Terminator Alonso zerstört Dortmund – MH

2:3

Leverkusen gewinnt als erste Mannschaft in dieser Saison in Dortmund. Alonso zerstört das schwarz-gelbe Ballbesitzspiel und dominiert den in Ballbesitz harmlosen BVB. Hier findet ihr die Analyse zum Spiel.

Xabi Alonso stellte nicht zum ersten Mal seine Startelf aus größtenteils defensiv denkenden Spielern zusammen. Mit Frimpong und Grimaldo als Flügelspieler sowie den beiden zweikampfstarken Mittelfeldspielern Andrich und Xhaka brachte Alonso eine sehr pressingstarke Mannschaft aufs Feld.

Ganz im Gegensatz zu letzter Saison setzte Alonso bereits in den Spielen gegen München und Liverpool auf einen ähnlichen Ansatz. Anstatt Kontrolle durch das typisch Leverkusener Ballbesitzspiel, sollte Kontrolle durch effektives Pressing und schnelles Umschalten bei Ballgewinn erzeugt werden. Alonsos Plan bestand dementsprechend aus gegnerischem Ballbesitz. So hatte Leverkusen in den ersten 20 Minuten gerade einmal 20% Ballbesitz und dennoch bereits 3 Tore erzielt.

Leverkusen presste phasenweise immer wieder hoch. Das manndeckende Angriffspressing setzte die Dortmunder Aufbauspieler unter maximal hohen Druck. Die provozierten 1gg1 Duelle konnten die Leverkusener aufgrund der von Alonso gewählten Startelf immer wieder für sich entscheiden. So fiel auch bereits in der ersten Minute das 1:0 in Folge einer Balleroberung nach manndeckendem Angriffspressing. Alonsos Plan ging direkt auf, sodass Leverkusen größtenteils aus einem weniger risikohaften und athletisch weniger anspruchsvollen mannorientierten Mittelfeldpressing verteidigen konnte.

Dortmunder Ballbesitzplan gegen Mittelfeldpressing

Um das Leverkusener mannorientierte Mittelfeldpressing zu bespielen, setzte Sahin auf eine 4-3-3 Staffelung mit hohen Achtern und hohen Außenverteidigern. Aus dieser Positionierung sollten die Achter Brandt und Beier die letzte Linie überladen. Das sollte für die nötige Tiefe im Spiel sorgen und das kompakte Mittelfeldpressing auseinanderziehen. Zudem häufig zu beobachten war, wie sich Beier, Brandt und Guirassy in den Zwischenkettenraum zwischen Abwehr und Mittelfeld fallen ließen und die Außenspieler Adeyemi und Gittens auf tiefe Anspiele lauerten. Ein weiteres Mittel Dortmunds war der Versuch, Gittens auf Außen anzuspielen, welcher im 1gg1 gegen Mukiele seine Stärken hätte zeigen können.

Das Problem des Dortmunder Versuchs, die Leverkusener Abwehrkette vor Schwierigkeiten zu stellen, war, dass die eigentlich ins Dilemma zwischen Herausrücken und tief absichern gezogenen Innenverteidiger aufgrund der Positionierungen Xhakas, Andrichs sowie den Außenverteidigern Frimpong und Grimaldo stets ihre Position halten konnten und seltenst Lücken in der letzten Kette offenbarten. Doch welche konkreten Abläufe im Mittelfeldpressing sorgten für den ungefährlichen Ballbesitz des BVBs weit weg des Leverkusener Tors?

Leverkusens mannorientiertes Mittelfeldpressing

Aus einem engen mannorientierten 4-4-2 Block mit hoher letzter Kette wurden die Dortmunder vor Probleme gestellt. Die Leverkusener Sechser Andrich und Xhaka wechselten zwischen einer tieferen und höheren Position, um phasenweise auf den sich vor/ in die Aufbaukette fallenlassenden Nmecha Druck auszuüben. In der defensiveren Position übernahmen Xhaka und Andrich die Dortmunder Achter, wodurch die Innenverteidigung entlastet wurde. Das machte es Dortmund umso schwieriger Lücken in die letzte Linie zu reißen.

In der tiefen Positionierung hat Leverkusen +1 auf der letzten Linie.

Schob einer der beiden Mittelfeldspieler auf Nmecha raus in die höhere Position, so übernahm der andere Sechser den ballnahen Achter. Xhaka und Andrich zeigten dabei ein gutes Gespür für gegnerische Fluidität. Damit die Innenverteidiger bei Fallenlassen Guirassys nicht rausrücken mussten, orientierte sich der tiefere Sechser unmittelbar vor der Abwehr situativ im Raum und konnte den entgegenkommenden Guirassy übernehmen. Der zusätzlich nun hohe Druck auf die Aufbauspieler machte es für Dortmund schwierig, die Gleichzahlsituation im Zentrum bzw. auf letzter Linie zu nutzen.

Andrich schiebt hoch auf Nmecha, während Xhaka im Raum aber gegnerorientiert verteidigt.

Auch die Positionierung der Außenmittelfeldspieler Leverkusen war mitentscheidend. Um Xhaka und Andrich im Zentrum zu entlasten orientierten sich die Leverkusener Außenverteidiger Frimpong und Grimaldo zunächst ins Zentrum zu den teilweise breit stehenden Achtern Brandt und Beier. Damit wurden Xhaka und Andrich nicht aus dem Zentrum gezogen und Leverkusen behielt die Kontrolle über die strategisch wichtigste Zone.

Die nach innen orientierten Außenspieler entlasten die Zentrumsspieler.

Ein weiterer Faktor der defensiven Stabilität war das situative doppeln Frimpongs gegen Gittens. Frimpong ließ sich bei Bällen auf Gittens immer wieder fallen und löste sich aus seiner Mannorientierung zu seinem eigentlichen Gegenspieler Kabar. So schaffte es Dortmund nur sehr selten Gittens in isolierte 1gg1 Situationen gegen Mukiele zu bringen.

Dortmunder Fehler in Ballbesitz

Dortmund sorgte durch gewisse Positionierungen allerdings auch für ein einfacheres Leverkusener Spiel. Die Dortmunder Außenverteidiger schoben bei Spielaufbau nahe der Außenbahn auf die Höhe zwischen Achter und Sechser Nmecha. Dadurch entstanden Probleme in der Restverteidigung. Immer wieder konnte Leverkusen bei Ballgewinn über die offenen Außenbahnen die Tiefe finden. Der schnelle Tella suchte deshalb bei Ballgewinn sofort über die linke Seite die Tiefe, während der ebenso schnelle Frimpong auf der anderen Seite durchstartete.

Durch die hohe Positionierung der Außenverteidiger nahe der Außenlinie entstehen Restverteidigungsprobleme bei Ballverlust.

Auch für den eigenen Ballbesitz war die Positionierung nicht optimal. So konnten die Außenspieler Leverkusenes aus der Mitte, die Achter deckend, auf die hohen Außenverteidiger laufen, Deckungsschatten ins Zentrum erzeugen und hatten kürzere Laufwege, was gleichzeitig weniger Reaktionszeit für die Dortmunder Außenverteidiger bedeutet. Dortmund hätte für ein effektives Dilemma gegen die Leverkusener Flügelspieler die Außenverteidiger anders positionieren müssen.

Eine sinnvolle Staffelung wäre mit flachen Außenverteidigern, situativ dynamisch in den Halbraum einkippend gewesen. Das hätte zunächst den Vorteil, dass in der Restverteidigung die Schnittstellen auf die Außenbahn attackierenden Leverkusener Spieler bei Ballverlust geschlossen würden. Zudem hätte Frimpong sich entscheiden müssen zwischen Zentrum schließen, Gittens doppeln und Druck auf die Außenverteidiger ausüben.

Die flachen Außenverteidiger ziehen das Spielfeld auseinander, beheben das Restverteidigungsproblem und können fluide in den Halbraum einrücken.

Ein weiteres Problem zurückzuführen auf die Dortmunder Positionierung war die fehlende Überzahl in der Aufbauzone. Leverkusen konnte aus der beschriebenen tiefen Positionierung der beiden Sechser in einer 2vs3 Pressingsituation immer wieder Druck auf die aufbauenden unerfahrene Verteidigung ausüben. Ziel hätte es sein müssen, immer wieder ohne Druck mit den Aufbauspielern auf das Leverkusener Mittelfeldpressing andribbeln zu können. Durch eine höhere Positonierung Kobels hätten immer wieder 3gg2 Überzahl Situationen auf der Außenbahn bzw. im Halbraum bei Andribbeln der Innenverteidiger entstehen können.

Mit einem höher positionierten Kobel und einem flacher positionierten Nmecha können die Innenverteidiger aus der Breite nach Anspiel in eine 3gg2 Situation andribbeln.

Bei Herausrücken Xhakas oder Andrichs auf Nmecha entstanden häufig Drucksituationen für den Dortmunder Ballführenden, wodurch Dortmund ans eigene Tor zurück gedrängt wurde. Das Herausschieben von einem der Leverkusener Sechser hätte Dortmund als Auslöser für eine mögliche Überladung des Zentrums durch die vorderen Spieler nehmen können. In diesen Situationen wäre das Ziel entweder den freien Spieler im Zentrum zu finden oder den Raum im Rücken der hohen letzten Kette.

Das Herausrücken Andrichs wird als Auslöser für die Zentrumsüberladung genommen. Gleichzeitig suchen die Flügelspieler die Tiefe. Die zentralen Leverkusener Spieler stehen im Dilemma zwischen Druck ausüben und Tiefe sichern.

Zudem hätte Dortmund viel häufiger versuchen müssen die Sechser Andrich und Xhaka aus dem Zentrum herauszuziehen, um unmittelbar vor die hoch positionierte letzte Kette Leverkusens zu kommen. Durch breitere Achter im Halbraum und flache Außenverteidiger hätten die Leverkusener Sechser sich entscheiden müssen zwischen rausrücken und Zentrum absichern. Durch die Positionierung der Außenverteidiger hätten die Leverkusener Flügelspieler die breiten Achter nicht dauerhaft decken können, ohne in eine 1gg2 Unterzahl Situation zu kommen. Somit hätte einer der ballnahe Sechser Leverkusens auf den breiten Achter rausrücken müssen.

Die breite Positionierung Brandts und die flachen Außenverteidiger ziehen das Spielfeld auseinander. Übt Leverkusen Druck aus, so kann Dortmund durch das freie Zentrum Wandspieler Guirassy finden.

Aus der beschriebenen alternativen Staffelung hätte Dortmund auf unterschiedlichste gegenläufige Bewegungen zurückgreifen können und Übergabeprobleme für das mannorientierte Leverkusener Mittelfeldpressing schaffen können. Beispiele wären das tiefe Attackieren des Außenverteidigers bei Entgegenkommen des Stürmers, das Überlaufen des Außenverteidigers bei Fallenlassen des Flügelspielers, das tiefe Attackieren des ballfernen Achters bei Entgegenkommen des Stürmers und unzählige mehr. Bei Dortmund fehlte es jedoch an abgestimmten Bewegungen, die die Mannorientierung Leverkusens vor Probleme gestellt hätte.

Alonsos Pressingplan führte zu vielen entscheidenden Aktionen der geschwächten Dortmunder Viererkette im Spielaufbau. Sahin ließ sich darauf ein und versuchte durch eigenen Ballbesitz das Spiel zu kontrollieren. Vielleicht liegt hier der Fehler? Der Dortmunder Mannschaft mangelte es an Alternativen zum ineffektiven Ballbesitzspiel. Ein Fokus auf Gegenpressing und Angriffspressing hätte aus Dortmunder Sicht geholfen, sich Torchancen durch Umschaltsituationen zu erspielen.

Die aufgrund der Aufstellung in eigenem Ballbesitz schwächeren Leverkusener hätte Dortmund jedenfalls deutlich effektiver pressen müssen. Sowohl das 2:0 als auch das 3:1 entstanden aus einem katastrophalen Pressing Dortmunds und nicht aus Umschaltsituationen. Möglicherweise führte der Fokus auf das eigene Ballbesitzsspiel zu schlechtem Verhalten gegen den Ball. Feststeht, das taktische Duell zwischen Sahin und Alonso gewann der Leverkusener Trainer.

Fazit

Leverkusens Matchplan geht voll auf und macht es dem ersatzgeschwächtem BVB richtig schwer. Das frühe 1:0 hilft dabei sehr stark mit. Es lässt sich festhalten, dass Xabi Alonso nicht nur Ballbesitzspiel kann, sondern sich in dieser Saison gegen „bessere“ Gegner auf die Zerstörung des gegnerischen Spiels konzentriert. Es ist bemerkenswert, wie Alonso es immer wieder schafft, ein möglichst einfaches Matchup für die eigenen Spieler zu erzeugen. Die Dortmunder kassieren hingegen eine verdiente erste Heimniederlage. Sahin schafft es zu keiner Phase des Spiels, das Leverkusener Pressing zu knacken.

Autor: MH ist Fußball-Aficionado von Herzen. Seine Wohnung gleicht einer Fußball-Bibliothek in deren Regalen Bücher über die großen Taktiker von Rinus Michels bis Pep Guardiola stehen. Das Buch von Spielverlagerung.de fehlt hier natürlich nicht. Für MH ist Fußball nicht nur ein Spiel. Es ist ein Lebensgefühl. Auf X ist er unter Mh_sv5 zu finden.

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