Tottenham – Arsenal 2:1
Ebenfalls fast so interessant wie das Merseyside-Derby war das Londonder Stadtderby zwischen Tottenham Hotspur und Arsenal, doch im Gegensatz zum Duell im Westen Englands trafen hier zwar zwei große Klubs aufeinander, aber nicht die beiden größten der Hauptstadt.
Nichtsdestotrotz war es natürlich ein absolutes Topspiel und auch eine Paarung, die in der Vergangenheit immer wieder spannende, unterhaltsame und vor allem turbulente Partien hervorbrachte.
Hervorragende Defensivorganisation der Spurs
Die Gastgeber traten erneut in ihrem typischen 4-4-1-1 an, vor Torwart Friedel agierten King und der sehr zweikampfstarke, robuste und aggressive, aber auch offensiv agierende Kaboul in der Innenverteidigung, daneben spielten Walker rechts und Assou-Ekotto links, wobei Ersterer ziemlich offensiv spielte und am Ende auch den Siegtreffer erzielen sollte. In der Defensive war die Abwehrreihe sehr diszipliniert und kampfstark, man verteidigte sehr eng, wobei dies meistens nur die drei ballnahen Akteure taten – eine ähnliche Strategie ist auch für Favres Mönchengladbacher in der Bundesliga erkennbar und essentiell für stabile Abwehrleistungen.
Im Mittelfeld bildeten Scott Parker und Luka Modric das Duo in der Zentrale, die Rollenaufteilung war erneut klar – der Engländer deckte viel Raum ab und spielte robust, durch seine Lauf- und Zweikampfstärke konnte man das Zentrum gut dichthalten, aber auch Modric arbeitete defensiv sehr hart, während er in der Offensive die Bälle aus der Abwehr abholte und als Spielmacher verteilte. Er bewegte sich immer zum Ball, um anspielbar zu sein, seine Freilaufbewegungen selbst waren ebenso lobenswert.
Auf der rechten Seite im Mittelfeld spielte Rafael van der Vaart, der viel ins Zentrum rückte, während Gareth Bale auf der anderen Flanke seine typische Rolle ausfüllte, allerdings auch häufiger ins Zentrum zog und mit Modric kombinierte bzw. ihm eine physisch starke und dynamische Anspielstation gab. In der Defensive ordneten sie sich in die zweite Viererkette ein und sorgten für zwei kompakte Linien.
Die besonderen Rollen von Defoe, Adebayor und van der Vaart sowie ihre Beziehungen
Sehr fluid präsentierte sich das aus Adebayor und Defoe bestehende Sturmduo, ein typisches Tandem eines großen und eines schnellen Angreifers, doch es war ein wenig abgewandelt. Einfaches Raum-Schaffen und Ballhalten von Adebayor und Sprints in den freien Raum von Defoe waren nicht genug, stattdessen rochierte man deutlich mehr, Defoe half defensiv gut mit, versuchte sich durch Bewegung auch viel in der Breite und Tiefe anzubieten, während Adebayor oft auch deshalb auf die Seiten auswich, um eingebunden zu werden.
Doch es gab auch einen anderen Grund – die Rolle van der Vaarts, welche eine entscheidende Schlüsselrolle spielte. Es war nämlich die Fluidität der beiden Stürmer, welche für die volle Effektivität seiner Rolle benötigt wurde und dann auch das Bauernopfer spielen musste. Der Niederländer ließ seine rechte Seite oft, aber vor allem im entscheidenden und richtigen Moment, verwaisen, um ins Zentrum zu ziehen, Überzahl herzustellen und in eine gefährliche Kombination eingebunden zu werden.
Die Fluidität machte dies effektiver, Adebayor füllte dann auf rechts das kleine entstandene Loch, Arsenal dagegen konnte sich der schnellen und dynamischen Kombination nicht entgegenstellen – der Führungstreffer durch den Niederländer (40.) war ein Paradebeispiel einer solchen Aktion.
Der doppelte Spielmacher und die indirekten Verbindungen
Weil man somit zwei Spielmacher hatte, konnte sich Modric mehr auf halblinks konzentrieren und zusammen mit Bale diktierte man hier – ergab sich eine Möglichkeit zum schnellen Spiel, versuchte man sie zu nutzen, ansonsten gab man den drei Offensivkollegen Zeit, in die richtige Position für ihre Spielchen zu kommen und leitete sie dann ein, was aufgrund der Spielintelligenz Modric´ für diesen gut zu erkennen war. Interessant auch, dass die Laufwege dieser beiden Spielmacher parallel zueinander verliefen, denn so konnte man Dynamik und feste Zuteilungen in Einklang bringen, ebenso wie die Vorstellungen der beiden Spielmacher, was dem eigenen Spiel einen klaren Plan ermöglichte – indirekte Verbindungen sorgten für Zusammenhalt und Flexibilität.
Dies war der entscheidende Vorteil der Spurs, welche sich aufgrund dieses Aspektes und aufgrund ihrer starken läuferischen Leistung sowie ihrer Performance im Pressing den Sieg verdienten, da man Arsenal durch die hohe Aggressivität einschüchterte.
Arsenals Probleme in der Offensive
Trotz klarer Vorteile im Ballbesitz konnten die Gunners daraus zu selten etwas machen, zwar war man optisch spielbestimmend und Arteta zeigte sich als Spielmacher und Ballverteiler gut, doch spätestens sobald man ins letzte Drittel aufrückte, bissen er und auch seine Kollegen sich gegen das starke Zentrum und das Pressing des Gegners häufig die Zähne aus.
In diesem Chalkboard erkennt man die vielen Pässe von Arteta und auch Coquelin, doch im letzten Drittel konnten sie kaum ein Zuspiel liefern:
Hier erkennt man die starke Defensivleistung Tottenhams anhand der Tacklings der gesamten Mannschaft sowie denen Younes Kabouls:
So musste man oft über die Flügel spielen, doch auch hier fehlte die Durchschlagskraft von den Außenverteidigern Gibbs und Sagna, Walcott war von Assou-Ekotto und Bale komplett abgemeldet und van Persie blieb mit seinen Bewegungen gegen die disziplinierte gegnerische Abwehrlinie wirkungslos und konnte nur außen oder „vor“ den gegnerischen Linien helfen, so dass vieles an Gervinho hängen blieb, der mit seinem Instikt, seinen Fähigkeiten im Dribbling und seiner – manchmal etwas fahrigen und verrückten – Kreativität genau deshalb derjenige war, der die Defensive Tottenhams gelegentlich aufbrechen konnte. Ansonsten blieben allerdings nur Weitschüsse, da der Gegner tief stand, aber seine Stürmer recht hoch.
Dass man im Kampf nicht gut genug gegenhalten konnte, war ein weiteres Problem der Nord-Londoner – allerdings war es vielschichtiger, als man vermuten könnte. Da Koscielny verletzt fehlte und Wenger gegen das dynamisch umschaltende Tottenham unbedingt einen halbwegs schnellen Mann neben Mertesacker in der Innenverteidiung brauchte, musste er notgedrungen Song aus dem Mittelfeld zurückziehen – was dort allerdings eine nicht zu schließende Lücke hinterließ.
Ramsey bemühte sich vorne vergeblich, doch Arteta und Coquelin sind keine physisch sehr starken Akteure – und so fehlte gegen die harten Gegner genau dieser Effekt des Vorstoßens und der Power, den Song so auszeichnet. Gegen Bolton war dies zuletzt sehr deutlich und vital gewesen, doch nun fehlte dem Mittelfeld Arsenals eine wichtige Facette.
Arsenals Probleme in der Defensive
Auch defensiv machte die Umstellung sich bemerkbar, denn ohne Song fehlte auch die Absicherung in der Zentrale, welche keiner der drei Akteure füllen konnte, auch wenn Coquelin sich redlich bemühte und tat, was er konnte – doch genau deshalb hatte van der Vaart diesen Platz, den er in seiner Schlüsselrolle nutzte. Kein physisch starker Mittelfeldspieler und kein absichernder Sechser in Sicht, Song konnte nicht aus der Abwehr herausrücken, weil er von Adebayor zur Seite gedrängt wurde – noch ein Grund für dessen Rolle.
Erschwert wurde die Aufgabe Coquelins auch durch die guten Bewegungen und die Laufarbeit Defoes, besonders aber durch die Naivität Gibbs´, welcher sich von van der Vaart zu einfach aus der Position ziehen ließ und damit die ganze Ordnung durcheinander brachte – schon bei der 2:8-Klatsche im Old Trafford zu Saisonbeginn war dieser Fehler der Außenverteidiger tödlich gewesen.
Letztendlich profitierte davon auch Gareth Bale, welcher defensiv gut mithalf, mit Modric und Assou-Ekotto ein ballsicheres Dreieck bildete, aber auch immer wieder das Duell an der Außenlinie suchen durfte. Vor allem bei Kontern setzte man seine Schnelligkeit gegen Sagna ein und nach dessen Auswechslung hatte der Youngster Carl Jenkinson einige Probleme mit dem Waliser, welcher noch einmal aufdrehte und auch die Ecke herausholte, an die das Tor von Walker (73.) anschloss, Ramsey hatte ebenfalls im Anschluss an eine Ecke den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielt (51.).
Fazit
Arsenal bemühte sich, doch Tottenham war zu gut und gewann verdient. Defensiv zeigte man erneut eine extrem starke Performance, offensiv hatte man sehr interessante Strategien vorzuweisen, wie man den Gegner knacken konnte – in beiden Hinsichten wie auch im Gesamtpaket erinnerten Idee und Ergebnis an die herausragende 4:0-Packung, die man zuletzt Liverpool verpasste, und bestätigten diese auch.
1 Kommentar Alle anzeigen
Marxelinho 4. Oktober 2011 um 08:55
Nicht, dass das entscheidend gewesen wäre, aber ein wichtiges Detail war dann eben doch, dass Wenger sich für den konservativeren Coquelin gegenüber dem riskanteren Frimpong entschied. Dessen Dynamik fehlte, allerdings war er gegen Piräus defensiv auch sehr anfällig. Auffällig auch: Arsenal hatte oft das Nachsehen in Sachen Schnelligkeit (und da meine ich nicht den offensichtlichen Mertesacker, sondern Ramsey, Sagna, Gibbs). Es ist wirklich erstaunlich, wie kontuierlich Arsenal zurückfällt, schon seit Jahren eigentlich, und AW scheint nicht einmal zu bemerken, was los ist.