Mexiko – Kroatien 3:1

Kroatien verabschiedet sich aus dem Turnier. Gegen Mexiko fehlen die Verbindungen zwischen allen Mannschaftsteilen, wodurch sich Kroatien dem mexikanischen Pressing nicht entziehen konnte.

Vor dem Turnier waren die Erwartungen an die kroatische Mannschaft groß. Das Team vom Balkan vereint mehr individuelle Klasse als viele andere Nationen – Mandzukic, Rakitic, Modric lassen Fußballfans mit der Zunge schnalzen. Die Frage lautete jedoch: Kann Trainer Niko Kovac die individuelle Klasse der einzelnen Stars miteinander kombinieren? Gegen Brasilien sah es lange Zeit so aus, während man gegen Kamerun von einer roten Karte profitierte. Für das entscheidende Spiel gegen Mexiko muss man leider feststellen: Mission nicht geglückt.

Grundformationen zu Beginn des Spiels

Grundformationen zu Beginn des Spiels

Kroatien ohne Synergien

Kroatien begann das Spiel in einer Formation, die irgendwo zwischen einem 4-3-3 und einem 4-2-3-1 zu verordnen ist. Der Spagat zwischen den zwei Formationen lag an der Rolle von Luka Modric: Er agierte als höchster der drei Mittelfeldspieler und sollte aus dem rechten Halbraum die Mannschaftsteile miteinander verbinden. Ivan Rakitic, ab kommender Saison beim FC Barcelona tätig, startete von der Sechserposition und gestaltete den Spielaufbau.

Praktisch über die gesamte Spielzeit hinweg hatten die Kroaten jedoch Probleme mit der Verbindung der Mannschaftsteile. Modric war im rechen Halbraum bzw. bei seinen Ausflügen auf den rechten Flügel eingeklemmt. Es gab praktisch keine Synergien mit den Spielern um ihn herum; Perisic zog früh ins Zentrum und suchte den Durchbruch an der letzten Linie, kam aber nie hinter die gegnerische Abwehr, da diese sich recht tief positionierte. Währenddessen hielt sich Rechtsverteidiger Srna stark zurück. Modric war irgendwo zwischen den beiden, aber nur selten in der Position, das zu tun, was er so gut kann – den Ball abschirmen und ihn auf die Kollegen um sich herum ablegen.

Flügelfokus ohne Durchschlagskraft

Kroatiens Spiel konzentrierte sich eher auf die linke Seite, wo die Kroaten jedoch weniger spielerisches Potential hatten. Pranjic und Vrsaljko waren bemüht, über die linke Seite durchzubrechen. Sie konnten sich aber nur selten bis an die Grundlinie kombinieren und spielten sich am Pressing der Mexikaner fest. Kroatiens Spiel war damit zwar stark auf die Flügel ausgerichtet, durch das frühe Einrücken der Außenstürmer und fehlende Kombinationen mit Modric auf rechts konnten sie den Flügelfokus nie bis an die Grundlinie tragen.

Frühe Flanken und zahlreiche Seitenwechsel waren die Folge (sehr ansehnlich in diesem Kontext: die Passmatrix von Rakitic und Modric aus der ersten Halbzeit, die fast nur aus Flügelwechseln besteht). Die Intention, die Fünferkette der Mexikaner auseinanderzuziehen und die Wing-Backs nach hinten zu drücken, war gar nicht schlecht. Allerdings ist dieses Mittel wenig vielversprechend, wenn der Seitenverlagerung keine Attacken über die Flügel folgt.

Mexikos Pressing

Besonders große Probleme hatten die Kroaten, sobald Mexiko sich aus der Defensive herauswagte und ein hohes Pressing spielte. Mexiko wechselte gekonnt zwischen hohem Pressing und Phasen, in denen sie in einem engen 5-3-2 standen. Den Unterschied machten vor allem die Wing-Backs, die mal sehr hoch pressten und die kroatischen Außenverteidiger anliefen, in anderen Situationen aber wiederum sehr tief blieben. Auch die beiden Achter und die Stürmer bewegten sich viel.

Mexiko konnte zwar nur selten wirkliche Überzahlen in Ballnähe schaffen, durch ihr dynamisches Anlaufen und die Laufarbeit der Achter und Stürmer hielten sie den Druck dennoch hoch. Ihr intensives Anlaufen wirkte hektisch, übertrug diesen Effekt aber auf die Kroaten. Diese spielten recht unkoordiniert aus der Verteidigung und schlugen lange Bälle, anstatt die Verbindungsspieler im Mittelfeld einzusetzen.

In der ersten Halbzeit wirkte Mexiko daher potentiell gefährlicher, auch wenn sie ihre Engenkombinationen durchs Zentrum (schnelle Vertikalpässe und Ablagen) nicht so riskant ausspielten wie in den ersten beiden Partien – kein Wunder, schließlich reichte ihnen ein Unentschieden. Dennoch waren sie die dominante Mannschaft z;war nicht von den Ballbesitz-Werten, dafür aber lenkten sie den Gegner über ihre Defensive und waren stets in den entscheidenden Räumen auf den Flügeln präsent.

Mexiko mit Standards und Kontern zum Sieg

Nach der Pause schien es zunächst so, als würde Kroatien besser ins Spiel finden. Zunächst ging Modric auf die halblinke Seite, wo er eine bessere Anbindung an Olic und Vrsaljko fand als auf der anderen Seite. Kurz darauf wechselte im Zentrum. Das alte Problem blieb aber: Der Zehnerraum verwaiste, während die Flügelattacken nicht zu Ende gespielt werden konnten, da die Außenstürmer sehr früh einrückten. Kroatien konnte mit Kovacic den Ball zwar besser zirkulieren lassen, kam dem gegnerischen Tor aber nicht näher.

Das Spiel kippte endgültig, als Kovac zwanzig Minuten vor Schluss offensiv wechselte. Er brachte Rebic für Olic. Rebic postierte sich auf der linken Seite wesentlich höher als Olic und arbeitete auch weniger nach hinten. Auch Perisic war praktisch nur noch in der Offensive zu finden. Kroatien hatte nun große Probleme, die zahlreicher werdenden Flügelattacken Mexikos zu verteidigen. Die Einwechslung von United-Star Hernandez verstärkte diesen Effekt – er wich oft auf die Flügel aus und war vor allem auf der rechten Seite präsent.

Kovac wirft alles nach vorne

Grundformationen in den Schlussminuten

Grundformationen in den Schlussminuten

Nach dem Führungstor der Mexikaner nach einer Standardsituation verschlimmerte Kovac die Probleme auf dem Flügel, indem er seinen Linksverteidiger zugunsten eines Stürmers opferte. Das klingt zunächst einmal seltsam, war aber genauso, wie es da steht: Kroatien spielte praktisch ohne Absicherung der linken Defensivseite. Zwar hätte wohl Rebic die Position übernehmen sollen, er positionierte sich allerdings weiterhin wie ein Linksaußen. Die Verteidiger rückten zunächst auch nicht ein, sondern spielten weiter so, als wäre es noch eine Vierer- und keine Dreierkette. Da braucht man fast nicht zu erwähnen, dass Mexiko sowohl das 2:0 als auch die Szene, die zur Ecke zum 3:0 führten, über die eigene rechte Seite einleitete.

Allerdings muss man festhalten, dass Kroatiens Gerüst am Ende wohl für eine veritable Schlussoffensive mit der Brechstange gereicht hätte – hätten sie nicht so früh 0:3 zurückgelegen. Gleich vier Spieler besetzten durchgehend den Strafraum, während Modric und Rakitic sie aus der Tiefe mit Bällen fütterten. Kovacic sammelte wiederum die zweiten Bälle auf. Durch die nun eher freien Rollen der Offensivkräfte konnte Kroatien die Halbräume überladen und zum ersten Mal im Spiel sehenswerte Kombinationen von den Flügeln ins Zentrum tragen. Eine dieser Kombinationen führte zum 1:3 – es war aber nicht mehr als eine kleine Korrektur des Ergebnisses.

Fazit

Viel spielerische Klasse im Mittelfeld, viel Durchschlagskraft in der Offensive und ein Flügelfokus – auf dem Papier klingt das Rezept der kroatischen Mannschaft bei dieser WM nicht schlecht. In der Praxis schien es eher so, als verdärben zu viele Ideen den Taktikbrei. Die strategischen Stärken des Mittelfelds konnten gegen Mexiko zu keiner Zeit mit der hohen Durchschlagskraft der drei Offensiven kombiniert werden.

Kroatien musste sich so stark aufspielenden Mexikanern geschlagen geben. Sie gehören zu den wenigen Teams bei dieser WM, die Engenkombinationen durch das Zentrum wenigstens versuchen. Zudem sind sie defensiv sehr stark; ihr Pressing besticht mit Lauf- und Willensstärke, während sie defensiv immer wieder aus ihrer Fünferkette herausschießen. Der situative Wechsel zwischen Fünfer- und Viererkette erinnert von der Dynamik her an das System der Niederländer. Im Achtelfinale steht nun die spannende Frage im Raum, welches 5-3-2-System sich durchsetzen wird – das der Mexikaner oder das der Niederländer.

Lino 24. Juni 2014 um 09:41

So langsam wirds Zeit für einen taktiktheoretischen Artikel zum Thema „Wie schlage ich ein 3/5/2 bzw. 5/3/2?“ 😉
Es verfestigt sich immer mehr der Eindruck, dass europäische Mannschaften überhaupt keinen Plan haben, wie sie das bespielen sollen. Einzig die Niederländer kommen damit klar – aber die wenden ja quasi die gleiche Taktik an.

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Schimanski 24. Juni 2014 um 10:43

Ein 5-3-2 wird auf für Deutschland schwer zu knacken sein. Ganz pragmatisch formuliert, opfert das 5-3-2 einen Flügelspieler auf jeder Seite und hat dafür im Zentrum zwei mehr. Eine brutale Zentrumkontrolle.

Da auch Löw die Flügel im letzten Drittel ungern bespielt und die jetzige Besetzung mit zwei IV auf den defensiven Außen und zwei Zehnern auf den offensiven Außen wenig offensive Explosivität hat, sehe ich da wenig Möglichkeiten.

Eigentlich fällt mir nur die klassische Möglichkeit mit Hinterlaufen und Überladen ein. Dafür muss aber System und Peronal angepasst werden. Anscheinend hat man dieser Lösung aber kein Interesse. Oder ist das Festhalten am 4-3-3 ein großer Bluff?

Im 4-3-3 könnte man versuchen die Lücken beim situative Herausrücken aus der Dreierkette, was die Holländer sehr weiträumig und aggressiv fabriziert haben, zu nutzen. Özil und Götze traue ich das vom Spielintellekt und den fussballerischen Möglichkeiten zu, aber man muss auch erstmal in diese Zone kommen.

Mehr als zwei-, dreimal wird man da aber nicht durchkommen und dann muss der Abschluß sitzen. Oder halt nen Standard. Vor meinem geistigen Auge sehe ich aber eher ein 90-minütiges Ballgeschiebe alà Belgien. Meistens kommt es aber anders…

P.S. Ich würde mich auch über einen SV-Spezial zum 5-3-2 freuen 😉

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Koom 24. Juni 2014 um 10:51

2 Gedanken dazu:

Renaissance des Defensivfußballs. 3/5er-Kette wird man häufiger sehen und ist in der Grundhaltung ja sehr defensiv. Da die Taktik für sich nicht viele „normale“ Schwachstellen bietet, kann man es entweder mit Überladungen im Zentrum versuchen, also dort mit 3 Stürmern agieren, was aber sehr mutig ist (aber gehen kann – Löws Grundaufstellung könnte das vielleicht bringen).

Häufiger wird man aber IMO vielleicht sogar wieder den klassischen Flankenläufer + Kopfballabnehmer sehen. Der kleinere, technikstarke „Mittelstürmer“ hat es IMO gegen die massierte Verteidigeranzahl sehr schwer, also wird man etwas mehr das Zufallsprodukt versuchen zu stärken. Zudem braucht man für so ein „Offensivkonzept“ dann auch nur die wenigen Leute, die man auch zur Verfügung hat. Siehe Niederlande: Effektiv haben die 3 Offensivspieler auf dem Platz. Der Rest ist in erster Linie defensiv orientiert.

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mh 24. Juni 2014 um 16:09

Ich denke, man muss die Halbräume zwischen AV und den äusseren IV bespielen. Das können Özil und Götze im Prinzip schon gut. Für mich eher die Frage, ob man wirklich die eigenr Kette mit 4 IV braucht oder da einen opfert, um mehr Dominanz im MF zu bekommen.

Und zu Kroatien: Wenn man Modric so hoch stellt, nimmt man ihn ja selbst aus dem Spiel. Zudem hätte man mit tieferem Spielaufbau m.E. den Defensivblock der Mexikaner durchaus auch vertikal auseinanderziehen können. Die horizontalen Verlagerungen waren ja ganz gut…

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Libano 24. Juni 2014 um 08:29

Rassiges Spiel der Mexikaner. Zusammen mit den Niederlaendern bieten sie ein taktisches Konzept, an dem sich Deutschland in der jetzigen Ausrichtung wund reiben wuerde. Schade dass beide Teams so früh auf einander treffen werden – auch vom Teamgeist und der Fitness her sind sie nämlich absolute Spitze, und das ohne auf Papier überragendes Spielermaterial (Robben mal ausgeklammert – der ist zur Zeit der beste Spieler auf dem Planeten). Die grosse Frage ist auch für mich, was im Achtelfinale passieren wird im Spiel mit zwei 5er-Ketten.

Ich bin auch gespannt welche Lehren Löw aus den vergangenen Partien ziehen wird.

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air force 1 24. Juni 2014 um 05:28

Das Spiel lässt sich in zwei einfachen Sätzen auf den Punkt bringen:

Herrera und Vazquez pressen Modric tod. Rakitic fehlt die notwendige Anspielstation und damit ist der Motor von Kroatien abgeschaltet.

Habe mich gefragt was wohl mit Khedira und Lahm in der Form von Samstag gegen Mexiko passiert wäre? Modric hat unter Druck 5-6 Ballverluste gehabt- absolut untypisch für ihn. Wie viele wären es wohl bei Lahm oder Khedira gewesen?

Wie hätte Kroatien reagieren müssen? Olic oder Peresic raus und einen zusätzlichen spielstarken Mann fürs Mittelfeld rein. Die Kroaten haben überhaupt keine Kontrolle über das MF gewinnen können. Sie wurden fast permanent mannorientiert unter Druck gesetzt und zu Ballverlusten gezwungen.

Kovac sorgt selbst für den Sargnagel: er bringt zwei weitere Stürmer löst jedoch das Problem des Spielaufbaus nicht- die Stürmer hängen ohne Bindung allesamt in der Luft- stehen viel zu weit Vorne.

Das Spiel MEX- KRO hat mich irgendwie an Chile – SPA erinnert. Auch die Spanier wurden im Mittelfeld permanent unter Druck gesetzt- wobei es Chile immer wieder gelungen ist mit Dreiecksformationen die Lauf- und Passwege komplett zuzustellen.
Matchplan Mexiko perfekt aufgegangen,.

Anscheinend hat van Gaal als bisher einziger europäischer Coach eine Antwort auf die südamerikanische Mittelfelddominanz gefunden. Die Gelbsperre für Keyplayer Vazquez dürfte ihm in die Karten spielen.

Ein Wort noch zu Marquez: für mich seit vielen Jahren einer der weltbesten IV überhaupt. Ein absoluter Führungsspieler der sein Team mitreißt. ;Marquez, Herrera und Vazquez bilden das zentrale Dreigestirn bei MEX. Sie kontrollieren die Mitte und damit die Schaltzentrale des Matches.

Jetzt kommen Robben und RvP. Neutralisieren sich die 5-3-2 Konzepte gegenseitig? Beide Teams wären unangenehm für BRA.

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LM 24. Juni 2014 um 10:04

Allerdings müsste Brasilien erstmal Chile schlagen und das sehe ich momentan ehr nicht…sie kriegen im Moment auch keine Verbindungen im Mittelfeld hin und da sind die Chilenen mal ein mindestens genauso fieser Gegner wie Mexiko oder die Niederlande.

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