Abend gibt aber auf jeden Fall Hoffnung, dass Dutt das Ruder herumreißen kann.

Rudi 30. März 2012 um 10:41

Ich finde es schade, dass es zuletzt keine Analysen mehr von Leverkusen gab, jetzt, wo es mit Dutt langsam Ernst wird? Brechen ihm die vielen Verletzten und sein vielleicht nicht vorhandener Motivationsdraht zu der Mannschaft den Hals?
Was ich interessant finde ist, dass Rolfes sich wieder zu Wort meldet und wieder auf dem komplizierten Spiel speziell den Positionswechseln herumreitet
http://www.ftd.de/sport/fussball/1bundesliga/news/:bayer-kapitaen-rolfes-moniert-mangelnde-einheit/70015223.html
„Das Defensiv-Verhalten der kompletten Mannschaft war oft nicht gut, Positionstreue und Disziplin ebenfalls“ Davon mal abgesehen, dass Rolfes erst wieder spielt, weil Bender verletzt ist.. „Der Trainer spricht immer alles an, wir analysieren alles, trainieren viel. Aber an der Umsetzung hapert es dann oft.“ An wem liegt das? Spielt Bayer wirklich so extrem variabel und fordert Dutt so vieles und kompliziertes? Habe gelesen, dass Favre in seiner Anfangszeit Trainingsspiele minütlich gestoppt hat und korrigiert hat. Was würde Rolfes da sagen? Ich würde es gerne sehen, wenn Dutt noch ein Jahr Zeit bekommt. Wenn das nicht hinhaut sollte man sich einen eher klassischen und starken Motivationstrainer suchen, vielleicht sogar Daum.

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Muffin 27. November 2011 um 16:45

Naja ich finde es langsam nervig wenn immer alle junge talentierte Spieler fordern und wenn es mal nicht klappt, dann liegt es ganz klar an der fehlenden Erfahrung.
Löw sagte doch dazu, dass Erfahrung nicht wichtig ist, es kommt nur auf die Qualitäten an (schlimmes Fußballdeutsch..). Leverkusen hat doch mit Michael Ballack jemandem im Kader, der zuletzt deutlich spüren musste, was Trainer und Öffentlichkeit von Erfahrung halten. Hier wird ein Leitner als guter Mittelfeldspieler aufgeführt, aber Bender mangelnde Erfahrung bescheinigt?
Ich finde auch nicht unbedingt, dass Leverkusen die reinen physischen Spieler hat. Z.B. leben Sam und Schürrle ja nicht ausschließlich von der Schnelligkeit.

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44² 28. November 2011 um 03:14

War das eine Antwort auf meinen Beitrag? (Sonst find ich hier nichts mit Leitner.)

Falls ja, geht sie weit an dem vorbei, was ich meinte. Von Erfahrung hab ich doch garnichts geschrieben!? (Auch sonst niemand hier, soweit ich’s überblick.) Ich seh die Thematik auch genau so wie Löw.

An den letzten Satz: Natürlich nicht rein physisch, wie soll das auch gehen. Aber verglichen mit anderen fluid spielenden Teams wie eben dem BVB, Bayern in den letzten Monaten, Arsenal, ist die Tendenz schon sehr viel stärker in die physische als in die spielerische Richtung.

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44² 25. November 2011 um 22:00

Schöne Analyse, wobei ich persönlich noch etwas mehr Detailliertheit erhofft hatte. Aber vermutlich werden viele den gelieferten Umfang besser verkraften können. 😉

Hatte die Leverkusener nach dem Saisonstart ein bisschen aus den Augen verloren, als klar wurde, dass Dutt zurückrudern muss. Sehr hilfreich, die weitere Entwicklung nochmal zusammengefasst zu bekommen.

Ein Punkt, der nicht vorkommt, den ich für recht zentral bei der Geschichte halte: Leverkusen hat einen sehr physisch aufgestellten Kader, gerade im Mittelfeld. Rolfes, Bender, Ballack, Sam, Kießling, etc, die bestechen alle mehr durch Ausdauer, Schnelligkeit, Robustheit. Anders als bei Bayern oder Dortmund gibt’s recht wenige Spieler, die von ihrem Naturell her in die technisch-spielerische Ecke gehören.

Interessanterweise haben wir da ausgerechnet zu Chelsea ’ne Parallele. Auch seit Jahren ein extrem physisches Team, holen die auch als Vizemeister einen neuen, jungen, visionären Trainer, der die Mannschaft spielerischer umstellen soll und dabei auf ähnliche Probleme trifft.

Dutt hat ja als typischen Spielmacher nur Augusto (Klopp hat da zB Kagawa, Götze, Gündogan, Leitner), der ja auch zu Saisonbeginn dementsprechend DIE zentrale Figur in Bayers Spiel war. Von daher muss man auch sagen, dass das ein extrem bitterer Ausfall ist. Und man kann sich fragen, ob Dutts ursprüngliche Ideen so wirklich zum Kader gepasst haben. Heynckes Ansatz kommt dem Naturell des Kaders da näher. Ich persönlich befürworte Dutts Philsophie zwar trotzdem, aber mit einem passenderen Kader wären womöglich viel weniger Hürden aufgetreten. Passendere Spieler hätten diese Ideen vielleicht auch besser aufgenommen.

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Michael 25. November 2011 um 18:21

Sehr gute Analyse, die ich in weiten Teilen mit den Eindrücken, die ich bei den Heimspielen dieser Saison gesammelt habe, bestätigen kann.
Ich würde nur Simon Rolfes nicht zu sehr aufs Korn nehmen. Man sollte ihm das Wort nicht im Mund umdrehen, denn ich glaube nicht dass er ein schwerwiegendes Problem mit dem Trainer hat.
Sportlich aber ist er diese Saison eher eine Schwachstelle der Werkself. Und wo wir gerade schon bei Schwachstellen sind: Die Innenverteidigung ist sicherlich auch so eine. Das liegt weniger an der Qualität der Spieler, als vielmehr an der Eingespieltheit der Abwehrreihe und dem Fehlen eines alten Hasens, der den jungen Spielern den nötigen Rückhalt gibt.
Toprak gefällt mir da von den IV’s am besten, dann kommt der erfahrene Friedrich und Reinartz spielt im Moment einfach nur grauenhaft, wobei er wahrscheinlich der IV mit den grundsätzlich besten Fähigkeiten ist. Jetzt kommt nächstes Jahr noch Wollscheid und das ist wieder so einer von dem Schlag Toprak/Reinartz: Talentiert aber unerfahren. Aber vielleicht schaffen es Reinartz und Toprak demnächst besser zu harmonieren und sich so ein Stückchen Sicherheit zu verschaffen, dann kann Wollscheid von großem Nutzen für uns sein.
Was die Offensive angeht, da muss Bayer wieder dynamischer werden, die Spieler müssen die Chance bekommen ihre Fähigkeiten auszuspielen. So muss ein Schürrle auch mal in die Mitte ziehen und dann aus 20 Metern aufs Tor schießen dürfen oder ein Ballack muss die Möglichkeit bekommen ins Offensivspiel aktiv eingreifen zu können.
Insgesamt muss die Mannschaft defensiv wachsamer und vor allem souveräner auftreten und dann im Spiel nach vorne nicht zu statisch agieren sondern viel Dynamik und Laufbereitschaft an den Tag legen. Aber das braucht Zeit, vor allem was unsere Innenverteidigung angeht.

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Zirkeltraining 25. November 2011 um 16:31

Mir kam letztens eine Idee…ich werde sie mal kurz schildern, bitte gebt mal euren Senf dazu. Es würde mich interessieren, wie andere das hier sehen.
Also…warum nicht Rolfes bis zum Saisonende als Übergangslösung in die Innenverteidung stellen? Dass Bayer dort Probleme hat, zeigt nicht nur der Saisonverlauf und die einzelnen Spiele, sondern auch der Wollscheid-Transfer zur nächsten Saison.
Rolfes ver- oder zumindest behindert die Duttsche Idee für das zentrale Mittelfeld. Das ständige Rochieren der drei zentralen Mittelfeldspieler wie es in Freiburger Zeiten schön zu sehen war, ist ein zentraler Bestandteil seiner Philosphie. Rolfes äußerte sich in diversen Interviews dagegen und kritisierte zumindest indirekt seinen Trainer dafür.
In den letzten Spielen fand Dutt nun einen Kompromiss: Rolfes spielte klar den tiefsten Part der drei zentralen Mittelfeldspieler und beteiligte sich nicht an den Rotationen der anderen. Das war sicher ein cleverer Schachzug von Robin Dutt, er konnte so seinem Kapitän eine Rolle zuweisen, in der er sich wohlfühlt und hatte noch zwei andere Spieler ( Ballack und Bender ), die das von ihm gewünschte fluide Spiel in der Mittelfeldzentrale zumindest ansatzweise umsetzten.
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Dutt dies langfristig als Ideallösung ansieht, denn es wurde auch deutlich, dass Rolfes spielerisch zu limitiert ist, um sich am schnellen Kombinationsspiel zu beteiligen. Er wirkte teilweise völlig isoliert ( siehe hierzu: https://spielverlagerung.de/2011/11/06/4456/ ).

Es würde sich also doch anbieten, Rolfes aus dem defensiven Mittelfeld herauszunehmen und ihn in die Innenverteigung zu stellen. Die Frage ist nun natürlich, ob Rolfes geeignet ist, was ich im Folgenden versuchen werde zu beantworten:
Die physischen Vorraussetzungen dafür besitzt er. Er hat mit 1,91 Metern eine ausreichende Größe, sein Kopfballspiel ist auch solide. Robust und zweikampfstark genug ist er wohl auch, sonst würde er nicht seit Jahren in Verein und Nationalmannschaft als zerstörender 6er aufgeboten worden sein.
Auch in der Spieleröffnung sollte er als langjähriger Mittelfeldspieler doch zu überzeugen wissen, er lässt sich ja so auch oft sehr tief fallen um die Bälle zu verteilen. Das einzige Problem ist vielleicht seine eventuell nicht ausreichende Beweglichkeit, wobei ich denke, dass er das durch seine Erfahrung mit Auge und Stellungsspiel kompensieren kann. Außerdem ist er wohl nicht unbeweglicher als Friedrich.

Zusammenfassend: Ein Rolfes in der Innenverteidigung könnte seine Stärken im Defensivspiel auch weiterhin einbringen, seine Schwächen im Offensivspiel würden jedoch nicht mehr das gewünschte fluide Kombinationsspiel in der Mittelfeldzentrale be- /verhindern.

Ich schätze Dutt so ein, dass er auf lange Sicht seine Spielidee im zentralen Mittelfeld durchdrücken möchte. Setzt er Rolfes als Kapitän auf die Bank gibt es wieder Mediengeplänkel, was wohl nicht so groß wäre, wenn er ihn in die Innenverteidung stellen würde.

Das größte Problem bei der ganzen Geschichte dürfte es sein, Ersatz fürs defensive Mittelfeld zu finden. Ich denke jedoch, dass mit Bender, Castro und Ballack ein Trio auf dem Platz stünde, dass die Philosophie des Trainers besser umsetzen könnte als bislang.

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Michael 25. November 2011 um 18:37

Interessante Idee, das wäre eigentlich die Lösung aller akuten Probleme. Jetzt ist die Frage was der Rolfes davon hält als IV zu Spielen und es bleibt auch die Frage ob er mit der Position überhaupt zurecht kommt.

Außerdem würde Dutt damit die Entwicklung im Spielverständnis zwischen Toprak und Reinartz blockieren. Denn es sollte eigentlich langfristig das Ziel sein Reinartz wieder in Form zu bringen und dann neben Toprak als Stammspieler aufzubringen.

Ansonsten macht er es einfach so wie bisher: Rolfes als sehr defensiver 6er, Bender als „offensiverer“ 6er und Ballack als 10er, wobei Rolfes sich von vornerein NICHT an den Rochaden und Positionswechseln beteiligt sondern quasi starr als „Vorstopper“ vor der Abwehr zu stehen hat. Damit könnten glaube ich alle Leben, inklusive Rolfes und Dutt.

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Zirkeltraining 26. November 2011 um 16:18

Ja, die Frage ist, ob es sinnvoll ist, eine kurzfristig eventuell schwächere IV (Reinartz und Toprak) aufzustellen, um zwischen den beiden ein Spielverständnis zu entwickeln, wenn im Sommer eh ein neuer Innenverteidiger kommt (der wohl erstmal gesetzt sein wird). Ich kann mir gut vorstellen, dass Reinartz sich an der Seite vom erfahrenen Rolfes stabilisieren würde. Neben Hypiiä war er ja auch sehr solide.
Ohne jetzt mit Stammtischparolen um mich werfen zu wollen halte ich es generell für nicht optimal, zwei junge Innenverteidiger vor einem sehr jungen Torhüter aufzubieten. Ich denke deshalb hat Robin Dutt zuletzt auch auf Friedrich gesetzt. Und da bin ich davon überzeugt, dass Rolfes die bessere Variante wäre.

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ode 28. November 2011 um 03:05

Dazu fällt mir nur die Finksche Methode ein: Rolfes bei Ballbesitz zwischen die beiden IVs fallen lassen und die beiden eh offensiv sehr starken AVs vorziehen. 😉

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Schnibbler 25. November 2011 um 10:49

man könnte schwachen Auftritte bei offensiver Spielweise auch darauf zurückführen,dass die Innenverteidigung mit Reinartz oder Friedrich und Toprak im Vergleich recht langsam ist und auch leider nicht die Qualität besitzt ein System abzusichern bei dem der Gegner auf Konter spielt. Die Mannschaften die auf Konter spielen meist auch starke und schnelle Stürmer besitzen. Auch bei dem Tor von Drogba konnte man sehen welche Probleme insbesondere Torpak in einem Zweikampf hatte bei dem er eigentlich einen großen Vorteil hatte. Meiner Meinung nach ist die IV ein der Mannschaftsteil in dem Bayer vllt sogar nachkaufen muss, da Dutt wohl auf seinen „Ziehsohn“ Toprak aus freiburger Zeiten gesetzt hat, dieser aber einfach nicht die geforderte Qualitäten besitzt. Und mit einem alterndem Friedrich und einem noch unsicheren Reinartz besitzt Leverkusen auch keinen Partner der diese Schwächen ausgleichen kann oder Sicherheit vermitteln könnte.

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ode 25. November 2011 um 13:40

Im Grunde stimme ich dir zu. Allerdings sehe ich die Probleme in der Innenverteidigung als ein Formproblem und ein „Findungsproblem“ an. In den letzten 2 Jahren stand da ein Hüne von einem Innenverteidiger, der allein durch seine Präsenz und seine Antizipation 90% der Bälle hinten abgeräumt und intelligent nach vorne zurückgespielt hat. Nun waren da zwei hochtalentierte Nachwuchsspieler, die sich selbst den Rücken stärken müssen. Wenn es nicht so gut läuft, dann sehen auch die Innenverteidiger schlecht aus (vor allem, wenn es dann im zentralen Mittelfeld auch nicht so recht passt). Das Problem versucht Dutt damit anzupacken, dass er einen erfahrenen und grundsoliden Friedrich aufstellt. Von den Anlagen schätze ich sowohl Toprak als auch Reinartz mittlerweile stärker ein als Friedrich, aber scheinbar funktioniert das zur Zeit. Friedrich zeigt gute Leistungen und macht nun auch noch DIE Bude, die evtl. die Saison umreisst!!!

Vergleich kann man das evtl. mit den Bayern der Vorsaison. Dort wurde versucht mit Breno und Badstuber zwei talentierte Innenverteidiger einzuspielen. Das hat irgendwie nie geklappt und am Ende hat teilweise Tymoshchuck hinten zentral gespielt! Am Anfang der Saison lief es auch noch nicht so 100%ig mit der Innenverteidigung der Bayern. Wenn Boateng und Badstuber zusammen gespielt haben… Seit die ganze Mannschaft wieder besser spielt, sind die anfänglich gescholtenen Spieler auf einmal eine der besten Abwehrreihen der Liga…

Wartet mal ab, wenn die Ergebnisse in Leverkusen wieder stimmen und Toprak und Reinartz ihre Form finden…

Und nächste Saison kommt wieder ein talentierter IV!

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ode 25. November 2011 um 13:44

Noch ein Nachtrag:

Vielleicht ist das hier schon aufgefallen, aber die Innenverteidiger von Bayer haben in dieser Saison oft, wenn sie unter Druck gesetzt wurden mit langen Bällen gespielt. Formtief und Verunsicherung ob der anfangs schlechten Ergebnisse ließen wohl nicht mehr zu.

Auch dieses Problem war letzte Saison natürlich nicht da, weil Hyppiä da war. Ist klar, dass dann die anderen Mannschaftsteile auch anders spielen müssen, wenn sie nicht ordentlich aufbauen können und sich die Bälle mühsam erkämpfen müssen…

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Christian 25. November 2011 um 13:51

Es wurde ja jetzt für die nächste Saison Wollscheid verpflichtet. Besser geht es eigentlich nicht. Vielleicht erklärt das ja auch, warum anfang der Saison nicht zugeschlagen wurde. Man weiß auch nicht welche Rolle die Insolvenz von Teldafax in den Planungen spielte.
Hoffen wir, dass die Winterpause gut genutzt wird, um grundsätzliche Dinge zu klären und entwickeln. Wenn Rolfes so gegen den Trainer ist, dann muss vielleicht auch mal so ein Spieler aussortiert werden.

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Benny 25. November 2011 um 14:32

Naja, also ich hab da eher Friedrich in der Verantwortung gesehen beim Zweikampf gegen Drogba. Und selbst da war noch viel Glück dabei, dass Drogba den Ball behält, nachdem ihn Friedrich eigentlich schon erfolgreich weggestochert hat.

Für mich spielt Toprak eine bisher grund solide Leistung und war oft mals die einzige Sicherheit hinten, wenn es mal brenzlig wurde. Da ist mir Reinartz schon viel negativer aufgefallen. Daher sehe ich die Verpflichtung von Wollscheid auch sehr positiv und hoffe, dass die beiden zusammen gut harmonieren werden.

Außerdem hoffe ich auch, dass man noch versucht im Winter auf dem Transfermarkt aktiv zu werden, mit den zusätzlichen Millionen aus der CL dürfte da der ein oder andere interessante Transfer möglich sein.

Also insgesamt ein durchaus positiver Ausblick in die Zukunft. Jetzt hoffe ich nur, dass die Mannschaft in den nächsten Bundesligaspielen konzentriert zur Sache geht.

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Regisseur 24. November 2011 um 22:24

Das ist keine treffende Analyse. Das ist die Championsleague im Taktikbereich. Sprachlich auf hohem Niveau, verständlich geschrieben, gestochen scharf analysiert, siehe der Vergleich BL-CL, intelligent durchdrungen. Ich verneige mich zutiefst. Ja, TE, ich liebe Sie und sage 1000mal danke!

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andre 24. November 2011 um 21:24

Klasse Artikel! Perfekt getroffen, gerade, dass Dutt zu schnell zu viel wollte und die Mannschaft zu Anfangs einfach nicht richtig mitzog – und einige Teile des Teams es immer noch nicht tun (was eigentlich schon ein Armutszeugnis ist für ein Champions League Team..).. Fürchte, dass die Übergangssaison kaum zu verhindern sein wird. Einige Spieler müssen aussortiert und ersetzt, die Komfortzone ausgemerzt und nebenbe noch ein vollkommen neues System installiert werden. Wirklich eine ziemlich undankbare Aufgabe für den Trainer – man kann nur hoffen, dass die Bayer Verantwortlichen das auch so verstehen.

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SM 24. November 2011 um 20:28

Treffende Analyse…!

Und Kompliment für die vielen interessanten Artikel auf dieser Seite.

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