Panama U17 – Deutschland U17 0:2
Das geheime Aushängeschild des deutschen Fußballs, der Jugendfußball, tritt diesen Monat verstärkt ins Rampenlicht. Experten trauen der Mannschaft den Titel zu, doch auf sie wartet noch ein langer Weg – Zwischenstation gestern war das Karibikteam aus Panama, in der Hitze Mexikos kein einfaches Unterfangen.
Das letzte Gruppenspiel der deutschen U17-Nationalmannschaft hatte zwar nur noch die theoretische Möglichkeit eines Scheiterns für das DFB-Team, doch Spielern wie Funktionären geht es in solchen Spielen mehr um Prestige und Bestätigung.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Der Gegner aus Lateinamerika ist für sein schnelles Umschalten bekannt und man sah von Beginn an, dass Panama den Favoriten aus Deutschland durch schnelle Konter und eine tiefer Viererkette ärgern wollte. Das DFB-Team wirkte etwas unkonzentriert und überheblich, Starspieler Emre Can beispielsweise versuchte sofort nach dem Anstoss bereits einen tödlichen Pass in die Spitze – der spektakulär scheiterte.
Panama agierte in seinem typischen 4-4-2 mit flacher Vier im Mittelfeld, die deutsche Mannschaft spielte wie die Herrenmannschaft in einem 4-2-3-1.
Weiser agierte im rechten Mittelfeld recht klassisch, je nach Belieben zog er Richtung Grundlinie oder auch in den Strafraum, doch die linke Seite der Deutschen war die eindeutig spektakulärere. Emre Can sicherte den nach-innen-ziehenden Außenstürmer Aydin von Bayer Leverkusen immer wieder gut ab und jener dynamische Flügelspieler sorgte oft mit seinen gefährlichen Abschlüssen für Gefahr bei Panama.
Die Panamaer versuchten mit einer sehr engen Viererkette den Deutschen keine Angriffsmöglichkeit zu bieten, doch sie waren zu sehr auf das Linienspiel und das Schließen der Schnittstellen fokussiert, die beiden Tore fielen aufgrund dieser Fehler.
Als Aydin nach innen zog und wunderschön ins lange Eck vollstreckte, wurde er von seinem Gegenspieler nicht ausreichend bedrängt – beim zweiten Tor stand man zu eng und der offensivorientierte Röcker konnte bis zur Grundlinie durchbrechen und von dort in den Rücken der Abwehr zum ungedeckten Weiser flanken. Weiser ließ sich nicht lumpen und krönte seine starke Leistung mit einem sehenswerten Treffer.
Defensiv agierte Deutschland sehr solide, Emre Can konnte die meisten Vorstöße im Mittelfeld unterbinden und González, der verkappte Spielmacher Panamas, konnte kaum Vertikalpässe anbringen.
Hervorzuheben sind dafür Aycicek und Mende, die den Raum zum zweiten zentralen Mittelfeldspieler Panamas verdeckten und den Spielaufbau des Gegners zum Erliegen brachten.
Die Rochaden von Santamaría und Pinzón, die abwechselnd einen inversen Winger auf links oder einen verkappten Zehner auf rechts zu geben versuchten, waren somit zur Ineffektivität verdammt. Einzig der athletische Stephens konnte für Anzeichen von Gefahr sorgen, doch Perrey und Günter hatten ihn gut im Griff.
In der zweiten Halbzeit verflachte das Spiel zusehends, die deutsche Mannschaft begnügte sich damit, die Passwege im Mittelfeld zuzustellen und Panama fand kein Mittel dagegen.
Als Aydin in der 65. Minute die rote Karte nach einem harten Einsteigen gegen Goot sah, hätte noch Spannung ins Spiel kommen können, doch Steffen Freund auf der Trainerbank fand schnell eine effektive Lösung: Emre Can agierte noch weiter vorne als Staubsauger und man spielte ein 4-1-3-1, der Ball wurde früher erobert und indem man ihn in den eigenen Reihen laufen ließ, konnte Panama ihre Überzahl nicht ausnutzen – die überlegene Physis und Ausdauer der deutschen Spieler sorgten dafür, dass man dies bis zur letzten Minute vollführen konnte.
Fazit
Keine Glanzleistung der deutschen Mannschaft, aber man offenbarte keine Schwächen und spielte abgezockt und intelligent.
Die Fehler bei Panama lagen in der zugelassenen Isolation vom halblinken Mittelfeldspieler Cedeno, der zu weit vorne postierten Außenmittelfeldspieler und der zu strikten Viererkette, die die Außen den Deutschen überließ. Die Passgeschwindigkeit ließ ebenfalls zu wünschen übrig und Deutschland konnte ohne Probleme die Pass- und Laufwege versperren, was zu einer hohen Ballbesitzquote Panamas bei gleichzeitiger Ineffektivität führte. Selbst die Einwechslung des offensivorientierten Wright ins LZM konnte das grundlegende Problem ändern, Steffen Freunds taktische Reaktion auf die rote Karte hingegen war aller Ehren wert.
Auffällig waren auch die verschiedenen Eckenvarianten der deutschen Mannschaft, was auf eine Fokussierung des Trainings auf den spieltaktischen Schwerpunkt schließen lässt.
5 Kommentare Alle anzeigen
Donaldo 28. Juni 2011 um 11:08
Ich hoffe, dass Robin Yalcin bis zum Achtelfinale wieder fit wird. Bin schon gespannt, wie Freund den gesperrten Aydin ersetzen wird.
Für mich gibt es dort zwei mögliche Varianten:
1.) Emre Can schiebt eine Position nach vorne und übernimmt die Position von Levent Aycicek, der dafür ins linke Mittelfeld rückt. Robin Yalcin würde dann neben Sven Mende auf der Doppelsechs spielen.
——Mende—–Yalcin——
Weiser——Can——–Aycicek
————–Yesil——————-
Für diese Variante spricht ein kompaktes und zweikampfstarkes Mittelfeld (mit Mende und Yalcin zwei eher defensiv orientierte Spieler, die aber über eine gute Übersicht und über Ruhe am Ball verfügen. Can würde das Spiel als zentraler Mann vor der Doppelsechs mit seiner Dynamik und seiner guten Spielübersicht dirigieren. Auch bei der EM schlüpfte er bereits in diese Rolle Aycicek könnte von Außen aus in die Mitte ziehen und dort für die nötigen Überraschungsmomente und cleveren Pässe sorgen. Zumal er mit Röcker einen offensivstarken Außenverteidiger hinter sich hat, der die Linie entlang gehen kann.
2.) —–Yalcin—-Can—–
Weiser—Aycicek—-Schnellhardt
—————-Yesil——————-
Mende müsste dabei seinen Platz räumen, Robin Yalcin würde übernehmen. Mit Yalcin und Can hätte man eine eingespielte Doppelsechs, davor einen sehr kreativen Zehner mit Aycicek. Schnellhardt wäre auf den Außen eher ein klassischer Winger, da sein starker Fuß der linke ist und er gern ins Eins-gegen-Eins mit dem gegnerischen Außenverteidiger geht. D.h. er wäre im Gegensatz zu Aycicek kein inverted winger. Quaschner und Ducksch sind für mich Mittelstürmer, keine Spieler für die Außenpositionen im 4-2-3-1, auch wenn Freund das schon einige Male versucht hat.
Mal sehen, wie Steffen Freund das ganze lösen wird. Auf jeden Fall eine sehr spannende Frage.
RM 28. Juni 2011 um 11:16
Persönlich gehe ich -aufgrund der starken Leistung Mendes und dem Risiko einer Systemänderung- von Variante 1) aus, aber man weiß ja nie.
Somit würde man das Grundsystem beibehalten und mit Can im offensiven Zentrum auch mehr Mittelfeldhochheit erzwingen, bei Variante 2) würde man rein über die Seiten spielen und müsste die Offensive vollends auf Yesil anpassen bzw. auf tödliche Pässe Ayciceks. Ein riskantes Unterfangen.
Donaldo 28. Juni 2011 um 11:22
Ich würde auch Variante 1 favorisieren, man würde seinem System treu bleiben und deutlich flexibler agieren können als bei Variante 2. Vor allem die Variante mit dem inverted winger hat die Gegner bisher vor große Probleme gestellt, sodass ich diesen Aspekt im Achtelfinale nicht missen möchte. Mit zwei klassischen Außen wäre man leichter auszurechnen, viel Verantwortung würde dabei auf Aycicek und Yesil fallen. Deshalb spreche ich mich klar für Variante 1 aus. Auch wenn wir uns einig sind, schlussendlich entscheidet aber der Trainer.
Donaldo 28. Juni 2011 um 10:39
Schöne Analyse! Finde ich klasse, dass ihr auch Spiele der U17-WM genauer unter die Lupe nimmt.
Ich traue dem deutschen Team den Sprung ins Halbfinale (oder sogar mehr) zu. Die Abwehr vor dem starken Rückhalt Vlachodimos hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten mittlerweile stabilisiert. Vor allem für den Schachzug Weiser auf seine beim Verein gewohnte Rechtsaußenposition zu ziehen und Kaan Ayhan als Rechtsverteidiger einzusetzen muss man Trainer Freund loben. In der Innenverteidigung überzeugt mich der Dortmunder Koray Günter, der sowohl über Robustheit aber auch über gute technische Fähigkeiten verfügt.
Im Mittelfeld hat man mit Robin Yalcin, der von Sven Mende adäquat ersetzt wird, ein hervorragendes Bindeglied zwischen Defensive und Offensive. Zudem mit Emre Can einen unermüdlichen Antreiber, der sowohl am eigenen Strafraum Zweikämpfe gewinnt und Bälle erobert als auch das Spiel nach vorne durch seine Dynamik antreibt. Allerdings sehe ich bei ihm noch ein wenig Luft nach oben. Zudem hat man mit Levent Aycicek einen klassischen Spielmacher, der aber auch die Defensive nicht vernachlässigt und damit das Spiel des Gegners im Mittelfeld entscheidend stört (zusammen mit Can und Yalcin/Mende).
Auf den Außen zeigt der inverted winger Okan Aydin bisher hervorragende Leistungen. Immer wieder zieht er mit Tempo zur Mitte, sucht dann entweder den Abschluss oder schafft Platz für Röcker, der dann genügend Platz zum Flanken hat. Über Samed Yesil braucht man nicht viel zu sagen. Auch wenn er in den letzten zwei Spielen ein wenig glücklos wirkte, ist er ein echter Torjäger, der auch den Blick für den Nebenmann nicht vermissen lässt.
Zusammengefasst verfügt die Truppe über großes Potenzial, sowohl individuell als auch mannschaftlich gesehen. Taktisch scheint sich das Team in den letztem Spielen auch immer mehr zu finden. Wie schon gesagt, traue ich diesem Jahrgang im weiteren Verlauf des Turniers noch einiges zu.
RM 28. Juni 2011 um 10:47
Danke für das Lob.
Ich sehe das großteils wie du, bei Kaan Ayhan ist seine Flexibilität hervorzuheben – spielt sowohl im zentralen Mittelfeld als auch als rechter Verteidiger grundsolide und spielintelligent, ist ein gutes Pendant zum offensiveren Röcker auf links.
Auf Robin Yalcin und den Ersatz für den gesperrten Aydin bin ich sehr gespannt.