Zwischen gutem Angriffspressing und schlechter Ballsicherung – MX

3:1

Frühe Gegentore legen die Basis für den Erfolg des FC Barcelona – Eder Sarabia und der FC Elche unterstreichen jedoch, warum sie sich zunehmend in den Fokus spielen.

Der FC Elche gilt in manchen Kreisen schon seit Monaten als Geheimtipp, denn Eder Sarabia – der schon beim FC Andorra mit seinem Positionsspiel mancherorts Aufsehen erregte – implementierte als weiterer Sohn Pep Guardiolas beim Verein in der Provinz Alicante durchaus ein progressives Aufbauspiel, was etwas an das frühe Como von Fàbregas erinnert. Gerade im Bearbeiten von tiefen Blöcken zeigte man vor allem über viele Rotationen in der Breite und auch gute Muster im Freiziehen der spielmachenden Zehner, welche in der Aufstiegssaison eine Schlüsselrolle eingenommen haben.

Die Grundformation

Bald (vermutlich vor der Winterpause) werde ich mal einen weiteren Blick auf den Coach werfen, nun werfen wir aber zunächst den Blick auf die Partie seiner Elf gegen den Ex-Klub FC Barcelona: Aus einer 4-1-4-1-Grundformation heraus agierte man, bekannt dabei vor allem David Affengruber als rechter Innenverteidiger, Rafa Mir als linker Flügelspieler und André Silva im Sturm.

Der FC Barcelona kam aus einer Niederlage im El Clásico, auch bei Spielverlagerung doppelt aufgearbeitet, mit einer 4-2-3-1-Grundformation: Araújo und García agierten als Innenverteidiger, daneben agierten Balde und Koundé. Caicedo und De Jong agierten als Achter, Yamal und Rashford wie gewohnt als Flügelspieler und dazwischen López. Torres agierte als Stürmer.

Elche im  4-2-4-Angriffspressing

Die Anfangsphase war dabei noch relativ ausgeglichen, wobei sich gerade der FC Elche durchaus aktiv in die Partie kämpfte. Das tat man vor allem aus dem 4-4-2-Angriffspressing heraus. In der ersten Phase des Angriffspressings, bei Ballbesitz von Torhüter Szczesny, welcher meist den Ball hielt, lauerte man zunächst im tiefen Aufbauspiel Barças darauf, dass man die Diagonalpasswege blockte.

Das galt einerseits für die Stürmer Silva und Febas, der als nomineller Zehner im Angriffspressing als zweiter Stürmer agierte. Diese nahmen direkt die Breite der Innenverteidiger von Barça auf. Vor allem agierten auch die Flügelspieler Mir und Valera direkt auf der Breite der katalanischen Außenverteidiger Koundé und Balde. Zwar suchte der Torhüter dann mehrmals die Aufbauauslösung über die Innenverteidiger, die Außenverteidiger von Barcelona waren aber praktisch nicht anspielbar, weil Mir und Valera ihre Mannorientierungen direkt enger fassten. Allgemein lag ein großer Fokus auf den Außenverteidigern.

Grundsätzlich ist das gegen diesen FC Barcelona auch durchaus sinnig, da gerade über die extrem breiten Außenverteidiger der Hauptprogressionspunkt erfolgt – meist auch direkt mit linienbrechenden Pässen ins 1-gegen-1 in der Breite –, was Elche wohl auch über die vertikalen Pressingwinkel unterbinden wollte. Das schaffte man auch durchaus gut, und Barcelona musste immer wieder den langen Ball suchen.

Elche im Angriffspressing

Zwar weist der Torhüter grundsätzlich einen guten Pass über lange Distanzen auf, gerade auch in der Präzision, aber am Ende kamen weniger als 30 % der langen Bälle des Polen an. Woran lag das? Vor allem einerseits an den direkten Manndeckungen der Außenverteidiger auf die Flügelspieler. Andere Gegner nahmen die Breite der Flügelspieler nur reaktiv an – dadurch hatten Rashford und Yamal immer wieder einen gewissen Dynamikvorteil, den man dann im Aufdrehen auch nutzen konnte. Das wollte Elche damit verhindern und tat das auch durchaus gut.

Gerade durch das sehr gute Rückwärtspressing der Flügelspieler schaffte man dann situativ Überzahlpressing in der Breite, womit die Flügelspieler der Katalanen große Probleme hatten, weil dadurch auch der drucklösende Rückpass auf die Außenverteidiger isoliert war. Zusätzlich schoben Neto und Aguado aus dem Zentrum direkt ballorientiert in den Halbraum mit, wodurch sie einige zweite Bälle sichern konnten.  Grundsätzlich lohnt sich aus der Sicht von Barcelona eine gewisse Diskussion darüber, inwieweit die tiefen Achter hier mehr Negativfolgen als Nutzen aufweisen mit ihrer Positionierung. Grundsätzlich dienen sie zwei Zwecken: einerseits den Ablagespielen auf die Innenverteidiger im Dreieck, um sie gegen Bogenläufe von Stürmern freizuspielen und ins Andribbeln zu bringen. Aber diese Pässe suchte man kaum, gerade weil Neto und Aguado so eng markierten.

Zusätzlich dienen sie auch indirekt dem Freiziehen des Zwischenlinienraums für eben lange Bälle, um Rashford und Yamal möglichst viel Raum zum Dribbling und Aufdrehen zu verschaffen. Das impliziert jedoch eine gewisse Isoliertheit. Diese konnte man in den ersten Spielen noch oft darüber hinwegtäuschen, dass man über Lewandowski im Sturm, der auch teils etwas tiefer und früher im Halbraum agierte, zweite Bälle abfangen konnte. Aber Torres agierte wieder – wie schon gegen Real – deutlich zu hoch und dadurch kaum erreichbar für die Flügelspieler. Ein paar Mal konnten die Flügelspieler sogar weiterleiten mit dem Kopf in den Raum hinter die Außenverteidiger, aber durch die zentrale Grundposition und den Antrittsnachteil gegen Affengruber (den man nicht vergessen sollte hier) konnte er daraus kaum die Tiefe erreichen.

Diese Problematik spürten auch die Innenverteidiger von Barça schon nach wenigen Minuten, wodurch sie sich noch breiter postierten. Gerade Araújo agierte nun in der Breite mit Koundé. Daraus konnte man zwar den Pressingwinkel der Stürmer dahingehend bearbeiten, dass er etwas diagonaler wurde, woraus man teils direkt den Pass vom Innenverteidiger auf abkippende Flügelspieler suchen konnte, aber weiterhin tat sich gerade Rashford gegen Pedrosa sehr schwer. Grundsätzlich ergab sich durch die indessen noch breiteren Innenverteidiger durchaus teils die Option, dass man es im 2-gegen-2 bspw. im Spielen&Gehen ausspielt, aber bislang fehlte etwas der Mut, die Außenverteidiger unter direkten Gegnerdruck anzuspielen – obwohl gerade Balde durchaus die Anlagen besessen hätte, sich auch daraus mit Dribbling gegen Valera zu lösen.

Früher Doppelschlag vom FC Barcelona

Dennoch gelang dem FC Barcelona nach zwei frühen Fehlern – unter anderem nach einem Aufbauversuch seitens Elche nach gewonnenem Ball aus dem Angriffspressing heraus – der Führungstreffer: Balde konnte den Ball nach einem Fehlpass von Affengruber erobern und auf Yamal ablegen, der ohne Gegenspieler am langen Pfosten agierte. Allgemein ist das ein Nachteil der Manndeckung: Verlierst du den Ball nach eigenem Ballgewinn, dann stehst du in Gleichzahl gegen einen Gegenkonter da. Gerade durch das extreme Tempo, über das Barça aus der Breite heraus verfügt, ist das durchaus gefährlich. Auch das 0:2 passierte aus so einer Szene: Nach Ballgewinn von Núñez gegen Yamal verlor Neto im Mittelfeld den zweiten Ball gegen De Jong, der dann über García den langen Ball auf Rashford in die Breite spielte. Nach dem Ausrutschen von Pedrosa konnte López (sehr gutes Spielen & Gehen) frei in die Box eindringen und am langen Pfosten erneut López finden.

Barca im Gegenkonter

Ganz grundsätzlich tat sich Elche vor allem mit den Achtern Barcelonas in jenen Situationen extrem schwer. Gerade beim Sichern von zweiten Bällen konnte man sich kaum aus dem direkten Gegnerdruck – insbesondere durch De Jong – lösen, der nach langen Bällen sofort Neto eng verfolgte und so im individuellen Gegenpressing unmittelbar Druck erzeugte, wenn dieser den zweiten Ball sichern wollte. Es lohnt sich eine Diskussion, inwieweit Bigas und Affengruber als Innenverteidiger Elches – trotz guter Luftduelle – die Weiterverarbeitung der Kopfbälle stärker hätten bedenken müssen. Denn so köpfte man immer wieder zentral in den extrem großen Zwischenlinienraum und zwang die eigenen Achter dazu, unter direktem Gegnerdruck die Ballsicherung zu übernehmen. Gerade weil Febas und Neto ohnehin nicht die stärksten Dribbler sind, gestaltet sich das notwendige Aufdrehen – da Rückpassoptionen durch die eigene Manndeckung in der Vorspielphase isoliert sind – noch schwieriger. So konnte De Jong insbesondere gegen Neto mehrmals den Ball gewinnen, da dieser Probleme beim Abschirmen hatte und kaum scannte, bevor er ins Dribbling ging, wodurch De Jong aus dem toten Winkel heraus in den Zweikampf stoßen konnte.

Zusätzliche Probleme bekam man dadurch, dass sich oft der ballferne Außenverteidiger – hier Pedrosa – meistens in den Rücken der Verteidigungslinie fallen ließ, um die Tiefe für etwaige Weiterleitungen zu sichern. Das ist auch grundsätzlich sinnvoll, gerade gegen temporeiche Spieler wie Torres oder López, die im Topspeed durchaus schneller als die Innenverteidiger sind, kann so eine Absicherung hilfreich sein.

Das Problem: Der Punkt, wann er die Sicherung suchte, war klar definiert – nämlich das Auslösen des langen Balles -, aber der Punkt, wann er zurück in die Manndeckung gegen Rashford ging, nicht. Dadurch stand er mehrmals weit hinter der Verteidigungslinie, während der Ball schon wieder bei Barcelona im Umschalten war. So hatte Rashford bei seinen breiten Tiefenläufen einen extremen Dynamikvorteil, und gerade weil Balde ebenfalls nachschob, entstand so gegen Flügelspieler Valera mehrmals ein 1-gegen-2 in der Breite, was Barcelona nach Ballgewinnen direkt zu bespielen suchte – und auch bei beiden Toren fand. Das Umschalten eingeleitet hat meistens entweder López im Entgegenkommen – gerade durch seine Beidfüßigkeit konnte er daraus mehrmals direkt in die Breite aufdrehen und die Tiefe mit Rashford bespielen – oder auch Caicedo schob unterstützend nach. Hier agierte Aguado bei etwaigen Ping-Pong-Situationen im Mittelfeld teils etwas zu ballorientiert-einrückend und verlor seinen Gegenspieler im Rücken.

Elche reagiert zerfahren

Der gute Ansatz von Elches Angriffspressing wurde damit sowohl durch den Rückstand auf der Anzeigetafel als auch durch die fehlende Ballsicherung im Momentum zunichte gemacht. Doch wie reagierte man nun?

Die ersten Minuten nach dem Schock für die Gäste waren erwartbar zerfahren: Viele lange Bälle auf beiden Seiten weiterhin, und gerade Elche tat sich weiterhin mit ähnlichen Problemen wie zuvor schwer. Nach 20 Minuten hatte Barcelona nach einem Abstoß, mit Progression über die Achter und Tiefe über Rashford aus der Überzahl in der Breite – aufgrund des Fallenlassens von Pedrosa – die Chance zum 3:0, aber der direkt nachgeschobene Balde verpasste die Flanke auf den freien Torres am langen Pfosten.

Elche kam bislang vor allem nach Kontern aus Ecken von Barcelona zu Torraumszenen, denn die Restsicherung alleine über Balde am Mittelkreis offenbarte auf den Flügeln mehrmals sehr gute (theoretische) Optionen für direktes Umschalten, wenn man den ersten Sicherungsmechanismus des FC Barcelona mit De Jong und Rashford am Rand der Box direkt überspielen konnte. Bislang gab es nur ein Problem: Durchbrüche passierten nur individuell, , weil Elche im Mischdecken 10 Spielern in die Box zog, und dann konnte Balde durchaus gut die Durchbrüche in die Breite drängen mit seinem extremen Tempo und Zeit generieren, ehe sich das Kollektiv wieder fallen ließ. Gerade dadurch kam Elche kaum in die Box.

Casado und De Jong ziehen das Zentrum frei

Dahingehend sah man eher Barcelona zunehmend auch wieder aus dem höheren Spielaufbau heraus, wo man aus dem 2-4-4 die klare Intention hatte, über die diagonal in die Breite abkippenden De Jong und Casado die Achter aus Elches 5-4-1-Mittelfeldpressing mitzuziehen und darüber Optionen im Halbraum für die Innenverteidiger zu öffnen sowie ein extremes Loch im Zentrum zu ziehen. Dies führte einerseits dazu, dass man teils extrem weite Andribbelmomente, gerade von Araujo, sah, oder auch die typischen Druckspiele auf Rashfords Abkippen im Halbraum in den extrem großen Zwischenlinienraum im Zentrum.

Dieses Muster sah man in der Vergangenheit durchaus öfter vom FC Barcelona, aber nur selten wirkte es so gut wie über weite Strecken gegen den FC Elche. Das lag vor allem an deren engen Mannorientierungen in Verteidigungslinie und Mittelfeld, aber auch an André Silva, der in der ersten Pressinglinie teilweise extreme Positionierungsprobleme hatte. Dadurch, dass er nicht einmal versuchte, den Vertikalpass der Innenverteidiger zu blocken, konnten diese mehrmals frei im Halbraum den abkippenden Rashford suchen.

Barca umkreist Elche

Grundsätzlich ist es aber gerade gegen Elche ein Lehrbeispiel dafür, was möglich ist, wenn man synchrone gruppentaktische Bewegungen gegen enge Mannorientierungen oder Manndeckungen im tieferen Mittelfeldpressing zeigt. Grundsätzlich hat Barcelona nur ein großes Problem, das durch diese Bearbeitung jener Markierungen impliziert wird: die Isolation der Abkippbewegungen. Man pokert immer etwas darauf, dass der Gegner im Laufe des Spiels jene Bewegungen von Rashford nicht mehr eng verfolgen kann, sodass er dann ins Zentrum aufdrehen und das Dribbling suchen kann. Affengruber zeigte aber im Verfolgen eine extrem gute Partie und suchte immer direkt den Kontakt zu Rashford, wodurch dieser oft direkt zurück auf García abklatschen musste. Auch hier lag ein Grundproblem in der zu hohen Grundposition von Torres, was sich auch schon beim Abstoß zeigte.

Dennoch gewann Barcelona darüber an Spielkontrolle, gerade weil Silva diese Rückpässe anfangs kaum isolierte. Zunehmend aber setzte man das aktive Auspressen auf den Querpass zu Araújo, denn dann presste der ballferne Flügelspieler Mir sehr aggressiv und diagonal, wodurch der Pass auf Koundé isoliert war. Auf Araújo und Silva markierte García im Querpass, wodurch er unter extremem Druck stand, womit er stellenweise durchaus seine Probleme hatte und teilweise die unkontrollierte Klärung suchen musste. Zwar zog man Elche durch die engen Mannorientierungen auf die Achter auseinander, aber anspielbar waren sie daraus kaum.

Insgesamt gelang es Elche aber viel zu spät, die Zirkulation Barcelonas über solche Muster aktiv zu stören. Barcelona konnte es sich gerade nach der frühen Führung nämlich durchaus erlauben, dass man auch Rashford im isolierten 1-gegen-1 suchte, weil man nicht unbedingt auf Progression angewiesen war, sondern so Elche schlichtweg dauerhaft bearbeiten konnte – und tendenziell auch Affengruber durch das ständige Verfolgen im Laufe des Spiels an gewisse (physische) Leistungsgrenzen bringen konnte. Nachdem Elche nach rund einer halben Stunde ein paar Mal aggressiv nach einer solchen Zirkulation zwischen den katalanischen Innenverteidigern das Pressing auslöste, suchte man nach dem Druckspiel über Rashford oder teils über die Achter oft direkt den Pass zurück auf Ter Stegen, um über ihn die flache Verlagerung zu suchen. Das funktionierte auch mehrmals sehr gut und brachte Elche zudem permanent in Bewegung.

Lose Verfolgungen schaffen Ablageoptionen

Nach 32 Minuten erzielte Barcelona nach einem erneuten Gewinn des zweiten Balles, nachdem Elche ein Luftduell nach einem langen Ball von Barça gewonnen hatte, einen gefährlichen Angriff. Femin López suchte dabei direkt das Dribbling und bildete zusammen mit Rashford und Torres – wie Yamal – ein 4-gegen-3 gegen Elche, da López mit seinem extremen Tempo den linken Innenverteidiger Bigas schlichtweg überrannte. Sein Schuss nach dem Dribbling scheiterte jedoch an Peña im Tor, der stark parierte. Dennoch zeigte sich: Barcelona bestimmte weiterhin das Momentum.

Insgesamt merkte man nach rund 35 Minuten aber auch, dass die Kräfte aus permanenter Mannorientierung und Verfolgen bei den Achtern von Elche – Neto und Aguado – nachließen, ebenso wie gerade Bigas gegen López, denn das permanente Abkippen jener Akteure war durchaus physisch anspruchsvoll. Dadurch fassten jene Akteure der Gäste ihre Verfolgungsbewegungen aus der Mannorientierung heraus – worauf Barcelona auch setzte – zunehmend lockerer. Das erkannte gerade auch die Innenverteidiger von Barça gut, und sie spielten nun zunehmend aus dem Abkippen heraus an und kreierten daraus gute Ablagespiele im „Spielen & Gehen“ oder auf die durchschiebenden Außenverteidiger. Dadurch sah man nun zunehmend Dribblings der Innenverteidiger im Halbraum, wo sie die erste Pressinglinie von Elche überdribbelten, auch als der Außenverteidiger.

Ablagenspiel über Kounde

Grundsätzlich zeigte man dadurch auch das Potenzial einer Besetzung von zwei dribbel- und tempostarken Außenverteidigern gegen solche Manndeckung. Diese bewegten sich mehrmals im toten Winkel ihrer direkten Gegenspieler heraus und waren so für das Ballgespiel erreichbar. Sie konnten entweder das Dribbling suchen oder diagonal auf die Flügelspieler weiterleiten, die infolgedessen immer wieder den Zwischenlinienraum suchten. Dadurch zog man einerseits die Außenverteidiger aus der Breite heraus und öffnete sie für den durchschiebenden Außenverteidiger, andererseits generierte man auch eine weitere Ablageoption.

Das direkte Nachschieben der Außenverteidiger ermöglichte dann ein 2-gegen-1 in der Breite, womit Elche durchaus Probleme hatte – gerade weil Valera und Mir temporeiche Duelle gegen Koundé und Balde hatten. Besonders erwähnenswert ist zudem das Passspiel von Koundé, der mehrmals Yamal in den offenen Fuß optimal für das Ablagespiel einsetzte und damit auch ermöglichte, dass sich Yamal gegen den direkten Gegenspieler abschirmen konnte. Balde kam vor allem über Dribblings, und Rashford suchte infolgedessen direkt den Tiefenlauf.

Die Pärchenbildung im letzten Drittel führte immer wieder dazu, dass die Außenverteidiger hinterliefen, während die Flügelspieler den Ball hielten. Dies unterband mehrmals das Herausverteidigen von Núñez und Pedrosa durch die Tiefenbindung und ermöglichte so den inversen Dribblingweg, aus dem Rashford und Yamal mehrmals ihre Abschlüsse über die typischen inversen Wege suchen konnten. Unter anderem entstand daraus eine nicht kleine Chance für Rashford in Minute 35, wo er knapp das lange Eck verfehlte.

Elches Aufbauprobleme

Grundsätzlich postierte sich Elche aus einem 2-3-5, wobei sich auch personell durchaus eine interessante Systematik gerade im höheren Aufbauspiel darstellte: Pedrosa, nomineller Rechtsverteidiger, agierte im rechten Halbraum als Zehner, während der nominelle Flügelspieler Valera als Rechtsverteidiger respektive Außenverteidiger agierte. Gleichzeitig agierte Núñez, nomineller Linksverteidiger, ebenfalls real so, aber der nominelle Flügelspieler Mir agierte im Aufbauspiel als zielspielender Stürmer. Das sagt auch sehr viel über die Positionsprofile von Elche aus: Einerseits brachte man starke 1-gegen-1-Spieler, welche optimalerweise direkt mit ersten Kontakt aufdrehen können gen Halbraum, in der Breite, wodurch Valera in die rechte Breite rückte, andererseits schnelle Zehner im Halbraum, wofür eher Pedrosa (da er eher Defizite im Dribbling hat) geeignet ist. Mir hingegen ist eine Art Zielspieler, der wenig Rolle im Aufbauspiel an sich hat und oft bewusst im Abseits agiert, um dann in der Box im toten Winkel der Innenverteidiger von Barça – vor allem Araújo – aufzutauchen.

Restpressing als Schlüssel?

Der FC Barcelona aus dem 4-3-3-Mittelfeldpressing war relativ schnell darauf bedacht, über vertikale Pressingwinkel der Außenstürmer auf die Innenverteidiger den Vertikalpass im Halbraum für die Innenverteidiger zu isolieren und darüber Elche in die Breite zu lenken. Diese Halbraumisolation ermöglichte es hingegen den katalanischen Außenverteidigern Balde und Koundé, deutlich früher in die Breite auf Valera und Núñez aufzuspringen, womit diese im Laufe des Spiels enorme Probleme hatten. Das Essenzielle an Elches Spiel – das Aufdrehen der Breitengeber in den Halbraum, wo die Zehner direkt den Raum hinter den gegnerischen Außenverteidigern tief belaufen – war dadurch kaum möglich. Dementsprechend fehlte auch Elche der Hauptprogressionspunkt. Auch die Achter, welche im Halbraum oft sehr hoch agierten, waren durch das kaum vorhandene Aufdrehen der Außenverteidiger praktisch nicht erreichbar. Der zentrale Achter war zwar theoretisch erreichbar, aber einerseits unter enger Mannorientierung von Casado, andererseits etwas zu weit entfernt; hier fehlten tendenziell etwas ballnahe Bewegungen.

Der Kernpunkt, weswegen es Elche an Stabilität mangelte, war das Restpressing (= die bereits überspielte Linie) seitens des FC Barcelonas. Denn das Angriffstrio verblieb einerseits mit ballnahen Außenstürmern und Mittelstürmer Torres an den Innenverteidigern, wodurch praktisch kein Rückpass möglich war, andererseits orientierte sich der ballferne Außenstürmer am ballfernen Außenverteidiger, um etwaige Verlagerungen von Breite zu Breite zu unterbinden. Teilweise bewegten sich die Außenverteidiger auch noch höher, um sich vom ballfernen Außenstürmer zu lösen, aber der ballferne Achter schob dann leicht aus, um jene Verlagerungsisolation aufrechtzuerhalten. Das führte nun dazu, dass die isolierten Außenverteidiger gegen den direkten Diagonaldruck der Außenstürmer extreme Probleme bekamen und mehrmals dazu gezwungen wurden, entweder ins Dribbling zu gehen – was angesichts des Risikos eher nicht getan wurde – oder den Rückpass zum Keeper zu suchen, was sie oft taten. Die wenigen höheren Aufbaumomente wurden aber dann zu Szenen, in denen man aus  dem tiefen Aufbauspiel heraus agieren musste, gerade gegen das sehr aggressive Angriffspressing von Barcelona.

Dort postierte sich Elche aus einem 2-3-2-3 heraus, was sich vor allem systematisch dadurch auszeichnete, dass man eine diagonale Verbindungslinie (= im Relativismus „Escadinha“) von Innenverteidiger zu Flügelspieler mit Außenverteidiger als Connector aufzieht, um wiederum oft direkt mit dem ersten Kontakt über den Connector diagonal auf den abgekippten Flügelspieler abzulegen. Ähnlich wie beim höheren Aufbau lag hier der „Causus Knaxus“ bei Elche. Denn Balde als auch Koundé zeigten eine überragende Leistung im Herausverteidigen auf die Abkippbewegungen aus der Breite von Elche und konnten das Diagonalspiel dadurch recht gut unterbinden. Das Diagonalspiel an sich ist jedoch bei Elche nicht dazu gedacht, dass man lediglich den Flügelspieler anspielt, sondern einerseits über die halbräumigen Außenverteidiger als auch die Achter je eine Diagonaloption zur Verfügung hat, bei der man sich nur halb aufdrehen muss und dann über das „Spielen & Gehen“ wieder Tiefe findet.

Barca im Angriffspressing

Dementsprechend ging es beim FC Barcelona im Angriffspressing darum, wie man die Progression aus der Breite heraus unterbindet bzw. jede (halbe) Aufdrehbewegung der Flügelspieler verhindert. Das tat man vor allem durch sehr aggressives Herausverteidigen und zahlreiche taktische Fouls der Außenverteidiger. Das Diagonalspiel unterband man über weit ballorientiertes Einschieben der Achter: Einerseits, um den ballnahen Außenverteidiger durch das Einrücken Rashfords sowie des zentralen Achters in ein Dreieck zu stellen, und andererseits, um den ballnahen Achter durch das Herausverteidigen des Innenverteidigers sowie das weite Einrücken des ballfernen Achters daran zu hindern, ein Anspiel über diese systematische Veranlagung der Dreiecke zu ermöglichen. Durch das Unterbinden des Aufdrehens konnten auch die ballfernen Räume kaum bespielt werden; daher war das Risiko des Einrückens im Vergleich zum Nutzen relativ gering.

Dadurch taten sich die Flügelspieler extrem schwer. Dieses ballorientierte Einrücken hatte zudem einen netten Nebeneffekt: Man ist einerseits mit dem Blick direkt beim Ball und dadurch auch nach Ballgewinn erreichbar, andererseits befindet man sich zudem in einer 6-gegen-4-Überzahl auf der bespielten Seite, was nach Ballgewinnen dazu führt, dass man diese Überzahl auch ausspielen kann. Gerade die Achter fühlen sich in diesen krainräumigen Situationen sehr wohl, was dazu führte, dass man sich infolgedessen mehrmals davon lösen konnte. Gerade auch das Einrücken bzw. Ausschieben der Außenstürmer führte dazu, dass man diese nach dem Lösen über die ballsichernden Achter tief einsetzen konnte, sodass sie Dribblings direkt rund um die Box suchen konnten – davon profitierte vor allem Yamal immer wieder.

Dadurch, dass Torres bewusst in die zentrale Zone vor der Box (= „Goldene Zone“) rückte, war zudem eine direkte Anbindung in den Rückraum gegeben – eine Zone, die gerade beim sehr unkontrollierten Verschieben nach Gegenkontern aus dem Angriffspressing heraus oft seitens Elche vernachlässigt wurde. Tendenziell agierten Yamal und Rashford aber etwas zu tororientiert und abschlussorientiert und fanden so kaum die Ablageoptionen.

Zunehmend variierte man aber auch daher: Entweder schoben die Außenverteidiger in die volle Breite und die Flügelspieler rückten ein, oder man versuchte vor allem, sich aus dem „Spielen & Gehen“ zu lösen, was man darin vorbereitete, indem man falschfüßige Außenverteidiger für inverse Dribblings aufstellte, was auch durchaus teilweise (teilweise nur, weil Barcelonas Flügelspieler darauf vorbereitet waren und inverse Wege irgendwann abschnitten) klappte. Das Problem war nur, dass sich gerade Núñez in der linken Breite bei Dribblings technisch etwas schwer tat und man daher kaum Folgebewegungen bespielen konnte. Ansonsten löste man auch durchaus lang auf Zielspieler Mir aus, der sich auch hier immer wieder bewusst hinter der katalanischen Verteidigungslinie postierte und oft dann im Bogen wieder aus dem Abseits lief bzw. respektive im toten Winkel der Innenverteidiger wieder in die Tiefe, was auch zum Anschlusstreffer in der 41. Minute führte.

Grundsätzlich sah man bei diesem Treffer vorausgehend auch, was durchaus möglich gewesen wäre: Erst überdribbelt Affengruber seinen direkten Gegenspieler Rashford, setzt sich dann gegen Achter López durch und sucht anschließend den im normalen Laufweg postierten Mir tief. Dieses Überdribbeln gegen vertikale Pressingwinkel aus der ersten Pressinglinie sah man von Affengruber im Laufe der Saison sehr oft; gegen Barcelona tat er sich aber weitgehend schwer, tendenziell auch geschuldet der vorsichtigeren Spielweise, die entweder am frühen Rückstand (Fehler führen zu mehr Vorsicht) oder am Gegner gelegen haben kann.

Zweite Halbzeit

Zur Halbzeit wechselte Sarabia und brachte Mendoza für Neto auf der Acht, was sich auch direkt bemerkbar machte. Denn der eingewechselte Spieler sicherte nach langen Bällen der Katalanen mehrmals den zweiten Ball und zeigte sich auch unter direktem Gegenpressing von De Jong deutlich ballsicherer als sein Vorgänger, wodurch Elche in der indirekten Sicherung von zweiten Bällen einen Schritt nach vorne machte.

Mir agierte nun im Ballbesitz zunehmend als Flügelspieler in der linken Breite, was sich auch darin bemerkbar machte, dass er mit seiner Physis deutlich resilienter gegen Koundé im direkten Duell war und sich daher auch ein paar Mal aufdrehen konnte. Gerade spürbar war dies aber auch im Boxverhalten: Mit dem Wissen, dass Mir eine extreme Stärke in der Box hat, agierte Koundé ballfern nun zunehmend breiter und rückte nicht mehr so weit ein, wenn der Ball auf der linken Seite war. Das wiederum öffnete einen Zwischenraum zwischen Koundé und Araújo, welchen gerade Achter Mendoza immer wieder suchte. Dementsprechend wurde Barcelona für lange Bälle und rund um die Box etwas anfälliger. Ferner tat sich Elche durchaus weiterhin schwer, von der rechten Aufbauseite auf die linke zu verlagern. Wenn man das schaffte, dann vor allem über Keeper Peña, aber das verschaffte Barça Zeit im Verschieben und minderte den Effekt. Einzelne Chancen fand man im Laufe der zweiten Halbzeit dennoch, gerade weil Barças Angriffspressing zunehmend weniger intensiv wurde – wie in der 54. Minute, wo Mir aber nur die Latte traf.

Insgesamt wurde Barcelona etwas konservativer und Elche aktiver, wodurch sich Räume öffneten. Gerade die Außenverteidiger rückten immer weiter auf, was neben den Innenverteidigern, die in der Restverteidigung manndeckend auf Torres und den ballfernen Flügelspieler agierten und so die Restverteidigung festspannten, immer wieder extreme Räume für direkte lange Bälle in der Breite für Barcelona verschaffte. Gerade mit laufender Zeit und nachlassender Fitness sah man hier Durchbrüche von Barça, wie von López in der 60. Minute gegen Núñez, wo er direkt die Flanke auf Rashford suchte, der sich im Rückraum – der, wie vorher beschrieben, eine Problemzone bei Elche darstellt – absetzte, gefunden wurde und nach Dribbling zum 3:1-Endstand einschob.

Fazit

Ein interessantes Spiel zwischen Elche und Barcelona. Interessant war, dass Barcelona – auch laut Pressekonferenz von Flick – den Fokus gegen den Ball gelegt hatte, um Elches Progressionsfokus zu unterbinden, was auch durchaus klappte und über die Subfokusse des Umschalt- und Ballsicherungsspiels zusätzlich unterstrichen wurde. Darüber hinaus wurde auch die Spieldynamik mehrmals entscheidend gesichert. Die frühen Tore spielten Barcelona natürlich in die Karten und ermöglichten es Elche kaum, befreit aufzuspielen, wovon man im Laufe der Saison häufig profitierte. Ein verdientes 3:1 – aber keine Enttäuschung für Elche, die durchaus mithalten konnten gegen die Meister aus Katalonien.

Noch ein paar Dinge in eigener Sache: Ich war am Wochenende im Rasenfunk zu Gast – hört sehr gerne rein! Ich verabschiede mich damit auch erstmal in den Urlaub. Bleibt stabil und danke für euren Support in der ersten Saisonphase!

MX machte sich in Regensburg mit seiner Vorliebe für die Verübersachlichung des Spiels einen Namen. Dabei flirtete er mit der RB-Schule, blieb aber heimlich immer ein Romantiker für Guardiolas Fußballkunst. 

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