APOEL Nikosia – Real Madrid 0:3

Keine Überraschungen im Champions League Viertelfinale: Der Außenseiter APOEL Nikosia beschränkt sich auf das Verteidigen und Favorit Real Madrid tut sich schwer – bis Wechsel auf beiden Seiten den Spaniern den verdienten Sieg bescheren.

APOEL Nikosia ist nicht nur die größte Überraschung dieser europäischen Spielzeit, sondern auch ein kleines Effizienzwunder: Sie schafften es ins Viertelfinale der Königsklasse, obwohl sie das Team mit den wenigsten Torschüssen aller 32 Teilnehmer sind. Ihre Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor und ihre gut organisierte Defensive halfen ihnen dabei, u.a. den FC Porto und Olympique Lyon auszuschalten. Auch gegen Real Madrid lautete das Motto: Defensive, Defensive, Defensive.

APOELs Verteidigung

Ihre Verteidigungsstrategie in dieser Partie war nicht unorthodox: Ihre zwei Viererketten bauten sich in engem Abstand zueinander zunächst weit vor dem eigenen Tor auf und schoben mit dem Vorankommen des Gegners immer weiter zurück. Auf diese Art wollten sie den Platz zwischen den Linien kleinhalten – eine Verteidigungsart, die auch in der Bundesliga sehr oft zu sehen ist.

Eine wichtige Rolle kam dabei den zentralen Mittelfeldspielern zu: In der Zentrale engten sie mit einer Quasi-Manndeckung die Kreise von Özil ein. Stets versuchte ein Sechser durch enge Deckung zu verhindern, dass der quirlige Nationalspieler Räume aufreißen konnte. Dazu half ein Sechser jeweils auf den Flügeln aus, um die Gegenspieler zu doppeln. Gerade gegen Cristiano Ronaldo, dessen natürliche Spielweise das Dribbling nach innen ist, schlossen sie schnell den Weg ins Zentrum.

Auf den Außenbahnen fielen die Zyprioten durch eine asymmetrische Formation auf: Die rechte Seite schob etwas weiter vor als die linke. Rechtsverteidiger Poursaitidis ging oft aus der Kette heraus, um Cristiano Ronaldo früh zu attackieren. Sein Vordermann Charalambides war der einzige Mittelfeldspieler, der sich an den zaghaften Konterversuchen nebst den zwei vordersten Spielern Trickovski und Ailton beteiligte. Es war dem Team anzumerken, dass bei Kontern die dynamischen Läufe des gesperrten Manduca von der linken Flanke aus fehlten. APOEL wirkte so noch defensiver als in den vergangenen Spielen – sieben der zehn Feldspieler verließen praktisch nie die eigene Ordnung, selbst bei Ballbesitz nicht.

Madrid linkslastig

Real Madrid tat sich mit dieser defensiven Ausrichtung der Gastgeber enorm schwer. In der ersten Halbzeit fiel auf, wie tief sich Sahin und Khedira fallen ließen. Offenbar wollte Mourinho zunächst mit langen Bällen hinter die Abwehr das enge Mittelfeld der Zyprioten überbrücken, was allerdings nur selten gelang.

APOELs Rechtsverteidiger rückt weit vor und stellt Ronaldo, der Raum hinter ihm wird von Real nicht besetzt. Auch gut zu erkennen: Der Rechtsaußen konnte Coentrao aufnehmen, ohne eine Unterzahl gegen Ronaldo in Kauf nehmen zu müssen.

In der Folge lief fast das gesamte Spiel über die linke Seite. Cristiano Ronaldo konnte sich hier aber nur selten durchsetzen. Mehrere Faktoren waren dafür entscheidend:  Zum einen fehlte Coentrao beim Hinterlaufen die nötige Dynamik. Zum anderen fand er auch in der Mitte keine Anspielstation: Özil wurde von den Gegenspielern sofort gedeckt, die Secher standen zu tief und Benzema und Higuain waren oft unbeteiligt am Kombinationsspiel. Cristiano Ronaldo war deshalb fast immer auf sich alleine gestellt. Da der Portugiese zudem stets nach innen zog, wurde Rechtsverteidiger Poursaitidis für sein weites Vorrücken nicht bestraft, sondern vielmehr belohnt: Er konnte Ronaldo bereits weit vor dem eigenen Sechszehner stellen, der Raum auf dem Flügel hinter ihm wurde selten bis nie besetzt.

All diese Faktoren sorgten dafür, dass Ronaldo noch eigensinniger als sonst wirkte, weil er nahezu immer Alleingang agierte. Dies war aber eher die Schuld der Verteidigung und weniger seine Schuld. Nur zweimal kam es in den ersten 45 Minuten über solch ein Dribbling zur Chance, passenderweise immer dann, wenn Ronaldo zusätzliche Unterstützung durch Sahin bekam. Fairerweise muss man dazu sagen, dass Benzema freistehend vor dem gegnerischen Tor das 1:0 nach einem Zusammenspiel Ronaldo-Sahin hätte machen müssen.

Auswechslungen entscheiden Spiel

Zu Chancen kam Mourinhos Elf in der ersten Halbzeit nur selten. Am stärksten sind die Madrilenen, wenn sie nach einem Ballgewinn, möglichst einem frühen, schnell umschalten können. Mit ihrem starken Ein-Kontakt-Spiel beherrschen sie Konter aus dem Effeff. Jedoch kamen sie in dieser Partie zu selten dazu. Einerseits krankte ihr Pressing an der weiten Entfernung der Spieler zueinander durch die tiefen Rollen der Sechser und der hohen Breite der offensiven Dreierreihe. Andererseits war APOEL penibel bemüht, den Ball nicht lange in den eigenen Reihen zu halten, um ja keine Pressingsituationen zuzulassen – 79% Ballbesitz Madrid sprachen am Ende eine deutliche Sprache.

Erst nach den Wechselspielchen beider Trainer änderte sich das Blatt. Mourinho brachte Kaka (64. für Higuain) für die linke Seite, Ronaldo rückte etwas weiter in die Mitte, Özil nach rechts und Benzema in den Sturm. Zudem ersetzte der in dieser Partie dynamischere Marcelo Linksverteidiger Coentrao. Madrid behielt die Linkslastigkeit bei, durch die zentralere Rolle von Ronaldo wurde jedoch Druck von ihm genommen. Er konnte nun öfters in aussichtsreichen Positionen angespielt werden. Auch nutzte Madrid nun den gesamten Raum bis zur Grundlinie, Marcelo und Kaka gingen öfters weit nach Außen. Mit Benzema hatte das Team im Strafraum zudem einen besseren Anspielpunkt für Flanken, Higuain blieb hier zu oft blass.

Der wirkliche Knackpunkt war allerdings ein offensiver Wechsel des APOEL-Coachs Jovanovic. Er brachte mit Solari eine echte zweite Spitze, das System änderte sich damit leicht: Im Mittelfeld agierte der nach hinten beorderte Trickovski nun leicht höher als sein Partner, es entstand eine sehr enge 1-3-Staffelung. Diese riskantere Ausrichtung, die in den letzten 15 Minuten für Gefahr sorgen sollte, ging nach hinten los: Kaka und Ronaldo besetzten exzellent die kleinen, aber feinen Freiräume hinter der Dreierreihe in der 1-3 Anordnung. Zusammen mit der stärkeren linken Seite machten die Madrilenen schnell zwei Tore (74., 82.), passenderweise gingen drei dieser vier Scorerpunkte an die eingewechselten Marcelo und Kaka. Das 3:0 besorgte ein schneller Konter, den Benzema nach einem sehenswerten Pass von Özil abschloss (90.).

Fazit

APOELs defensive Haltung ging lange Zeit gut. Erst in der letzten Viertelstunde wurde ihnen durch die Wechsel auf beiden Seiten das Genick gebrochen. Dennoch darf starke Verteidigung nicht mit Ebenbürtigkeit verwechselt werden – 28:0 Torschüsse und 79:21% Ballbesitz sprechen eine überdeutliche Sprache. Trotzdem muss den Zyprioten ein Lob ausgesprochen werden – sie haben bewiesen, dass selbst ein Team mit kleinsten Mitteln mit den finanziellen Großmächten in Europa mithalten kann.

Häschber 28. März 2012 um 18:06

Konnte das Spiel leider erst seit der 60. Minute sehen.
Das Abdriften Sahins war überdeutlich. Dass er dies bereits schon zu Dortmunder Zeiten getan hat, ist mir wiederum neu. Aber gut, da hatte ich kaum komplette spiele gesehen..

Oft kam es mir vor als spiele Nikosia eine Fünferkette, wo anscheinend der Rv vorschob, wie von dir beschrieben, und der LM von Özil nach hinten gedrängt wurde..

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Mohamed 28. März 2012 um 15:28

Bild bei Reals Linkslagstigkeit steht Marcelo obwohl es Coentrao war der die Räume nicht dynamisch genug besetzen konnt.

Als Marcelo da war kam Ronaldo übers Zentrum

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ca 28. März 2012 um 14:15

Falls Interesse an Kommerzialisierung besteht, sollte man auf Sahin näher eingehen. 🙂

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TE 28. März 2012 um 15:18

Ach, wir fühlen uns in unserer Nische relativ wohl. Außerdem gibt es da net viel zu sagen – seine Rolle hat der beim BVB recht ähnlich gesehen, mit dem Drang zur linken Seite und dem Zurückfallen auf die LV-Position. Wenn es mehr zu berichten gibt, kannst du dir sicher sein, dass wir die erstn sind, die es tun !

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woody 28. März 2012 um 13:16

danke für die analyse.

zwei anmerkungen: cristiano ronaldo schreibt man ohne Ch
und in der Startformation und auf dem Insert ist Marcelo angeführt. es spielte aber coentrao, der wie im artikel beschrieben ca. mitte der zweiten hz für marcelo weichen musste.
lg

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TE 28. März 2012 um 15:16

Danke für die Hinweise, habe es geändert.

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