Tottenham – Aston Villa 2:0 | Chalkboards
Zur Komplettierung dieses Premier League-Spieltages trafen am Montag Abend Tottenham und Aston Villa an der White Hart Lane aufeinander.
Harry Redknapp, drei Wochen nach seiner Herz-OP schon wieder auf der Trainerbank, konnte in diesem Flutlicht-Spiel jene Elf aufbieten, die man getrost als bestmögliche bezeichnen könnte – Walker und Assou-Ekotto marschierten auf den Außen mit nach vorne und unterstützten die ohnehin schon Druck machenden Lennon und Bale, während im Mittelfeld Parker, Modric und van der Vaart die Fäden zogen und Adebayor erneut eine sehr arbeitsintensive Leistung ablieferte.
Auf der anderen Seite wählte Alex McLeish ein etwas ungewöhnliches 4-4-1-1-System, an dem vor allem die Besetzung der offensiven Außenbahnen überraschte. Auf der rechten Seite sollte mit Hutton ein zusätzlicher Rechtsverteidiger die Gefahr Bales eindämmen, während auf links Emile Heskey eine sehr unorthodoxe Rolle spielte.
Vorgehen gegen Bale und Lennon
Wie schon im Topspiel vom Sonntag wollte man durch diese Maßnahme defensive Stabilität gewinnen, allerdings nicht in Form einer Neutralisation der gegnerischen Außenverteidiger, sondern primär per Doppeln gegen die starken Außenstürmer Lennon und Bale. Machte Heskey seine Aufgabe noch ziemlich, wenn auch unorthodox, gut und dämmte Lennon und Walker wenigstens ein, stand Hutton meistens viel zu hoch und kam fast nie dazu, Bale zu doppeln, der somit zu oft das direkte Duell suchen und schließlich auch die beiden Tore durch Adebayor vorbereiten konnte.
Überraschend waren bei den Spurs allerdings die Laufwege der beiden genannten Spieler, die normalerweise ziemlich breit und klassich agieren, hier sich aber noch mehr Freiheiten nahmen, als sie es zuletzt schon getan hatten. Immer wieder waren Bale und Lennon somit in der Mitte zu finden, was Villa vor allem deshalb so verwirrte, weil ihre defensive Anordnung darauf nicht vorbereitet war – man spielte nicht wie so häufig mit enger Viererkette und einer breiten Reihe davor, sondern genau umgekehrt, wodurch Bale von Cuellar nicht verfolgt und von Hutton nicht aufgenommen werden konnte, da jener nach hinten in die Kette einrücken würde.
Man erkennt, dass Bale im Vergleich zu einem Spiel von vor einem Jahr deutlich weniger Flanken schlägt und sich mehr, vor allem auch über die Mitte, beteiligt:
Nur durch eine Liberalisierung in der Verschiebebewegung konnte man eine Verringerung der Gefahr, die vom PFA Player of the Year der letzten Saison ausging, erreichen. Dabei bediente man sich genau jenem Mittel, welches Favre gerne und vor allem aber die Augsburger gegen die Bayern nutzten – der ballferne Flügelspieler rückte nicht ein, obwohl es hier auch Hutton praktizierte.
Tottenhams vorzeigbare Offensivleistung
Die beiden zentralen Mittelfeldspieler Villas verschoben sehr stark auf außen und versuchten auch sonst immer, mit den beiden äußeren Spielern einen sehr engen Block in der Mitte zu formen. Dies hatte den Grund, dass man die beiden gerne parallel arbeitenden Spielmacher der Spurs, Modric und van der Vaart, durch diese extreme horizontale Verdichtung voneinander isolieren wollte – allerdings gelang es nicht, da Tottenham sich anpasste. Man reagierte mit einer Mittelfeldrochade und es gelang, den Gegner zu überladen, immer neue Dreiecksformen zu kreieren und ein dynamisches Kombinationsspiel aufzuziehen – mit alledem kamen die Gäste nicht mit und verloren daher folgerichtig.
Die Passbilder von Parker und Modric sind sich recht ähnlich, auch van der Vaart rochierte mit, wie an seinem großen Aktionsradius zu erkennen:
Tottenham hatte zeitweise 80 % Ballbesitz und setzte sich minutenlang in der gegnerischen Hälfte fest, da man immer genügend Spieler in Ballnähe und genügend handlungsschnelle und intelligente Spieler für ein gutes Gegenpressing hatte. Zudem wurde Bent von seinen extrem tiefen Kollegen abgetrennt, was gelegentlich auch Agbonlahor passierte, der sich durch die Bewegungen des gegnerischen Sechsers von den eigenen Kollegen wegziehen ließ.
Vertikalpässe zur Spielbeschleunigung
Ein großes Kompliment ist in diesem Zusammenhang des guten Angriffsspiel der Hausherren auch den beiden Innenverteidigern zu machen, die stets gewillt waren, das Spiel aktiv mit zu gestalten. Vor allem Kaboul zeigte einige gute Vorstöße und Vertikalpässe, während King etwas sicherer spielte, aber auch gute Zuspiele anbrachte:
Die Unterschiedlichkeit der Außenverteidiger und ihre Auswirkungen auf Adebayor
Auffällig war bei den sehr beweglichen Spurs die verschiedenen Verhaltensmuster, die ihre beiden Außenverteidiger an den Tag legten. Während Walker entsprechend seinem Naturell mit voller Power über den rechten Flügel vorpreschte und auch Heskey attackierte, hielt sich Assou-Ekotto etwas zurück, spielte zentraler, balancierter und schaltete sich deutlich mehr in den Aufbau ein. Dadurch hatte er insgesamt mehr Pässe, aber weniger im Angriffsdrittel als sein Pendant.
Diese beiden Rollen, zu gewissen Teilen auch durch das Verhalten von Bale und Lennon bedingt, führten aber dazu, dass der erneut sehr bewegliche und engagierte Adebayor fast ausschließlich auf den linken Flügel sich bewegte, wo er nicht nur zum Kombinieren und Überladen agierte, sondern auch als sichere Anspielstation und für das Schaffen von Breite, da diese Seite nicht immer besetzt war.
Parker und Petrov
Dieses Spiel war auch ein interessantes Aufeinandertreffen zwischen dem Tackle-König Scott Parker auf der einen und dem Interceptions-König Stilian Petrov auf der anderen Seite. Während Parker eine gute Bilanz zeigte, kam Petrov nur auf die Hälfte seines Durchschnittswertes. Er kann vor allem deshalb als Verlierer des Duells gesehen werden, weil Parker mehr Interceptions vorweisen kann als er selbst. Allerdings muss angemerkt werden, dass die Notwendigkeit eines Tacklings oder einer Interception bei einem gegnerischen Angriff für Parker viel größer war, da es einen Konter zu verhindern galt, wonhingegen Villa dem Gegner den Ball überließ.
Given und Heskey
Auf den ersten Blick sieht es vielleicht aus wie die Arbeit eines Künstlers, auf den zweiten wie das ganz normale Passbild eines Torwartes (missglückte Pässe durch Abstöße), doch auffällig ist, dass viele, vor allem der erfolgreichen Zuspiele, auf die linke Seite gingen. Dies war ein netter Nebeneffekt der ungewöhnlichen Rolle Heskey, der viele lange Zuspiele für sein Team gewann und auch deshalb der Villa-Spieler mit den meisten Pässen war – wie er das findet, soll jeder selbst entscheiden.
Spielstile
Zum Schluss können wir hier noch anknüpfen: Die folgenden drei Chalkboards zeigen noch einmal die unterschiedlichen Ausrichtungen der Teams – auf der einen Seite das dominante Tottenham mit viel Ballbesitz, auf der anderen Aston Villa, die extrem tief und defensiv spielen. An der Position der Interceptions, der Anzahl und Position der Klärungen sowie der Position der verursachten Freistöße erkennt man dies gut.
3 Kommentare Alle anzeigen
Villas-Boas276 23. November 2011 um 13:08
Schade das die unorthodoxe Rolle von Heskey zwar mehrmals erwähnt wird, aber in der Analyse nicht drauf eingegangen wird.
TR 23. November 2011 um 18:53
Naja, gibt da jetzt nicht so viel zu erklären:
Er spielte sehr diszipliniert, weil er eben auch ein eher „defensiver“ und arbeitender Stürmer ist, brachte somit etwas Kraftvolles und Physisches ein. Gewissermaßen konnte er die Gegner manchmal ganz gut abdrängen, er verteidigte also ein wenig, wie es ein Stürmer machen würde, wovon die Gegner etwas verwirrt waren. Manchmal kam es vor, dass er unorthodox und sogar zufällig eine gute Aktion (z.B. Ballgewinn) hatte.
juventino 22. November 2011 um 19:57
ich finde diese seite echt super, auch diesen bericht. aber ich wünschte mir der serie a würde en bisschen mehr beachtung geschenkt worden. aber trotzdem, vielen dank für die superanalysen!