Newcastle besiegt die Saints und verliert dabei
Ein überraschend taktisch und strategisches gutes Spiel endet in der ersten Halbzeit. Danach werden beide Mannschaften simpler und spielen ein neues Spiel bis zum Schlusspfiff. Die erste Spielhälfte ist allerdings eine Betrachtung wert.
Newcastle instabil und präsent durch ein hochaggressives Deckungsschema
Newcastle startete mit einem 4-1-4-1, welches in der Arbeit gegen den Ball beim hohen Pressing zu einem 4-4-2 wurde. Dann rückte Sissoko als linker Achter nach vorne und unterstützte den Mittelstürmer im Pressing, um gemeinsam mit ihm die Innenverteidiger Southamptons zu pressen. Sobald es jedoch wieder ins Mittelfeldpressing ging, zog sich Sissoko nach hinten und Newcastle spielte ein 4-1-4-1. Dieses 4-1-4-1 wurde allerdings enorm aggressiv und intensiv ausgelegt.
Immer wieder wurde in Ballnähe die eigene Position sprintartig verlassen, um Southamptons Spieler zu pressen. Dieses Herausrücken entstand durch situative Mannorientierungen, die minimal zu großen Abstände (ansonsten wären die Sprints kürzer und effektiver beim Herstellen von Zugriff gewesen) in der Formation und natürlich Southamptons schnelle Kombinationen. Dieser Eindruck extremer Aggressivität in einzelnen Situationen entstand auch, weil Southampton mit schnellem Kombinationsspiel den Ball innerhalb Newcastles Formation laufen ließ, woraufhin drei, vier Verteidiger ihre Positionen blitzartig verließen und (vergeblich) pressten.
Allerdings hatte dieses extreme Anlaufen innerhalb der Formationen einen positiven Effekt: Southampton konnte die Angriffe nicht immer zu Ende spielen und begann verstärkt die zentralen Räume im Kombinationsspiel zu meiden beziehungsweise nicht mehr so gezielt durch diese zu kombinieren. Dadurch wurde das Tempo wieder etwas ruhiger, der Rhythmus nahm ab und Newcastle wurde spätestens ab der zweiten Halbzeit präsenter.
Zuvor hatten sie aber enorme Probleme gegen Southamptons interessante Defensivbewegung und Formation.
Southamptons variables Pendeln zwischen 4-4-1-1, 4-5-1 und 4-3-2-1
Die Saints sind wohl mit Chelsea die defensivstärkste Mannschaft der englischen Liga. Unter Trainer Ronald Koeman haben sie auf das gute Fundament von Mauricio Pochettino weiter aufgebaut, wobei sie insbesondere leitende Aspekte und die Horizontalkompaktheit noch verbessert haben. Constantin Eckner hat hierbei schon die Formation zu Saisonbeginn in einem lesenswerten Artikel beschrieben. Das „Bollwerk der Heiligen“ wird aber – wie von einem guten Trainer zu erwarten – immer leichten Anpassungen und Veränderungen unterworfen.
Die grundsätzlichen defensivstrategischen Punkte bleiben hierbei bestehen: Man versperrt die Mitte, agiert möglichst kompakt, schränkt die Zwischenlinienräume ein und leitet den Gegner im Idealfall auf die Flügel, wo er isoliert werden soll. In den letzten Wochen und auch in dieser Partie nutzten sie hierbei ein interessantes 4-4-1-1.
Vereinzelt wurde es zu einem 4-4-2, meistens wurde es aber als 4-5-1 interpretiert, in welchem sich der nominelle Zehner zurückfallen ließ oder der offensivere Sechser vorrückte. Dadurch konnten sie flexibel Druck im gegnerischen Sechserraum erzeugen und höher pressen; die Öffnung der Räume neben dem verbliebenen und nun alleinigen Sechser versperrten sie überaus dynamisch durch die einrückenden Flügelstürmer.
Somit ist hier von einer Mittelfeldkette mit fünf Leuten (obwohl es keine Fünferlinie war) zu sprechen, wo die Flügelstürmer bei Herausrücken der zentralen Spieler und Durchbruchsversuchen des Gegners die Halbräume besetzten. Somit öffneten sie die Flügel und leiteten den Gegner dorthin oder hatten eine sehr aggressive und gute Pressingfalle in der Mitte.
Diese Pressingfalle scheiterte aber in gewisser Weise beim 1:1 – ohne wirklich zu scheitern. Man erzeugte massiven Druck mit dem verbliebenen Sechser und einem eingerückten Flügelstürmer in der Mitte vor der Abwehr, woraufhin Cabella einen überhasteten Pass hinter die Abwehr versuchte. Dieser wäre eigentlich geklärt worden, doch Southamptons Abwehrspieler schoss seinen Mitspieler an und der Ball wurde ins Tor gelenkt.
Nach diesem Tor verflog die Intensität etwas.
Intensitätsabfall sorgt für weniger taktisches Spektakel
Normalerweise werden zähle Spiele mit sicheren Defensivreihen als „Partien für Taktikfreunde“ bezeichnet. Abgesehen davon, dass ich mich von einer solchen Bewertung beleidigt sehe, bewies diese Partie das Gegenteil. Nach dem 1:1 und noch mehr nach der Halbzeitpause waren beide Mannschaften nicht mehr ganz so aggressiv und intensiv, sondern agierten passiver und orientierter auf das stabile Versperren guter Möglichkeiten für die Gegner. Die (defensiv-)taktische Komponente wurde dadurch allerdings nicht betont, sondern verringert.
Weder Newcastles extremes Herausrücken noch die Pressingfallen und flügelleitenden Aspekte Southamptons formativer Umformungen waren noch in diesem Ausmaß zu sehen oder waren auch nur ansatzweise so spektakulär. Beide Teams bauten nun stabiler und ruhiger auf, es gab allerdings kaum große Chancen. Hierbei ist bezeichnend, dass die einzigen besseren Torchancen nach langen Bällen, Standards und schnellen Kontern entstanden. Und noch bezeichnender war Southamptons Siegtreffer; es war nämlich ihr zweites Tor aus dem erst dritten Abschluss.
Diese Statistik zeigt aber nicht nur den Tonus dieses Spiels, sondern wie Newcastles extrem aggressive und formativ gute Formation Southamptons Offensive aus dem Spiel nahm. Insgesamt kam das Spiel nicht über zwanzig Schüsse hinaus, zwei Drittel davon gingen aber auf das Konto Newcastles, welche dennoch verloren. Allerdings waren sie eine der wenigen Mannschaften bisher, welche Southampton taktisch und spielerisch das Wasser reichen konnte.
Koeman brachte aber über eine noch defensivere Ausrichtung nach der neuerlichen Führung und guten, positionsgetreuen, aber defensivorientierten Einwechselungen den Sieg über die Zeit. Newcastles Schlussoffensive blieb unbelohnt.
Fazit
Kein klassisch britisches Spiel; beide Teams waren defensiv taktisch wie strategisch ordentlich, zeigten besonders in weiten Teilen der ersten Halbzeit eine sehr intensive und sehenswerte Leistung gegen den Ball. Southamptons an sich sehr starke Ballzirkulation und offensiv gutes Bewegungsspiel konnte dadurch von Newcastle aus den gefährlichen Zonen gehalten werden.
Southamptons erstes Tor war hierbei nahezu klischeehaft für ein Bespielen eines so starken Pressings und der Nutzung eines Zielspielers. Es war eine Halbfeldflanke von der Seite auf Pellè, der nach hinten ablegte, und der hochtalentierte Ward-Prowse spielte daraufhin den tödlichen Pass auf Elia, der abschloss. Später verflachte das Spiel aber in puncto Intensität zusehends, Newcastle wurde immer dominanter, konnte ausgleichen und musste trotzdem den Rückstand wieder in Kauf nehmen.
Alles in allem war es ein überraschend gutes und sehenswertes Spiel bis zum Seitenwechsel, welches allerdings in der zweiten Halbzeit in einen gewissen Trott verfiel. Daraus resultierte ein chancenarmes Spiel mit dem glücklicheren Ausgang für Southampton.
1 Kommentar Alle anzeigen
Cali 18. Januar 2015 um 23:37
Ward-Prowse ist ein toller Junge, wunderbar ausgebildet. Sehr starkes Passspiel, gute Zweikampfführung und sein rechter Fuß ist der beste seit Gerrards seiner. Für mich Englands Zukunft auf der 6.