Brasilien – Venezuela 0:0
Mit Brasilien tat sich der zweite Gigant Südamerikas schwer in seinem ersten Spiel bei dieser Copa America.
Der fünffache Weltmeister kam mit einer Nullnummer nur zu einem Punktgewinn gegen den Underdog Venezuela, welches die zweite große Überraschung bei diesem Turnier für sich verbuchen konnte.
Taktisch agierte Venezuela zwar ähnlich wie Bolivien gegen den Gastgeber Argentinien, doch Brasilien scheiterte viel mehr an seiner Überheblichkeit und Verspieltheit, als an der defensiven Stärke der Venezuelaner.
Wechselwirkung der jeweiligen Taktiken
Venezuela orientierte sich an der erfolgreichen Taktik der Bolivianer und spielten in einem 4-4-1-1 mit wenigen Löchern zwischen den zwei Viererketten und einer möglichst engen Defensivreihe, die Schnittstellen zu schließen versuchte.
Mano Menezes ließ seine Mannschaft fast schon klassisch brasilianisch auflaufen: zwei sehr offensive Außenverteidiger, eine klassische Nummer Zehn als Spielmacher, eine technisch starke Doppelsechs und vorne drei Dribbler, die taktisch viele Freiheiten hatten.
Insgesamt war die Mannschaft viel offensiver ausgerichtet als die Elf seines Vorgängers Dunga, der aufgrund seiner pragmatischen Fußballphilosophie letztendlich entlassen wurde: Brasilien wollte den Futebol Arte zurück.
Die ersten zehn Minuten sah es auch ganz danach aus, dass diese Mannschaft ihren Gegner nur mit Zauber zerlegen könnte, doch bald zeigte sich ein klassisches Problem solcher Mannschaften, die Verspieltheit.
Viele schöne Angriffe der ersten Minuten wurden nur ungenau oder zu umständlich zu Ende gespielt, Neymar vertändelte eine große Chance in den Anfangsminuten, weil er sich bis in den Fünfmeterraum dribbeln wollte.
Zu Gute halten muss man den Brasilianern jedoch, dass sie zu Beginn durchaus Erfolg hatten und trotz der rigorosen defensiven Orientierung des Gegners einige Chancen hatten, insbesondere die Rochaden des Sturmtrios und die perfekten Ballannahmen unter Bedrängnis zeigten die technische Überlegenheit dieser Mannschaft.
Mit der Zeit wurden die Chancen weniger, Spielmacher Ganso kam mit der Aggressivität Rincóns und Lucenas nicht zurecht und das isolierte Sturmtrio ermüdete bald. Je weniger Rochaden sie machen konnten, umso einfacher zu decken waren sie und letztlich sorgten nur noch Einzelaktionen für leichte Gefahr, doch das kostete noch mehr Energie und das Angriffsspiel der Selecao starb merklich ab.
Im Gegenzug versuchte Venezuela den Raum der aufgerückten Außenverteidiger zu nutzen, doch die Angriffsbemühungen waren ineffektiv und die Laufarbeit Mikus und Rondóns wurde nie mit einem tödlichen Pass in die Schnittstelle belohnt, was an der individuell hervorragenden brasilianischen Defensive lag.
Thiago Silva rückte oft zwischen defensives Mittelfeld und die übliche Höhe der Verteidigungslinie auf, um Lochpässe abzufangen – seine Antizipation ist ebenso wie die von Lucas Leiva, der deutlich tiefer agiert als Ramires und nahezu als klassische Sechs agierte, absolut zu loben.
Chelseas Ramires zeigte ein schwaches Spiel und blieb blass, gleichfalls der Linksverteidiger André Santos, der nie zusammen mit Neymar für gefährliche Kombinationen auf links sorgen konnte.
Eines der Grundprobleme der brasilianischen Offensive waren –neben des schwachen Ramires- die Außenverteidiger. Daniel Alves zeigte zwar eine gute Partie, doch auch er vernachlässigte seine offensive Hauptaufgabe: das Hinterlaufen der Außenstürmer, die Verbreiterung des bespielten Platzes und Flanken in den Strafraum.
Der Rechtsverteidiger des FC Barcelona zeigte sich im Laufe des Spiels vermehrt in der Zentrale und verengte dort den Raum noch mehr, was dafür sorgte, dass Ganso noch unauffälliger wurde.
Venezuela konnte sich somit auf das Verteidigen eines kleinen Raumes konzentrieren und mit etwas Glück dieses Unentschieden erreichen – Daniel Alves war in diesem Spiel das Musterbeispiel einer sehr starken individuellen Leistung, die im taktischen Gesamtkontext jedoch als kontraproduktiv anzusehen ist.
Die Einwechslungen des Wingers Lucas für Pato und des technisch versierteren Elano für Ramires konnten deshalb am Grundproblem der brasilianischen Nationalmannschaft nichts ändern und keine nennenswerten Impulse setzen.
Fazit
Trotz einer guten Anfangsphase kann man den Brasilianern kein gutes Spiel attestieren und in weiterer Folge muss man überlegen, ob der Futebol Arte im modernen Fußball noch erfolgreich umzusetzen ist.
Es scheint, als ob sämtliche Mannschaften das Verteidigen gelernt hätten, die Viererketten stehen sehr eng und die taktischen Fehler werden immer seltener, wie man auch im Spiel Boliviens gut erkennen konnte.
Um solche defensiv-hochwertigen Systeme zu brechen, benötigt man eine mannschaftlich geschlossene gute Leistung und ein effektives Gegenmittel – beides fehlte den Brasilianern an diesem Tag.
Gratulation an Venezuela, die trotz eines dicklich wirkenden Vega im Tor die Null die gesamte Spielzeit über halten konnten.
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