Liverpool FC – Manchester United 1:1
Ein ordentliches Derby, in dem Ferguson mit vielen personellen Wechseln den Stil seine Taktik zu einer defensiven umfunktionieren und damit lange den Gegner bändigen konnte – nach dem Rückstand hatte man etwas Glück, noch zum Ausgleich zu kommen.
Nach all den Diskussionen um die entscheidenden Spiele in der EM-Qualifikation und besonders der Rooney-Sperre für die Euro kam es bereits am Samstagmittag zum absoluten Topspiel des Wochenendes – Tabellenführer und Meister Manchester United reiste zum Derby nach Liverpool.
Vor dem Spiel gab es eine interessante Strategie von United-Coach Ferguson, welcher bereits frühzeitig von einigen personellen Veränderungen sprach. Damit nahm er ein wenig die Brisanz und das Gefühl des Titanenkampfes aus der Partie heraus. So war die Stimmung zwar aufgeheizt, aber nicht so extrem, wie man es schon oftmals gesehen hat. Entsprechend den Äußerungen des Sir sah dann auch die Startformation bei den Gästen aus – Nani, Rooney und Anderson nahmen zunächst alle auf der Bank Platz, während mit Park und Giggs zwei wichtige Säulen der vergangenen Spielzeit zu einem Einsatz kamen und überraschend das große Abwehr-Talent Phil Jones im Mittelfeld auflief.
Aus der Schwäche eine Stärke gemacht – taktische Umkehrung
Bezüglich der Grunstrukturen änderte sich bei den Red Devils allerdings nicht viel – tiefe Abwehr, zwei hohe zentrale Mittelfeldspieler, ein ausweichender Spieler davor (wenn auch Giggs diese Rolle ganz anders als Rooney interpretierte), nach innen tendierende Flügelspieler und ein beweglicher Mann im Zentrum. Genau dies war auch die Idee Fergusons – ohne große Änderungen setzte er zunächst auf eine defensive Taktik, eine Umkehrung des Standards, um Liverpool zu verteidigen und später seine Stars zu bringen.
Der Grund für diese doch ziemlich unorthodoxe Maßnahme lag im System Uniteds bedingt – seit dieser Saison spielen sie ein sehr offensives, fluides, aber auch risikoreiches Konstrukt. Zwar wäre Liverpool in der Defensive gegen die Fluidität anfällig, könnte allerdings auch eine Mannschaft sein, welche die in Kauf genommenen Schwachstellen bei United aufgrund des eigenen Stils perfekt ausnutzen könnte. Um vom sich fallen lassenden, dribbelstarken Suárez nicht durch dessen Aktionen im großen Raum zwischen den Linien – der Hauptgrund dafür, wieso man so viele Chancen und Schüsse zulässt – besiegt zu werden, überlegte sich Ferguson, aus diesem offenen Raum, einfach eine Defensivstrategie zu machen.
Diese gleichsam völlig abwegige wie geniale Idee verfehlte lange Zeit seine Wirkung nicht – mit Fletcher sicherte ein lauf- und kampfstarker sowie dynamischer Spieler das Zentrum und die Aktionen Suárez´ ab, während man vor dem Schotten den Raum im Mittelfeld offen ließ. Liverpool wurde zum schnellen Spiel eingeladen, doch gegen die tiefe Abwehrreihe, das zweikampfstarke Personal konnten sie wenig Zählbares erarbeiten, was auch stark dadurch zustande kam, dass United durch eine ihrerseits schnelle und oftmals auch auf langen Bällen basierenden Angriffsstrategie sowie ein in weiten Teilen des Spieles frühes Pressing gegen die anfälligen Carragher und Skrtel einen hektischen und etwas ungeordneten Charakter das Spiels wesentlich forcierten. Dass dies eine riskante Strategie darstellte, zeigte sich beispielsweise um die 55. Minute herum, als das eigene Pressing etwas nachließ, man tiefer stand und stärker unter Druck geriet.
Schlacht auf der Außenbahn
Spezielle Beachtung fand in der Verteidigungsarbeit Manchesters die linke Angriffsseite des Gegner, welche im Vergleich zur anderen deutlich mehr bespielt wird, da der Außenverteidiger (Enrique) offensiver ist, der Mittelfeldspieler (Downing) deutlich stärker in den Angriff geht, der halblinke Akteur des Mittelfeld-Duos (Adam) mehr nach vorne tut und in den meisten Fällen auch Suárez etwas zu dieser Seite tendiert.
Die logische Antwort Fergusons war die Aufstellung von Park Ji-Sung im rechten Mittelfeld. Seit jeher gilt der Koreaner als extrem defensivstark und ist nicht umsonst einer der Prototypen für den Defensivstürmer, dessen Bezeichnung als solchen er stark prägte in vielen Spielen gegen starke Gegner in Premier League und vor allem Champions League.
An seiner hervorragenden Eignung für diese Rolle ändert auch seine eher schwache Leistung vom CL-Endspiel gegen Barcelona vom vergangenen Mai nichts. In jenem Spiel scheiterte United auch zu großen Teilen an einer falschen Formation, für welche die beiden Defensivstürmer einspringen mussten – nicht zum ersten Mal wurden die äußeren Spieler eines Gegners von Barcelona ins Zentrum gezwungen.
Hier allerdings war diese Gefahr weniger gegeben, denn man musste, anstatt aller drei Drittel, nur verstärkt auf ein seitliches Drittel des Feldes achten. Zudem hatte Park als Unterstützung einen weiteren zentralen Mittelfeldmann, so dass er sich besser auf die Außenseite konzentrieren konnte, was allerdings auch gar nicht so stark nötig war, da er nicht konkrete Spieler verteidigte, sondern im Grunde genommen ein innermannschaftliches Liverpooler Zusammenspiel auf halblinks.
Einer der erwähnten drei zentralen Mittelfeldspieler war jener überraschend dort aufgebotene Phil Jones, welcher den halbrechten Platz einnahm. Auch dies war als defensive Schutzmaßnahme gedacht – vor allem um Rechtsverteidiger Smalling zusätzliche Deckung leisten und im Notfall seine Position übernehmen zu können.
Dass der Plan zur Neutralisation der linken Seite Liverpools aufging, zeigt dieses Chalkboard – das Spiel über die rechte Seite überwog diesmal bei den Hausherren:
Uniteds Offensivspiel
Wenn man selbst nach vorne spielte, setzte man – wie bereits erwähnt – auf eine sehr schnelle und direkte Route, was sicherlich auch damit zusammenhing, dass man ein frühes Liverpooler Attackieren umgehen wollte bzw. es schnell umspielte anstatt den Ball zu halten.
Fokus der Angriffe war Ashley Young, welchen man auf links – ähnlich wie bei den Engländern in der Nationalmannschaft – freispielen wollte. Welbeck ließ sich vom Zentrum etwas nach links fallen, um Gegner auf sich zu ziehen oder seinem Kollegen eine Hilfe zu geben, während Giggs auf den linken Flügel rochierte – durch diese Bewegungen bekam Young etwas Raum im Zentrum, welchen Liverpool generell nicht immer unbedingt gut abdeckt.
Große Gelegenheiten erwuchsen daraus allerdings nicht, nur einige Halbchancen – für die große „Action“ musste man auf die letzte halbe Stunde der Partie warten.
Eine halbe Stunde voller Veränderungen
Den ersten Stein zur Eröffnung dieser Turbulenzen warfen die gastgebenden Reds mit der Einwechslung Hendersons für Lucas – Gerrard war nun der defensivste Sechser, während Kuyt noch stärker nach rechts abdriftete. Mit ihrem frühen Pressing und ihrem nach vorn drängenden Mittelfeld schnürte Liverpool den Gegner mehr und mehr ein, dessen riskante Strategie nun zum Problem zu werden drohte. Ein Tor kündigte sich langsam aber sicher an und schließlich fiel Gerrards Freistoßtor (68.) als Folge der vielen zugelassenen Standards – Freistöße waren eben näher am Tor, die Wahrscheinlichkeit, eine Ecke zuzulassen, höher.
Als direkte Antwort, auch wenn sie sich bereits vorher bereit gemacht hatten, wurden Rooney und Nani in die Partie gebracht. United wechselte zu einem 4-3-3/4-2-3-1, welches nicht ganz so fluid, dafür allerdings ähnlich wie letztes Jahr war – die Außenspieler kamen nur manchmal in die Mitte, Rooney nur manchmal nach außen, wo man stattdessen vor allem auf starke Pärchenbildung baute, was insbesondere der nun sehr offensive Smalling umsetzte, welcher den Spieß auf seiner Seite nun umzudrehen gedachte.
Bevor sich dies allerdings im Ergebnis bemerkbar machen sollte, gab es zunächst noch die Einwechslung von Javier Hernandez. Zusammen mit Welbeck, der gelegentlich nach links auswich, damit Giggs im Mittelfeld helfen und Rooney aufrücken konnte, spielte er im Sturm eines nominellen 4-4-2(-0), ging aber auch nach außen, um Platz für Nani zu machen. Und über diese rechte Seite kam man eben verstärkt und konnte auch den Treffer nach einer Ecke einleiten. Zwar gab es so gut wie keinen – den ersten netzte Chicarito dann gleich ein (80.) – Hochkaräter, aber ganz unverdient war es nicht.
Besonders in den Minuten unmittelbar nach diesem Treffer wurde das Spiel offen, denn beide Teams spielten jetzt eine Art 4-4-2/4-3-3, so dass es jeweils Räume in Schnittstellen dazwischen gab – z.B. hinter dem offensiveren Henderson für den nach links driftenden Welbeck. Nichtsdestoweniger gelang kein Treffer mehr.
Fazit
Ferguson kehrte seine Taktik auf verrückte Weise um und Manchester verteidigte gut, Dalglish kreierte eine interessante Formation inklusive Laufwegen und Liverpool schaffte letztlich auch den Durchbruch, beide Trainer wechselten offensiv, wenn auch wenig kreativ, aber keine Mannschaft konnte wirkliche Dominanz erzeugen oder den letzten Zugriff gewinnen – so stand am Ende ein korrektes Remis, welches (als solches) nicht lange in Erinnerung bleiben wird.
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