Spielstile und Philosophien

Antifußball:

Synonyme: destruktiver Fußball, rechter Fußball, Zerstörerfußball

Ein Term, der extrem defensiv spielende Mannschaften beschreibt, die kaum kreative Momente haben, rein auf die Zerstörung des gegnerischen Spiels ausgerichtet sind und zumeist auch versteckte oder offene brutale Fouls oder andere Unsportlichkeiten nutzen, um sich einen unfairen Vorteil gegenüber der spielstärkeren Mannschaft zu ergattern.

Der Begriff selbst stammt aus dem Jahr 2001, als die Autoren Gary Armstrong und Richard Giulianotti die Mannschaft von Estudiantes de la Plata aus dem Jahre 1968 aufgrund ihrer unfairen Taktiken im Weltpokalfinale 1968 gegen Manchester United als „anti-football“ beschrieben.

Seitdem wird die Bezeichnung fast inflationär benutzt, neben den Mannschaften Mourinhos wurde auch das CL-Team Celtics aus dem Jahre 2004 wie 2010 auf  diese Weise definiert. Fälschlicherweise wird auch das Interteam der 60er, welche als erstes Team europäische Titel mit einer hochdefensiven Ausrichtung gewannen, als eine „Antifußball“-Mannschaft bezeichnet.

Catenaccio:

Synonyme: der italienische Weg, Il gioco gioco all’Italiana, Zona Mista

Der Begriff Catenaccio bezeichnet heutzutage eine sehr defensive Art Fußball zu spielen, ein reaktionäres und auf Konterspiel basierendes System.

Doch der Begriff Catenaccio war eigentlich die Bezeichnung für ein bestimmtes System, welches von Nereo Rocco im Jahre 1947 in Triestina eingeführt und aufgrund seines Erfolges auch von den anderen Topteams gespielt wurde, unter anderem Helenio Herreras „La Grande Inter“.

In diesem System wurden die gegnerischen Spieler gedoppelt, es gab fünf Spieler, die keine Offensivaufgaben hatten und drei weitere, die primär defensiv eingestellt waren. Das System war ein asymmetrisches 3-5-2, welches zwei Vorstopper, einen Ausputzer und auf links einen Wing-Back hatte. Rechts war ein defensiver Flügelmittelfeldspieler zu finden, im Zentrum des Mittelfelds gab es drei Spieler, einer war der defensive Mittelfeldspieler vor der Abwehr, einer der Spielmacher und der dritte ein Box-to-box-midfielder. Davor waren ein hängender Stürmer und ein klassischer Strafraumstürmer platziert.

Das System basierte auf doppelter Manndeckung und Konterspiel und hatte in den 60ern große Erfolge, wurde jedoch spätestens seit der Niederlage Milans 1973 mit 6-0 gegen Rinus Michels‘ Ajax obsolet, da der Fußball sich zu stark verändert hatte für eine solch strikte Anordnung.

Heutzutage wird der Begriff für extrem defensiven Fußball verwendet, unter anderem das Inter Mailand von 2009/10 unter Mourinho und den griechischen Europameister 2004.

Futebol Arte:

Synonyme: das schöne Spiel, joga bonito, the beautiful game

Die Herkunft des Begriffes ist umstritten, einerseits ist der früheste Nachweis aus dem Jahre 1958 als Zitat des brasilianischen Weltmeisters Didi, andererseits behauptet der Kommentator Stuart Hill, er hätte diesen Term in dem gleichen Jahr zur Beschreibung des britischen Fußballers Peter Doherty benutzt.

Im Laufe der Jahre wurde der Begriff oft verwendet, am populärsten jedoch mit der brasilianischen Nationalmannschaft um Zico, Socrates und Falcao, welche 1978 und 1982 die Welt durch ihre herausragenden technischen Fähigkeiten und ihr Kombinationsspiel in Staunen und Verzückung versetzten.

Heutzutage wird diese Bezeichnung für nahezu alle offensiv spielenden Topteams benutzt.

Heroenfußball:

Synonyme: konzeptloser Fußball

Die Bezeichnung „Heroenfußball“ stammt von Volker Finke und bezeichnet  Mannschaften, die ihre Mannschaft ohne einen vorgegebenen Plan trainieren und zusammenstellen. Eingekauft wird nach Namen, das Spielsystem variiert von Trainer zu Trainer und beim Training wird nicht auf die einzelnen Spieler oder ein gewünschtes Spielsystem eingegangen.

Es ist das Gegenteil des Konzeptfußballs.

Horizontaler Fußball:

Dieser Begriff beschreibt ein risikoarmes Aufbauspiel mit vielen Quer- und Rückpässen, welche dafür sorgen sollen, dass man sich dem Tor langsam und geduldig nähert, ohne in Gefahr eines Ballverlustes zu kommen.

Dieses Ziehharmonikaspiel sorgt für konstantes Verschieben beim Gegner, was zu Lücken in der gegnerischen Abwehrkette führt, welche schnell und effektiv genutzt werden sollen.

Kick´n´Rush:

Synonyme: Spiel mit langen Bällen

Kick’n’Rush gilt als das Sinnbild englischen Fußballs, welcher durch eine körperbetonte Spielweise Bälle tief in der eigenen Hälfte erobert und dann mit weiten hohen Bällen auf einen körperlich starken Stürmer viel Raum überbrückt. In weiterer Folge wird entweder der Ball nach hinten zum aufrückenden Kollektiv prallen gelassen (daher kommt auch der Begriff „box-to-box-player“ für solche Mittelfeldspieler) oder der Wandspieler vorne versucht, mit einer Einzelaktion schnell zum Abschluss zu kommen oder einen Standard zu erobern.

Konterfußball:

Synonyme: defensiver Fußball, reaktionärer Fußball, vertikaler Fußball

Als Konterfußball bezeichnet man eine Spielweise von Mannschaften, welche einen tiefstehenden Mannschaftsverbund haben und dann mit möglichst wenig Ballkontakten möglichst viel Raum überbrücken möchten, um schnell zur Torchancen zu kommen.

Obgleich die Schnelligkeit und die Präzision eines solchen Konters sehr spektakulär sein kann und herausragende technische und taktische Fähigkeiten erfordert, wird Konterfußball oft als unschön und destruktiv verschrien.

Konzeptfußball:

Synonyme: Planfußball

Konzeptfußball gilt als eine moderne Art der Mannschaftsführung,  welche sich im Zusammenstellen des Teams und in der Art zu trainieren äußert.

Beim Konzeptfußball wird im Vorhinein von der sportlichen Leitung eine gewünschte Philosophie vorgegeben, die Transfers, das Training und oftmals auch der Trainer und das Spielsystem richten sich nach diesem Plan.

One-Touch-Fußball:

Synonyme: Direktspiel

Der One-Touch-Football beschreibt einen modernen Fußballstil, welcher seine Wurzeln in den Niederlanden der 80er hat und von Arsenal unter Startrainer Arsene Wenger perfektioniert wurde.

Die Idee dahinter ist, dass durch schnelles Abspielen des Balles ohne eine vorhergehende Ballannahme der Gegner nicht effektiv pressen kann und darum Löcher im kollektiven Verteidigungsverbund öffnet, ohne eine realistische Chance auf den Ballgewinn zu haben.

Durch die schnelle Ballzirkulation können diese Löcher dann genutzt werden und die One-Touch-Football-Mannschaft kommt zu einem schnellen Torabschluss.

Andere Vertreter neben Arsenal London sind Hannover 96 und die TSG Hoffenheim.

Possessionplay:

Synonyme: Ballbesitzspiel, Dominanzfußball

Das possessionplay nimmt den Ball in den Fokus statt wie davor üblich den Raum und die Spieler. Die Grundidee basiert auf Johan Cruijff und besteht auf einer Monopolisierung des Ballbesitzes. Ohne Ball kann der Gegner nicht treffen und dies ist der Hauptgrund für das Streben nach dem Ball – je mehr man vom Ball hat, umso mehr Möglichkeiten hat man, ein Tor zu erzielen und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit ein Tor zu bekommen.

Diese Spielphilosophie ist die Grundsäule des Tiqui Taqua, welches Johan Cruijff in seiner Trainerzeit bei Barcelona installierte. Auch das Ajax-Team unter Louis van Gaal in den frühen 90ern hatte eine ähnliche Spielphilosophie.

Tiqui Taca:

Synonyme: Tiki Taka, Ballbesitzspiel, Kurzpassspiel

Das Tiqui Taca gilt als Evolution des totaalvoetbal und basiert auf der Cruijff’schen Idee des possessionplay. Durch konstantes Freilaufen, durch Dreiecksspiel und ein horizontales Kurzpassspiel wird der Ball in den eigenen Reihen laufen gelassen, um den Gegner aus der Verteidigung zu locken und ihn zum Verschieben zu zwingen. Die entstandenen Löcher werden dann durch tödliche Pässe ausgenutzt.

Als Mannschaften, die ein solches Tiqui Taca spielen werden der Welt- und Europameister Spanien und der FC Barcelona seit der zweiten Hälfte der letzten Dekade bezeichnet sowie das Dreamteam des FC Barcelona von 1992 mit dem holländischen Trainer Johan Cruijff.

Neben dem possessionplay ist das positionplay und das aggressive Pressing von extrem hoher Wichtigkeit für diesen Fußball, durch schnelles Rückerobern des Balles und darauf folgende Kurzpässe in den eigenen Reihen wird das Tempo aus dem Spiel genommen und man kann sich sortieren und langsam eigene Angriffe planen und vortragen. Die Spieler tauschen die Positionen, um Löcher in den gegnerischen Defensivverbund zu reißen und dadurch die Effektivität dieses sehr spielerischen Fußballstils zu ermöglichen.

Dieser Fußballstil benötigt eine hohe Athletik, hohe Spielintelligenz und technisch hervorragende Spieler um zu funktionieren, generiert im Normalfall extrem hohe Ballbesitzzahlen.

Der Begriff selbst stammt vom Journalisten Andrés Montes aus dem Jahr 2006, als er den Spielstil der spanischen Nationalmannschaft beschrieb. Tiqui Taca ist der spanische Begriff für Klick-Klack-Kugeln und setzte sich seit der EM 2008 verstärkt im europäischen Sprachgebrauch als Beschreibung des spanischen Fußballstils durch.

Totaalvoetbal:

Synonym: totaler Fußball, das schöne Spiel, Futebol Arte

Der totaalvoetbal bezeichnet einen Fußballstil, der in den 70er-Jahren von Ajax Amsterdam und der niederländischen Nationalmannschaft gespielt wurde.

Der totale Fußball basiert auf einer hohen Athletik und Positionswechseln, welche die gegnerische Mannschaft in ihrer defensiven Ordnung stören. In der Defensive wurde die Raumdeckung, die Abseitsfalle und das Pressing eingeführt, welches dafür sorgte, dass die sehr hohe Zahl an offensiven Spielern abgesichert werden konnte, was in drei aufeinanderfolgenden Titeln für diese Ajaxmannschaft mündete.

Vorreiter des Erfolges war Jack Reynolds, welcher Ajax vor dem zweiten Weltkrieg trainierte und dessen Ideen Ajax damals wie heute prägten. Seine Vorstellung des universellen Fußballers, der alles kann und verschiedenste Aufgaben übernimmt, wurden von Maslov, Lobanovskiy und Ernst Happel übernommen und zu totaalvoetbal-ähnlichen Spielsystemen, sämtliche im 4-3-3 bzw. 1-3-3-3 organisiert, entwickelt, wobei nur die Spielausrichtung seines ehemaligen eigenen Spielers, Rinus Michels, im üblichen Fachjargon als totaler Fußball bezeichnet wird.

Bis heute gilt diese Art Fußball zu spielen als revolutionär und atemberaubend anzusehen und viele Mannschaften, unter anderem der FC Barcelona und Arsenal London, versuchen, diesem Ideal auf verschiedensten Wegen gerecht zu werden, alle mit dem Vorbild des großen Ajaxteams von 1971-73, welches bis heute als „die totale Mannschaft“ um den „totalen Fußballer“ Johan Cruijff verehrt wird, wobei letzterer auch als Trainer dieser Philosophie treu blieb.

Vertikaler Fußball:

Dieser Begriff beschreibt ein risikoreiches Aufbauspiel mit aggressiven Pässen nach vorne. Ziel davon ist es, möglichst schnell vor das gegnerische Tor zu kommen und dem Zuschauer ein Spektakel zu bieten.

Durch die Schnelligkeit der Aktionen und das Ausnutzen von Umschaltmomenten soll der gegnerischen Defensive keine Chance auf eine geordnete Organisation gegeben werden und die Erfolgswahrscheinlichkeit des eigenen Angriffes gesteigert werden.