Bayern München – 1. FC Nürnberg 4:0

Nach dem letzten Spiel gegen Hannover, welches man knapp verlor, wurden teilweise bereits Stimmen laut, ob die Bundesligavereine nun endlich ein Mittel aufgezeigt bekommen hatten, den Rekordmeister aufzuhalten – gegen Nürnberg war davon zwar viel zu sehen, geholfen hat es dennoch nicht. Im Südderby sah man eine überragende Vorstellung der Bayern, die das Spiel mit 4:0 beeindruckend für sich entscheiden konnten, allerdings muss fairerweise gesagt werden, dass die Gäste keine schlechte Partie zeigten und mit viel Pech aus dem Konzept gebracht wurden, welches in seiner Grundidee kein schlechtes gewesen wäre.

Wechselwirkung der Formationen

Grundformationen zu Beginn

Die Bayern traten mit ihrem bewährten 4-2-3-1-System an, in welchem Rafinha neben Van Buyten und den gesetzten Lahm und Badstuber die Viererkette vor Manuel Neuer bildete. Die beiden Außenverteidiger agieren relativ offensiv, insbesondere Rafinha zeigte sich sehr hoch positioniert und sorgte für eine Verbindung nach vorne zu Müller, während Lahm zwar Ribéry ins Spiel miteinband, aber im letzten Drittel nicht ganz so oft wie sein Pendant auf der anderen Seite unterstützte. Tymoshchuk und Schweinsteiger sicherten diese Offensivausflüge, doch während der Ukrainer sich strikt tief und in einer halbrechten bzw. zentralen Position aufhielt, war Bastian Schweinsteiger um einiges freier in seinen Defensivbewegungen. Einige Mal schaltete er sich mit nach vorne ein, andererseits war er auch im rechten Mittelfeld zu finden, aber im Normalfall sicherte er sehr weit auf der linken Seite den Raum hinter Ribéry und Lahm, welche beide relativ mittig auftraten. Diese zentralere Rolle half Ribéry um der Doppelung zu entkommen, aber oftmals wich er zurück auf seinen Flügel aus und agierte wie ein klassischer Winger, aber sein tolles Tor zum 3:0 kam, als er von der Seite nach innen zog und verwertete. Interessant hierbei war es, wie Müller den Raum öffnete und gemeinsam mit den anderen Spielern dafür sorgte, dass Ribéry ein kleines Loch in der gegnerischen Defensive fand, welches er extrem effektiv und dynamisch ausnutzte. Gomez und Kroos hatten die Aufgabe, diese Rochaden und Rotationen raumtechnisch zu vollenden, indem sie während den Wechseln die offenen Räume besetzen, das Spiel kompakt hielten oder es in die Tiefe zogen – beispielsweise drückt sich Gomez an seinen Gegenspieler, versuchte die beiden Innenverteidiger nach hinten zu locken, während Kroos sich etwas tiefer fallen ließ oder sich links Richtung Flügel orientierte.

Anders traten die Nürnberger auf, doch ihre Formation war taktisch sehr anspruchsvoll und interessant anzusehen. Die Franken spielten mit einer Mischformation aus 4-2-3-1, 4-2-2-2 und 4-1-4-1, wo sie sich dem flexiblen Spiel des Gegners je nach Situation anpassen wollten. Vor Torhüter Stephan kamen wie gewohnt das Talent Wollscheid, an dem die Bayern Interesse haben sollen, und Klose zum Einsatz, welche nicht nur Mario Gomez abzudecken hatten, sondern Gassenpässe und Läufe durch die Verteidigung verhindern sollten. Judt und Plattenhardt kamen auf den Außenverteidigerpositionen zum Einsatz, ersterer hielt sich offensiv etwas zurück, während Plattenhardt immer so weit wie möglich aufzurücken versuchte, auch aufgrund der unterschiedlichen Gegenspieler, denn bei Thomas Müller ist ein direktes und körpernahes Attackieren (zumindest in der Theorie) effektiver als den Raum hinter sich zu sichern. Davor agierte Simons als einzige Sechs, doch in einigen Spielszenarien wurde er von Cohen unterstützt und sie bildeten eine klassische Doppelsechs, in welcher der dritte zentrale Mittelfeldspieler, Wilson Kamavuaka, entweder als weiterer Mittelfeldspieler agierte oder gar nach vorne in den Angriff rückte. Im Normalfall war es allerdings eine Doppelacht mit Simons hinter seinen zwei Partnern, während Esswein und Chandler sich auf den Seiten recht tief aufhielten und für ein sehr kompaktes 4-1-4-1-System sorgten, welches wie gesagt oftmals innerhalb des Spiels verändert wurde. Ganz vorne trat Pekhart als Stoßstürmer an, wenn Kamuavaka bei den Querschiebephasen Bayerns nach vorne rückte, so orientierte sich Pekhart etwas nach links und rückte minimal nach hinten.

Nürnbergs Art zu Verteidigen

Die anspruchsvolle Formation der Nürnberger war ideal für ihre exakte Ausrichtung auf dem Spielfeld, welches ein aggressives Mittelfeldpressing (insbesondere in Hälfte eins) vorgab, was allerdings nur teilweise klappte. Die zahlreichen Wechsel im zentralen Mittelfeld, die kaum vorhandene Distanz zwischen der Viererkette und der Mittelfeldreihe sorgten für eine sehr kompakte Mauer im zweiten Drittel, welche durch Pekhart nochmals erhöht wurde. Problematisch war allerdings, dass Bayern bereits in den ersten Minuten in Führung ging und die Nürnberger in ihrer Taktik dadurch beeinträchtigt wurden, dass sie noch aggressiver, dynamischer und gleichzeitiger kompakter attackieren mussten, um ihre Chancen auf einen Punktgewinn zu wahren. Obwohl es für den neutralen Beobachter nicht so wirkte, spielten die Nürnberger keineswegs schlecht, ihre Taktik funktionierte, sie spielten diszipliniert und waren einige Male kurz davor, den Ball in brenzligen Momenten zu erobern, doch die Münchner hatten etwas Glück und zeigten dazu noch sehr viel Können und Geschick, sich aus engen Situationen spielerisch zu befreien. Dennoch darf man sagen, dass die Nürnberger in ihren Grundzügen extrem interessante Ideen an den Tag legten und an einem anderen Tag mit etwas Glück Erfolg gehabt hätten.

Bayerns gehetzt-sein – hat es sich positiv geäußert?

Die aggressive Spielweise der Nürnberger hatte in der ersten Halbzeit allerdings nicht nur Nachteile für die Bayern, oftmals war es auch positiv – denn aufgrund der gegnerischen Kompaktheit hatten einerseits die Innenverteidiger (beide mit weit über 100 Ballkontakten und über 90% Passgenauigkeit) extrem viel Zeit und Raum, andererseits konnte man sich bald an das gegnerische Spiel anpassen. Zu Beginn wäre man einige Male fast in die Falle getappt, doch im Laufe des Spiels ließ man den Ball geduldiger zirkulieren und verbuchte sogar unglaubliche 79% Ballbesitz, was die Nürnberger de facto schachmatt setzte, da sie sich nicht offensiver nach vorne trauten und in ihrem eigenen System eingeschnürt waren, allerdings waren die wenigen Ausbrüche aus ihrem fluiden Spiel ohnehin kontraproduktiv, da der Rekordmeister mit Badstuber einen Spieler für sehr gute lange Bälle besitzt, zwei extrem dynamische Außenstürmer und mit Schweinsteiger und Kroos ebenso ein ballsicheres offensives Zentrum im zweiten Drittel, welches schnell zu vertikalerem Spiel umschalten und das Spiel ohne Ballverlust in die gegnerische Hälfte verlagern kann. Dies äußerte sich ebenfalls statistisch, einerseits hatte Esswein aufgrund der extremen Kompaktheit im Mittelfeld eine tiefere Durchschnittsposition als der Linksverteidiger hinter ihm, andererseits hatte Schweinsteiger „nur“ 86% erfolgreiche Pässe – für ihn ein allenfalls durchschnittlicher Wert in einem Spiel ist, wo die durchschnittliche Passgenauigkeit seiner Mannschaft bei 90% lag. Weiters erlaubte dieses kompakte Mittelfeldpressing der Franken den Bayern ihre Innenverteidiger minimal tiefer agieren zu lassen und dadurch den passiven Raumgewinn Badstubers und Van Buytens noch zu verstärken, was sich sogar positiv auf die Defensive auswirkte und man bei Kontern mehr Zeit zum Formieren hatte.

Die bayrische Rotation – in doppelter Hinsicht

Ein weiterer beachtenswerter Punkt ist die Rotation der Bayern. Oft wird darüber geredet, wie Heynckes seine Mannschaft punktuell austauscht, meistens auf zwei Positionen der Innenverteidigung und dem Platz neben Schweinsteiger im defensiven Mittelfeld, doch sogar innerhalb eines Spiels sind Rotationen zu erkennen. Die klassischen Rochaden, also der kurzzeitige Positionstausch innerhalb eines Spiels bzw. eines Spielzugs, werden unter dem neuen Trainer der Bayern fast schon bis zum Exzess vorgenommen und bieten den Stars offensive Freiheiten, doch teilweise wird es sogar noch radikaler gehandhabt und die Spieler tauschen die Positionen für ein paar Momente gänzlich.

Dieses taktische Mittel verlangt Selbstdisziplin und Eigenverantwortung der Spieler, da es von eminenter Wichtigkeit ist, nur in bestimmten Momenten und für kürzere Zeit die Position zu tauschen, um sich nicht der eigenen Stärken zu berauben bzw. diesen taktischen Zug nicht selbst zu neutralisieren. Bei den Bayern geschieht das im Normalfall durch einen Zweiertausch, so rückt Kroos auf links (wenn auch etwas tiefer) und Ribéry in die Mitte, aber bspw. kann man auch einen Dreiertausch erkennen, wenn Schweinsteiger nach rechts geht, rückt Tymoshchuk nach links oder ins Zentrum und man agiert fast schon mit einem Tannebaumsystem, da Müller und Ribéry durch eine engere Position Kroos etwas nach hinten „drücken“.  Alles in allem sind diese Spielchen nicht besonders oft zu beobachten, doch sie kommen vor und sind sehr wichtig, da sie den Gegner aus seinem Defensivkonzept bringen und dies kann insbesondere gegen kleine und/oder unorganisierte Mannschaften fatal sein.

Fazit

Die Bayern kehrten in die Erfolgsspur zurück und boten eine tolle Leistung gegen einen keineswegs schwachen Gegner. Die Nürnberger hatten etwas Pech und ließen im Laufe des Spiels nach, doch ihrer mutigen und intelligenten Einstellung muss man Lob zollen, dennoch war der Rekordmeister eine Nummer zu groß.

Smerk 3. November 2011 um 11:46

Hallo Leute,

was eine supergeile Seite. Hab euch über einen Link im FCB-Forum entdeckt und bin begeistert. Freue mich schon auf die Analyse FCB/Napoli von gestern, kanns kaum erwarten. Habe in der 2ten Halbzeit zu viel Zeit mit Fluchen wg. Schweinsetigers Verletzung verbracht und hoffe deswegen auf nachträgliche Erleuchtung.
Saugeil Leute,
bitte macht so weiter
viele Grüße
Smerk

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max 2. November 2011 um 13:33

So wie ich das gesehen habe, hat der Club sogar teilweise mit einer 5er-Kette agiert (zwar nicht sehr oft aber es war da). Wenn Ribery den Ball auf der linken Seite behauptet hat (dies war ja in den meisten Fällen fast auf der Seitenlinie), rückte Chandler nach hinten und doppelte mit Judt Ribery, deswegen rutschte die IV (um Judt abzusichern) und der rechte AV mehr mit ein um das Zentrum kompakt zu halten, damit der rechts Außen aber auf dem Flügel nicht mehr so viel Platz hatte (wie bspw. beim 1:0) rückte Esswein in die Abwehr hinter und kompletierte dadurch die 5er-Kette.
Außerdem hat Schweinsteiger auch oft mit Ribery den Platz getauscht um dem Franzosen mehr Raum und Freiheit zu geben.
Die IV musste Judt absichern weil Ribery, nur noch an Judt vorbeikommen konnte/sollte, weil der Weg nach hinten durch Chandler und der Weg in die Mitte im “optimal”Fall von Judt abgedeckt sein sollte. Dies klappte aber nicht immer wie beim 1:0 wo Judt nicht genügend die Mitte abdeckt und dadurch der Flügelwechsel von statten gehen kann.

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Alexander | Clubfans United Fanmagazin 31. Oktober 2011 um 07:56

Danke! Zum einen interessant und lesenswert, zum anderen ein willkommener Beitrag um der schon wieder in Depression zu versinken drohende FCN-Fan-Gemeinde etwas Mut zu geben, dass eben doch nicht alles Mist ist.

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Johan Petersen 31. Oktober 2011 um 06:05

Nürnberg zeigt in der Liga immer noch mit den besten Druck auf den Ball. Dass Bayern trotzdem zur Pause 3:0 in Führung lag, macht die derzeitige Qualität der Mannschaft deutlich. Die Niederlage gegen Hannover war einfach einer ungewöhnlichen Häufung an Aussetzern in der Defensive geschuldet.

Badstuber spielt geniale Pässe in die Spitze – man freut sich auf die EM. Die Diagonalbälle sollte er allerdings auf ein Minimum begrenzen und nur um des Variierens willen, die hat weder Bayern noch die Nationalmannschaft nötig.

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Dome_messi 30. Oktober 2011 um 20:52

Zu allerst einmal ein Lob an euch. Bin erst vor kurzem auf eure Seite gestoßen (hab vorher nur bei zonalmarking mitgelesen) und finde sie sehr gut.

Zum Spiel von gestern:
Ich war im Stadion hinter der Kurve, dort sieht man die taktischen Formationen sehr gut.
Mir ist es auch aufgefallen, dass Nürnberg sehr gut verteidigt hat und gar nicht so schlecht gespielt hat. Vor allem zwischen dem 1. und 2. Tor konnte Bayern überhaupt keinen Druck entwickeln, geschweige denn bis zum Sechzehner vorstoßen. Jedes mal musste der Ball wieder zurück zu den Innenverteidigern gepasst werden, die dann das Spiel neu aufbauen sollten. Nürnberg stellte Kroos und am Anfang auch Schweinsteiger gut zu, die beiden konnten nicht ihr gewohntes Passspiel aufziehen und auch von Ribery war in den ersten 20 Minuten nichts zu sehen.
Der entscheidende Mann war für mich Badstuber, da er entweder den diagonalen Ball spielte oder den Ball zwischen die 4er Kette der Nürnberger, sehr gut ist das beim 4:0 zu sehen.
Plattenhardt hätte auch früher erkennen müssen, dass Badstuber die Diagonalbälle genau zum Mann spielt, er war oft viel zu weit weg und so ist das 1. Tor passiert. Wäre Müller gestern nicht so unterirdisch gewesen, hätten die Diagonalbälle viel wirkungsvoller werden können.

Nochmal ein großes Lob an euch.

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101 30. Oktober 2011 um 20:46

[wikipedia]“In der Sprachwissenschaft wird die Schreibweise Bairisch verwendet und bairisches Sprachgebiet. Im Unterschied dazu bezeichnet das Wort Bayerisch keine Sprachdialekte, sondern bezieht sich ausschließlich auf ein politisches Territorium, den Freistaat Bayern.“[/wikipedia]

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