Benfica Lissabon – Manchester United 1:1
Im ersten Champions-League-Spieltag dieser Saison trat Manchester United auswärts bei Benfica Lissabon an. Sir Alex Ferguson deklarierte das Spiel als das schwerste dieser Gruppenphase und schonte dennoch einige Spieler seiner Stammelf, darunter Torwart De Gea. Benfica veränderte sich wenig im Vergleich zu den Spielen des CL-Playoffs und setzte alles daran, den Favoriten zuhause zu besiegen.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Die Gäste aus Manchester traten etwas überraschend in einem 4-2-3-1 an. Mit Rooney als komplettem Stürmer an vorderster Front versuchten sie diese Formation stark spielerisch auszufüllen, dahinter begann Ryan Giggs als Spielmacher. Rechts im Mittelfeld kam Antonio Valencia in die Mannschaft und beackerte den Flügel, während links Ji-Sung Park agierte, der sich aber viel zu oft zentral aufhielt und dadurch dem Spiel etwas schadete. Dies hatte allerdings die Ursache darin, dass es schlichtweg kaum Anspielstationen im zweiten Drittel gab, da Benfica sehr hoch spielte und toll verschob. Park versuchte deshalb Giggs zu unterstützen, der sich aus dem Spiel genommen sah, da er hinter sich zwar viel Raum hatte, aber bei seinen Ausflügen auf die Seiten und seiner hohen Position im Zentrum kaum Bälle erhielt. Links in der Außenverteidigung trat man wie üblich mit Patrice Evra an, der offensiv agierte und dem Spiel die nötige Breite zu verleihen versuchte, was nur im Aufbauspiel gelang. Im Offensivspiel hingegen fehlte es ihm an Unterstützung und somit wurden seine Vorstöße bis zur Grundlinie zur Ineffektivität verurteilt. Rooney agierte oftmals zu hängend und ist kein idealer Abnehmer für Flanken, doch ebenso hatte die gesamte Mannschaft Mitschuld an der offensiven Einfallslosigkeit. Fletcher und Carrick ließen Kreativität aus dem Zentrum vermissen, während die Spieler um sie herum sich viel zu unbeweglich und träge zeigten. Die Innenverteidigung aus Evans und Smalling hatte nicht umsonst die stärkste Präsenz auf dem Platz, denn sie versuchten ununterbrochen den Ball laufen zu lassen, erhielten aber kaum Hilfe von den Offensiven. Benfica drückte die Red Devils nach hinten und die Innenverteidiger Uniteds schoben sich den Ball planlos hin und her.
Generell muss man Benfica Lissabon ein Kompliment für die Leistung machen. Man überließ den Ballbesitz zwar Manchester United, doch dies war keineswegs negativ. Fast schon aufgezwungen wirkten die vielen Spielanteile der Engländer, die selten Löcher im Abwehrbollwerk der Portugiesen fanden. Hauptverantwortlich dafür war deren Kompaktheit. Mit einem 4-5-1 hielt man die Linien sehr eng beisammen und versuchte nach erfolgreicher Balleroberung möglichst schnell den Ball zu Cardozo zu bringen, insbesondere Aimar zeigte sich für diese Aufgabe prädestiniert. Kein Wunder also, dass Cardozo den Führungstreffer erzielte, als er einen Pass toll verarbeitete und an der Sechzehnerlinie unhaltbar für Lindegaard ins lange Eck abschloss. Zwar konnte Manchester später durch Giggs ausgleichen, der den Raum hinter sich das erste und letzte Mal in diesem Spiel effektiv nutzen konnte, doch es sollte eine der wenigen Tormöglichkeiten bleiben.
Benficas Kompaktheit und schematische Höhe – oder: Wieso das 4-5-1 von ManUtd scheiterte
Da Benfica wie erwähnt sehr hoch agierte, aber den Ballbesitz Manchester aufbürdete, konnten sie sich rein auf das Verschieben konzentrieren. Sie spielten sehr eng aneinander und ließen zwischen Cardozo und dem Mittelfeld ein kleines Loch, was Manchester United für einen geregelten Spielaufbau nutze. Dadurch stand Benfica allerdings im Zentrum extrem kompakt und hatte zwei Viererkette und den zentralen Aimar hinter dem Ball, was zu einer Isolation Giggs‘, den Außenspielern Manchesters und besonders Rooneys vom Spielgeschehen führte. Die Gäste versuchten deshalb das Spiel breit zu machen, doch dies brachte kaum was, da sie auch auf den Außen immer zwei Gegenspieler vor sich hatten und man hätte vielmehr das Spiel in die Tiefe ziehen sollen, doch selbst Chicharitos Einwechslung in der zweiten Halbzeit, der in diesem Bereich extrem stark ist, konnte das Problem nicht lösen, da es generell zu wenig Kreativität und Dynamik gab. Rooney selbst stellte da ein Problem dar, denn er versuchte einige Male aus dem Mittelfeld heraus das Spiel zu machen, doch da er der einzige Stürmer war, gab es keine zentrale Anspielstation, abgesehen von Giggs, der exklusive seines tollen Tores etwas müde wirkte und dem Spiel nicht seinen Stempel aufdrücken könnte. Mit Cleverley und Anderson im Mittelfeld, die nicht nur einfallsreicher, sondern auch offensiver als Fletcher und Carrick agieren, hatte man in der Liga einige tolle Spiele zeigen können, doch da Anderson geschont wurde und Cleverley verletzt fehlte, zeigte man eine schwache Leistung im Offensivspiel. Ein weiterer Punkt war das Fehlen Welbecks, der mit seinen starken Läufen ohne Ball Rooney Raum und/oder Anspielstationen gab. Benfica nutzte das Fehlen dieser drei Akteure sehr gut zu ihren Gunsten und infiltrierten Manchesters Formation durch schnelles Konterspiel. Da die Engländer das Spiel breit machten, aber nicht nach vorne kamen, waren die Konter Benficas umso schneller, weil man weniger Raum überbrücken musste und es bei schnellem Umschaltspiel viele Schnittstellen in der gegnerischen Formation gab.
Die Rolle Amorims und die Folgen seiner Auswechslung
Amorim rückte auf links statt dem offensiveren Nolito ins Team. Dies hatte die Ursache darin, dass man einen defensivstarken Gegenspieler für Evra und jemanden zum Verfolgen Parks hatte, was gänzlich klappte. Da Ruben Amorim sowohl als defensiver Mittelfeldspieler wie auch als Außenverteidiger agieren kann, war er für diese Rolle dank seiner Flexibilität perfekt geeignet und weil er sich offensiv großteils zurückhielt, was zu einer Rechtslastigkeit im System führte. Allerdings war dies keineswegs schlecht, er sicherte den offensiveren Außenverteidiger ab, bot eine sichere Anspielstation und kümmerte sich um das Stopfen von Löchern in Defensivverbund. Dennoch wurde er später durch Nolito ersetzt, der mit Gaitan die Seiten tauschte. Man versuchte dadurch etwas offensiver zu agieren, was einen Tausch der beiden zentralen Mittelfeldspieler zufolge hatte. Javi Garcia agierte nun auf der halbrechten Position und half Nolito bei der Defensivarbeit, was ganz gut klappte. Später kam Matic ins Spiel, der das Zentrum noch dichter machte, um Nolito weiter zu entlasten, diese feinen taktischen Züge wurden allerdings mit keinem Treffer belohnt, sind aber dennoch ein Lob wert, denn sie waren neben der läuferischen Leistung (sieben Kilometer mehr als ManUtd) die Hauptursache für das gute Spiel der Portugiesen.
Fazit
Eine sehr interessante Taktik Benficas wurde leider nur mit einem Punkt belohnt, doch es war eine taktische Meisterleistung von Jorge Jesus und seiner Mannschaft, da man trotz einer hohen Verteidigung bei wenig Ballbesitz nur sehr wenige Chancen zuließ – am Ende hatte man sogar ein klares Chancenplus. Manchester fehlte es an den Basisdingen wie Bewegung ohne Ball, Kreativität und Ausnutzen des freien Raumes, doch dies dürfte hauptsächlich an der neuen Formation und den vielen Neuen in der Startaufstellung gelegen haben. Es wird interessant, wie sich Manchester im weiteren Verlauf dieser Champions League beweisen wird, ebenso wie Benfica.
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