Pokalüberraschung: Enochs guter Plan ringt Bochum nieder – TW & MX

1:0

Der SSV Jahn warf den Favoriten aus Bochum nach Druckphasen auf beiden Seiten mit 1:0 aus dem Pokal. Joe Enochs Jahnelf stellt dazu auf eine Fünferkette um. Diese angepasste Spielweise neutralisierte den Zentrumsfokus Zeidlers und konnte insbesondere gegen den Ball überzeugen. Den Bochumern fehlte die Flexibilität im Aufbauspiel, um auf die hohen Pressingphasen zu antworten. So musste der VfL immer wieder Konter auf der unterbesetzten linken Seite verteidigen. Das intensive Spiel kostete Kräfte, die der Erstligist erstaunlicher Weise weniger gut kompensieren konnte.

Grundformationen und Bewegungsmuster

Der SSV Jahn Regensburg traf in der ersten Pokalrunde direkt auf einen Erstligisten. Der VfL Bochum setzte sich ebenfalls in der Relegation durch und wird nun vom Schweizer Hoffnungsträger Peter Zeidler trainiert. Zeidler ist insbesondere für sein Gegenpressing und flexibles Positionsspiel bekannt. In Bochum etablierte dieser in der Vorbereitung eine Rautenformation, die insbesondere in den letzten Spielen gegen Le Havre und Bologna überzeugen konnte.

Angesichts dieser Umstände stellte Joe Enochs um: Mit Ziegele, Ballas und Breunig formierte sich eine eng aneinander gereihte Dreierkette, die von Pröger, der eigentlich als klassischer Flügelspieler agiert, und Schönfelder als Schienenspieler ergänzt wurde. Vor der Dreierkette positionierte sich wie gewohnt ein Trio aus dem defensiven Sechser Geipl, dem eher zurückfallenden Spielmacher Ernst und dem kreativen Nadelspieler Viet – sie sollten ein spiel- und kampfstarkes Zentrum bilden. Das Sturmzentrum wurde wie gewohnt von Christian Kühlwetter besetzt, der aus dem linken Halbraum vom agilen Kother unterstützt wurde. Der Jahn agierte also in einem 5-1-2-2 / 5-3-2.

Die Bochumer setzten auf die bereits angesprochene 4-1-2-1-2-Raute, wobei es mit dem Hineinrücken von Loosli in die Startaufstellung nur eine Veränderung zum furiosen Erfolg gegen Le Havre (6:0) gab. Neben ihm agierte wie gewohnt Masovic als zweiter Innenverteidiger. Die Außenverteidigerpositionen wurden von Wittek und Passlack besetzt, während zentral Sissoko spielte. Vor Sissoko bildeten Matus Bero und Anthony Losilla die Doppelacht, wobei Bero im linken und Losilla im rechten Halbraum agierte. Weiter vorne rückte Zehner Daschner immer wieder als dritter Stürmer zwischen Hofmann und Broschinski auf.

Regensburgs Pressing und Bochums Anpassungen

05:29: Hohes Pressing von Regensburg

Wie bereits beschrieben, agierte der SSV Jahn gegen den Ball in einem 5-3-2. Dabei sollte Kühlwetter die Innenverteidiger bogenförmig anlaufen, um eine direkte Verlagerung auf die andere Seite oder ins Zentrum zu unterbinden. Insgesamt positionierte man sich engräumig um Sissoko herum, den man so im Deckungsschatten halten konnte, wenn die Innenverteidiger angelaufen wurden. Sissoko ließ sich als Reaktion darauf, wie in der obigen Szene, zwischen die Innenverteidiger zurückfallen, damit diese weiter auffächern konnten. 

Durch das Abkippen des Sechsers fehlten jedoch die ballnahen horizontalen Bewegungen im Sechserraum zum ballführenden Innenverteidiger, um durch Ablagen das Vertikalspiel einzuleiten. Bero ließ sich zwar in diesen Situationen zurückfallen, was jedoch meist ballfern erfolgte und von Ernst mannorientiert verfolgt wurde. Somit blieben den Innenverteidigern nur die Passoptionen in die Angriffslinie bzw. das Vorstoßen mit Ball am Fuß über die Flügel.

Strukturelle Probleme beim Jahn

Doch auch beim Jahn traten gerade in der ersten Halbzeit leichte strukturelle Probleme auf. Die Flügelverteidiger, wie in dieser Szene Schönfelder, neigten dazu, herauszurücken und sich mannorientiert am gegnerischen Außenverteidiger zu orientieren, sobald der ballführende Innenverteidiger leicht aufgefächert hatte. Diese frühen Bewegungen hatten jedoch keine antizipative Wirkung; im Gegenteil, sie öffneten dem Gegner Räume im Rücken der Außenverteidiger, in einer Zone, welche die Bochumer gern für den Angriffsvortrag nutzen, und die eigentlich mit der Umstellung auf die Fünferkette formativ gut geschlossen wurde.

Diese Räume visierte Bochum früh durch die weit andribbelnden Innenverteidiger an und suchte sie mit beiden Stürmern sowie dem nachrückenden Daschner, der versuchte, sich aus dem Deckungsschatten freizulaufen. Bochum versäumte es allerdings, diese Bewegungen aktiv zu provozieren: Der ballnahe Außenverteidiger hätte noch deutlich mehr Breite und Tiefe schaffen können, um die Fünferkette des Jahn zu strecken. Dadurch wäre der anvisierte Zielraum deutlich größer geworden.

Eine Mannorientierung mit Folgen

05:29 – Verbesserung: Hohes Pressing von Regensburg

Ein weiterer Punkt betrifft die bereits angesprochene Mannorientierung von Ernst auf Bero. Ernst verfolgte Bero sehr weit, selbst wenn dieser in den Dreieraufbau zurückrutschte. Bochum nutzte dieses Verhalten jedoch nicht aus, obwohl beispielsweise Hannover 96 in ähnlichen Situationen erfolgreich war. Durch das Herausrücken von Ernst aus der Dreierreihe im Mittelfeld des Jahns entstand halbrechts ein Freiraum zwischen den Linien, der diagonal von Loosli hätte gesucht werden können. Losilla stand dazu allerdings zu hoch und breit (helle Position in der Grafik). Er konnte somit nicht direkt angespielt werden und stand im Zugriffsbereich des Regensburger Flügelverteidigers, der sofort herausverteidigen hätte können. Durch die tiefe Position von Wittek und die eingerückte und abgedeckte Stellung Losillas, konnte der Jahn seine Fünferkette eng und flach halten. So musste man immer wieder durch Zurückfallen von Hofmann oder Daschner Spieler aus der Angriffslinie für mehr Zirkulation in diese Räume zurückfallen lassen und dabei über mehrere Stationen in Richtung Tor kommen.

Ein größerer Zwischenraum, welcher durch eine höhere Positionierung von Wittek und eine eingerückte wie höhere Position von Losilla entstanden wäre (dunkele Kreise), wäre für Bochum von großem Vorteil gewesen. Obwohl dieser Raum in der korrigierten Szenevon fünf Regensburgern umstellt war, hätte es dennoch genug Platz für ein Aufdrehen gegeben, gefolgt von einem Pass zu einem in die Tiefe startenden Stürmer oder einem aufgerückten Wittek.

Bochums Probleme nach langen und zweiten Bällen

Jahn Regensburgs Pressing auf die Zielzone der langen Bälle und Staffelung für Ballgewinne

Der Jahn versuchte, durch bogenförmiges Anlaufen in erster Linie die ballfernen Optionen frühzeitig zuzustellen. Dabei sollte Masovic durch ein langes Verbleiben des ballfernen Stürmers im Deckungsschatten und ein aggressives aus der Kompaktheit herausverteidigen von bspw. Ernst oder Pröger isoliert werden, damit der Ball zu Loosli gespielt wird. Dieser dribbelte aus seiner halbräumigen Position oft weit an und spielte den Ball dann in Richtung des von Broschinski, Hofmann und dem teilweise einlaufenden Daschner. Da Loosli als rechter Innenverteidiger oft Broschinski, den eher rechts angeordneten Stürmer, suchte, konnte sich der Jahn auf diesen deutlich besser einstellen als auf den kopfballstarken Hofmann.

Durch den hohen Druck und die Isolierung der Innenverteidiger am Flügel griff die Elf von Peter Zeidler teilweise auch zu langen Bällen. Die 1-2-Anordnung, also zwei tief stehende Angreifer und ein zurückfallender Spieler, wirkte dabei sehr fragil. Dies hing mit der Verteidigung des Jahns gegen die langen Bälle zusammen. Bereits beim Andribbeln des Innenverteidigers schoben die zentralen Mittelfeldspieler, in diesem Fall Geipl und Viet, diagonal in Richtung des ballnahen äußeren Stürmers. Zusammen mit dem leichten Einrücken des Halbraumverteidigers (Breunig) entstand so ein sehr kompaktes Viereck um den Stürmer, der den Ball empfangen sollte (rot). Dadurch hing ein Stürmer, wenn zwei auf gleicher Höhe positioniert waren, mehr oder weniger in der Luft, da der Jahn den Raum aus dem Viereck heraus gut zupressen konnte.

Zudem waren vermehrt die zweiten Bälle entscheidend. Mit der tiefen Stellung von Sissoko und Bero war es für den VfL sehr schwierig, vertikal ins Gegenpressing zu gehen, wodurch sich der Jahn meist befreien konnte. Ein Netz aus umliegenden Jahnspielern wie Ernst, Kother und Schönfelder positionierte sich vor der gegnerischen Verteidigungslinie und nutzte den großen Raum zwischen der Aufbau- und Angriffslinie der Bochumer, um Klärungen zu sichern und Konter einzuleiten.

Regensburg pflegt Breite ein, Zeidler antwortet mit Asymmetrie

Natürlich hatte sich der VfL Bochum auch Gedanken über das Spiel gegen den Ball gemacht. Bochum agierte im Pressing in einem 4-2-2-2: Broschinski und Hofmann deckten die Regensburger Innenverteidiger und orientierten sich auch an deren horizontalen Bewegungen, wodurch der Raum zwischen den Stürmern groß wurde. Dies führte dazu, dass sich die zentralen Mittelfeldspieler des Jahns immer weiter in diesen freien Raum zurückfallen ließen. Bero, Losilla und Daschner rückten dabei mannorientiert auf Viet und Ernst nach. Durch die sehr enge Anordnung öffnete sich neben ihnen jeweils einiges an Raum. Sissoko sollte den offenen Raum im Rücken der Mittelfeldspieler raumorientiert abdecken und musste dabei teilweise auf 2-gegen-1-Situationen, wie sie beispielsweise Geipl und Kother herstellen konnten, reagieren.

Spielaufbau des Jahns gegen Bochums Mannorientierungen

Torwartkette ermöglicht Überzahl im tiefen Aufbauspiel

Ein Problem für die Bochumer war, dass Gebhardt sehr aktiv im Ballbesitz agierte. Er ließ sich mehrfach zwischen die Innenverteidiger fallen, wodurch ein breiter Dreieraufbau gegen den Doppelsturm entstand. Durch diese tiefe Überzahl hatte der VfL Schwierigkeiten, gezielt Druck auszuüben. Gleichzeitig kam den Bochumern zugute, dass es seitens des Jahns nur begrenzt aktive Freilaufbewegungen gab, sodass das Spiel eher statisch blieb. Im Zwischenlinienraum sollte Geipl durch ein zentrales Abkippen Sissoko aus seiner raumorientierten Position herausziehen, was ihm jedoch durch dessen Raumorientierung nur bedingt gelang. Dadurch hing Kother, wie in dieser Situation, ballfern in der Luft und war schwer zu finden, auch weil die Bochumer Innenverteidiger oft aggressiv herausrückten. Allgemein war es wohl der Plan des Jahns, dass man den VfL vertikal auseinanderzieht, um dann die Zwischenräume mit tiefen Bällen und nachstoßenden Läufen zu attackieren. Das Auseinanderziehen war erfolgreich und die erste Aufbaulinie über die breiten Innenverteidiger hatte auch genug Zeit, diese Bälle zu spielen. Die Aktivität in den Mannorientierungen und die gute Tiefensicherung der Bochumer Innenverteidiger konnten jedoch den weiteren Plan weitgehend verhindern.

Außerdem agierte der Jahn trotz der Kontrolle im Aufbau eher direkt, mit langen Bällen auf Zielzonen wie den Zwischenlinienraum oder den Flügel. Besonders die 2-gegen-1-Situation am rechten Flügel, die durch das hohe Aufrücken von Ziegele, dem rechten Halbraumverteidiger, und Pröger als Flügelverteidiger entstand wurde gesucht. Sie war zwar aus dem tiefen Aufbau heraus schwer anzuspielen, aber die Überzahl schuf immer wieder freie Spieler. Wittek suchte im strukturierten Pressing früh die Mannorientierung zu Pröger, der relativ früh hochschob, wobei Bochum situativ mit einer Dreierkette verteidigte. Das Verteidigungsverhalten von Wittek führte dazu, dass Ziegele immer wieder explosiv aus der Tiefe breit nach vorne schob und sich anbot. So wurde Wittek vor die Frage gestellt, ob er durchschieben sollte, was jedoch durch die Zwischenposition Kothers zu weiteren Zuordnungsproblem hätte führen können.

Fehlende Besetzung des Halbraumes

Durch das Schaffen einer 2-gegen-1-Überzahl auf den Außenbahnen musste der Jahn jedoch Abstriche im rechten Halbraum machen. Der Abstand zwischen Gebhardt und der Überzahl auf der Außenbahn wurde zu groß, sodass dieser Raum nur durch hohe Bälle bespielt werden konnte, die jedoch schwer und vor allem zu langsam zu verarbeiten waren. Die Mannorientierungen auf die Regensburger Zentrumsspieler hätten durchaus diagonale Passwege öffnen können, die der Jahn jedoch nur begrenzt aus der Grundformation heraus bespielen konnte. Das ist besonders bedauerlich, wenn man bedenkt, dass der Jahn nach einer diagonalen Auslösung über die Halbräume mit Temposteigerungen durch beispielsweise Dribblings den Bochumern aus dem Ballbesitz ähnliche Probleme wie in den Umschaltsituationen hätte machen können.

Die Besetzung der Fünferkette verhinderte dies jedoch teilweise, da Pröger Aufdrehbewegungen aus tiefen Positionen eher mied und stattdessen aus der Breite heraus in die Tiefe geschickt werden wollte. Ziegele als nomineller Innenverteidiger fehlten für ein progressives Aufbau- und Offensivspiel die technischen und gruppentaktischen Anlagen. Ähnliches gilt für Schönfelder, welcher zwar immer wieder den Raum für das Empfangen der Bälle hatte, aber nicht in der breiten Anordnung direkt angespielt werden konnte. 

Bochumer Zugriffsprobleme nach Ballverlust

In Umschaltsituationen jedoch stellte Regensburg den VfL Bochum immer wieder vor Probleme, indem sie auf ballschleppende Dribblings setzten. Der VfL versuchte, mit Sissoko und den leicht aufgefächerten Achtern das Aufbauspiel und die langen Bälle der Regensburger zu verteidigen, indem sie die Zielräume in Rauten (in grau) umstellten. Die Kompaktheit dieser Räume war nicht immer gegeben, weil Kother oft aus der Tiefe heraus vorrückte, was die Bochumer Verteidigungslinie dazu zwang, etwas nach hinten zu verschieben, um die Tiefe zu sichern (roter Kreis).

Beispielhafte Kontersituation der Regensburger

In der spezifischen Situation konnte Kühlwetter einen zweiten Ball am Rande der Raute sichern, was sofort dazu führte, dass die Regensburger Flügelverteidiger und Achter tief in die Schnittstellen liefen, um den Ball zu bekommen, Richtung Tor zu dribbeln, abzuschließen oder ein Foul zu ziehen. Sissoko hatte als Anker der Rauten Probleme, den schnellen Dribblings und dem aggressiven Nachrücken zu begegnen. Der Einsatz von Kai Pröger als Flügelverteidiger zahlte sich in solchen Situationen aus, da er die offenen Räume gut antizipierte und mit seinem guten Antritt zu einem ständigen Unruheherd wurde.

Der Jahn konnte den Ball mehrmals im Kombinationsraum vor der gegnerischen Verteidigungslinie sichern. Dennoch gelang es ihnen selten, großflächig kontrollierte Mittelfeldszenen aufzubauen, um dann die losen Mannorientierungen Bochums auszuspielen. Der VfL schaffte es nicht, die Räume konsequent zu schließen und die Abstände zwischen den Spielern klein zu halten. Druck entstand meist nur durch den jeweils nächstgelegenen Bochumer Spieler. Passlack und Wittek stellten sich zudem teilweise zu breit auf und verloren so den Zugriff auf Bälle in der zu verteidigenden Zone. Dies öffnete den Raum zwischen Innen- und Außenverteidiger, was sich grad mit Kother auf rechts als gefährlich erwies.

Die kleinliche Linie des Schiedsrichters kam den Regensburgern ebenfalls zugute. So konnten sie relativ einfach Foulspiele provozieren und aus guten Positionen Freistöße herausholen, was ihnen erlaubte, in Ruhe nachzurücken und den VfL durch Gegenpressing im eigenen Drittel zu halten. Dies führte zu kurzen Druckphasen für den Jahn.

Insgesamt gelang es Regensburg nur bedingt, ihr Offensivpotenzial auszuschöpfen, da das Team phasenweise zu einer stark vertikal ausgerichteten Spielweise tendierte. Statt das Tempo im Aufbau gezielt zu variieren und den Gegner durch gezielte Spielverlagerungen in ungünstige Positionen zu manövrieren, konzentrierten sich die Regensburger verstärkt auf direkte und vertikale Aktionen. Mit einer besseren Ballzirkulation und mehr Geduld im letzten Drittel hätte man Bochum möglicherweise in Situationen zwingen können, die zu größeren Chancen geführt hätten. Letztlich waren es jedoch die disziplinierte Defensivarbeit und die Effizienz im Spiel gegen den Ball, die trotz einer mittelmäßigen Anzahl an Abschlüssen – insgesamt sechs Schüsse auf das Tor – den Erfolg brachten.

Der VfL verliert die Kontrolle über das Spiel

Nach der Pause zeigte Regensburg wieder das hohe gesteckte Pressing. Dadurch ging es wild hin und her, da Bochum nun mehr versuchte, direkt hinter die Linie zu spielen. Ab der 57. Minute kam Jahn Regensburg dann zu vielen guten Situationen. Die Achter und Außenverteidiger der Bochumer mussten dem wilden Spiel langsam Tribut zollen, wirkten müde und kamen nicht mehr immer hinterher.

Etwas mehr Spielkontrolle wäre für den Bundesligisten in dieser Phase hilfreich gewesen, um Kräfte zu schonen und um wieder ins Gegenpressing zu kommen. Ab der 65. Minute waren die Außenverteidiger und Achter endgültig durch. Beim Konter vor dem Standard zum Tor, spielte Wittek den Fehlpass und Passlack kam erst nicht hinterher, so dass Loosli und Drewes Kopf und Kragen riskieren mussten.

Die Ecke zum 1:0

Das Tor

Der VfL Bochum verteidigte Ecken grundsätzlich aus einer raumorientierten Deckungsweise. Dies gelang meist gut, jedoch gab es beim Gegentor Schwächen in den Zuordnungen und Übergaben, die wir im folgenden analysieren wollen.

Im ballfernen Bereich des Fünf-Meter-Raums entstand eine 3-gegen-2-Überzahlsituation zugunsten des SSV Jahn Regensburg.  Diese wurde aber scheinbar für die Überzahl direkt vor dem Tor in Kauf genommen, da Sissoko und Loosli als Spieler davor hätten übernehmen können. Der Fokus auf die zentralen Räume wurde voraussichtlich auch dadurch begünstigt, dass sich Kother vor dieser Zone positionierte und eine mannorientierte Deckung provozierte, die einen Bochumer Verteidiger aus dem zentralen Zugriffsbereich zog.

Mit der Ausführung nutzen die Regensburger Spieler in dieser Überzahl gegenläufige Bewegungen, um die beiden hintersten Bochumer Verteidiger Broschinski und Bero im Rücken zu blocken und Ernst so frei zu bekommen. Mit dem Ball ans lange Ecke rückten Sissoko und Loosli direkt neben Broschinski und Bero, da sie wohl erwarteten, dass einer der beiden auf Ernst anläuft, was jedoch nicht passierte. Somit wurde die Überzahl im Zentrum völlig unnötig aufgegeben. Dazu rückten dann Bero und Sissoko in der Folge gemeinsam auf Ernst, so dass der vorher doppelt gedeckte Ballas nun völlig frei stand.

Ein weiterer taktischer Aspekt war, dass der Jahn einen Spieler kurz kommen ließ, was einen weiteren Bochumer Verteidiger aus der zentralen Raumverteidigung herauszog. Dies eröffnete Lücken, die Kother geschickt ausnutzte. Zusätzlich wurde ein Jahnspieler am Halbkreis der Strafraumgrenze unnötigerweise markiert, obwohl dieser lediglich zur Absicherung für mögliche zweite Bälle bereitstand. Diese Entscheidungen führten dazu, dass die zentrale Absicherung weiter geschwächt und instabiler wurde.

Nach dem Flipperball nach Ernsts Flanke, der leider genau vor den Füßen von Ballas landete, bilden Loosli und Hofmann eher eine Mauer als aktiv zu verteidigen. Auch Losilla wirkte sehr teilnahmslos. So konnte der Jahn-Verteidiger resolut vollenden und seine Farben in Führung bringen.

Bei eigenen Standards konnten die Bochumer anders als in der Vorbereitung wenig Gefahr entfachen. Jahn Regensburg setzte hier auf eine klare Manndeckung. Anstatt diese mit Läufen und blockenden Bewegungen zu bespielen, wie dies in der Vorbereitung oft passierte, setzte der VfL in diesem Spiel auf die bekannte Traube, aus der in alle Richtungen angelaufen wird. Dieser Ansatz nahm dem Bundesligisten jedoch die vorher bekannten Stärken und muss somit zurückblickend als Fehlanpassung abgetan werden.

Die Wechsel der Bochumer verpuffen

Nach den Wechseln von Elezi für Losilla und Boadu für Daschner wurde Hofmann zum Zehner, während Boadu vorerst die linke Stürmerposition übernahm. Aus dieser Formation heraus ging jedoch nicht mehr viel. Hofmann als Zehner provozierte noch mehr lange Bälle, wo man aufgrund der fehlenden Kondition nicht mehr in der Lage war, sich rechtzeitig für die zweiten Bälle zu positionieren. So sicherte der Treffer nach einem Standard die Überraschung für die Regensburger.

Fazit

Der VfL Bochum musste sich in der ersten Pokalrunde mit 0:1 gegen den SSV Jahn Regensburg geschlagen geben. Obwohl die Grundstruktur des Teams unter Peter Zeidler solide ist, zeigte sich, dass der Kader konditionell und taktisch noch nicht bereit war für einen derart intensiven Härtetest.

In der ersten Halbzeit konnte Bochum noch gute Phasen verzeichnen, hatte jedoch zunehmend Schwierigkeiten, das hohe Pressing des Jahn zu überwinden. Diese Probleme wurden durch den physischen Zustand der Außenverteidiger und Achter verschärft, die im Verlauf des Spiels nicht mehr in der Lage waren, die notwendigen Wege als Reaktion auf die Spielweise der Regensburger zu gehen.

Der SSV Jahn präsentierte sich hingegen bestens auf den Gegner vorbereitet. Der entscheidende taktische Kniff bestand darin, gezielt die Außenbahnen im 1:1 zu verteidigen und somit im Zentrum Überzahlsituationen herzustellen. So konnte Bochum nicht das gewollte Vertikalspiel aufziehen. Mit flexiblem Pressing und intensiven Phasen zwangen sie Bochum zu vorschnellen Aktionen und bestraften den fehlenden Zugriff auf zweite Bälle mit schnellen Tempowechseln, insbesondere durch Dribblings, und zahlreichen kräftezehrenden Umschaltmomenten. Dies erwies sich letztlich als entscheidender Faktor für den Sieg.

Über die Autoren: MX hat eine Vorliebe für besonders auf Ballbesitz ausgerichtete Mannschaften, steht mittlerweile aber auch auf Relationismus. Neben Der-Jahn-Blog schreibt er auch für miasanrot. Vorher war er im Analysebereich des NLZ von Jahn Regensburg tätig. TW ist eigentlich kein Autor der „Next Generation“, sondern ein alter Hase. Von 2014 bis 2017 war er Teil der Spielverlagerung-Autorenschaft und hat insbesondere den VfL Bochum analysiert. Aktuell schreibt er für das VfL-Bochum-Blog Einsachtvieracht.

AG 21. August 2024 um 09:31

Danke für den guten Artikel – bei Bochum scheint doch einiges im Argen zu sein, wie ich befürchtet hatte. Noch zwei kleine Anmerkungen: in der Grafik mit dem Untertitel „Spielaufbau des Jahns gegen Bochums Mannorientierungen“ scheint Bochum mit 11 Feldspielern zu spielen 😉 Und Regensburg hatte zwar nur 6 Schüsse aufs Tor, aber ansonsten war das doch einiges und ausgeglichen mit 18:18 Schüssen

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