Kurzer Rückblick auf Liverpools Saison 2014/15

Sechs der ersten zwölf Ligaspiele wurden verloren. In der Champions League schied man schon in der Gruppenphase sang- und klanglos aus. Daraufhin folgte eine kleine Blamage gegen Besiktas Istanbul. Im dritten Jahr Brendan Rodgers‘ zeigte der Pfeil eindeutig nach unten.

Große Probleme ohne Suarez

Nach der Fast-Meisterschaft in der Saison zuvor musste das Loch, welches der Abgang Luis Suarez‘ gerissen hatte, gefüllt werden. Weder das 4-2-3-1 noch das 4-1-4-1 funktionierten. Suarez‘ kongenialer Sturmpartner Daniel Sturridge verletzte sich und kam kaum zum Einsatz. Hier zeigten sich bereits bekannte Probleme Rodgers‘ Liverpool. Das ballorientierte Verschieben, die Kompaktheit und die Struktur im Übergang ins zweite Drittel sowie das Gegenpressing öffneten den Gegnern viele Möglichkeiten für effektive Angriffssituationen.

Das war auch in den Jahren zuvor zu sehen sein, doch in der erfolgreichen 2013/14-Saison waren dank Suarez extrem guter Saison, der extremen Durchschlagskraft und ein paar strategischen Punkten diese Probleme deutlich geringer gewesen. Indem Liverpool schon in der Anfangsphase überfallartig presste, den Ball schnell zurückeroberte und zahlreiche Führungstreffer zu Spielbeginn erzielte, fielen ihre Probleme in der Kompaktheit kaum auf.

Beim Angriffspressing definiert man sich durch die Natur des Pressings – die gegnerische Einbeziehung des Torwarts, das hohe Aufrücken der Stürmer in der gegnerischen Hälfte, die Mittellinie als Abseitsgrenze – ohnehin stärker durch die Intensität als durch andere strategische Punkte. Suarez und Co. waren im Pressing hervorragend, nach den zahlreichen frühen Führungen konnte sich Liverpool zurückziehen und aus einer tieferen, simpleren Defensivstruktur kontern. Insbesondere das schwache beziehungsweise inexistente Gegenpressing vieler Mannschaften in der EPL spielte Liverpool hier in die Karten.

4-1-4-1 gegen Real Madrid im Rückspiel

4-1-4-1 gegen Real Madrid im Rückspiel

Ohne Suarez (und ohne Sturridge) konnten sie dies nicht mehr dermaßen durchschlagskräftig praktizieren. Vermutlich hätte man es auch mit Suarez nicht mehr in diesem Ausmaß wiederholen können. Dazu schlugen die Neuzugänge nicht wirklich ein. Weder Balotelli noch Lambert waren wirklich effektive Optionen im Sturm. Lamberts Läufe wurden nicht adäquat eingebunden, wenn er spielte, während Balotelli mit katastrophaler Entscheidungsfindung „glänzte“.

Besonders beim 0:3 an der Anfield Road gegen Real Madrid zeigte sich, wie viele Probleme Liverpool hatte. Liverpool spielte hier sogar eine Raute anstatt der zahlreichen 4-2-3-1 und 4-3-3-Varianten zuvor, doch ohne wirklichen Effekt. Auch das 4-1-4-1 im Rückspiel brachte keinen nennenswerten Erfolg, man verlor mit 1:0. Die klarsten, strategischen Probleme in beiden Partien? Herausrückende Bewegungen wurden vom Kollektiv nicht unterstützt, die Linienabstände waren enorm, die horizontale Kompaktheit war schwach und beim Verschieben öffneten sich viele Lücken.

Um moderne Systeme – insbesondere eine Formation wie die Raute – adäquat gegen Topmannschaften umzusetzen, benötigt man enorm schnelles ballorientiertes Verschieben, eine sichere Struktur zum Verschließen zentraler Optionen und die passenden Abstände innerhalb der Formation.

Neben Rodgers enttäuschten auch einige der Einzelspieler aus individueller Perspektive. Dies lag zwar wie so oft weitestgehend an der mangelnden Einbindung und dem unpassende Kollektiv, dennoch gab es einige klare technisch-taktische Mängel zu beobachten; insbesondere ein Altstar fiel hier negativ auf.

Gerrards lange Bälle waren im Jahr zuvor durch die Strukturen auf dem Flügel und die konstanten Läufe der Stürmer hinter die oftmals hochgeschobene Abwehr der Gegner noch passabel eingebunden, in dieser Saison waren seine zu aggressive Entscheidungsfindung und sein unsauberes Stellungsspiel im Verbund mit seiner abgenommenen physischen Stärke ein enormes Problem.

Torhüter Mignolet leistete sich einige Patzer und war im modernen Torwartspiel öfters unterdurchschnittlich, während die Innenverteidiger – allen voran Dejan Lovren – selten konstante Leistungen zeigten. Einzig Emre Can, gelegentlich Alberto Moreno und einzelne Offensivspieler waren Lichtblicke in einer kollektiv wie individuell überraschend schwachen Mannschaft. Doch Rodgers fand eine überraschende Lösung dafür.

Umstellung belebt Liverpools Saison

Wie schon in der Vorsaison stellte Rodgers im Herbst auf eine pendelnde Viererkette um. Hierbei gab es aber interessanterweise auch einige klare Fünferkettenstrukturen zu sehen. Nominell funktionierte Liverpools flexibles 3-4-2-1/5-4-1 ziemlich gut.

Mit der nominellen Besetzung des Zentrums durch acht der zehn Feldspieler wurden die Mängel im ballorientierten Verschieben durch die Formation aufgefangen. Die Halbstürmer, Lallana und Coutinho meistens, konnten situativ Mittelstürmer Raheem Sterling unterstützen oder sich tiefer zurückfallen lassen. Vielfach positionierten sie sich eng an der Doppelsechs und rückten nur ballnah heraus, während die Flügel von den Flügelverteidigern besetzt wurden. Dadurch gab es immer viel Absicherung und auch wenn die Bewegungen als solche weiterhin schwach waren, fing die positionelle Struktur zahlreiche Probleme auf.

3-4-2-1 als erfolgreichste Telefonnummer

3-4-2-1 als erfolgreichste Telefonnummer

In dieser Phase gab es unter eine Siegessträhne mit 10 Siegen in 14 Spielen. Coutinho und Lallana spielten vorne kreative Pässe, defensiv war man durch die zentrale Besetzung und die vielen Absicherungen deutlich stabiler, dazu gab Sterling als Mittelstürmer dem Team endlich eine Option für die vorderste Front. Jugendspieler Jordan Ibe zeigte einige gute Leistungen und Lazar Markovic fand als Flügelverteidiger endlich seine Rolle in der Mannschaft, Alberto Moreno und die anderen tiefen Außen wurden mit diesem System passender eingebunden. Auch Legionär Emre Can tat sich hervor.

Phasenweise erinnerte seine Rolle als Halbverteidiger an jene David Alabas; defensiv deckte er viel Raum ab, offensiv baute er das Spiel von seiner Halbposition aus intelligent auf und stieß immer wieder mit Ball am Fuß nach vorne. Er schien auf dieser Position mehr Potenzial zu besitzen als auf der Sechs, wo er meistens eingesetzt wurde. Doch die CL-Plätze konnten trotzdem nicht mehr erreicht worden. In den entscheidenden Spielen setzte sich die Konkurrenz ab, desweiteren war der Rückstand ohnehin zu groß.

Die Saisonabschlussphase wurde dementsprechend schwach abgeschlossen. Nach der eindeutigen Niederlage gegen Arsenal stellte Rodgers wieder auf die Viererkette um. Damit kehrten auch die alten Probleme zurück. Einzig Siege gegen QPR und Newcastle, welche die Saison schon im Winter beendet hatten, gab es in den letzten acht Spielen. Auch gegen Hull, Crystal Palace und Stoke City setzte es Niederlagen. Am Ende sogar ein 1:6, welches eine enttäuschende Saison passend abschloss.

Wie es in der kommenden Saison weitergehen wird, bleibt abzuwarten. Ohne Gerrard wird es sicherlich klare Veränderungen geben. Nicht nur ist ein historischer Spieler abgewandert, was die Dynamik in der Kabine und Mannschaftshierarchie verändern wird, sondern auch ein aus taktischer Perspektive polarisierender Spielertyp. Wer ihn ersetzen und welches System Rodgers in nächster Zukunft wählen wird, dürfte eine der spannendsten Fragen an der Anfield Road sein.

Eine andere ist sicherlich, wie sich die Neuzugänge eingliedern werden. Dies wird im nächsten Artikel von Kollege Constantin Eckner behandelt werden.

HK 30. Juli 2015 um 15:03

Liverpool dürfte eine gute Wahl sein. Bin schon auf die Serie gespannt.

Der Satz am Anfang “ musste das Loch….Suarez..nicht gefüllt werden“ ist wohl nicht so gemeint? Eher das Gegenteil?

Antworten

Dr. Acula 30. Juli 2015 um 10:45

find ich super, dass ihr einen artiel hierzu gebracht habt. liverpool ist mit chelsea das einzige PL-team, das ich aktiv verfolge. fande es auffällig, wie gut das 3-4-2-1 wie hier beschrieben einige probleme beseitigte und scheinbar die leistung vom einen auf das andere spiel sofort sichtbar verbessert wurde. dass eine verletzung das wieder vereitelt hat, ist schade und passt gut in die letztens auf SV veröffentlichten reihe zu verletzungen und präventionen der selben.

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